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WELTBÜHNE<br />
Hintergrund<br />
Fotos: Jeremy Nicholl/Laif, Hermann Bredehorst, Action Press<br />
Michail Chodorkowski hat am eigenen Leib erfahren,<br />
was es bedeutet, sich mit Putin anzulegen<br />
MICHAIL CHODORKOWSKI<br />
DER ABGESTRAFTE<br />
Es war der 25. Oktober 2003, als die Epoche<br />
der Oligarchen in Russland ziemlich abrupt<br />
endete. Noch Ende der Neunziger galten<br />
die Herren über Russlands Wirtschaft als<br />
mächtig und unantastbar, anders als die gewählten<br />
Politiker. Doch an diesem Tag stürmten<br />
maskierte Polizisten den Privatjet <strong>des</strong><br />
Ölmagnaten Michail Chodorkowski am Flughafen<br />
in Nowosibirsk. Wenig später wurde<br />
Chodorkowski, den sein Unternehmen Yukos<br />
zum reichsten Russen mit einem geschätzten<br />
Vermögen von etwa 15 Milliarden Dollar gemacht<br />
hatte, der Prozess gemacht.<br />
Offiziell lautete die Anklage auf Steuerhinterziehung.<br />
Doch im Grunde war klar:<br />
Chodorkowski ist Putin zu widerspenstig geworden.<br />
Während Chodorkowski noch vor<br />
Gericht stand, begann der blitzschnelle Aufstieg<br />
von Igor Setschin, der damals stellvertretender<br />
Leiter der Präsidentenadministration<br />
war und öffentlich kaum bekannt.<br />
Wer als vermeintlicher Oligarch heute<br />
in der Politik mitmischen will, der kann dies<br />
nur auf Chodorkowskis Art tun – mit großem<br />
Sicherheitsabstand zu Moskau. Seit seiner<br />
Freilassung aus dem Straflager nach einer<br />
zehnjährigen Haft lebt der 50-Jährige<br />
im Ausland. Im März lud der einstige Ölmagnat<br />
die Moskauer liberale Intelligenzia<br />
nach Kiew zu einem Forum mit Vertretern<br />
der ukrainischen Elite. In der ukrainischen<br />
Hauptstadt versuchte er sich als Conférencier<br />
eines „anderen“ Russlands, das sich der<br />
aggressiven Haltung <strong>des</strong> Kremls gegenüber<br />
dem Nachbarland widersetzt.<br />
IGOR SETSCHIN<br />
PUTINS PUDEL<br />
Neun Monate nach Michail Chodorkowskis Festnahme wird Igor Setschin,<br />
53, am 27. Juli 2004 zum Vorstandsvorsitzenden <strong>des</strong> staatlichen Ölkonzerns<br />
Rosneft gewählt. Zum damaligen Zeitpunkt liegt der Konzern<br />
noch weit hinter den „Big Players“ <strong>des</strong> Ölgeschäfts wie Lukoil und Yukos.<br />
Sechs Monate später sichert sich Rosneft mittels einer Strohfirma die<br />
wichtigsten Anteile an Yukos bei einer Zwangsversteigerung und steigt<br />
fast aus dem Nichts zum größten Ölkonzern Russlands auf.<br />
Heute handeln russische Wirtschaftszeitungen Setschin, der wie Putin<br />
einst für den russischen Geheimdienst KGB gearbeitet haben soll und<br />
später bei der Stadtverwaltung in St. Petersburg anheuerte, als den einflussreichsten<br />
Russen – direkt hinter seinem Freund Wladimir Putin. Auch<br />
westliche Politiker messen Setschin großen Einfluss bei, der sich darin ausdrückt,<br />
dass er wegen der Ukrainekrise auf der US-Sanktionsliste steht.<br />
Manche russische Kommentatoren machen Setschin zudem dafür verantwortlich,<br />
kürzlich die Übernahme der russischen Facebook-Variante<br />
Vkontakte durch einen kremlnahen Investmentfonds eingefädelt zu haben.<br />
Es sind solche Geschäfte im Sinne <strong>des</strong> Kremls, mit denen die heutigen<br />
Oligarchen sich Sicherheit und Loyalität <strong>des</strong> Präsidenten erkaufen.<br />
Von der einstigen politischen Macht der Superreichen ist hingegen kaum<br />
etwas geblieben. Während zu Boris Jelzins Zeiten Oligarchen als die eigentlichen<br />
Herren im Land galten und selbst Putin seinen Aufstieg zum<br />
Teil dem damals übermächtigen und im Frühjahr 2013 unter bislang ungeklärten<br />
Umständen gestorbenen Unternehmer Boris Beresowski zu verdanken<br />
hat, sind sich heute die meisten Experten einig: Von Oligarchen<br />
im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Vom Kreml unabhängige<br />
Machtzentren sind Geschichte.<br />
Ziemlich beste Freunde sind Igor Setschin ( rechts ) und der russische<br />
Präsident – sie kennen sich noch aus St. Petersburger Tagen<br />
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<strong>Cicero</strong> – 6. 2014