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Europäisches Sprachdenken Von Platon bis ... - Plansprachen.ch

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Kognitionswissens<strong>ch</strong>aft zu verantworten hatte und zudem au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die<br />

Transformationsgrammatik einführte.<br />

Nietzs<strong>ch</strong>e und Wittgenstein<br />

Den Aussenseiter Friedri<strong>ch</strong> Nietzs<strong>ch</strong>e (1844-1900), der die Spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit des Denkens<br />

no<strong>ch</strong> einmal neu erfand, lässt Trabant im letzten Kap. 7 zu Wort kommen. Zur Spra<strong>ch</strong>e äusserte<br />

si<strong>ch</strong> der radikale Kritiker in seiner Abhandlung „Über Wahrheit und Lüge im aussermoralis<strong>ch</strong>en<br />

Sinn“ von 1873, in der er Spra<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t als „Lüge“, als Abkömmling des Leibli<strong>ch</strong>en<br />

darstellte. Ausserdem bestritt Nietzs<strong>ch</strong>e die Wahrheit in den Worten, anders konnte er si<strong>ch</strong> die<br />

Vielzahl der Spra<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t erklären.<br />

Der österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>-britis<strong>ch</strong>e Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889-1951) s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

verstand das Spre<strong>ch</strong>en der Spra<strong>ch</strong>e als eine Art Spra<strong>ch</strong>spiel bzw. als eine Lebensform, Beispiele<br />

dazu sind Befehlen, Bes<strong>ch</strong>reiben, Vermutungen anstellen, Bitten, Reigen singen usw. Na<strong>ch</strong><br />

Wittgenstein, der die Opposition von Philosophie und Rhetorik aufgehoben hat, ist das<br />

vielfältige Spre<strong>ch</strong>en Teil der vielfältigen gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Praxis der Mens<strong>ch</strong>en. Jedes<br />

mögli<strong>ch</strong>e Spre<strong>ch</strong>en wird so zum Gegenstand der Philosophie. Der Spra<strong>ch</strong>spiel-Idee sind die<br />

Theoretiker der Spre<strong>ch</strong>akttheorie (Austin und Searle) na<strong>ch</strong>gegangen. Also bleibt die Aufgabe<br />

der Philosophie der Auseinandersetzung dieses oder jenes Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong>s na<strong>ch</strong>zugehen. „Die<br />

Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes dur<strong>ch</strong> die Spra<strong>ch</strong>e.“ Die<br />

Spra<strong>ch</strong>e ist eine Wand, gegen die der Verstand anrennt und si<strong>ch</strong> „Beulen“ holt. Weder bei<br />

Wittgenstein, no<strong>ch</strong> bei Martin Heidegger (1889-1976) findet man eine Sympathie für die<br />

wunderbare Vielfalt des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Geistes in Ausprägung seiner historis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>en. Mit<br />

diesen Philosophen bre<strong>ch</strong>en Trabants Betra<strong>ch</strong>tungen leider ab.<br />

Zur Bedeutung der Kohäsion zwis<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aft und Spra<strong>ch</strong>(analys)e s<strong>ch</strong>reibt<br />

Trabant, der si<strong>ch</strong> am Ende seines Werk selbst als Spra<strong>ch</strong>denker vorstellt, das Folgende:<br />

„Angesi<strong>ch</strong>ts der Bedeutung, die die Wissens<strong>ch</strong>aft heute in unserer Welt spielt, kann die<br />

Wi<strong>ch</strong>tigkeit der spra<strong>ch</strong>analytis<strong>ch</strong>en Bemühungen um die Regeln des ‚vernünftigen Redens’ gar<br />

ni<strong>ch</strong>t bestritten werden. Diese Philosophie ma<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> ihre gereizte Empfindli<strong>ch</strong>keit gegenüber<br />

der natürli<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e einerseits das Ausmass deutli<strong>ch</strong>, in der unsere alltägli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e das<br />

Denken offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> determiniert. Sie ma<strong>ch</strong>t andererseits aber au<strong>ch</strong> klar, dass man für die<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft und das präzise Denken dieses ‚unwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e’ Denken in Spra<strong>ch</strong>e<br />

disziplinieren muss und kann. Man kann dur<strong>ch</strong>aus über die Spra<strong>ch</strong>e hinausdenken, man kann<br />

und muss für das wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Spre<strong>ch</strong>en die alltägli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e ‚vertilgen’, wie Humboldt<br />

gesagt hat. Gelungene Spra<strong>ch</strong>analyse oder einfa<strong>ch</strong> eine gut geregelte Wissens<strong>ch</strong>aftsspra<strong>ch</strong>e sind<br />

damit au<strong>ch</strong> exzellente Beweise gegen den spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Relativismus, der si<strong>ch</strong> der ‚Verhexung’<br />

dur<strong>ch</strong> die Spra<strong>ch</strong>e genüssli<strong>ch</strong> oder genüssli<strong>ch</strong> klagend hingibt.“ Die Darstellung der<br />

hundertjährigen Entwicklung der analytis<strong>ch</strong>en Philosophie ist von Trabant ni<strong>ch</strong>t vorgesehen, er<br />

verweist auf eins<strong>ch</strong>lägige Einführungen in dieses Thema.<br />

Trabants Fazit: Es wäre s<strong>ch</strong>ade, wenn die einzelnen Spra<strong>ch</strong>en vers<strong>ch</strong>winden würden,<br />

denn die vers<strong>ch</strong>iedenen Spra<strong>ch</strong>en seien vers<strong>ch</strong>iedene Weisen, die Welt zu sehen, die Welt<br />

ers<strong>ch</strong>einen zu lassen, die Welt zu entdecken. Wenn es nur no<strong>ch</strong> eine Spra<strong>ch</strong>e auf der Welt geben<br />

sollte, ist viellei<strong>ch</strong>t das kommunikative Paradies verwirkli<strong>ch</strong>t, glei<strong>ch</strong>zeitig aber au<strong>ch</strong> die<br />

kognitive Hölle, ein Triumph der Dummheit. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> gehe die objektive Wahrheit aus der<br />

ganzen Kraft der subjektivem Individualität hervor, wie Humboldt 1820 in einer Rede sagte.<br />

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