Von der Kunst des Verführens - POS+SIGN
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POS+Sign<br />
<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>Kunst</strong><br />
<strong>des</strong> Verführens<br />
Mit Madeleine Wellern, <strong>der</strong> Leiterin <strong>des</strong><br />
Visual Merchandising bei Tchibo, sprach<br />
Albrecht Fischer über das Berufsbild <strong>des</strong><br />
Visual Merchandisers.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Was ist eigentlich ein Visual Merchandiser?<br />
Madeleine Wellern: Visual Merchandising ist bildhaftes<br />
Verkaufen. Das Produkt muss sich – wenn es entsprechend<br />
präsentiert wird – von alleine verkaufen. Es ist ein<br />
stummes Verkaufen. Das Ziel ist es, das Produkt so zu<br />
inszenieren, dass <strong>der</strong> Kunde kommt, es anfasst und es haben<br />
will. Als Visual Merchandiser sind wir für die Ware<br />
da. Wir sind dazu da, die Ware zu verkaufen und an den<br />
Mann zu bringen.<br />
Ron Pompei drückt es so aus: „Man muss den individuellen<br />
Wunsch <strong>des</strong> Kunden erkennen, Bestandteil einer<br />
Community mit gemeinsamen Werten zu sein. Brands<br />
sind heutzutage in <strong>der</strong> Lage, zusammen mit ihren Kunden<br />
eine einzigartige Community zu bilden. In dieser<br />
Gemeinschaft hat je<strong>der</strong> einzelne Kunde die Möglichkeit,<br />
ein Co-Autor <strong>der</strong> Marke zu werden. Sobald <strong>der</strong> Dialog<br />
Kunde-Marke-Kunde geschaffen wurde, entsteht eine<br />
authentisch wirksame kundennahe Markenkultur.“ Das<br />
führt dazu, dass <strong>der</strong> Kunde das Produkt o<strong>der</strong> die Dienstleistung<br />
wahrnimmt – und was noch wichtiger ist, dass er<br />
sich dafür interessiert. Denn heute ist <strong>der</strong> Markt total gesättigt.<br />
Er ist voll. Wir brauchen im Grunde nichts mehr.<br />
Wir brauchen allenfalls noch Brot und Milch, aber sonst<br />
brauchen wir eigentlich nichts mehr. Vor diesem Hintergrund<br />
gewinnt Visual Merchandising zunehmend an Bedeutung.<br />
Der Visual Merchandiser<br />
kommt dabei aus einer kreativen<br />
Ecke, und das ist<br />
auch wichtig, weil man<br />
heute emotional einkauft.<br />
Dabei zeichnet es den Visual Merchandiser aus,<br />
dass er ein kreativer Mensch ist, <strong>der</strong> diese Kreativität mit<br />
Rationalität verbindet. Er verführt – und zwar ganz bewußt<br />
und ganz überlegt. Er ist ein bezahlter Verführer.<br />
Wer mich bezahlt,<br />
den verführe ich.<br />
3
POS+Sign<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Woran messen Sie den Erfolg von Visual<br />
Merchandising?<br />
Wellern: Der Erfolg von Visual Merchandising<br />
lässt sich knallhart am Umsatz messen: Wir machen<br />
Wir sind kreativ,<br />
behalten aber die Zahlen<br />
im Auge.<br />
schließlich keine <strong>Kunst</strong>. Bereits<br />
in jungen Jahren trug es<br />
sehr stark zu meinem<br />
Erfolg bei, dass ich<br />
schon immer ein sehr<br />
kaufmännisches Denken hatte. Ich war<br />
so für Geschäftspartner immer auch ein<br />
Gesprächspartner auf Augenhöhe, wenn es um Zahlen<br />
ging.<br />
Allerdings geht es nicht darum, Umsatz um jeden<br />
Preis zu erzielen. Bei einer Gestaltung überlege ich mir<br />
stets ein Kriterienraster. Natürlich will ich Umsatz machen,<br />
aber ich muss auch an die Zukunft denken: Was<br />
bringt dieses Produkt, wenn ich es in einer bestimmten<br />
Weise präsentiere? Bringt es einen Langzeitnutzen?<br />
Ist es ein Produkt, bei dem <strong>der</strong> Kunde wie<strong>der</strong>kommt?<br />
Hat es einen Imagenutzen? O<strong>der</strong> bringt es nur<br />
einen schnellen, kurzen Umsatz?<br />
Wenn man sich nackt vor die Tür stellt, um das<br />
Produkt zu verkaufen, wird das kurzfristig den Umsatz<br />
massiv steigern. Aber wollen wir das? Ist das richtig?<br />
An diesem drastischen Beispiel wird schnell klar,<br />
dass nicht alles, was schnell verkauft, auch das ist, was<br />
man will und was auf lange Sicht für eine Marke o<strong>der</strong><br />
ein Unternehmen gut und richtig ist.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Welche Rolle spielt die Evaluation beim<br />
Visual Merchandising?<br />
Wellern: Als ich in dem Beruf anfing, war Evaluation<br />
kein Thema. Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre gab es dann<br />
schon immer mehr echtes Visual Merchandising mit<br />
Flächenmanagement und Flächenberechnung. Man<br />
sprach plötzlich von LUG [Lagerumschlaggeschwindigkeit].<br />
Auch für Tchibo ist das sehr wichtig. Tchibo war<br />
und ist sehr erfolgreich. Es ist ein inhabergeführtes<br />
Unternehmen mit einem sehr guten Fundament. Hier<br />
hat man früher bereits vieles intuitiv richtig gemacht.<br />
Man muss sich klar machen, dass Tchibo ein Stück<br />
deutscher Geschichte ist und schon in den 60er Jahren<br />
jede Woche eine neue Welt und damit eigentlich bereits<br />
Warenbil<strong>der</strong> kreiert hat. Tchibo hat keine Toaster<br />
und keinen Kaffee verkauft. Tchibo hat Warenwelten<br />
verkauft. Das ist Visual Merchandising. Und es wurde<br />
sehr schnell verkauft. Es wurde jede Woche gemacht.<br />
Das heißt, sie haben sehr schnell gedreht.<br />
Seinerzeit hat Tchibo das alles intuitiv gemacht.<br />
Heute bestimmt <strong>der</strong> Kunde<br />
den Anspruch <strong>der</strong> Präsentation.<br />
In den letzten<br />
Jahren hat die Informationsdichte<br />
stark zugenommen. Fernsehwerbung, Außenwerbung<br />
und sogar ganze Filme wie beispielsweise<br />
„Der Teufel trägt Prada“ – Werbung ist omnipräsent.<br />
Die Kunden werden so zu Produkten hingeführt, aber<br />
gleichzeitig ist dadurch das Anspruchsniveau deutlich<br />
höher.<br />
Wir haben einen Beruf, <strong>der</strong> unheimlich nah am<br />
Zeitgeist agiert. Als Visual Merchandiser kann ich<br />
nicht auf dem Land leben. Ich muss immer den Bezug<br />
haben zu dem, was gerade los ist. Trend- und Marktbeobachtung<br />
sind unerlässlich. Wir müssen ja laufend<br />
neu verführen. Und das ist nicht spielerisch. Das ist<br />
echte Arbeit.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Wie hat sich das Berufsbild im Laufe <strong>der</strong><br />
Zeit verän<strong>der</strong>t?<br />
Wellern: Es hat sich stark verän<strong>der</strong>t. Früher hat man<br />
nur dekoriert, und <strong>des</strong>wegen wurde dieser Beruf auch<br />
nicht ernst genommen. Wir haben daher auch die<br />
Ausbildungsordnung umgeschrieben, weg von <strong>der</strong><br />
Plakatmalerei und dem rein Gestalterischen hin zur<br />
Integration eines Warenwirtschaftsansatzes. Heute<br />
holen wir uns, bevor wir anfangen, alle Informationen:<br />
Wie wurde die Ware eingekauft? Was verdiene<br />
ich an einem Produkt? Welche Mengen sind am Lager<br />
und schnell verfügbar? – Wenn ich all diese Informationen<br />
habe, dann fange ich an zu verführen. Heute<br />
kann ohne Visual Merchandiser keiner ein Shopkonzept<br />
erstellen o<strong>der</strong> einen Laden kreieren. Denn wenn<br />
ich nicht weiß, was ich verkaufen will und wie ich es<br />
verkaufen will, dann ist das so, wie wenn ich ein Haus<br />
einrichte ohne die Familie zu kennen, die es hinterher<br />
bewohnen soll.<br />
Man arbeitet daher sehr eng mit <strong>der</strong> Architekturabteilung<br />
zusammen. Die richtige Ladenarchitektur<br />
wird immer wichtiger. Wenn ich heute einen Bauplan<br />
sehe, will ich zunächst wissen, was <strong>der</strong> entsprechende<br />
Laden erwirtschaften muss. Dann kann ich beispielsweise<br />
überlegen, wieviele Stän<strong>der</strong> ich benötige und<br />
wieviel Nutzfläche ich dem Produkt bieten muss, damit<br />
überhaupt die gegebenen Kosten erwirtschaftet<br />
werden können. Erst danach entsteht das Kreative darumherum.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Das hört sich recht komplex an. Kann ein<br />
Visual Merchandiser das alles bewältigen?<br />
Wellern: Ich habe hier bei Tchibo eine große Abteilung<br />
mit 22 Mitarbeitern. Und doch ist es in den meisten<br />
Fällen so, dass wir mit den unterschiedlichsten<br />
Firmen zusammenarbeiten, die ein Konzept umsetzen.<br />
Ich entwickle ein Konzept für ein Haus und überlege<br />
schon, aus welchen<br />
Materialien es sein<br />
könnte und was gerade<br />
Trend ist. Ich baue mir in<br />
Es ist <strong>der</strong> Beruf <strong>der</strong> Zukunft,<br />
weil er sehr, sehr breit ist.<br />
4 www.pos-sign.de
POS+Sign<br />
meiner Abteilung ein Muster und prüfe das Konzept<br />
solange, bis es stimmig und für ein bestimmtes Budget<br />
machbar ist. Schließlich schreibe ich das Ganze dann<br />
aus. Da bin ich dann wie<strong>der</strong> ganz <strong>der</strong> Kaufmann und<br />
muss schauen, wer die Umsetzung am günstigsten machen<br />
kann. Allerdings muss auch die Qualität, die Flexibilität<br />
und die technische Kompetenz stimmen. Es<br />
gibt heute spezialisierte Dekorationsfirmen, die alles<br />
aus einer Hand liefern können und die auch Son<strong>der</strong>wünsche<br />
erfüllen können. Es kann beispielsweise sein,<br />
dass man die Möbel und Dekoration unverpackt geliefert<br />
bekommen möchte, weil man we<strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
zum Auspacken noch die Entsorgungsmöglichkeiten<br />
für Verpackungsmaterial in großem Stil hat. O<strong>der</strong><br />
man benötigt für einen bestimmten Aktionszeitraum<br />
eine Service-Hotline, so dass beispielsweise defekte<br />
Lampen sofort ausgetauscht werden. Es ist aber an<strong>der</strong>erseits<br />
auch gar nicht so ungewöhnlich, dass <strong>der</strong> Visual<br />
Merchandiser zu einem normalen Schreiner o<strong>der</strong><br />
Handwerker geht. Das abwägen und entscheiden zu<br />
können, gehört auch zu unserem Beruf.<br />
Es ist im Moment eine gewisse Unsicherheit im Visual<br />
Merchandising zu beobachten: Soll ich outsourcen?<br />
Soll ich mir von draußen Leute holen? Soll ich<br />
eigene Leute im Unternehmen aufbauen? Es gab eine<br />
starke Tendenz zum Outsourcing. Das war sicherlich<br />
in vielen Fällen gut und richtig. Wenn man aber sieht,<br />
dass die Konzepte immer authentischer werden müssen<br />
und also immer mehr zur Firma und zur Marke<br />
passen müssen, dann bedeutet das, dass <strong>der</strong> Visual<br />
Merchandiser zunächst die Marke und die Firma mit<br />
ihren Werten verstehen muss. Eine Firma kann daher<br />
häufig schneller agieren, wenn sie sich<br />
eine eigene Abteilung leisten<br />
kann und eben nicht unverhältnismäßig<br />
viel Zeit in endlosen<br />
Briefings und Meetings<br />
verliert.<br />
Insgesamt glaube ich, dass<br />
bei<strong>des</strong> seine Berechtigung hat.<br />
Ideal ist meiner Meinung nach<br />
die Kombination aus einem Mitarbeiterstamm,<br />
<strong>der</strong> im Unternehmen<br />
fest angestellt ist, und freien<br />
Mitarbeitern, die nochmals eine<br />
ganz an<strong>der</strong>e Denkweise mitbringen.<br />
Wenn dieses Zusammenspiel<br />
von einem Kern und von Leuten<br />
von außen funktioniert, dann ist<br />
man gigantisch.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Welche Bedeutung hat <strong>der</strong> BDS für Sie?<br />
Wellern: Der Verband ist für mich ganz wichtig, um<br />
Kontakte zu haben. Der Verband hilft mir, viele Dinge<br />
am Markt schnell zu erkennen. Ich glaube, dass heutzutage<br />
eine Vernetzung das Wertvollste ist für jemanden,<br />
<strong>der</strong> im Berufsleben steht. Mit einem guten Netzwerk,<br />
kann ich Aufgaben schneller lösen. Und heute<br />
ist Schnelligkeit entscheidend. Der BDS bietet ein<br />
Netzwerk, das auf einer sehr professionellen beruflichen<br />
Basis agiert. Als Berufsverband kann er im Netzwerk<br />
tatsächlich alle Belange <strong>des</strong> Berufs abdecken.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Wie international agiert <strong>der</strong> Verband?<br />
Wellern: Der Verband ist europäisch, weil die Mitglie<strong>der</strong><br />
europäisch sind. Firmen wie beispielsweise<br />
Tommy Hilfiger o<strong>der</strong> Escada haben schon immer mit<br />
Harrods, Printemps o<strong>der</strong> Corte Inglés zusammengearbeitet.<br />
Diese Firmen haben schon immer ein Netzwerk<br />
gehabt. Für mich war <strong>der</strong> Verband daher schon immer<br />
europäisch. Es geht jetzt mit <strong>der</strong> Umbenennung <strong>des</strong><br />
Vergan<strong>des</strong> nur darum, dies auch stärker ins Bewusstsein<br />
unserer Partner und Mitglie<strong>der</strong> zu bringen.<br />
<strong>POS+SIGN</strong>: Wenn Sie von dem Verband reden, meinen<br />
Sie das Netzwerk, denn abgesehen von einem<br />
halbtags besetzten Büro gibt es ja keine hauptamtlichen<br />
Mitarbeiter.<br />
Wellern: Das ist richtig. Es läuft letztlich alles ehrenamtlich.<br />
Aber je<strong>der</strong> Nachteil hat auch einen Vorteil:<br />
Der Vorteil ist, dass alle absolut im Berufsleben drin<br />
sind. Der Verband hat keine bezahlten Verbandsmitglie<strong>der</strong>,<br />
die weit vom Tagesgeschäft und <strong>der</strong> Realität<br />
weg sind. Und doch ist <strong>der</strong> Verband sehr aktiv. ■<br />
MADELEINE WELLERN<br />
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