KIDS Aktuell - preprintmedia OHG Agentur für Digitale Medien
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Wie ein Praktikant<br />
die Mitarbeiter<br />
einer Betriebskantine<br />
verändert<br />
Einrichtung: Eurest Deutschland GmbH und Hamburger Arbeitsassistenz<br />
Ort: Hamburg<br />
von Grid Grotemeyer<br />
8:30 Uhr, gemeinsames Frühstück, das Küchen-Team<br />
hat sich in die SAP-Kantine gesetzt, die Ruhe vor dem<br />
Sturm. „Heute Morgen musste ich auf Schönheit<br />
machen, also ein bisschen Aftershave drauf“, grinst<br />
Dominic Dober und fühlt sich als Entertainer sichtlich<br />
wohl. Und erzählt, dass er heute zuerst gar nicht kommen<br />
wollte, weil es über Nacht mächtig geschneit<br />
hatte in Hamburg. Also rief er seinen Arbeitsassistenten<br />
Berthold Grund an: „Tut mir leid, ich kann heute<br />
nicht kommen, Blitz-Eis“, zitiert ihn dieser. Gelächter.<br />
„Und wie bist Du dann doch hergekommen?“, fragt<br />
Andreas Nietzold, der Betriebsleiter der Kantine, die<br />
die Eurest Deutschland GmbH im Auftrag von SAP in<br />
der HafenCity bewirtschaftet. „Na mit dem Flugzeug“<br />
lautet die Antwort von Dominic Dober. Wieder lachen<br />
alle. Er weiß, wie er seine Kollegen einfangen kann.<br />
Dominic Dober ist 20 Jahre alt und gebürtiger Stuttgarter.<br />
Selten schleicht sich noch ein „gell“ in seine<br />
Sprache. Als er neun ist, zieht seine Mutter mit ihm<br />
aus der schwäbischen Heimat in die Hansestadt:<br />
„Sie will das Beste <strong>für</strong> mich und hatte hier eine gute<br />
Schule gefunden.“ Er macht 2009 seinen Schulabschluss,<br />
wechselt auf eine berufsvorbereitende<br />
Berufsschule und beginnt im August 2011 die Maßnahme<br />
Betriebliche Berufsbildung bei der Hamburger<br />
Arbeitsassistenz. Beikoch will er werden, sein Traum.<br />
Vier Tage in der Woche ist er <strong>für</strong> sieben Stunden in der<br />
Betriebskantine und einen Tag in der Berufsschule.<br />
Er lebt in einer Wohngruppe, spielt in Projekten des<br />
Thalia-Theaters und trommelt in der integrativen<br />
Band „bitte lächeln“, die im letzten Jahr beim Wettbewerb<br />
„Guildo Horn sucht die Superband“ den zweiten<br />
Platz machte.<br />
Wirklich wissen, wie es läuft. Wie die acht Praktikanten<br />
vor ihm wird auch Dominic Dober in der Eurest<br />
Küche von der Hamburger Arbeitsassistenz unterstützt.<br />
Berthold Grund und Meike Riekmann schauen<br />
abwechselnd und inzwischen nur noch <strong>für</strong> einige<br />
Stunden vorbei und vermitteln, wenn es mal nicht so<br />
gut läuft. Oder legen mit Küchenleiter Matthias Gruß<br />
neue Ziele fest. Die Rolle der Paten übernehmen je<br />
nach Aufgabe abwechselnd alle Mitarbeiter. Dominic<br />
lernt Spülküche, Salatbar, Dessertposten und Essensausgabe<br />
kennen und sammelt schmutziges Kaffeegeschirr<br />
in den Teeküchen auf fünf Etagen ein. „Desserts<br />
zuzubereiten ist nicht meins“, findet er. Der Umgang<br />
mit Maßen und Mengen fällt ihm schwer. Aber er will<br />
keine Schonbehandlung, sondern das „volle Programm.<br />
„Er hat viel gelernt und erledigt viele Arbeiten<br />
selbständig“, urteilt Matthias Gruß. „Er nimmt nicht<br />
mehr alles persönlich, wenn’s mal lauter wird oder<br />
Fehler passieren: „Herr Gruß meckert“, sagt er dann“.<br />
Dominic Dober steht an einem Arbeitstisch und zieht<br />
gewissenhaft die Fäden am Staudensellerie ab. Dann<br />
schneidet er die grünen Stangen in schmale Streifen:<br />
zack zack zack. Seit acht Monaten ist er bei Andreas<br />
Nietzold in seinem dritten Praktikum in der Maßnahme:<br />
„Dominic fügt sich gut ins Team, er ist sehr offen,<br />
lernwillig und fordert uns. Er ist lustig, aber auch ein<br />
sehr guter Arbeiter, immer motiviert, engagiert und<br />
interessiert», meint der Betriebsleiter.<br />
Mitarbeiter verändern sich. Das nimmt die Team-<br />
Mitarbeiter <strong>für</strong> ihn ein. Mit ihm haben sie zum ersten<br />
Mal einen Kollegen mit Down-Syndrom kennengelernt.<br />
Das fordert heraus, denn es passieren ganz<br />
ungewohnte Dinge: „Manche Gespräche wirkten<br />
zunächst ein bisschen fremd. Später haben sich die<br />
Mitarbeiter gefreut, wenn Dominic beim Frühstück<br />
von sich erzählte. Wenn er seine Wertvorstellungen<br />
von Liebe, Sexualität und Zärtlichkeit erklärte, waren<br />
die Frauen schon auch fasziniert“, erinnert sich<br />
Berthold Grund. Momente, in denen der Mensch mit<br />
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<strong>KIDS</strong> <strong>Aktuell</strong> / Nr. 28 – Herbst 2013