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KIDS Aktuell - preprintmedia OHG Agentur für Digitale Medien

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Haltung in Frage zu stellen. Eltern fallen leider viele<br />

Beispiele ein, wenn über unnötige Gängelung oder<br />

Bevormundung in Werkstätten und Wohnheimen<br />

gesprochen wird, aber auch das Fachpersonal empfindet<br />

die Haltung mancher Eltern als eine Erstickung<br />

ihres „Kindes“. Wie die gesamte Gesellschaft unsere<br />

Kinder daran hindert, Erwachsene mit vollwertigen<br />

Rechten zu werden, das erleben wir fast täglich!<br />

Gesetze, Richtlinien und Empfehlung im Umgang mit<br />

Menschen mit Behinderung sind oft nur Lippenbekenntnissen<br />

und stehen leider allzu oft im krassen<br />

Widerspruch zur Realität. Damit unsere Kinder sich<br />

loslösen und wir sie loslassen können, müssen wir<br />

weiter daran arbeiten, dass unsere Kinder in einer sie<br />

respektierenden und wertschätzenden Umgebung<br />

erwachsen werden dürfen.<br />

„Das Haus von morgen“<br />

vorbereiten<br />

Die Loslösungsschwierigkeiten eines behinderten<br />

Jugendlichen sind automatisch an unsere eigenen<br />

Schwierigkeiten mit dem Loslassen gekoppelt. Kann<br />

es <strong>für</strong> die Eltern eines Kindes mit Behinderung größere<br />

Unsicherheit und Angst geben, als die Gefühle,<br />

die durch die Worte von Gibran über „das Haus von<br />

morgen, das ihr nicht besuchen könnt“ hervorgerufen<br />

werden? Was wird „morgen“ sein? Was ist, wenn wir,<br />

die Eltern, nicht mehr da sind? Sich mit dieser Frage<br />

sachlich zu befassen hilft, unsere Ängste zu überwinden,<br />

und verstärkt unsere Motivation, loszulassen.<br />

Das Haus von morgen - die Zukunft - muss jedenfalls<br />

besonders gut vorbereitet werden und so könnten<br />

die Schritte auf dem Weg zum Loslassen wie folgt<br />

aussehen:<br />

– Ziele definieren,<br />

– Informationen sammeln,<br />

– Verbündete suchen - Strukturen vorbereiten /in<br />

Anspruch nehmen,<br />

– den jungen Menschen vorbereiten,<br />

– Eigeninitiative fördern und den jungen Menschen<br />

selbst entscheiden lassen,<br />

– Einschränkungen und Begrenzungen akzeptieren,<br />

– uns selbst vorbereiten.<br />

Ziele definieren<br />

Wenn wir einen neuen Lebensabschnitt beginnen, ist<br />

es unentbehrlich Ziele festzulegen. Ziele mobilisieren<br />

ganz neue Kräfte, sie helfen den Blick nach vorn zu<br />

richten und Ängste und Vorbehalte zu überwinden,<br />

sie mobilisieren neue Ressourcen.<br />

Die Fragen, die sich hier aufdrängen sind:<br />

– Wann ist es sinnvoll, dass unser Kind das Elternhaus<br />

verlässt: Wenn es einen Platz in der Werkstatt<br />

oder einen Außenarbeitsplatz gefunden hat?<br />

Wenn wir glauben, dass es die nötige Reife hat?<br />

Wenn wir selbst nicht mehr können oder den so<br />

genannten 3. Lebensabschnitt genießen wollen,<br />

ohne die ständige Verantwortung <strong>für</strong> unser Kind<br />

mit Behinderung zu tragen?<br />

– Wo soll es wohnen: in unserer Nähe? Zusammen<br />

mit Arbeitskollegen oder mit Freunden, mit denen<br />

es aufgewachsen ist? In einer stationären Einrichtung,<br />

in einer betreuten Wohnung?<br />

– Und wo befinden sich diese: auf dem Land, wo das<br />

Wohnen billig ist, aber wenig attraktiv in Bezug<br />

Freizeit oder Verkehrsverbindungen? Oder in der<br />

Stadt, wo die Wohnungen über den Sozialträger<br />

nicht bezahlbar sind?<br />

Die Antwort auf die Frage nach den Zielen wird in<br />

jeder Familie anders aussehen. Der Erfahrungsaustausch<br />

darüber ist jedenfalls unumgänglich.<br />

Informationen sammeln<br />

Wenn unser Kind erwachsen wird, müssen wir uns -<br />

wieder einmal - neues Wissen aneignen und ein ganz<br />

neues Vokabular lernen. Was ist ein persönliches Budget?<br />

Wie beantragt man das? Was heißt Unterstützte<br />

Beschäftigung oder Integrationsunternehmen?<br />

Welche Wohnmodelle gibt es? Wie funktionieren sie,<br />

was sind die Unterschiede? Welches Einkommen hat<br />

unser Kind? Worauf hat es überhaupt Anspruch? Was<br />

wird bezuschusst? Wie wird die erforderliche Pflege<br />

gewährleistet? usw.<br />

Wir brauchen dieses Wissen, um möglichst realistisch<br />

zu entscheiden. Wir müssen ausreichend informiert<br />

sein, damit wir nicht aufgrund von Vorurteilen falsche<br />

Entscheidungen treffen. Unsere Gefühle können<br />

manchmal zu falschen Entscheidungen führen: Wenn<br />

man junge Eltern fragt, würden sich viele gegen die<br />

frühere Form der Wohnheime mit den vielen Bewohnern,<br />

den relativ strikten und engen Regeln, mit der<br />

– vielleicht größeren – Bevormundung entscheiden.<br />

Dennoch kann eine herkömmliche stationäre Einrichtung<br />

manchen Erwachsenen mehr Schutz bieten<br />

und eine bessere Lösung sein, als das selbstständige<br />

Wohnen mit dem Risiko zu vereinsamen oder mit den<br />

Entscheidungen des täglichen Lebens überfordert zu<br />

sein.<br />

Verbündete suchen – Strukturen<br />

aufbauen / in Anspruch nehmen<br />

Mit Menschen Kontakt aufzunehmen, die in der gleichen<br />

Situation sind, hilft dem Ablösungsprozess. Man<br />

ist nicht mehr allein mit den manchmal unlösbar erscheinenden<br />

Sorgen. Zu den wichtigsten Verbündeten<br />

im Ablösungsprozess sollten auch die Fachleute im<br />

Behinderten- und Pflegesektor gehören, denn mit zunehmendem<br />

Alter der Eltern und der Kinder müssen<br />

wir mehr Verantwortung an sie abgeben. Die Begleitung<br />

und Betreuung des erwachsenen Kindes wird<br />

48<br />

<strong>KIDS</strong> <strong>Aktuell</strong> / Nr. 28 – Herbst 2013

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