ALLTAG IM RHEINLAND - Institut für Landeskunde und ...
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RELIGIOSITÄT<br />
weil wir religiös erzogen worden sind <strong>und</strong><br />
<br />
als Familienmitglied dann auch gesegnet<br />
werden.“ 24<br />
Das Segnen von Gegenständen, zu denen<br />
in diesem Zusammenhang auch die<br />
Tiere zählen, ist im katholischen Glauben<br />
üblich. Das Benediktionale, das katholische<br />
Segensbuch, bietet neben der Vorlage<br />
<strong>für</strong> die Segnung von Tieren u.a. auch welche<br />
<strong>für</strong> Autos, neugebaute Gebäude, Kräuter<br />
<strong>und</strong> Kerzen. 25 Das Kriterium ist dabei<br />
die Verwendung des Gegenstands zum<br />
Wohl <strong>und</strong> Heil der Menschen. Tiere werden<br />
von Seite der christlichen Kirchen zumeist<br />
als Mitgeschöpfe bezeichnet, denen der<br />
Mensch jedoch übergeordnet ist. 26 Die anhaltende<br />
Diskussion über die unsterbliche<br />
Seele auch bei Tieren, zeigt die Uneinigkeit<br />
über deren Status innerhalb der Kirchen<br />
selbst. 27 Diese Uneinigkeit spiegelt sich<br />
auch in den unterschiedlichen Positionen<br />
zur Durchführung von Tiersegnungen der<br />
verschiedenen Gemeinden wider. Es wird<br />
durchaus auch kirchenintern Kritik an der<br />
Praxis der Tiergottesdienste geübt, genauso<br />
wie die Forderung nach einer Handlungsanweisung<br />
der Kirchenleitung zum<br />
Thema Umgang mit Tieren im religiösen<br />
Kontext laut wird.<br />
In den Gesprächen im Anschluss an<br />
den Tiergottesdienst der evangelischen<br />
Gemeinde Aldenhoven wurde vor allem<br />
deutlich, dass die Menschen den Gottesdienst<br />
wegen seiner inhaltlichen Ausrichtung<br />
besuchen. Die Person des Pfarrers<br />
<strong>und</strong> seine kritische Haltung gegenüber<br />
dem Umgang mit Nutzvieh, dem übermäßigen<br />
Fleischkonsum <strong>und</strong> der Diskrepanz<br />
zur Stellung des Haustieres in unserer Gesellschaft<br />
sind hier, neben der Partizipation<br />
aus religiösen Gründen, die primären<br />
Teilnahmemotive.<br />
Das menschliche <strong>und</strong> tierische Publikum<br />
bei Tiersegnungen hat sich komplett<br />
ausgewechselt, wo früher Bauern <strong>und</strong><br />
Landwirte die Teilnehmerschaft bildeten,<br />
sind es aktuell Haus- <strong>und</strong> Freizeittierbesitzer<br />
<strong>und</strong> Menschen, die z.B. therapeutisch<br />
mit Tieren arbeiten, Tierärzte etc.<br />
Die aktuelle Nachfrage nach Tiergottesdiensten<br />
<strong>und</strong> -segnungen zeugt von einem<br />
Bedürfnis der Menschen, das Tier an den<br />
eigenen religiösen oder spirituellen Überzeugungen<br />
teilhaben zu lassen. Hier kann<br />
einerseits auf allgemein zu beobachtende<br />
Spiritualisierungs- <strong>und</strong> Resakralisierungstendenzen<br />
in der Gesellschaft verwiesen<br />
werden. 28 Andererseits zeigt das<br />
kirchliche Angebot, als Reaktion auf die<br />
sich verändernde Stellung des Haustieres<br />
<strong>für</strong> den Menschen, mehr Tiersegnungen<br />
durchzuführen, die erkannte <strong>und</strong> genutzte<br />
Möglichkeit zur Ansprache eines ansonsten<br />
eher kirchenfernen Publikums durch<br />
diese als niedrigschwellig bezeichneten<br />
Veranstaltungen.<br />
Die Einbettung der Segnung in eine<br />
rituelle Handlung wie mit Weihwasser<br />
besprengen, Segnen mit dem Kreuz oder<br />
die bewusste Hinwendung zum Tier durch<br />
die Berührung, ist den Teilnehmern überaus<br />
wichtig, denn es lässt den abstrakten<br />
Wortsegen erlebbar werden. Die Gottesdienste<br />
ziehen Menschen an, die eine tiefe<br />
Verb<strong>und</strong>enheit zu Tieren haben, viele<br />
bezeichneten sich auch selbst als Christ<br />
28 Alltag im Rheinland 2013