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Textbuch - Richard-Müller-Schule Fulda

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4<br />

Die Gesichter der Menschen, seiner Eltern, sie verfolgen ihn. Jedes Wort darüber erdrückt.<br />

Er hat die Brutalität des Krieges noch vor Augen, sieht die Menschen und die Waffen, die<br />

gemacht wurden, um zu töten. Fast hätte es auch sein eigenes Leben gekostet.<br />

Der Mönch fühlt sich krank und müde.<br />

Die anderen Mönche versuchen sich seiner anzunehmen, doch scheitert jede ihrer Bemühungen<br />

an dieser schweren Krise.<br />

Der Mönch spürt, dass er dies mit sich selbst ausmachen muss, dass er eine Lösung für sich<br />

selbst finden muss.<br />

Er fragt sich, ob es richtig sei, über die Schrecken des Krieges zu schreiben.<br />

Die Feder auf den Tisch legend, steht er auf und läuft zu dem einzigen, kleinen Fenster des<br />

Zimmers, an dem der Regen, der seit seiner Heimkehr unaufhörlich in feinen Rinnsälen hinunterfließt.<br />

Der Regen erinnert den Mönch an all die Tränen der Kinder, an seine eigenen<br />

Tränen, seinen eigenen Verlust.<br />

Er kann nun nicht mehr weinen.<br />

Er will nicht mehr daran denken – er wünscht sich so sehr, die Zeit einfach zurückdrehen zu<br />

können. Zurückdrehen zu dem Punkt, an dem er glücklich und sorglos einfach nur seine Aufgabe<br />

erledigen wollte. Es ist natürlich zwecklos, es gibt keinen Weg zurück.<br />

In unzähligen Gebeten fragt er den Herrn nach dem Grund.<br />

Die Stille ist stets seine Antwort. In diese Stille legt der Mönch seine Feder, er will den Krieg<br />

nicht illustrieren.<br />

Er ringt mit sich, viele Tage, viele Wochen, doch es bleibt dabei: Das Hildebrandslied ist<br />

nicht illustriert.<br />

2. Wien<br />

Der farendt Schüler: Unser Zug setzt sich nun wieder in Bewegung und hält in Wien. [Fahrgäste<br />

steigen hinzu] Tausend Jahre sind verstrichen. Das neue Tempo der modernen Zeit<br />

macht zu schaffen, man hascht - mehr oder minder geschickt - nach dem schönen Schein. Die<br />

Texte auf der Grundlage des Essays „Fin-de-siècle“ von Marie Herzfeld deuten kommendes<br />

Unheil voraus, da es den Dekadenten an Handlungsfähigkeit mangelt. „Hysteriker“ und<br />

„Skeptiker“ steigen ein und reflektieren den brüchig schönen Schein ihrer Zeit. Auch beherrschten<br />

Dachbodenfunde mit verschlüsselten Botschaften unsere Phantasie, doch sind wir<br />

bis im Moment den Rätseln der vergilbten Briefe nicht auf die Spur gekommen und haben sie<br />

für später aufgehoben.<br />

So mancher der folgenden Bohemiens ist ein Kunstgenießer, doch die symbolische Kraft, die<br />

Abgründe auslotet und dem Künstler den Weg weist, ist dem Dekadenten nicht beschieden.<br />

2.1 Rollenprofile und –biografien<br />

Rollenprofil einer Skeptikerin<br />

Von Sabrina Leihs<br />

Guten Tag, mein Name ist Claire Vintrin. Ich bin eine alleinstehende Schriftstellerin im Alter<br />

von 24 Jahren, die sich mit den Problemen der Gesellschaft befasst und diese kritisch hinterfragt,<br />

was auch in meinen Werken zum Ausdruck kommt. Schon in meiner Kindheit hatte ich<br />

große Freude daran, meine Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen und auf ein Blatt Papier<br />

zu bringen. Nun bin ich stolz darauf, eine erfolgreiche Schriftstellerin geworden zu sein.<br />

Am liebsten bin ich beim Schreiben mitten im Leben der Stadt, was dazu führt, dass ich momentan<br />

auf der Terrasse eines Cafés sitze und das Treiben ringsum verinnerliche. Ich sehe

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