Das Risiko erkennen - Schaffler Verlag
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Was Reorganisation bringt ::<br />
nen sich aufgrund eines nicht adäquaten Pflege- und Betreuungsniveaus<br />
an der Normalstation verschlechtern und die dann wieder<br />
Intensivpflege benötigen, wäre es aber prinzipiell möglich. Denn<br />
unsere Studie zeigt, dass Patienten, welche ein erhöhtes <strong>Risiko</strong><br />
aufweisen, als solche zu <strong>erkennen</strong> sind – und es gibt auch Möglichkeiten,<br />
ihre Organfunktionen zu verbessern.<br />
Neben der Reorganisation von Intensiveinheiten in sich scheint<br />
auch deren Integration in die Spitalslandschaft von entscheidender<br />
Bedeutung zu sein. Eine Schweizer Studie, welche Wiederaufnahmen<br />
an einem Spital über einen Zeitraum von fünf Jahren<br />
untersuchte, konnte zeigen, dass – abhängig vom Aufnahmegrund<br />
– zwischen 13 und 86 Prozent der Wiederaufnahmen zu verhindern<br />
gewesen wären. 6 Eine Simulationsstudie der Arbeitsgruppe von<br />
Chang zeigte, dass die Post-Intensiv-Sterblichkeit in einem Kollektiv<br />
englischer Intensivstationen um bis zu 39 Prozent verringert<br />
werden kann, wenn die Patienten 48 Stunden länger an der Intensivstation<br />
betreut und so in ihren – noch instabilen – Organfunktionen<br />
stabilisiert werden. 7 Allerdings würde dies – für Großbritannien<br />
berechnet – eine Vermehrung der Intensivbettenkapazität um<br />
etwa 16 Prozent bedeuten.<br />
Strukturelles Problem<br />
Wiederaufnahmen sind eben auch ein strukturelles Problem, jenseits<br />
der Verfügbarkeit von Intensivbetten. Für Patienten, die zwar<br />
nicht mehr intensivpflichtig sind, aber aus verschiedensten Gründen<br />
noch einen erhöhten Pflegebedarf aufweisen, wäre die Betreuung<br />
auf einer „Intermediate Care Unit“ ideal. Doch: Wie viele Krankenanstalten<br />
haben derartige Stationen bzw. sind gewillt, solche<br />
einzurichten, um eine optimale Betreuung von <strong>Risiko</strong>patienten zu<br />
ermöglichen?<br />
Die Frage nach der Optimierung der Prognose von Intensivpatienten<br />
liegt also längst nicht mehr ausschließlich im Bereich des<br />
Mediziners allein, ist nicht nur eine Frage der Güte der Behandlung<br />
– sie ist auch eine Frage der Finanzierung geworden. Die beschriebenen<br />
Studien und Daten zeigen in diesem Zusammenhang,<br />
dass durch eine Reorganisation der intensivmedizinischen Versorgung<br />
operative Kapazitäten in der Intensivmedizin erhöht werden<br />
können. Dazu benötigt es allerdings eine gewisse Weitsicht und<br />
einen Paradigmenwechsel: Statt in frustrane Prozesse wären mehr<br />
Investitionen in entsprechende Strukturen vonnöten. <strong>Das</strong> wäre ein<br />
erster notwendiger Schritt, um durch Reduzierung des Betten- und<br />
Verlegungsdruckes eine Optimierung der Betreuung von <strong>Risiko</strong>patienten<br />
zu ermöglichen. ::<br />
Literatur<br />
1<br />
Miranda DR, Ryan DW, Schaufeli WB, Fidler V (Eds.) Organization and Management of<br />
Intensive Care. In: Vincent JL (Ed.) Update in Intensive Care Medicine, Vol. 29.<br />
Springer-<strong>Verlag</strong> Berlin-Heidelberg 1998.<br />
2<br />
Bastos PG, Knaus WA, Zimmerman JE, Magalhaes A Jr, Sun X, Wagner DP.<br />
The importance of technology for achieving superior outcomes from intensive care.<br />
Brazil APACHE III Study Group. Intensive Care Med 1996;22:664-669.<br />
3<br />
Amaravadi RK, Dimick JB, Pronovost PJ, Lipsett PA. ICU nurse to patient ratio is<br />
associated with complications and resource use after esophagectomy. Intensive Care<br />
Med 2000;26:1857-1862.<br />
4<br />
Metnitz PhGH, Kopp A, Jordan B, Lang Th. More interventions do not necessarily<br />
improve outcome in critically ill patients. Intensive Care Med 2004;30:1586-1593.<br />
5<br />
Metnitz PhGH, Fieux F, Jordan B, Lang Th, Moreno R & Le Gall JR. Critically ill patients<br />
readmitted to intensive care units - Lessons to learn? Intensive Care Med 2003;<br />
29:241-248.<br />
6<br />
Schriber P. Dissertation, Universität Genf, Schweiz 2001.<br />
7<br />
Daly K, Beale R, Chang RW. Reduction in mortality after inappropriate early discharge<br />
from intensive care unit: logistic regression triage model. Br Med J 2001;322:1274-1276.<br />
Foto: Privat<br />
Universitätsprofessor<br />
DDr. Philipp G.H. Metnitz<br />
ist Anästhesiologischer und<br />
Intensivmedizinischer Leiter der<br />
Intensivstation 13I1 an der<br />
Universitätsklinik für Anästhesie und<br />
Allgemeine Intensivmedizin an der<br />
Medizinischen Universität Wien<br />
philipp.metnitz@meduniwien.ac.at<br />
Universitätsprofessor Dr. Michael J. Hiesmayr<br />
ist Leiter der Abteilung für Herz-Thorax-<br />
Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin und<br />
Vorstand der Universitätsklinik für Anästhesie,<br />
Allgemeine Intensivmedizin und Schmerzmedizin<br />
an der Medizinischen Universität Wien.<br />
michael.hiesmayr@meduniwien.ac.at<br />
Leserbrief zum Beitrag „Nosokomiale Infektionen“ von Michael J. Hiesmayr, Elisabeth Presterl<br />
und Philipp G.H. Metnitz in <strong>Das</strong> österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 2011/1-2, Seite 28<br />
Wenn alle den gleichen Blödsinn tun<br />
Ich lese in der letzten Ausgabe der ÖKZ einen<br />
Artikel über nosokomiale Infektionen.<br />
Dabei werden Daten gezeigt über die sogenannte<br />
beatmungsassoziierte Pneumonie.<br />
Als Pulmologe darf ich darauf hinweisen,<br />
dass die Beatmungslunge „evidence<br />
based“ eine Chimäre ist. Es wird dezidiert<br />
in der amerikanischen Literatur gefordert,<br />
dass sie als Qualitätsindikator nicht mehr<br />
verwendet wird. <strong>Das</strong> Problem ist, dass sie<br />
de facto nicht vor dem Tod zu diagnostizieren<br />
ist. Selbst aktuelle Daten aus dem<br />
AKH zeigen, dass diese Diagnose absolut<br />
unbrauchbar ist. Wir haben also hier Daten,<br />
die zwar aufgrund von unbrauchbaren<br />
Daten (welchen eigentlich?) gesammelt<br />
werden, die aber keiner realen Diagnose<br />
gegenüberstehen.<br />
Seit einem Jahr weise ich darauf hin, dass<br />
dieser Indikator evidence based aus dem<br />
europäischen Benchmarking-Projekt der<br />
Intensivstationen herausgenommen gehört.<br />
Dies wird aber von Eminenzen der<br />
Intensivstationen abgelehnt, mit der Begründung<br />
„… wir haben so schöne standardisierte<br />
Ergebnisse und deswegen<br />
wollen wir das nicht aufgeben.“ Wir wissen<br />
zwar nicht, was wir tun, aber das tun<br />
wir standardisiert! Meine Definition von<br />
Benchmarking: „Wenn alle den gleichen<br />
Blödsinn tun.“ Einen besseren Beweis als<br />
das Benchmarking-Projekt der Intensivabteilungen<br />
europaweit gibt es kaum.<br />
Universitätsprofessor Dr. Kaspar Sertl,<br />
Wien, kaspar.sertl@aon.at<br />
52. Jg. (2011), 03 | www.schaffler-verlag.com <strong>Das</strong> österreichische Gesundheitswesen – ÖKZ 41