KAMERAKÖNIG MICHAEL BALLHAUS - Fachverlag Schiele & Schön
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workshop<br />
FILMEMACHER ALEXANDER KLUGE BEI<br />
KAMERAKÖNIG <strong>MICHAEL</strong> <strong>BALLHAUS</strong><br />
FILMEMACHER ALEXANDER KLUGE BEI<br />
KAMERAKÖNIG <strong>MICHAEL</strong> <strong>BALLHAUS</strong><br />
ALEXANDER KLUGE<br />
Alexander Kluge wurde als Sohn eines<br />
Arztes geboren. 1956 promovierte er mit<br />
einer Dissertation über „Die Universitäts-<br />
Selbstverwaltung. Ihre Geschichte und gegenwärtige<br />
Rechtsform“. Nach dem Bestehen<br />
seines Assessorexamens 1958 ließ<br />
er sich in Berlin und später in München<br />
als Rechtsanwalt nieder. Es dauerte jedoch<br />
nicht lange und er wandte sich dem<br />
Filmemachen und der literarischen Arbeit<br />
zu. 1958 absolvierte Kluge ein Volontariat<br />
bei CCC-Film, während Fritz Lang den<br />
Film „Das indische Grabmal“ drehte.<br />
65-mm-Filmkamera<br />
von Arri: Arriflex 765<br />
links:<br />
Neue Compact Prime<br />
Linsen von Zeiss, zum<br />
Beispiel das Distagon<br />
2,9/25 mm mit PL-Mount<br />
für digitale und für Film-<br />
Kameras.<br />
rechts:<br />
Ersetzt das im Interview<br />
angesprochene Macro-<br />
Kilar: Zeiss Master Macro<br />
100 mit Lichtstärke 1:2,0<br />
und 1:1 Abbildung für<br />
Super 35 mm.<br />
Bei den 8. Westdeutschen Kurzfilmtagen<br />
in Oberhausen 1962 war Kluge einer der<br />
Initiatoren des Oberhausener Manifestes,<br />
einer politischen und ästhetischen Unabhängigkeitserklärung<br />
junger deutscher Filmemacher,<br />
in dem die Abkehr vom alten<br />
deutschen Film gefordert wird. In den<br />
1960ern wurde Kluge durch Filme wie<br />
„Abschied von gestern“ (1966) ein wichtiger<br />
Repräsentant des Neuen Deutschen<br />
Films und des Autorenfilms.<br />
Ab 1963 lehrte er als Professor an der<br />
Hochschule für Gestaltung Ulm und leitete<br />
mit Edgar Reitz die Abteilung für Filmgestaltung.<br />
Im selben Jahr gründete er<br />
auch seine eigene Produktionsfirma Kairos-Film.<br />
1973 wurde er Honorarprofessor<br />
an der Universität Frankfurt am Main.<br />
Mit der Gründung der dctp (Development<br />
Company for Television Program) 1987 ist<br />
es ihm gelungen, eine Plattform für unabhängige<br />
Programme im deutschen Privatfernsehen<br />
zu schaffen. Die Gesellschafter<br />
von dctp sind Alexander Kluge (37,5 %), die<br />
japanische Werbeagentur Dentsu (37,5 %),<br />
der Spiegel-Verlag (12,5 %) und die Neue<br />
Zürcher Zeitung AG (12,5 %). Seitdem ist<br />
Alexander Kluge für die unabhängigen TV-<br />
Kulturmagazine 10 vor 11 und Prime-<br />
Time/Spätausgabe in RTL, News & Stories<br />
in Sat.1 sowie Mitternachtsmagazin,<br />
dctp Reportage und teilweise dctp Nachtclub<br />
in VOX verantwortlich.<br />
Ein Spitzlicht ist letztlich ein Gegenlicht, ein<br />
Backlight für eine Szene, das auf die Kamera zu<br />
gerichtet ist.<br />
In den 1960er Jahren haben wir Schwarz-<br />
Weiß-Filme gemacht. Da sah man die eminente<br />
Schönheit der Grauwerte. Das ist ja eigentlich<br />
eine Lichtphilosophie, die stärker<br />
wirkt als Farben...<br />
Nein, das würde ich nicht sagen. Es ist dramatischer,<br />
Schwarzweiß hat mehr Kontraste, wird<br />
stärker mit Schatten beleuchtet. Die wundervollsten<br />
Filme sind schwarzweiß gedreht worden. Die<br />
Farbe bringt noch eine andere Dimension, weil<br />
sie auch dramaturgisch eingesetzt werden kann.<br />
Man kann Farben beispielsweise Menschen zuordnen<br />
oder einer Szene. Das ist der Gewinn<br />
eines Farbfilms. Ich habe immer darauf geachtet,<br />
dass es nicht bunt wird, sondern weich.<br />
Was kann der chemische Film denn heute<br />
noch besser als die Digitaltechnik?<br />
In jedem Fall kann der Film mehr; der Spielraum<br />
ist größer. Der Film, zum Beispiel im<br />
65-mm-Format, hat eine Auflösung von 8 K,<br />
digitale Projektionen haben meist nur 2 K,<br />
manchmal 4 K. Es wird sich weiter entwickeln,<br />
aber es gibt immer noch Geschichten, die digitale<br />
Technik nicht vertragen. Digital schafft<br />
nicht die Weichheit oder die Übergänge. Wenn<br />
ich „The Age of Innocence“ oder „Gangs of New<br />
York“ heute digital drehen müsste – da fehlten<br />
die Zwischentöne. Es ist zu hart, zu glatt. Das<br />
darf nicht sein. Bis jetzt kann digital das noch<br />
nicht, aber es wird es sicher bald können.<br />
Die Bestrebung ist groß, mit der Digitaltechnik<br />
Geld zu sparen. Digital kostet nichts, heißt es so<br />
schön. Aber bislang stimmt das nicht. Zumal<br />
viel mehr gedreht wird, als gebraucht wird. Man<br />
arbeitet ungezielter. Das hat nicht mehr viel mit<br />
Kunst zu tun.<br />
Gibt es denn inzwischen gute Digitalkameras?<br />
Ja, sicher, zum Beispiel von Arri oder Sony. Ich<br />
habe kürzlich mit einer Sony-Kamera gearbeitet,<br />
die einen ungeheuren Kontrastumfang von<br />
ungefähr 13 Blendenstufen hatte. Also, in den<br />
hellsten und den dunkelsten Partien war immer<br />
noch Zeichnung. Der Spielraum der Möglichkeiten<br />
ist da sehr groß.<br />
Wir haben hier im Studio einen Himmel<br />
voller Lampen. Was ist denn die größte Einheit,<br />
die Sie je benutzt haben?<br />
Das größte, was ich benutzt habe, ist eine 20 kW,<br />
aber die hängt man nicht auf. Das kleinste ist ein<br />
Inky, das hat 350 Watt – das wird als Augenlicht<br />
verwendet. Man nennt es auch Catchlight oder<br />
Eyelight.<br />
Wie viel Licht braucht man denn minimal<br />
für einen Film?<br />
Heutzutage hat man Linsen mit Öffnungen von<br />
1:1,4 und Material mit 500 ISO/ASA, das man<br />
leicht auf 1000 ISO/ASA pushen kann. Da genügen<br />
zwei Kerzen für die Beleuchtung.<br />
Sie haben hier heute eine Szene mit vier Kerzen<br />
gedreht, also mit vier Lux. Da haben Sie<br />
ein minimalistisches Bild mit maximalistischer<br />
Technik gedreht – mit 65 mm. Beschreiben<br />
Sie mir mal Ihr Verhältnis zu Kerzen.<br />
Ich mag sehr gerne sehr kleine Licht-Einheiten.<br />
Ich habe in meinem Beruf häufig Szenen nur<br />
mit Kerzen beleuchtet, manchmal waren es einige<br />
mehr als vier. Es ist ein sehr weiches Licht,<br />
auch von der Farbe her sehr schön und warm.<br />
Gerade ein Gesicht kommt dann sehr zart.<br />
Die schönsten Farben sind beim Sonnenaufgang<br />
und -untergang, oder? Kann man das<br />
einfach so aufzeichnen – ist da genug Licht?<br />
Die Magic Hour ist schon toll. Technisch gibt es<br />
heute keine Grenzen mehr. Was das Auge sieht,<br />
kann der Film aufzeichnen.<br />
Sie haben in diesem Workshop mit 65 mm<br />
gedreht. Das ist ja eine große Bildfläche.<br />
Das hat eine ungeheuere Auflösung und in der<br />
Projektion eine große Wirkung. Bei Western hat<br />
man es früher gern für Tagesaufnahmen genutzt.<br />
Die Brennweiten hatten damals kaum<br />
„Wenn man einen Menschen mit längerer Nase<br />
mit kurzer Brennweite aufnimmt, dann sieht das<br />
schrecklich aus. Das wäre eine Karikatur.“<br />
1/4 EUR 866,-<br />
Tiefenschärfe, man musste stark abblenden. Das<br />
ging nur, wenn es richtig hell war. Heute ist das<br />
Material feinkörniger. 35 mm kann auf das größere<br />
Cinemacsope umkopiert werden – das<br />
wird heute meistens gemacht.<br />
Beschreiben Sie mir doch bitte mal die Optiken,<br />
mit denen Sie arbeiten. Jede Optik ist<br />
doch eigentlich ein Individuum, eine handwerklich-künstlerische<br />
Leistung. Zum Bespiel<br />
das 90-mm-Macro-Kilar; eine Optik, die vor<br />
allem für die Aufnahme des menschlichen Gesichts<br />
geeignet ist.<br />
Ja, also das 90er Macro-Kilar wird heute nicht<br />
mehr so viel verwendet. Zeiss hat inzwischen<br />
Optiken erfunden, die schärfer sind, mit denen<br />
man genauso dicht herangehen kann. Vor allem<br />
aber haben sie eine größere Lichtstärke. Das<br />
Macro-Kilar war nie sehr lichtstark. Aber Sie<br />
haben schon recht: Mit dieser Linse kann man<br />
zum Beispiel eine Großaufnahme von einer Pupille<br />
machen. Dazu benutzt man das Macro-<br />
Kilar heute immer noch. Man braucht dann ein<br />
bisschen mehr Licht und man hat eine geringe<br />
Tiefenschärfe – aber es ist immer noch sehr<br />
speziell.<br />
8 zoom 01|09<br />
01|09 zoom 9