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ZBJV 2013 - servat.unibe.ch - Universität Bern

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Die staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tspre<strong>ch</strong>ung des Bundesgeri<strong>ch</strong>ts in den Jahren 2012 und <strong>2013</strong> 793<br />

Datens<strong>ch</strong>utzre<strong>ch</strong>t allgemein - nur in sol<strong>ch</strong>en Fällen, in denen der<br />

Na<strong>ch</strong>teil sa<strong>ch</strong>fremd oder unverhältnismässig sei (E. 7.4.1). Letztli<strong>ch</strong><br />

bedeutet dies, dass die Autonomie des Grundre<strong>ch</strong>tsträgers so lange<br />

als gewahrt gilt, wie er vertretbaren Abwägungen und ni<strong>ch</strong>t unbedingtem<br />

Zwang ausgesetzt ist. Au<strong>ch</strong> insoweit zeigt si<strong>ch</strong>, dass an der Grenze<br />

der Existenznot (Art. 12 BV) ni<strong>ch</strong>t mehr von einer freiwilligen<br />

Vollma<strong>ch</strong>terteilung die Rede sein kann.<br />

Mit zwei Bemerkungen spri<strong>ch</strong>t das Bundesgeri<strong>ch</strong>t Fragen an, die<br />

grundre<strong>ch</strong>tsdogmatis<strong>ch</strong> bisher no<strong>ch</strong> weitgehend ungeklärt sind. Zum<br />

einen wird behauptet, die privatautonome Vollma<strong>ch</strong>t ersetze die gesetzli<strong>ch</strong>e<br />

Ermä<strong>ch</strong>tigung (E. 7.4.2.2); zum anderen wird die Einwilligung in<br />

die Datenerfassung als Grundre<strong>ch</strong>tsverzi<strong>ch</strong>t eingestuft (E. 6.1). Beides<br />

hängt eng zusammen. Indem der Gesu<strong>ch</strong>steller beim Sozialhilfebegehren<br />

eine Vollma<strong>ch</strong>t zur Informationserfassung erteilt, verzi<strong>ch</strong>tet er tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

auf die grundre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Abwehr gegenüber dieser staatli<strong>ch</strong>en<br />

Handlung. Grundre<strong>ch</strong>tsverzi<strong>ch</strong>t bedeutet, dass der Zwangs<strong>ch</strong>arakter der<br />

Beeinträ<strong>ch</strong>tigung entfällt, man also jedenfalls ni<strong>ch</strong>t mehr von einem<br />

spre<strong>ch</strong>en kann, denn dieser setzt s<strong>ch</strong>on begriffli<strong>ch</strong> voraus,<br />

dass der Staat «mit Zwang», d. h. gegen den Willen des Grundre<strong>ch</strong>tsbere<strong>ch</strong>tigten,<br />

handelt. Weil das informationeHe Selbstbestimmungsre<strong>ch</strong>t<br />

gerade die Ents<strong>ch</strong>eidungsfreiheit s<strong>ch</strong>ützt, liegt hier sogar ein tatbestandsauss<strong>ch</strong>liessendes<br />

Einverständnis des Grundre<strong>ch</strong>tsträgers vor: Die<br />

Datenerfassung für die Sozialhilfe entspri<strong>ch</strong>t seinem Willen über die<br />

Verwendung der persönli<strong>ch</strong>en Daten, sodass die informationeHe Selbstbestimmung<br />

gerade verwirkli<strong>ch</strong>t, ni<strong>ch</strong>t beeinträ<strong>ch</strong>tigt wird. Mit anderen<br />

Worten: Wer in die Datenerfassung einwilligt, beseitigt bereits die Betroffenheit<br />

des sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>s. Insoweit hat das Bundesgeri<strong>ch</strong>t<br />

jedenfalls teilweise re<strong>ch</strong>t mit der Aussage, dass die Vollma<strong>ch</strong>t<br />

eine gesetzli<strong>ch</strong>e Ermä<strong>ch</strong>tigung ersetze. Denn wenn es s<strong>ch</strong>on an der<br />

S<strong>ch</strong>utzberei<strong>ch</strong>sbeeinträ<strong>ch</strong>tigung fehlt, jedenfalls aber am Eingriffs<strong>ch</strong>arakter,<br />

dann kommt es gar ni<strong>ch</strong>t mehr zur Prüfung der gesetzli<strong>ch</strong>en<br />

Grundlage na<strong>ch</strong> Art. 36 Abs. 1 BV. Allerdings bedarf es einer Eins<strong>ch</strong>ränkung.<br />

Entbehrli<strong>ch</strong> wird nämli<strong>ch</strong> nur die Grundlage für die Re<strong>ch</strong>tfertigung<br />

von Eingriffen, ni<strong>ch</strong>t hingegen die Grundlage für die Einwilligungsregelung<br />

selbst. Dass der Gesetzgeber im SHG wie au<strong>ch</strong> sonst<br />

überall im Datens<strong>ch</strong>utz die Einwilligung explizit in das Gesetz aufnehmen<br />

muss, folgt s<strong>ch</strong>on aus dem allgemeinen Legalitätsprinzip des Art. 5<br />

Abs. 1 BV. Die Verwaltung dürfte ohne Grundlage im Gesetz au<strong>ch</strong> mit<br />

dem Willen der Betroffenen gar ni<strong>ch</strong>t tätig werden.

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