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MEHR STIL<br />
1946: Vespa 98: Die Mutter<br />
aller Motorroller fährt durch<br />
Italiens Straßenbild.<br />
1955: Vespa 150: Der<br />
Scooter durchbricht die 100<br />
Sachen-Schallmauer<br />
Dabei war der Anfang des Vespa-<br />
Kults gar nicht so friedliebend:<br />
Denn einmal im Jahr wurde sich<br />
geprügelt. Im ganz großen Stil. Im englischen<br />
Seebad Brighton. Damals. In den Sechzigerjahren.<br />
Sie fuhren aus dem Swinging London in die Beschaulichkeit<br />
an der britischen Kanalküste, um<br />
sich „eins über die Mütze“ zu geben. Rocker und<br />
Mods. Der Unterschied, der die Schläge setzte,<br />
war: die Rocker kamen mit dem Motorrad, die<br />
Mods mit der Vespa. Dazwischen lagen Welten.<br />
Das war nicht nur pure Prügelei, sondern das<br />
war die Auseinandersetzung um Lebensstil, um<br />
Jugendkultur, um ewigwährende Coolness. Gewinner<br />
gab es keine in diesem Kampf zwischen<br />
Upperclass Kids und Arbeiterkindern. Doch ein<br />
Sieger stand bald fest: die Vespa. Der Motorroller<br />
aus Italien ist heute noch Kult, während Rocker<br />
sich in Bandenkriegen verlieren und Mods längst<br />
eine Fußnote in der Geschichte sind. Und mit dem<br />
Kult blieb vor allen Dingen eines: ein Lebensgefühl.<br />
Ein Herz und eine Krone<br />
Da waren zunächst ein Herz und eine Krone.<br />
Ein amerikanischer Film – mit dem Originaltitel<br />
„Roman Holiday“ – aus den Fünfzigerjahren<br />
mit Audrey Hepburn und Gregory Peck in den<br />
Hauptrollen. Die Handlung ist schnell erzählt:<br />
Eine Prinzessin (Hepburn) aus einem Fantasieland<br />
ist auf Staatsvisite in Rom. Sie bricht aus<br />
dem höfischen und diplomatischen Zeremoniell<br />
aus und macht eine Sause in der Stadt des Dolce<br />
Vita. Begleitet wird sie von einem amerikanischen<br />
Journalisten (Peck), der auf die große Story hofft,<br />
sich dann – wie sollte es auch anders sein – in die<br />
anmutige Prinzessin verliebt. Rom erkunden die<br />
beiden nicht mit dem Taxi und nicht mit der<br />
Limousine, sondern mit der Vespa. Damit war der<br />
Grundstein zum Mythos des leichten Lebens, des<br />
süßen Nichts und der Ewigkeit des Augenblicks<br />
gelegt. Hinzu kam, dass Peck selbstredend in<br />
einem maßgeschneiderten Anzug auf dem Roller<br />
saß, während Hepburn – wie immer ganz stilsicher<br />
– im Look der Fiftys Mode und Ton angab.<br />
Diese Stilsicherheit übernahmen die Mods etwa<br />
zehn Jahre später. Sie waren stets gut gekleidet,<br />
edel im Geschmack und vor allen Dingen mobil.<br />
Doch nicht mit öltriefenden Ketten, knatternden<br />
Auspuffrohren, offenliegenden Motoren, sondern<br />
mit diesem Hauch von Noblesse, die eine Vespa<br />
ausstrahlt, wenn sie sich ihre Schlupflöcher im<br />
Stadtverkehr sucht. Die Geschichte der Vespa beginnt<br />
bereits 1946. Enrico Piaggio gibt die Serienproduktion<br />
des Motorrollers in Auftrag. Eigentlich<br />
war er Flugzeugbauer, doch nach dem Krieg<br />
war das Geschäft mit den Fliegern mühselig. Also<br />
erhoffte er sich eine neue Einnahmequelle. Und<br />
fand sie. Grund dafür war auch das geschickte<br />
Marketing, das Piaggio unternahm, um seine Vespa<br />
zunächst an den Mann, dann auch an die Frau zu<br />
bringen. Schon in den Fünfzigerjahren gehörte der<br />
Motorroller zum Straßenbild italienischer Städte<br />
wie der VW Käfer zu deutschen Dörfern. Die<br />
Mods machten daraus später ihren eigenen Film:<br />
Quadrophenia kam zwar erst Ende der Siebzigerjahre<br />
in die Kinos, basierte aber auf dem legendären<br />
Album von The Who. Mit all den Hits,<br />
dem ganzen Sound einer Epoche, dem Willen,<br />
dem Werden, dem Fernweh – und auch der Korrektheit.<br />
Stiff Upper Lip<br />
Die Vespa war und ist Stil. Aber auch eine Aussage.<br />
Eine eindeutige. Wer sich heute für den<br />
Roller entscheidet, der will nicht mit einer Harley<br />
Davidson in den Sonnenuntergang biken, der will<br />
nicht im übertechnisierten Wagen stundenlang<br />
einen Parkplatz suchen, sondern sich als Stadtmensch<br />
zielsicher fortbewegen oder spontan einen<br />
Ausflug wagen. Er möchte unabhängig sein, den<br />
Fahrtwind spüren. Im gehörigen Maß. Das kann<br />
man mit einer Stiff Upper Lip abtun und belächeln.<br />
Doch in den Städten ist die Vespa durchaus<br />
ein Vehikel der Zukunft. Günstig im Verbrauch,<br />
wendig, urban. Auch in Bonn gibt es diesen<br />
Mythos. Der Vespa-Club Bonn lebt diesen Kult<br />
und lädt Vespa-Interessierte gerne zu heimeligen<br />
wie hemdsärmeligen Clubabenden ein.<br />
Mittwochs abends wird auch Bonn zur Vespa-<br />
Hauptstadt – am Rhein. Am Fähranleger Niederdollendorf<br />
trifft sich die „Fähr Gang“ zur ►<br />
3&50 exklusiv<br />
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