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3&50exklusiv_Sommer_2014

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MEHR STIL<br />

1946: Vespa 98: Die Mutter<br />

aller Motorroller fährt durch<br />

Italiens Straßenbild.<br />

1955: Vespa 150: Der<br />

Scooter durchbricht die 100<br />

Sachen-Schallmauer<br />

Dabei war der Anfang des Vespa-<br />

Kults gar nicht so friedliebend:<br />

Denn einmal im Jahr wurde sich<br />

geprügelt. Im ganz großen Stil. Im englischen<br />

Seebad Brighton. Damals. In den Sechzigerjahren.<br />

Sie fuhren aus dem Swinging London in die Beschaulichkeit<br />

an der britischen Kanalküste, um<br />

sich „eins über die Mütze“ zu geben. Rocker und<br />

Mods. Der Unterschied, der die Schläge setzte,<br />

war: die Rocker kamen mit dem Motorrad, die<br />

Mods mit der Vespa. Dazwischen lagen Welten.<br />

Das war nicht nur pure Prügelei, sondern das<br />

war die Auseinandersetzung um Lebensstil, um<br />

Jugendkultur, um ewigwährende Coolness. Gewinner<br />

gab es keine in diesem Kampf zwischen<br />

Upperclass Kids und Arbeiterkindern. Doch ein<br />

Sieger stand bald fest: die Vespa. Der Motorroller<br />

aus Italien ist heute noch Kult, während Rocker<br />

sich in Bandenkriegen verlieren und Mods längst<br />

eine Fußnote in der Geschichte sind. Und mit dem<br />

Kult blieb vor allen Dingen eines: ein Lebensgefühl.<br />

Ein Herz und eine Krone<br />

Da waren zunächst ein Herz und eine Krone.<br />

Ein amerikanischer Film – mit dem Originaltitel<br />

„Roman Holiday“ – aus den Fünfzigerjahren<br />

mit Audrey Hepburn und Gregory Peck in den<br />

Hauptrollen. Die Handlung ist schnell erzählt:<br />

Eine Prinzessin (Hepburn) aus einem Fantasieland<br />

ist auf Staatsvisite in Rom. Sie bricht aus<br />

dem höfischen und diplomatischen Zeremoniell<br />

aus und macht eine Sause in der Stadt des Dolce<br />

Vita. Begleitet wird sie von einem amerikanischen<br />

Journalisten (Peck), der auf die große Story hofft,<br />

sich dann – wie sollte es auch anders sein – in die<br />

anmutige Prinzessin verliebt. Rom erkunden die<br />

beiden nicht mit dem Taxi und nicht mit der<br />

Limousine, sondern mit der Vespa. Damit war der<br />

Grundstein zum Mythos des leichten Lebens, des<br />

süßen Nichts und der Ewigkeit des Augenblicks<br />

gelegt. Hinzu kam, dass Peck selbstredend in<br />

einem maßgeschneiderten Anzug auf dem Roller<br />

saß, während Hepburn – wie immer ganz stilsicher<br />

– im Look der Fiftys Mode und Ton angab.<br />

Diese Stilsicherheit übernahmen die Mods etwa<br />

zehn Jahre später. Sie waren stets gut gekleidet,<br />

edel im Geschmack und vor allen Dingen mobil.<br />

Doch nicht mit öltriefenden Ketten, knatternden<br />

Auspuffrohren, offenliegenden Motoren, sondern<br />

mit diesem Hauch von Noblesse, die eine Vespa<br />

ausstrahlt, wenn sie sich ihre Schlupflöcher im<br />

Stadtverkehr sucht. Die Geschichte der Vespa beginnt<br />

bereits 1946. Enrico Piaggio gibt die Serienproduktion<br />

des Motorrollers in Auftrag. Eigentlich<br />

war er Flugzeugbauer, doch nach dem Krieg<br />

war das Geschäft mit den Fliegern mühselig. Also<br />

erhoffte er sich eine neue Einnahmequelle. Und<br />

fand sie. Grund dafür war auch das geschickte<br />

Marketing, das Piaggio unternahm, um seine Vespa<br />

zunächst an den Mann, dann auch an die Frau zu<br />

bringen. Schon in den Fünfzigerjahren gehörte der<br />

Motorroller zum Straßenbild italienischer Städte<br />

wie der VW Käfer zu deutschen Dörfern. Die<br />

Mods machten daraus später ihren eigenen Film:<br />

Quadrophenia kam zwar erst Ende der Siebzigerjahre<br />

in die Kinos, basierte aber auf dem legendären<br />

Album von The Who. Mit all den Hits,<br />

dem ganzen Sound einer Epoche, dem Willen,<br />

dem Werden, dem Fernweh – und auch der Korrektheit.<br />

Stiff Upper Lip<br />

Die Vespa war und ist Stil. Aber auch eine Aussage.<br />

Eine eindeutige. Wer sich heute für den<br />

Roller entscheidet, der will nicht mit einer Harley<br />

Davidson in den Sonnenuntergang biken, der will<br />

nicht im übertechnisierten Wagen stundenlang<br />

einen Parkplatz suchen, sondern sich als Stadtmensch<br />

zielsicher fortbewegen oder spontan einen<br />

Ausflug wagen. Er möchte unabhängig sein, den<br />

Fahrtwind spüren. Im gehörigen Maß. Das kann<br />

man mit einer Stiff Upper Lip abtun und belächeln.<br />

Doch in den Städten ist die Vespa durchaus<br />

ein Vehikel der Zukunft. Günstig im Verbrauch,<br />

wendig, urban. Auch in Bonn gibt es diesen<br />

Mythos. Der Vespa-Club Bonn lebt diesen Kult<br />

und lädt Vespa-Interessierte gerne zu heimeligen<br />

wie hemdsärmeligen Clubabenden ein.<br />

Mittwochs abends wird auch Bonn zur Vespa-<br />

Hauptstadt – am Rhein. Am Fähranleger Niederdollendorf<br />

trifft sich die „Fähr Gang“ zur ►<br />

3&50 exklusiv<br />

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