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MIXTAPE

Ausgabe 2013

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34<br />

Werk VI . Mixtape<br />

freakiger Außenseiter verwehrt bleibt. Der US-amerikanische<br />

Journalist Richard Metzger beschreibt das Gathering<br />

als eine „White-Trash-Version des Burning-Man-Festivals,<br />

nur dass die Besucher einen deutlich niedrigeren IQ haben<br />

und erschreckend hässlich sind. Frauen saufen und rauchen,<br />

obwohl sie schwanger sind, und das ganze Gelände versifft<br />

durch leere Faygo-Limonadenflaschen zu einer Müllhalde.“<br />

Auf dem Festival herrscht eine niedrige Kriminalitätsrate.<br />

Dass dem Juggalo inzwischen der Ruf des kriminellen<br />

Asozialen anhaftet, liegt daran, dass die Subkultur sich<br />

unaufhaltsam in zwei Lager aufspaltet – in die gewalttätige<br />

und in die gewaltfreie Fraktion.<br />

Die Subkultur spaltet sich in zwei<br />

Lager – in die gewalttätige und in die<br />

gewaltfreie Fraktion<br />

Seit Anfang 2000 registriert die amerikanische Regierung<br />

eine schnell wachsende kriminelle Gruppe, die sich von<br />

der ursprünglichen Gemeinschaftsidee entfernt. Inzwischen<br />

spricht man von mehreren Juggalo-Gangs mit mehr<br />

als 150.000 Mitgliedern. 2011 erklärte das FBI die Juggalos<br />

offiziell zu einer kriminellen Organisation. Denn während<br />

die gewaltfreien Fans zu Texten über Mord, Suizid, Nekrophilie,<br />

Satanismus, Vergewaltigung und Huren nur feiern,<br />

setzen die gewalttätigen Juggalo-Gangs die Liedtexte in die<br />

Tat um: Ihr Strafregister umfasst Mord, Schießerei, Drogenhandel,<br />

Brandstiftung, Einbruch, Hausfriedensbruch,<br />

bewaffneter Raub und schwere Körperverletzung. Sie<br />

zählen berüchtigte Gruppierungen wie die kalifornischen<br />

Bloods, Crips und Sureños zu ihren Verbündeten. Als ihren<br />

größten Gegner sehen sie die lateinamerikanische<br />

Gang Mara Salvatrucha (MS-13): die aggressivste unter<br />

den gewaltbereiten Gruppierungen der USA – quasi der<br />

Tod persönlich.<br />

Besonders kriminell agiert unter den Juggalo-Gangs eine<br />

Gruppe namens Juggalo Killers. Sie ist eng verbunden mit<br />

dem Ku Klux Klan und der Aryan Brotherhood – beide<br />

stark rassistisch verwurzelt.<br />

Zwischen den zwei Juggalo-Fraktionen herrscht absolute<br />

Feindseligkeit: Die Gangs halten die Musikfans für Loser –<br />

denn die wollen mit dem Gedankengut und der Gewaltbereitschaft<br />

nichts zu tun haben. Die Fans versuchen sich von<br />

den Gangs zu distanzieren, und dafür werden sie von den<br />

Bandenmitgliedern verachtet und angegriffen.<br />

Sie sehen zwar gleich aus, tragen alle als Erkennungszeichen<br />

den Running Hatchet Man und nennen sich Juggalos.<br />

Doch einzig der Glaube an die jeweilige Familie, sowie ihr<br />

gemeinsamer Name verbindet sie.<br />

Die US-amerikanische Kriminalbeamtin und Expertin<br />

für Gangbildung, Michelle Vasey, bat die Öffentlichkeit<br />

2011 in einem offiziellen Schreiben deshalb zu bedenken:<br />

„Ich hoffe nicht, dass die Leute einen Juggalo sehen und<br />

sagen: ‚Oh, er ist ein Gang-Mitglied, er hat eine Machete<br />

und wird uns alle zerstückeln.’ Aber die Leute müssen sich<br />

bewusst machen, dass es in den vergangenen drei Jahren<br />

riesige Probleme in den östlichen und westlichen Vereinigten<br />

Staaten gab, bei denen wir im Zusammenhang mit Verbrechen<br />

und grausamen Straftaten mehrere Personen einer<br />

Gang verhaftet haben, die sich ‚Juggalos’ nennt.“<br />

Der US-amerikanische Fotograf Daniel Cronin beschäftigt<br />

sich seit langem mit der Juggalo-Subkultur und dokumentiert<br />

die Besucher des „Gathering of the Juggalos“ seit<br />

2010 mit seiner Großformatkamera. „Sie werden für ihre<br />

Art von den Mainstream-Amerikanern verspottet und gehasst“,<br />

sagt er. „Besonders an der Freizügigkeit der Juggalettes<br />

stört sich die Öffentlichkeit.“ Er möchte nicht bestreiten,<br />

dass das Festival auf Außenstehende frauenverachtend<br />

wirken muss und dass Fremdenhass dort ein Thema ist.<br />

Er selbst hat aber weder von sexueller Belästigung gehört,<br />

noch Rassismus oder Nötigung erlebt.<br />

Utsler von der Insane Clown Posse unterstützt diese<br />

Aussage: „Juggalos stammen aus den verschiedensten sozialen<br />

Schichten – sie sind arm, reich, gehören allen Religionen<br />

und allen Ethnien an. Hier ist es egal, ob du mit einem<br />

Silberlöffel oder einem Crack-Klumpen im Mund geboren<br />

wurdest.“ Utslers Wurzeln liegen bei den Cherokee-Indianern,<br />

auch deshalb wehrt sich die Insane Clown Posse<br />

in Liedtexten gegen Rassismus-Vorwürfe. Sie wollen sich<br />

und die nicht-kriminellen Juggalos deutlich von den Gangs<br />

abgrenzen, sie kämpfen gegen eine Verallgemeinerung. In<br />

ihrer Internet-Kampagne „Juggalos Fight Back“ rufen sie<br />

deshalb ihre Fans auf, ungerechtes Verhalten der Polizei<br />

gegenüber Juggalos online zu stellen. Dadurch wollen sie<br />

vor allem auf die Konsequenzen der Juggalo-Verallgemeinerung<br />

aufmerksam machen.<br />

Daniel Cronin, der selbst kein Juggalo ist, ist sich sicher:<br />

„In jeder Musikszene gibt es faule Äpfel. Ich denke jedoch<br />

nicht, dass die Mehrzahl der Juggalos kriminell ist.“ Mehr<br />

noch: „Ich bewundere ihre Loyalität zueinander. Ich bewundere<br />

sie dafür zu sein, wie sie sein möchten – während<br />

Amerika sie verspottet und wie Dreck behandelt. Ich mag,<br />

dass sie anderen gegenüber trotzdem nicht voreingenommen<br />

auftreten. Sie sind sehr egalitär!“<br />

Daniel Cronin wurde 1983 im US-Bundesstaat<br />

Virginia geboren. Neben Musik und Philosophie<br />

studierte er Fotografie und lebt heute als<br />

Fotograf in Oregon.Unter anderem arbeitete<br />

er für MTV, seine Werke erschienen bis jetzt im<br />

The Guardian UK, Vice/Noisey, The Huffington<br />

Post und The Wall Street Journal. Seit 2010 fährt<br />

er zu dem jährlichen Gathering of the Juggalos<br />

und porträtiert dort die Besucher und Fans –<br />

sein gleichnamiger Bildband The Gathering of<br />

the Juggalos erschien dieses Jahr beim Prestel<br />

Verlag. Daniel Cronin liebt in Alufolie eingewickelte<br />

Burritos, den Sound von Güterzügen,<br />

70er Prog Rock, 4x5 Kameras und Jameson<br />

Whiskey mit Ginger-Ale.<br />

Fotocredit<br />

35<br />

Werk VI . Mixtape<br />

Einen Dresscode<br />

gibt es auf dem<br />

Festival nicht,<br />

selbst im Pyjama<br />

fällt man nicht auf.

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