MIXTAPE
Ausgabe 2013
Ausgabe 2013
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Werk VI . Mixtape<br />
freakiger Außenseiter verwehrt bleibt. Der US-amerikanische<br />
Journalist Richard Metzger beschreibt das Gathering<br />
als eine „White-Trash-Version des Burning-Man-Festivals,<br />
nur dass die Besucher einen deutlich niedrigeren IQ haben<br />
und erschreckend hässlich sind. Frauen saufen und rauchen,<br />
obwohl sie schwanger sind, und das ganze Gelände versifft<br />
durch leere Faygo-Limonadenflaschen zu einer Müllhalde.“<br />
Auf dem Festival herrscht eine niedrige Kriminalitätsrate.<br />
Dass dem Juggalo inzwischen der Ruf des kriminellen<br />
Asozialen anhaftet, liegt daran, dass die Subkultur sich<br />
unaufhaltsam in zwei Lager aufspaltet – in die gewalttätige<br />
und in die gewaltfreie Fraktion.<br />
Die Subkultur spaltet sich in zwei<br />
Lager – in die gewalttätige und in die<br />
gewaltfreie Fraktion<br />
Seit Anfang 2000 registriert die amerikanische Regierung<br />
eine schnell wachsende kriminelle Gruppe, die sich von<br />
der ursprünglichen Gemeinschaftsidee entfernt. Inzwischen<br />
spricht man von mehreren Juggalo-Gangs mit mehr<br />
als 150.000 Mitgliedern. 2011 erklärte das FBI die Juggalos<br />
offiziell zu einer kriminellen Organisation. Denn während<br />
die gewaltfreien Fans zu Texten über Mord, Suizid, Nekrophilie,<br />
Satanismus, Vergewaltigung und Huren nur feiern,<br />
setzen die gewalttätigen Juggalo-Gangs die Liedtexte in die<br />
Tat um: Ihr Strafregister umfasst Mord, Schießerei, Drogenhandel,<br />
Brandstiftung, Einbruch, Hausfriedensbruch,<br />
bewaffneter Raub und schwere Körperverletzung. Sie<br />
zählen berüchtigte Gruppierungen wie die kalifornischen<br />
Bloods, Crips und Sureños zu ihren Verbündeten. Als ihren<br />
größten Gegner sehen sie die lateinamerikanische<br />
Gang Mara Salvatrucha (MS-13): die aggressivste unter<br />
den gewaltbereiten Gruppierungen der USA – quasi der<br />
Tod persönlich.<br />
Besonders kriminell agiert unter den Juggalo-Gangs eine<br />
Gruppe namens Juggalo Killers. Sie ist eng verbunden mit<br />
dem Ku Klux Klan und der Aryan Brotherhood – beide<br />
stark rassistisch verwurzelt.<br />
Zwischen den zwei Juggalo-Fraktionen herrscht absolute<br />
Feindseligkeit: Die Gangs halten die Musikfans für Loser –<br />
denn die wollen mit dem Gedankengut und der Gewaltbereitschaft<br />
nichts zu tun haben. Die Fans versuchen sich von<br />
den Gangs zu distanzieren, und dafür werden sie von den<br />
Bandenmitgliedern verachtet und angegriffen.<br />
Sie sehen zwar gleich aus, tragen alle als Erkennungszeichen<br />
den Running Hatchet Man und nennen sich Juggalos.<br />
Doch einzig der Glaube an die jeweilige Familie, sowie ihr<br />
gemeinsamer Name verbindet sie.<br />
Die US-amerikanische Kriminalbeamtin und Expertin<br />
für Gangbildung, Michelle Vasey, bat die Öffentlichkeit<br />
2011 in einem offiziellen Schreiben deshalb zu bedenken:<br />
„Ich hoffe nicht, dass die Leute einen Juggalo sehen und<br />
sagen: ‚Oh, er ist ein Gang-Mitglied, er hat eine Machete<br />
und wird uns alle zerstückeln.’ Aber die Leute müssen sich<br />
bewusst machen, dass es in den vergangenen drei Jahren<br />
riesige Probleme in den östlichen und westlichen Vereinigten<br />
Staaten gab, bei denen wir im Zusammenhang mit Verbrechen<br />
und grausamen Straftaten mehrere Personen einer<br />
Gang verhaftet haben, die sich ‚Juggalos’ nennt.“<br />
Der US-amerikanische Fotograf Daniel Cronin beschäftigt<br />
sich seit langem mit der Juggalo-Subkultur und dokumentiert<br />
die Besucher des „Gathering of the Juggalos“ seit<br />
2010 mit seiner Großformatkamera. „Sie werden für ihre<br />
Art von den Mainstream-Amerikanern verspottet und gehasst“,<br />
sagt er. „Besonders an der Freizügigkeit der Juggalettes<br />
stört sich die Öffentlichkeit.“ Er möchte nicht bestreiten,<br />
dass das Festival auf Außenstehende frauenverachtend<br />
wirken muss und dass Fremdenhass dort ein Thema ist.<br />
Er selbst hat aber weder von sexueller Belästigung gehört,<br />
noch Rassismus oder Nötigung erlebt.<br />
Utsler von der Insane Clown Posse unterstützt diese<br />
Aussage: „Juggalos stammen aus den verschiedensten sozialen<br />
Schichten – sie sind arm, reich, gehören allen Religionen<br />
und allen Ethnien an. Hier ist es egal, ob du mit einem<br />
Silberlöffel oder einem Crack-Klumpen im Mund geboren<br />
wurdest.“ Utslers Wurzeln liegen bei den Cherokee-Indianern,<br />
auch deshalb wehrt sich die Insane Clown Posse<br />
in Liedtexten gegen Rassismus-Vorwürfe. Sie wollen sich<br />
und die nicht-kriminellen Juggalos deutlich von den Gangs<br />
abgrenzen, sie kämpfen gegen eine Verallgemeinerung. In<br />
ihrer Internet-Kampagne „Juggalos Fight Back“ rufen sie<br />
deshalb ihre Fans auf, ungerechtes Verhalten der Polizei<br />
gegenüber Juggalos online zu stellen. Dadurch wollen sie<br />
vor allem auf die Konsequenzen der Juggalo-Verallgemeinerung<br />
aufmerksam machen.<br />
Daniel Cronin, der selbst kein Juggalo ist, ist sich sicher:<br />
„In jeder Musikszene gibt es faule Äpfel. Ich denke jedoch<br />
nicht, dass die Mehrzahl der Juggalos kriminell ist.“ Mehr<br />
noch: „Ich bewundere ihre Loyalität zueinander. Ich bewundere<br />
sie dafür zu sein, wie sie sein möchten – während<br />
Amerika sie verspottet und wie Dreck behandelt. Ich mag,<br />
dass sie anderen gegenüber trotzdem nicht voreingenommen<br />
auftreten. Sie sind sehr egalitär!“<br />
Daniel Cronin wurde 1983 im US-Bundesstaat<br />
Virginia geboren. Neben Musik und Philosophie<br />
studierte er Fotografie und lebt heute als<br />
Fotograf in Oregon.Unter anderem arbeitete<br />
er für MTV, seine Werke erschienen bis jetzt im<br />
The Guardian UK, Vice/Noisey, The Huffington<br />
Post und The Wall Street Journal. Seit 2010 fährt<br />
er zu dem jährlichen Gathering of the Juggalos<br />
und porträtiert dort die Besucher und Fans –<br />
sein gleichnamiger Bildband The Gathering of<br />
the Juggalos erschien dieses Jahr beim Prestel<br />
Verlag. Daniel Cronin liebt in Alufolie eingewickelte<br />
Burritos, den Sound von Güterzügen,<br />
70er Prog Rock, 4x5 Kameras und Jameson<br />
Whiskey mit Ginger-Ale.<br />
Fotocredit<br />
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Werk VI . Mixtape<br />
Einen Dresscode<br />
gibt es auf dem<br />
Festival nicht,<br />
selbst im Pyjama<br />
fällt man nicht auf.