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Werk VI

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<strong>Werk</strong><br />

<strong>VI</strong><br />

Q&A<br />

Ein Studienprojekt der AMD Akademie Mode & Design Berlin, Lehrredaktion MM7, Ausgabe No. 5, Sommer 2015


Q&A<br />

EDITORIAL<br />

Fragen stellen liegt in der Natur des Menschen. Die Suche nach Antworten<br />

beschäftigt uns ein Leben lang. Für die neue Ausgabe von WERK <strong>VI</strong><br />

haben wir uns deshalb genau das zur Aufgabe gemacht – mit dem Thema<br />

Q & A – Questions & Answers. Eigentlich beschreibt der Begriff im journalistischen<br />

Fachjargon ein klassisches Interview. Doch Q & A funktioniert<br />

auch anders.<br />

Zum Beispiel in Bildern. Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding beantwortete<br />

unsere Fragen mit Fotoaufnahmen. Antworten von Die Antwoord<br />

bekamen wir per E-Mail. Selbstverständlich hatten wir auch einige Fragen<br />

an die Mode. Über sie sprachen wir zum Beispiel mit Barbara Vinken, die<br />

über die Konstruktion von Geschlechtern philosophierte. In unseren Modestrecken<br />

klären wir unter anderem, wie die Zukunft der deutschen<br />

Mode aussieht. Und welche Bedeutung Beziehungen und Alter heute<br />

noch haben. Eine spannende Frage ist – auch schon immer gewesen – die<br />

nach der Zukunft. Ihr sind wir in einem Special, gemeinsam mit Experten<br />

aus den Bereichen Mode, Technik, Schönheit, Ernährung und Trends, auf<br />

den Grund gegangen.<br />

Das alles ohne den Anspruch, die einzig wahre Antwort geben zu können.<br />

Die deutsche Lyrikerin Else Pannek schrieb einmal: „Auf die wichtigsten<br />

Fragen gibt es nur eigene Antworten.“ Falls also bei der Lektüre mal eine<br />

Frage offen bleibt, legen wir Ihnen ans Herz, diesem Rat zu folgen: Beantworten<br />

Sie sich die doch einfach selbst.<br />

Ihre <strong>Werk</strong> <strong>VI</strong>-Redaktion<br />

3


INHALT<br />

20 Made in Germany<br />

Visionen aus dem<br />

Berliner Mode Salon<br />

IMPRESSUM<br />

WERK <strong>VI</strong> ist ein Studienprojekt des 6. Semesters<br />

im Ausbildungsgang Modejournalismus/<br />

Medienkommunkation an der AMD Akademie<br />

Mode & Design Berlin.<br />

6 Was siehst du?<br />

Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding<br />

spricht in Bildern<br />

14 Wie bekommt man Antworten?<br />

Ein Interview mit der „Interview“<br />

18 Was Macht der Nachwuchs?<br />

Die „Vogue“-Chefin Christiane Arp<br />

über deutsches Modedesign<br />

30 Ist Mode feministisch?<br />

Modetheoretikerin Barbara Vinken<br />

über Geschlechterrollen<br />

42<br />

42 Naturgewalten<br />

Accessoires in Collagen<br />

50 Beziehungsweise<br />

Guter Stil kennt<br />

keine Tabus<br />

72 Tatverdacht<br />

Eine modische<br />

Spurensuche<br />

50<br />

VERANTWORTLICHE DOZENTEN<br />

Olga Blumhardt<br />

(Magazinentwicklung, Text, V.i.S.d.P.)<br />

Antje Drinkuth (Styling)<br />

Janine Sack (Art Direktion)<br />

Martin Schmieder (Marketing & PR)<br />

Jenni Zylka (Text)<br />

REDAKTION, KURS MM7<br />

Miriam Chalabi, Tanita Hecking, Annmarie Juhr,<br />

Lena Kammer, Jenny Kolossa, Marina Lacic,<br />

Julia Ledig, Khira Li Lindemann,<br />

Katharina Regenthal, Victoria Richter,<br />

Catharina Schick, Nina Schmidt, Janet Schulz,<br />

Lisa Schütz, Sara Stollenwerk,<br />

Viktoria von der Way, Miriam Zenner<br />

CHEFIN VOM DIENST<br />

Miriam Zenner<br />

SCHLUSSREDAKTION<br />

Heinrich Dubel<br />

FOTOS<br />

Matthias Brandl, Julian Baumann, Barbara<br />

Donaubauer, Johannes Erb, Ruben Jacob Fees,<br />

Marc Huth, Kike Koloxo, Stefan Korte, Helena<br />

Langer (Illustrationen), Stefan Milev, Catharina<br />

Schick, Dennis Schoenberg, Viktoria von der Way<br />

GRAFIK<br />

Tanita Hecking, Khira Li Lindemann,<br />

Catharina Schick, Nina Schmidt, Janet Schulz<br />

34 Was sagst du?<br />

E-Mail von Ninja von Die Antwoord<br />

38 Kann Mode Kunst sein?<br />

Ein Gespräch mit dem Galeristen<br />

Judy Lybke<br />

20<br />

BILDBEARBEITUNG<br />

Katharina Regenthal<br />

ANZEIGEN<br />

Tanita Hecking, Jenny Kolossa<br />

DRUCK<br />

Brandenburgische Universitätsdruckerei<br />

und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH<br />

Karl-Liebknecht-Straße 24-25<br />

14476 Potsdam<br />

www.bud-potsdam.de<br />

61 Was bringt die Zukunft?<br />

Experten geben Prognosen<br />

82 Wie macht ihr das?<br />

Die Erfolgsgeschichte der<br />

Brillenmanufaktur Mykita<br />

88 Was machst du jetzt?<br />

Leticia Koffke war die schönste Frau<br />

der DDR, dann fiel die Mauer<br />

92 Was ist hier los?<br />

Die Modebloggerin Stefany Vidzus<br />

erklärt ihr Kopenhagen<br />

98 Wer sitzt dahinter?<br />

Raten Sie mal!<br />

FOTOS: JOHANNES ERB, RUBEN JACOB FEES, MARC HUTH (2)<br />

72<br />

REDAKTIONSANSCHRIFT<br />

AMD Akademie Mode & Design Berlin<br />

Franklinstraße 10, 10587 Berlin<br />

Tel.: 030 330 99 76 0<br />

olga.blumhardt@amdnet.de<br />

www.werk6-magazin.de<br />

WERK <strong>VI</strong> erscheint jährlich und liegt an<br />

ausgewählten Orten in Berlin aus.<br />

Das Titelbild wurde von Ruben Jacob Fees<br />

fotografiert. Models: Jutta von Brunkau (Viva)<br />

und Sami Gottschalck (Indeed).<br />

Haare & Make-up: Natalia Vermeer<br />

Jutta trägt einen Pullover von Adpt und eine Kette<br />

von Vladimir Karaleev. Sami trägt eine Hose von<br />

Stills.<br />

Cover-Papier: Constellation Snow, Raster,<br />

240 g/qm. Mit freundlicher Unterstützung von<br />

Wir danken allen, die WERK <strong>VI</strong><br />

möglich gemacht haben!<br />

4 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

5


Mome ntaufnahmen<br />

Der Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding<br />

spricht am liebsten in Bildern.<br />

Hier sind seine Antworten auf unsere Fragen<br />

WAS FASZINIERT DICH?<br />

VON LENA KAMMER<br />

FOTOS: ADAM KATZ SINDING<br />

Vor elf Jahren hat der US-Amerikaner Adam Katz Sinding<br />

sein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Nach dem Tod<br />

seines Vaters erbte er dessen Kamera und brachte sich selbst<br />

das Fotografieren bei, kündigte seinen Job in einem Hotel<br />

in Seattle und ging nach New York. Heute ist der 32-Jährige<br />

einer der erfolgreichsten Streetstyle-Fotografen der Welt.<br />

Anfangs fotografierte er nur Architektur und Landschaften,<br />

bis er seine Kamera als Mittel entdeckte, um sich Menschen zu<br />

nähern. Er begann, Leute in Momenten aufzunehmen, in denen<br />

sie sich unbeobachtet fühlen. Auf diese Weise entwickelte er<br />

einen einzigartigen Stil und überwand seine Schüchternheit.<br />

Seit 2007 gibt Adam auf seinem Blog Le 21ème einen fotojournalistischen<br />

Einblick in die Modewelt. Obwohl er auf den<br />

internationalen Fashion Weeks ständig von den spektakulärsten<br />

Looks umgeben ist, steht Kleidung oft eher im Hintergrund<br />

seiner Fotografien. Stattdessen sucht er nach besonderen<br />

Persönlichkeiten und außergewöhnlichen Momenten. Unsere<br />

Fragen beantwortete Adam selbstverständlich mit Bildern.<br />

WAS IST DAS BESTE AN DEINEM JOB?<br />

6 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

7


EIN UNERWARTETER MOMENT?<br />

WAS IST TYPISCH AMERIKANISCH?<br />

DAS SCHÖNSTE OUTFIT?<br />

WAS IST LIEBE?<br />

8 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

9


WAS IST KUNST?<br />

WAS BRINGT DICH ZUM LACHEN?<br />

WAS HAT DIR DAS HERZ GEBROCHEN?<br />

WAS IST TYPISCH DEUTSCH?<br />

10 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

11


WAS HAT NEW YORK, DAS BERLIN NICHT HAT?<br />

WER BIST DU?<br />

DER SCHÖNSTE ORT, AN DEM DU WARST?<br />

12 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

13


BIG NAMES<br />

SMALL TALK<br />

Jörg Harlan Rohleder ist stellvertretender Chefredakteur der Interview.<br />

Mit uns spricht er über kluge Fragen, überraschende Antworten und die Kunst,<br />

ein gutes Gespräch zu führen<br />

INTER<strong>VI</strong>EW: NINA SCHMIDT<br />

FOTO: DENNIS SCHOENBERG<br />

WERK <strong>VI</strong>: Man muss sich sehr gut auf seinen Interviewpartner<br />

vorbereiten. Jetzt kennen Sie selbst sich ja am besten. Welche<br />

Frage würden Sie sich zuerst stellen?<br />

Jörg Harlan Rohleder: Hmm, vielleicht: Warum sollten wir Sie<br />

interviewen, Herr Rohleder?<br />

So bescheiden?<br />

Naja (lacht). Was würde ich mich denn zuerst fragen? Vielleicht:<br />

Wie geht es Ihnen, Herr Rohleder?<br />

Und wie geht es Ihnen, Herr Rohleder?<br />

Dem Herrn Rohleder geht es heute sehr gut.<br />

Jörg Harlan Rohleder, geboren<br />

1976, hat in Tübingen und London<br />

studiert und arbeitete unter anderem<br />

für MTV, Vanity Fair und Focus.<br />

Heute wohnt er in Berlin und ist<br />

stellvertretender Chefredakteur<br />

der Interview. 2010 erschien sein<br />

Roman Lokalhelden, in dem es<br />

um das Erwachsenwerden in der<br />

Provinz der 90er-Jahre geht<br />

Schön. Sie haben schon sehr viele Interviews geführt. Gibt es bei<br />

Ihnen so etwas wie eine Lieblingseingangsfrage?<br />

Es kommt darauf an, für wen man das macht. Ein Magazin wie<br />

die Interview lebt ja von diesem leichtfüßigen, smalltalkigen<br />

Charakter. Da kommt man aus dem lockeren Gespräch zu<br />

komplexeren Fragen. Für Spiegel oder Focus, also Magazine,<br />

deren Anspruch es ist, einen hohen Nachrichtenwert zu haben,<br />

versucht man eher, mit einer Knallerfrage einzusteigen. Nach<br />

dem Motto: Die trauen sich aber was. So führen wir hier bei<br />

Interview aber keine Interviews. Eigentlich sind es eher<br />

Gespräche, die sachte anfangen. Später, wenn man sich das<br />

Vertrauen erschlichen hat, kann man dann auch mal eine heiklere<br />

Frage stellen.<br />

14 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

15


„ICH LESE INTER<strong>VI</strong>EWS AM LIEBSTEN,<br />

WENN DER NACHRICHTENWERT GERING<br />

UND DER ANEKDOTENWERT HOCH IST“<br />

Der Ursprung dieses smalltalkigen Gesprächscharakters der<br />

„Interview“ liegt in der Geschichte des Magazins.<br />

Richtig. Andy Warhol hat bei seinen Gesprächen auf Partys<br />

oder bei Abendessen immer das Tonband mitlaufen lassen –<br />

das wurde dann auch 1:1 gedruckt. Wenn sich jemand einen<br />

Rotwein bestellt hat, stand später im Magazin, welcher das war.<br />

Das waren ehrliche Gespräche, statt pseudo-hartem Nachfragen,<br />

wie es viele andere heute tun.<br />

Interviewer und Gesprächspartner sind also auf Augenhöhe.<br />

Ja, auf Augenhöhe bekommt man von den Leuten einfach auch<br />

mehr. Ich mag es gern, wenn Interviews nicht groß umgestellt<br />

und im Fluss erzählt werden.<br />

Das ist aber mittlerweile ganz schön schwer geworden – Stichwort<br />

Autorisierung, die vor der Veröffentlichung fast immer<br />

verlangt wird.<br />

Die schlimmsten Autorisierer sind ja gar nicht die, die selbst<br />

gesprochen haben, sondern deren Pressestellen. Das ist jedoch<br />

ein sehr deutsches Phänomen. Deshalb finde ich es natürlich<br />

viel angenehmer, im angloamerikanischen Raum zu interviewen.<br />

Da gilt das gesprochene Wort.<br />

er dann endlich kam, habe ich ihm von dem Geburtstag<br />

erzählt. Daraufhin griff er sich mein Handy und rief Ju an, um<br />

ihm Happy Birthday zu singen.<br />

Und was ist das Schlimmste, was Ihnen bei einem Interview<br />

passiert ist?<br />

Nicht wirklich schlimm, aber speziell: Am Abend, bevor ich<br />

Robert Anton Wilson, den Autor der Illuminaten-Trilogie, interviewen<br />

sollte, kam ein Kollege zu mir und meinte: „Vielleicht<br />

ist Robert Anton Wilson ja der heimliche Pressesprecher<br />

der Illuminaten!“ Danach konnte ich kaum schlafen und dachte:<br />

Oh Gott, vielleicht erzählt er ja die Wahrheit, getarnt in einem<br />

Science-Fiction-Buch, und alle fallen darauf rein? In seinem<br />

Haus hingen an den Wänden dann auch überall<br />

Urkunden über diesen und jenen Freimaurer-Grad und er<br />

selbst ist mit so einer Art Rollator rumgelaufen. Als ich während<br />

des Besuchs auf dem Klo war, dachte ich: Wenn ich mich<br />

jetzt umdrehe, steht er da – denn den Rollator braucht er gar<br />

nicht. Ich wurde paranoid. Aber gut, das lag vielleicht auch daran,<br />

dass ich vorher mit Herrn Wilson gekifft hatte – er war<br />

damals einer der ersten Patienten in Kalifornien, die medizinisches<br />

Marihuana bekamen.<br />

die selbst denkt und nicht in Schubladen gesteckt werden will.<br />

Wir haben bei mir zu Hause Risotto gekocht, uns drei Stunden<br />

unterhalten und es war super.<br />

Dass es angeblich keine Promis gibt, liegt ja auch daran, dass<br />

man sich in Deutschland schwer tut mit seinen Stars. Da zeigt<br />

Bobby Kolade seine Kollektion in einer für eine Fashion-Show<br />

ungewöhnlichen Location wie dem Berghain und die ersten<br />

drei motzen schon wieder, weil das zu obvious sei. Aber ich<br />

habe auch das Gefühl, dass es mit der Zeit besser wird.<br />

Wo Sie gerade Bobby Kolade ansprechen: Interessieren Sie sich<br />

privat für Mode? Die „Interview“ wird für ihre Modestrecken ja<br />

sehr geschätzt.<br />

Klar, ich kann jetzt nicht sagen, dass der Einfluss unserer<br />

Moderedaktion in den vier Jahren, die ich hier bin, spurlos an<br />

mir vorbeigegangen ist. Obwohl ich immer noch meine Vans<br />

trage – früher hätte ich nur keine mit Flamingos drauf gekauft!<br />

(lacht).<br />

Es gibt kein Budget-Limit: Wo und wie kleiden Sie sich ein?<br />

Das erste Kleidungsstück, das ich mir selbst gekauft habe, war<br />

ein dunkelblauer Kapuzenpulli von Trasher. Das letzte, das ich<br />

mir im Internet bestellt habe, war ein dunkelblauer Trasher-Pulli<br />

ohne Kapuze. Dazwischen liegen 25 Jahre.<br />

Wie viele Jahre ist Ihr erstes Interview her und wen haben Sie<br />

interviewt?<br />

Mein erstes Interview war mit Konrad Kujau, dem Fälscher der<br />

Hitler-Tagebücher. Das war 1995 in Stuttgart für eine landesweite<br />

Abi-Zeitung – und er hat mir angeboten, mein Abi-Zeugnis<br />

zu fälschen, falls mein Schnitt nicht reicht.<br />

In diesen 20 Jahren kam es sicher schon vor, dass Sie dem Interviewpartner<br />

keine gute Geschichte entlocken konnten. Was tun<br />

Sie dann?<br />

Das hatte ich mit Pharrell Williams. Er hatte einfach so gar<br />

keinen Bock und hat immer nur mit Ja oder Nein geantwortet<br />

– eigentlich undruckbar. Bei einem Freund von mir, der ihn<br />

auch interviewt hat, ist er eingeschlafen. Wenn gar nichts geht,<br />

schreibt man eben ein Porträt. Bei Pharrell hatte ich das Glück,<br />

dass ich irgendwann angefangen habe, mit ihm über das Skaten<br />

zu sprechen. Das war für Focus zwar auch undruckbar, hat aber<br />

wenigstens mich amüsiert. Also im Notfall: Weg mit den vorbereiteten<br />

Fragen und es mit Smalltalk probieren.<br />

Das bei der „Interview“ ja immer noch relativ original abgedruckt<br />

wird.<br />

Wir versuchen immer, den Leuten ihre Sprache zu lassen. Klar,<br />

sowas wie „Ähm“ kommt raus, aber wenn man ein dreistündiges<br />

Gespräch auf eine Doppelseite runterkürzt, bleibt da nicht<br />

mehr viel. Wir nehmen uns auch mal raus, wirklich lange Gespräche<br />

zu drucken. Das macht dann mehr Spaß, weil es eben<br />

ein Gespräch ist und kein bloßes Frage-Antwort-Spiel. Ich lese<br />

Interviews immer am liebsten, wenn der Nachrichtenwert gering<br />

und der Anekdotenwert hoch ist.<br />

Erzählen Sie doch mal eine Anekdote!<br />

Ich habe mal 50 Cent in einem Fünf-Sterne-Hotel in New York<br />

interviewt. Kurz nachdem er „In Da Club“ veröffentlicht hat.<br />

Ich wurde zuerst abgetastet, dann in einen Raum geführt, in<br />

dem zwei Typen FBI-mäßig kontrolliert haben, ob auch wirklich<br />

alles safe ist. 50 Cent kam an, in schusssicherer Weste gekleidet,<br />

war aber im Interview extrem freundlich. Auf Nachfrage,<br />

wieso er so nett ist, aber auf seinem Albumcover so<br />

furchteinflößend dreinblicke, meinte er dann, Eminem hätte<br />

ihm gesagt, dass er zu weißen Journalisten besonders nett sein<br />

soll. Später hab’ ich ihn gefragt, ob sein Nuscheln wirklich davon<br />

kommt, dass er von einer Schießerei (Anm. d. Red: 50<br />

Cent wurde im Mai 2000 neun Mal angeschossen) noch ein<br />

Stück der Kugel in der Zunge hat? Er schickte mich zum Händewaschen<br />

ins Bad und steckte danach meinen Finger in seinen<br />

Mund. Genau an die Stelle, an der tatsächlich eine harte<br />

Kante zu fühlen war. Das war schon ganz amüsant.<br />

Eine andere schöne Geschichte ist, dass ich einmal den Geburtstag<br />

von meinem Kumpel Ju verpasst habe, weil ich in<br />

London sieben Stunden auf Stevie Wonder warten musste. Als<br />

Es gibt ja noch viel mehr interessante Persönlichkeiten, mit<br />

denen Sie gesprochen haben: Eminem, der Dalai Lama, Bill<br />

Gates, Cher, David LaChapelle. Wer war Ihr Liebling?<br />

Eigentlich verliebe ich mich in jeden Interviewpartner ein bisschen.<br />

Selbst die Leute, die ich davor doof fand, finde ich danach<br />

meistens toll. Mick Jagger ist ein gutes Beispiel dafür. Mein<br />

Vater hat früher permanent die Stones gehört. Irgendwann<br />

fanden wir Kinder Jagger dann scheiße – und wollten lieber<br />

Mozarts Hornkonzerte hören. Hauptsache keine Stones mehr.<br />

Es war einfach zu viel. Deshalb hatte ich auf das Interview<br />

eigentlich keinen Bock. Dazu kam: nach Paris fahren, obwohl<br />

ich Paris nicht mag, 15 Presseagenten, Fragen vorher schicken<br />

und so weiter. Mick Jagger war dann aber so intelligent, so<br />

charmant, so witzig, hat druckreif gesprochen – super Typ. Da<br />

war ich echt schockverliebt.<br />

Und wer fehlt auf der Liste noch?<br />

Ich habe Madonna nie interviewt. Wobei ich sie jetzt gar nicht<br />

mehr so interessant finde. Ich hätte sie gern 1985 getroffen. Es<br />

gibt ja zum Glück noch sehr viele andere interessante Menschen.<br />

Vielleicht jemand aus Deutschland? Obwohl: Manche sagen ja,<br />

es gebe keine interessanten Promis in Deutschland.<br />

Quatsch! Es gibt viele interessante Prominente in Deutschland.<br />

Es kommt einfach nur darauf an, wie man mit Menschen<br />

spricht. Mit Katja Riemann habe ich zum Beispiel kurz nach<br />

ihrem Skandal-NDR-Interview (Anm. der Red.: Interview mit<br />

Hinnerk Baumgarten für die Sendung „Das!“, über das Riemann<br />

sich unzufrieden zeigte) gesprochen. Im Vorfeld hieß es:<br />

Frau Riemann ist schwierig. Aber letztendlich ist sie eine Frau,<br />

Die aktuelle Ausgabe der Interview<br />

erscheint mit vier Covern.<br />

Im Uhrzeigersinn: Paris Hilton,<br />

Stella Lucia, Conchita Wurst<br />

und Emma Stone<br />

Könnte Persönliches im Journalismus in Zukunft sowieso mehr<br />

gefragt sein? Gerade wenn man an Blogs denkt, die sehr erfolgreich<br />

sind. Stirbt der klassische Printjournalismus wirklich aus?<br />

Nein, der Printjournalismus wird nicht aussterben. Ich glaube,<br />

Nachrichten- und Boulevardzeitungen könnten es in Zukunft<br />

schwer haben. Denn das ist das, was das Internet gut kann:<br />

„Die hat sich von dem getrennt“ oder „Ein Flugzeug ist abgestürzt“<br />

– Schlagzeilen und News. Ich persönlich bin kein großer<br />

Fan von diesem Ich-Journalismus der Blogger, der es jetzt<br />

auch mehr und mehr in die Zeitungen schafft. Die Interview<br />

hat indes einen ganz guten USP, weil wir ja immer wieder zwei<br />

bekannte Persönlichkeiten miteinander sprechen lassen. Ich<br />

hoffe, das könnte in Zukunft ein Weg sein, um sich gegen das<br />

Internet durchzusetzen: Außergewöhnliche Ansätze, auserzählte<br />

Geschichten, hochwertige Produktionen, neue Formate.<br />

Ein Magazin muss Teil einer Lebenswelt sein – und so gut<br />

aussehen, dass es als Designobjekt durchgeht.<br />

Klingt aber nicht so, als seien Sie absoluter Print-Verfechter.<br />

Nein, ich finde Print und Online leisten einfach verschiedene<br />

Dinge, die beide ihre Daseinsberechtigung haben. Online ist<br />

schneller, Print ist schöner. Wichtig ist, dass die Leute überhaupt<br />

weiterhin lesen.<br />

Zum Abschluss noch Ihre absolute Lieblingsfrage!<br />

Eine Sache gibt es, die ich fast jeden frage: Was würde die<br />

16-jährige Nina über die Nina sagen, die hier heute sitzt?<br />

Gute Frage. Was würde der 16-jährige Jörg Rohleder wohl über<br />

den heutigen sagen?<br />

Die Antwort variiert. Heute: Rauchst du etwa immer noch?<br />

16 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

17


Die Mentorin<br />

Deutsches Modedesign hat es nicht leicht. Um ihm eine Zukunft zu bieten,<br />

kämpft die Chefredakteurin der deutschen Vogue gegen Windmühlen.<br />

Christiane Arp ebnet mit verschiedenen Förderprogrammen Schritt für<br />

Schritt den Weg zum Erfolg<br />

VON TANITA HECKING<br />

FOTO: STEFAN MILEV<br />

FASHION COUNCIL<br />

USA – seit 1962<br />

Das Council of Fashion Designers of<br />

America unterstützt seit den 60er-Jahren<br />

amerikanische Modedesigner und stärkt<br />

die weltweite wirtschaftliche Bedeutsamkeit<br />

des amerikanischen Modedesigns.<br />

Heute sind 476 Labels in dem Non-<br />

Profit-Handelsverband vertreten.<br />

Verschiedene Förderprogramme und<br />

Stipendien, die von Sponsoren finanziert<br />

werden, stellen die Etablierung von<br />

jungen Gründern in der Branche sicher.<br />

Kooperationen von Labels und dem<br />

CFDA ermöglichen Jungdesignern<br />

praktische Erfahrungen und vermitteln<br />

Insider-Wissen. Zu den Förderprogrammen<br />

zählt der CFDA Vogue Fashion<br />

Fund, der jährlich die besten Talente der<br />

Branche mit einer Geldprämie und einem<br />

einjährigen Mentoring-Programm<br />

unterstützt.<br />

Christiane Arp setzt sich gezielt für die Förderung deutscher<br />

Nachwuchsdesigner ein. Bereits 2011 gründete die Chefredakteurin<br />

der deutschen Vogue eine Plattform, die ausgewählte<br />

Modedesigner unterstützt: den Vogue Salon. Im vergangenen<br />

Januar veranstaltete sie zusammen mit Marcus Kurz, Geschäftsführer<br />

der Kreativagentur Nowadays, erstmals den Berliner<br />

Mode Salon, der deutschen Designtalenten im Berliner<br />

Kronprinzenpalais eine Bühne gibt. Nach dem Vorbild internationaler<br />

Organisationen wie dem British Fashion Council<br />

und dem Council of Fashion Designers of America gab sie im<br />

Januar die Gründung des Fashion Council Germany bekannt,<br />

dem sie als Präsidentin vorsitzt.<br />

<strong>Werk</strong> <strong>VI</strong>: Frau Arp, warum liegt Ihnen die Förderung deutscher<br />

Modedesigner so am Herzen?<br />

Christiane Arp: Dazu möchte ich unseren Claim zitieren:<br />

„Before it’s in fashion, it’s in Vogue.“ Es liegt in der DNS einer<br />

Vogue-Chefredakteurin, sich für gutes Modedesign zu interessieren<br />

und gezielt Nachwuchstalente zu fördern. Ich habe ein<br />

persönliches Interesse an Mode Made in Germany, da ich so<br />

viel gutes deutsches Modedesign in meiner täglichen Arbeit<br />

sehe. Daraus ist bei mir der Wunsch entstanden, deutschen<br />

Nachwuchstalenten eine Bühne zu geben.<br />

Worin unterscheiden sich der Berliner Mode Salon und der<br />

Vogue Salon?<br />

Der Vogue Salon ist in erster Linie eine Begegnungsstätte zwischen<br />

jungen deutschen Nachwuchsdesignern, Handel und<br />

Experten aus der Branche. Wir begleiten diese Talente vier<br />

Saisons lang intensiv in einer Mentorenrolle auf ihrem Weg.<br />

Der Berliner Mode Salon ist die konsequente Weiterentwicklung<br />

dessen. Hier treffen Jungdesigner auf etablierte deutsche<br />

Designer. Mit dem Berliner Mode Salon schaffen wir einen<br />

Ort, wo wir im Rahmen der Fashion Week Berlin deutsches<br />

Modedesign konzentriert zusammenbringen und auf einer<br />

Bühne präsentieren.<br />

Welche Kriterien müssen Designer erfüllen, um in einen der<br />

Salons aufgenommen zu werden?<br />

Sie müssen gut sein.<br />

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur Mercedes-Benz Fashion<br />

Week in Berlin stellten Sie im vergangenen Januar eine interessante<br />

Frage: „Warum haben wir Deutschen eigentlich so viel<br />

Angst davor, schön zu sein?“ Haben Sie darauf eine Antwort<br />

gefunden?<br />

Das ist eine Frage mit einer sehr komplexen Antwort, die in<br />

unserer Geschichte verankert ist.<br />

Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit deutsches<br />

Modedesign international mehr Anerkennung bekommt? Und<br />

wie wird sich das neu gegründete Fashion Council Germany<br />

zukünftig darauf auswirken?<br />

Deutsches Modedesign muss im ersten Schritt in Deutschland<br />

Anerkennung erfahren, das ist auch eine der Hauptaufgaben des<br />

Fashion Council Germany. Wenn in unserem eigenen Land die<br />

Wertschätzung und Unterstützung für Mode made in Germany<br />

steigt, wird auch international die Wahrnehmung zunehmen.<br />

Das Designerduo Augustin Teboul gehört<br />

seit 2012 zu Christiane Arps Schützlingen.<br />

Für deren Lookbook (H/W 2015/16)<br />

ließ sich die Vogue-Chefin fotografieren<br />

ENGLAND – seit 1983<br />

Seit Anfang der 80er fördert das British<br />

Fashion Council britische Modedesigner.<br />

Die Hauptaufgabe der Non-Profit-<br />

Organisation ist: Nachwuchstalente<br />

dabei zu unterstützen, ein eigenes<br />

Unternehmen aufzubauen und in der<br />

Branche zu etablieren. Dabei steht vor<br />

allem die Vermittlung von Unternehmensführungsstrategien<br />

im Vordergrund.<br />

Stipendien und Förderprogramme,<br />

finanziert von Unternehmen wie Burberry,<br />

Sponsoren wie American Express und<br />

der britischen Regierung, ermöglichen<br />

dem Nachwuchs einen Einblick in die<br />

Branche. Auch der BFC Vogue Designers<br />

Fund ist ein Programm, das ausgewählte<br />

Designer mit finanziellen Mitteln unterstützt,<br />

um deren Unternehmensgründung<br />

und -wachstum zu gewährleisten.<br />

DEUTSCHLAND – seit 2015<br />

Das Fashion Council Germany wurde<br />

Anfang des Jahres gegründet. Schirmherrin<br />

Christiane Arp folgt damit<br />

internationalen Vorbildern, um deutsches<br />

Modedesign international<br />

anerkannter zu machen und den<br />

Nachwuchs nachhaltig zu fördern. Zu<br />

den Gründungsmitgliedern zählen auch<br />

die Premium-Chefin Anita Tillmann,<br />

die Journalistin Melissa Drier und<br />

Marie-Louise Berg von der PR-Agentur<br />

Berg Communications. Im Präsidium<br />

stehen ihr – neben anderen – Marcus<br />

Kurz von Nowadays, der Designer Dirk<br />

Schönberger und Stylebob-Gründer<br />

Mario Eimuth beratend zur Seite.<br />

18 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

19


Made in<br />

Germany<br />

Auf der kommenden Fashion Week präsentieren<br />

sich 30 deutsche Labels im Berliner Mode<br />

Salon – eingeladen von Christiane Arp. Auf den<br />

folgenden Seiten haben wir eine Auswahl inszeniert<br />

FOTOGRAF MARC HUTH<br />

PRODUKTION MIRIAM CHALABI, TANITA HECKING, CATHARINA SCHICK<br />

MODELS VANESSA HÄNISCH (<strong>VI</strong>VA), LUZIE NATERS<br />

(MEGA MODELS), MAGDALENA LAMEK<br />

HAIR & MAKE UP ROCCO K., ANNIKA JECK<br />

FOTOASSISTENZ JULIAN MARTINI<br />

Top & Lederrock Marina Hoermanseder<br />

Armreifen & Ring The Medley Institute<br />

20 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

21


Seiden-Pyjama Horror Vacui<br />

Leder-Rucksack PB0110<br />

Sonnenbrille Mykita<br />

Von links:<br />

Rock & Blouson Tim Labenda<br />

Schuhe Vintage<br />

Hosenrock & Bluse Odeeh<br />

Schuhe Hien Le<br />

22 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

23


Von links:<br />

Kleid & Hose Michael Sontag<br />

Tasche Stiebich & Rieth<br />

Schuhe Vintage<br />

Jacke, Seidenbluse & Hose Haltbar<br />

Schuhe Vintage<br />

24 Lammfell-Mantel, Lederhose WERK & Samt-Stiefel <strong>VI</strong> Q&A Schacky<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

25


Hemd & Kleid Talbot Runhof<br />

Ohrringe The Medley Institute<br />

Bluse & Rock Vladimir Karaleev<br />

Armreife & Ring The Medley Institute<br />

26 WERK <strong>VI</strong> Schuhe Q&AVintage<br />

27


Mantel Perret Schaad<br />

Schuhe Vintage<br />

Von links:<br />

Rollkragenpullover, Pullunder &<br />

Hose, alles aus Kaschmir Allude<br />

Hut und Schuhe Vintage<br />

Kaschmir-Rollkragenpullover,<br />

Kaschmir-Cape & Lederhose Iris<br />

von Arnim<br />

Schuhe Vintage<br />

Derzeit im<br />

BERLINER MODE SALON:<br />

Anna Bornhold, Allude, Annelie<br />

Schubert, Antonia Zander, Augstin<br />

Teboul, Christina Braun, Dawid<br />

Tomaszewski, Dorothee Schumacher,<br />

Felder Felder, Golpira, Haltbar, Hien Le,<br />

Horror Vacui, Iris von Arnim, Isabell de<br />

Hillerin, Lala Berlin, Malaika Raiss,<br />

Marina Hoermanseder, Michael<br />

Sontag, Mykita, Nobi Talai, Odeeh,<br />

PB0110, Perret Schaad, Schacky.,<br />

Stiebich & Rieth, Talbot Runhof, The<br />

Medley Institute, Tim Labenda,<br />

Vladimir Karaleev<br />

(Stand Ende Juni 2015)<br />

28 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

29


Wissen schafft<br />

Mode<br />

VON MIRIAM ZENNER FOTO: BARBARA DONAUBAUER<br />

In Ihrem jüngsten Buch Angezogen: Das Geheimnis der<br />

Mode betrachtet Barbara Vinken die Entwicklung der Mode im<br />

Zusammenhang mit dem Geschlecht. Präzise erklärt sie die<br />

Modegeschichte ab dem Ende der Französischen Revolution<br />

1799. Sie nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise durch die<br />

Moden Europas, angefangen im 18. Jahrhundert bei Marie Antoinette,<br />

der Modekönigin, bis zu den Schauen von Maison<br />

Martin Margiela im 21. Jahrhundert.<br />

Barbara Vinken war Gastprofessorin an verschiedenen Universitäten<br />

weltweit: New York, Chicago, Baltimore, Paris, Bordeaux.<br />

In Angezogen beschreibt sie immer wieder Szenen, die<br />

sie beobachtet hat, sieht sich genau an, was wir heute tragen,<br />

und setzt dies in einen historischen Kontext. Denn ob am Washington<br />

Square in Manhattan oder in München-Schwabing:<br />

Unsere Alltagsuniform besteht aus Anzügen für Männer, dem<br />

In ihrem Buch Angezogen beschäftigt<br />

sich die Literaturwissenschaftlerin<br />

Barbara Vinken mit Geschlechterrollen<br />

in der Mode. Wir haben sie in<br />

München besucht<br />

Barbara Vinken ist eine<br />

der bedeutesten<br />

Modetheoretikerinnen<br />

in Deutschland<br />

Keine Verwechslungsgefahr bei den<br />

Geschlechtern gibt es im Münchner<br />

Unicafé Lost Weekend an diesem<br />

Mittwochvormittag: Zwei Studentinnen<br />

mit Bloggerdutts bereiten gemeinsam eine Präsentation<br />

vor, beide in Skinny-Jeans. Eine elegant geschminkte Frau mit<br />

akkurat geschnittenem Bob liest. Eine Gruppe Freunde unterhält<br />

sich. Am Hals des Mädchens funkelt eine Statementkette,<br />

die kurzhaarigen Jungen tragen keinerlei Schmuck. Warum<br />

das so ist, kann Barbara Vinken erklären. Vinken ist Professorin<br />

für Allgemeine Literaturwissenschaften und bekennende<br />

Modeliebhaberin. Vier Stockwerke über dem Café befindet<br />

sich ihr Büro. Der Raum bildet einen Kontrast zur Tristesse des<br />

Unigebäudes. Auf dem Boden liegt ein orangefarbener Fransenteppich.<br />

Er ist neu, genauso wie das graue Sofa und der passende<br />

Sessel. Der Geruch frischer Textilien ist noch deutlich<br />

wahrnehmbar.<br />

Vinken fällt auf an dem grauen Regentag, im faden Unigebäude,<br />

zwischen eintönig gekleideten Kollegen und Studenten.<br />

Sie trägt ein grasgrünes Etuikleid, eine helle Netzstrumpfhose<br />

und Pumps. Sie setzt sich in den Sessel vor dem Fenster. Auf<br />

ihrem Tisch steht zwischen Bücherstapeln ein Puderdöschen<br />

von Chanel. Mit einem Pinsel streicht sie sich etwas davon<br />

über die Nase. „Das einzig Wichtige auf einem Foto ist, dass<br />

die Nase nicht glänzt! Sonst sieht man aus wie ein Clown”,<br />

erklärt sie.<br />

„Dadurch, dass die Mode<br />

die unterschiedlichen<br />

Typen entwirft, zeigt sie<br />

ihre Künstlichkeit“<br />

Symbol für erfolgreiche Arbeit. Frauen, so Barbara Vinken,<br />

tragen Kleidung, die aussehen soll, als würden sie nicht arbeiten.<br />

Ober- und Unterteil passen, anders als beim Anzug, nicht<br />

zusammen. Accessoires, wie zufällig ausgewählt, sollen laut<br />

Vinken an Urlaub erinnern, das Gefühl von Freizeit vermitteln.<br />

Gemeinsam haben wir, dass wir größtenteils Hosen tragen.<br />

Bei Frauen gibt es wenige Ausnahmen, bei Männern noch<br />

weniger. Ein Mann in einem Rock oder Kleid wäre eine Schlagzeile<br />

wert, eine Frau in Hosen interessiert dagegen heute niemanden<br />

mehr.<br />

Dass das Thema Feminismus momentan lauter und häufiger<br />

in den Medien diskutiert wird und an Relevanz gewinnt, merkt<br />

Vinken auch in ihren Vorlesungen. Wie ist es mit der Mode?<br />

Kann Mode feministisch sein?<br />

„Mode zeigt uns, dass man Geschlechterrollen konstruiert“,<br />

sagt Vinken nach kurzem Nachdenken. „Dadurch, dass die<br />

Mode die unterschiedlichen Typen entwirft, zeigt sie ihre<br />

Künstlichkeit. Das heißt, diese Typen sind auch anders denkbar.<br />

Insofern löst sie zumindest mal eine Figur auf, die für die<br />

Geschlechterkonstitution seit dem 18. Jahrhundert sehr wichtig<br />

war: Die Frau als Funktion ihrer Eierstöcke. Diese Vorstellungen,<br />

die biologistische Begründung von Geschlecht, ist eigentlich<br />

das, was dadurch aufgehoben wird. Oder was dadurch<br />

zumindest umkehrbar wird.“<br />

Dass Geschlecht ein gesellschaftliches Konstrukt ist, wird<br />

thematisch auch beim Queerfeminismus aufgegriffen, einer<br />

Mischform aus Feminismus und Queer Theory. Queerfeminismus<br />

positioniert sich oppositionell zum Patriarchat und den<br />

damit verbundenen Unterdrückungsmechanismen wie Benachteiligung<br />

und Diskriminierung aufgrund von Rasse, Klasse<br />

und Geschlecht. Die Queer Theory entwickelte sich Anfang<br />

30 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

31


der 90er-Jahre und hinterfragt kritisch alle Geschlechterzusammenhänge.<br />

Dazu gehört das Anzweifeln der Heteronormativität,<br />

also dem zweiteiligen Geschlechtssystem, in dem das<br />

biologische Geschlecht übereinstimmt mit Identität und sexueller<br />

Orientierung. Dieses System schließt transidentitäre oder<br />

geschlechtsneutrale Personen ebenso aus wie Homo-, Bi- oder<br />

Asexualität. Reduziert gesagt: Frauen (Personen mit Eierstöcken)<br />

lieben Männer (Personen mit Hodensäcken) und umgekehrt.<br />

Mehr gibt es nicht. Diese heteronormativen Rollen werden<br />

auch durch unsere Kleidung konstruiert: Herren- und<br />

Damenkleidung.<br />

In ihrem Buch beschreibt Barbara Vinken, wie die Mode die<br />

Geschlechter nach der Französischen Revolution teilte. Während<br />

die Geschlechtlichkeit des Mannes eine unmarkierte Sexualität<br />

in seiner Kleidung generierte, wurde die Geschlechtlichkeit<br />

der Frauen markiert. Diese Markierung beziehungsweise<br />

Abwesenheit von Markierung erfolgte bei der Entwicklung des<br />

Mannes zum arbeitenden demokratischen Staatsbürger, die<br />

sich auch in seiner Kleidung ausdrückte: Bis heute ist der<br />

schlichte, zurückhaltende Anzug der Inbegriff einer männlichen<br />

Arbeitsuniform. Er wird als männlicher, weil vermeintlich<br />

erfolgreicher wahrgenommen als die Kleidung, die man für<br />

körperlich beanspruchende Arbeit benötigt. Männer wurden zu<br />

einer gleichberechtigten Einheit. Frauen und alles weiblich konnotierte<br />

wurden dagegen in den Privatraum gedrängt. Die erotische<br />

Zurschaustellung des Körpers, die Freude an individueller<br />

„Alle Geschlechterverhältnisse<br />

würden sich ändern“<br />

Schönheit ist unerwünscht in einer Gesellschaft, in der vermeintlich<br />

Gleichheit herrscht. Die Mode der Männer uniformiert und<br />

eint, die der Frauen macht sie zum Individuum. Dadurch findet<br />

Weiblichkeit keinen Platz in der Arbeit, der Politik und der Wissenschaft.<br />

Das macht die Frau zu einem Überhang der Aristokratie.<br />

Denn dort wurde Kleidung von Männern und Frauen stark<br />

zur Markierung von Geschlechtlichkeit, Stand und Individualität<br />

genutzt. Könnte Unisex eine Lösung sein?<br />

„Nein, denn Unisex meint normalerweise, dass man in Richtung<br />

einer unmarkierten Geschlechtlichkeit gehen sollte. Ich<br />

finde das völlig unattraktiv“, sagt Barbara Vinken kopfschüttelnd.<br />

„Viel unterhaltsamer wäre es, wenn die Männer sich<br />

weiblicher anzögen. Wenn wir wieder zu einer stärkeren Markierung<br />

von Geschlechtlichkeit kämen“, Vinken überlegt kurz,<br />

wippt mit dem Fuß im beigefarbenen Highheel. „Das muss ja<br />

gar nicht geschlechtsidentisch sein“, erklärt sie weiter. „Zum<br />

Beispiel eine Frau, die sich sehr offensiv als Butch kleidet. Oder<br />

ein Mann, der sich sehr schmeichelnd anzieht und mit der<br />

Schönheit seines Körpers, seines Verführungspotenzials spielt.<br />

Es hätte viel mehr von Lust. Man hätte nicht mehr die Vorstellung<br />

von inneren Werten, diesem puritanisch Bürgerlichem,<br />

auf gar keinen Fall erkennen zu dürfen, dass einem an der<br />

Kleidung etwas liegt.“<br />

In ihrem Buch finden sich mannigfaltige Beispiele für diese<br />

Theorie. Eine der ersten Antimoden der Moderne, die damit<br />

brach, war laut Vinken die der Dandys. Die Männer, die sich<br />

Mitte des 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

extrem mit ihrem Aussehen beschäftigten, bildeten einen starken<br />

Gegensatz zu den republikanischen Staatsmännern. Der<br />

Lebenssinn der Dandys bestand darin, gut gekleidet zu sein,<br />

während das nüchterne Tragen von Kleidung eine gleichgültige<br />

Notwendigkeit für die anderen war, so beschreibt Barbara<br />

Vinken den Kontrast. Die Dandys wurden Modenarren geschimpft.<br />

In einer Welt, in der moralische Werte, Bildung und<br />

Politik den Ehrenmann, den echten Mann definierten, war die<br />

Auseinandersetzung mit dem Äußeren verpönt.<br />

Vinken selbst hat großen Spaß daran, sich zu kleiden. Schaut<br />

morgens, womit sie sich wohlfühlt, worauf sie Lust hat, wie es<br />

sich von innen anfühlt. Und so kommt es, dass sie an einem<br />

trüben Tag wie heute mit ihrem bunten Kleid Farbe in den<br />

Universitätsalltag bringt. In von Männern dominierten Branchen<br />

wie der Wissenschaft ist der Mut zur Farbe noch immer<br />

mit dem Risiko verbunden, nicht ernst genommen zu werden.<br />

Die Männer tragen nach wie vor Anzüge in gedeckten Tönen,<br />

die sich im Schnitt ähneln. Niemand sticht hervor. Vinken<br />

nennt das „eine aggressive Ablehnung von Mode. Es ist der<br />

Akt, der sagt, Mode ist einem egal, denn man hat etwas Wichtigeres<br />

im Kopf“, erklärt sie. Und was wäre, wenn wir uns davon<br />

lösen könnten?<br />

„Das würde das Wertesystem verändern, in dem das Weibliche<br />

abgewertet und ausgeschlossen wird. Weil Weiblichkeit<br />

mit Oberflächlichem, dem Sinnlichen und auch der sinnlichen<br />

Verblendung assoziiert wird.“ Vinkens Position zu ihren Theorien<br />

ist deutlich: „Das fände ich viel besser“, gibt die Literaturwissenschaftlerin<br />

zu. „Und ich glaube, es gibt schon Tendenzen<br />

in diese Richtung. Aber das ist ein sehr langer Weg. Und<br />

ich weiß nicht, ob es bei den Männern jemals etwas aus der<br />

Antimode tatsächlich in den Mainstream schafft …“ Ausnahmen<br />

wie Dandys habe es schon immer gegeben, erklärt sie<br />

dann. Die Frage sei, wie breit diese Gegenkulturen werden<br />

könnten. Denn wenn sie tatsächlich zum Mainstream würden,<br />

dann wäre das eine Revolution. „Dann würde sich alles verändern,<br />

alle Geschlechterverhältnisse würden sich ändern.“ Die<br />

Professorin lacht.<br />

Bei so genauer Betrachtung wird klar: Eine Aufhebung des<br />

zweiteiligen Geschlechtssystems ist Teil der Auflösung des Patriarchats.<br />

Und Mode kann dazu bewusst genutzt, ja sogar eingesetzt<br />

werden. Wie Barbara Vinken sagt: „Es ist ein weiter<br />

Weg. Aber ein nötiger Schritt, um irgendwann in einer gleichberechtigten<br />

Gesellschaft zu leben.“<br />

Zurück in der U-Bahn sind flamboyante Dandys, die bewusst<br />

mit ihrer Körperlichkeit spielen, kaum zu finden. Das<br />

einzige Accessoire der Jungs ist das Basecap, die Mädchen tragen<br />

Schmuck und lange Haare. Schade. Denn wenn es die<br />

Mode in Deutschland endlich heraus aus der vermeintlich<br />

oberflächlichen, weibischen Nische schaffte, könnten wir unsere<br />

Kleidung nutzen, um eine Meinung zu transportieren.<br />

Damit Kleider nicht nur Leute, sondern auch Gerechtigkeit<br />

machen.<br />

BASIC COLLECTION<br />

32 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

www.whitetail.luxury


FRAGE &<br />

ANTWOORD<br />

Das südafrikanische Duo Die Antwoord ist ein Fleisch gewordenes Gesamtkunstwerk,<br />

das mit Musik, Kunst und White-Trash-Lifestyle womöglich in die Geschichte<br />

eingehen wird. ¥o-Landi Vi$$er und Ninja sind Meister der Provokation und<br />

wissen, dass die Welt hässlich ist und das Leben schön. Die wesentlichen Fragen<br />

des Lebens kann uns also keiner besser beantworten als Ninja. Per E-Mail haben wir<br />

ihn in Kapstadt erreicht:<br />

VON KHIRA LI LINDEMAN<br />

FOTOS: AMANDA DEMME<br />

poesrot23@gmail.com<br />

Von: Poes < ><br />

Datum: 12. Mai 2015 19:47:08 MESZ<br />

An: Khira Lindemann <br />

Betreff: Re: Khira here<br />

On May 12, 2015, at 10:44 AM, Poes wrote:<br />

hi khira<br />

i answer below.<br />

if u want we can back and forth again if i wanna cross question<br />

any of my answers. your questions are supa-cool btw.<br />

X n<br />

Ninja, der 1974 als Watkin<br />

Tudor Jones geboren<br />

wurde, lässt sich gern<br />

WERK <strong>VI</strong>: Why does sex sell?<br />

Ninja: i dunno, prolly coz it’s fun and mischievous and wateva.<br />

humanz are heavenly and also animal and hellish by nature.<br />

sex energy is lo-level bass energy. even tho it’s lo-level energy<br />

it’s still super powerful and immediate, and is prolly so strong<br />

like dis to ensure the survival of the species. but it’s also quite<br />

an easy and brainless energy to tap into or appeal to.<br />

Gold or silver?<br />

gold every time. coz it’s fancier dan silver.<br />

Art or fight?<br />

same thing to me. again humans are heavenly creatures and<br />

hellish animals at the same time. fight energy is for the animals<br />

– raw and sexy and super unpredictable. enlightened, heavenly<br />

creative and artistic thoughts and energy require a certain level<br />

of intelligence, on the highest level commonly referred to as<br />

genius.<br />

Day or night?<br />

days are strong and clear and reliable like a man is supposed to<br />

be. night is strange and mysterious and inviting like a woman<br />

is allowed to be.<br />

Prince or Michael Jackson?<br />

they were both super fukn ultimate cool at 1 point. darling<br />

nikki by prince and all the music he was makin around dat<br />

time iz sum of my favourite songz of all time. but fuck – so is<br />

bad by michael jackson. bad is kinda zef though. the word zef<br />

means bad. as in bad style. as in: it’s so so so bad, that it becomes<br />

kinda cool.<br />

What does Cara Delevigne have that Lady Gaga doesn’t?<br />

a vagina. no, im playing. cara is what she is. she’s a cool kid. and<br />

she models. and has a fun bubbly vibe. plus she fucks with acting<br />

and music a little. lady gaga is a strange 1. because she<br />

wants to be a heavyweight popartist, but she borrows so heavily<br />

from so many other very well known artists’ styles: madonna,<br />

david bowie, grace jones, andy warhol, et cetera. which in my<br />

opinion is kinda weak. gaga also tags herself to new artists to<br />

try make it look like she discovered them, and put them on,<br />

which is what she tried to do with us. her energy and her vibe<br />

are super gross and parasitic to me. so short answer is: cara is<br />

what she is. gaga thinks she is what she isn’t. no matter how<br />

much a parasite believes it is a creator, at the end of the day, it’s<br />

still a parasite. this is why we chose to make an example of gaga<br />

in the fatty boom boom video.<br />

The meaning of life?<br />

42<br />

Hunter or gatherer?<br />

hmm. tuff 1. hunting so excitin. gathering so fun and easy.<br />

One night with – Miley Cyrus or Taylor Swift?<br />

fuck. u are funny.<br />

34 inszenieren<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

35


A feature with Tupac or Notorious B.I.G.?<br />

biggy... duh.<br />

The loudest clown in town? Or a good looking dude with a little<br />

attitude?<br />

tuff 1. thats like old dirty bastard vs johnny depp.<br />

Worst name ever?<br />

truffle-butter. coz it’s just fuckin gross. dats why.<br />

Stylist or self-made look?<br />

self-made every time. fuck. stylists hate us. we alwayz say we<br />

don’t want a stylist. then they always send a stylist anyway that<br />

always ends up sulking, crying or hating us more than anything<br />

on this earth.<br />

Loving yourself first or somebody else?<br />

yorself. for me it feels like having a deep love for yor inner self<br />

(not yor outer self) is like having roots sunk deep into the soil of<br />

life. (fuk im so deep). when yor roots are thick and strong, u can<br />

stand strong and support people u love real good. if u dont love<br />

yorself deeply but u love someone else soooo much, it can make<br />

u desperate and unstable and needy etc etc. when i say inner self<br />

i mean yor private inner workings, the side of u that no-one else<br />

Seit 2009 sind Ninja und<br />

¥o-Landi Vi$$er Die Antwoord.<br />

In dem Film Chappie von<br />

Regisseur Neill Blomkamp<br />

spielten die beiden kürzlich die<br />

Hauptrollen<br />

really knows about. and your outer self is the self you show to<br />

people. being in love with your outer self is a little weak because<br />

it means you need people’s praise and recognition to feel good.<br />

being in love with your outer self can make you dilerious, and<br />

power-drunk like a lot of superstars get. people that feed off<br />

fame like this never have a happy ending when their fame starts<br />

to wane, or their wrinkles start getting botoxed.<br />

Dinner with Marilyn Monroe or Edie Sedgwick?<br />

fuck. lemme google edie sedgwick quick. hmm ... edie looks<br />

nice. prolly her. she has more facial variation on google search<br />

than marilyn.<br />

Would you prefer a piece of work by Jeff Koons or Damien Hirst?<br />

jeff! jesus. duh.<br />

Which tattoos would you not allow your child?<br />

the little mermaid. from disney.<br />

Which South African music album do you really need to have?<br />

not many people in the world makin full albums that i need<br />

now-a-days. a dope track here and there. but dats about it. fuk.<br />

i would love 2 need 2 have an album. dat wud b beautiful.<br />

Zef is now. What’s next?<br />

the boy with the rainbow face.<br />

When will you come to Germany with a new album?<br />

2016 we droppin ratsrule23. rr23 got 23 trax on it. it’s the best<br />

thing i ever heard. we all so in love wif deze new songz. dey are<br />

mayhem. gonna be dropping singles and videos from this album<br />

very soon tho. rr23 singles and videos will keep droppin<br />

regularly in 2015 till full albumdrops nxt year.<br />

THE CONFERENCE ON<br />

THE FUTURE OF FASHION<br />

SEE YOU IN<br />

JANUARY 2016<br />

www.fashiontech.berlin<br />

36 WERK <strong>VI</strong> Q&A


Ärmel am Bein<br />

Gerd Harry Lybke, genannt „Judy“, ist einer der bedeutendsten<br />

Galeristen in Deutschland. Mit seiner Galerie Eigen+Art,<br />

bereits 1983 in Leipzig gegründet, vertritt er Künstler wie<br />

Neo Rauch, Melora Kuhn oder Martin Eder. Mit uns spricht er<br />

über das asoziale Verhalten von Männern, warum keiner<br />

mit ihm über Kunst redet und woran man die Qualität eines<br />

guten Anzugs erkennt<br />

INTER<strong>VI</strong>EW: LISA SCHÜTZ<br />

FOTOS: STEFAN KORTE<br />

Zur Arbeit erscheint der<br />

Galerist Judy Lybke<br />

immer im Anzug – einer<br />

davon hat Ärmel am Bein<br />

WERK <strong>VI</strong>: In einem Interview mit der FAZ haben Sie gesagt,<br />

dass „es nicht um Antworten geht – es geht um Fragen“. Was<br />

haben Sie damit gemeint?<br />

Judy Lybke: Für mich sind Antworten nicht die Leitmotive oder<br />

Gründe, um einen nächsten Schritt zu gehen. Das, wonach ich<br />

suche, was ich finden will, sind die Fragen, die mich bewegen.<br />

So ist es auch bei jeder Ausstellung mit meinen Künstlern. Es<br />

ist mir wichtig, eine Entwicklung in deren Arbeit zu sehen.<br />

Schaue ich mir die <strong>Werk</strong>e an, lassen sie immer Fragen offen.<br />

Solange die Geschichte nicht zu Ende erzählt ist, bleiben die<br />

Arbeiten interessant.<br />

Auf meine Anfrage nach einem Gespräch haben Sie mit der<br />

Aussage „Ich liebe Interviews!“ sofort zugestimmt. Was mögen<br />

Sie daran?<br />

Bei Interviews werde ich nicht so stark unterbrochen wie sonst<br />

im Leben. Ich kann dabei pausenlos etwas erzählen. Außerdem<br />

bekomme ich dadurch die Möglichkeit, meine Gedanken auszuformulieren.<br />

Denn indem du das Gedachte aussprichst, gewinnt<br />

es eine andere Bedeutung. So kannst du überprüfen, ob<br />

das Gesagte überhaupt einen Sinn ergibt, auch an der Reaktion<br />

deines Gegenübers. Wichtig ist, dass es ihn einfängt.<br />

Gibt es etwas, worüber Sie gerne reden würden, was Sie aber<br />

noch keiner gefragt hat?<br />

Mich hat noch nie einer gefragt, wie das künstlerische <strong>Werk</strong><br />

von einem Künstler aus der Galerie Eigen+Art im Verhältnis<br />

zu einem anderen Künstler steht. Eine kunsthistorische Abhandlung<br />

in Form von einem Disput, eine <strong>Werk</strong>gruppe des<br />

einen Künstlers der des anderen gegenüberzustellen, tiefgründig<br />

über die Arbeiten sprechen, das machen die Leute nicht.<br />

Und warum nicht? Weil sie sich nicht so gern mit der Kunst<br />

beschäftigen und sich auch nicht mit ihr auskennen. Das ist<br />

aber genau das, was ich wirklich weiß. Was die meisten Journalisten<br />

von mir verlangen ist Allgemeinwissen und steht in<br />

jeder Bild-Zeitung. Und dem hecheln die nun schon seit Jahren<br />

hinterher. Aber es ist natürlich auch anstrengend, wenn man<br />

sich mit mir über Kunst unterhalten will. Ich weiß einfach so<br />

viel, dass mein Gegenüber dann ziemlich schnell ziemlich blass<br />

aussieht.<br />

Vielleicht sind die Menschen mehr an Ihnen als Person anstatt<br />

an der Kunst und Ihren Künstlern interessiert?<br />

Ja, an mir und natürlich an dem Kontext der Kunstvermittlung,<br />

das heißt, wie das mit dem Geld so alles abläuft.<br />

38 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

39


Stören Sie sich daran?<br />

Ich liebe das auch, denn ich liebe ja den Mythos. Das ist so alles<br />

ganz wunderbar.<br />

Wenn Sie mit einer Person Ihrer Wahl ein Interview führen<br />

könnten, wer wäre das?<br />

Am liebsten mache ich natürlich mit dir ein Interview, denn du<br />

bist jetzt hier und interessierst dich für mich. Alles andere ist<br />

Quatsch. Man muss den Leuten, die im Moment ihre Lebenszeit<br />

opfern, um sich mit dir zu unterhalten, die volle Aufmerksamkeit<br />

entgegenbringen.<br />

Man sollte die Haltung<br />

von uns Männern ändern,<br />

so asozial zu sein<br />

Sie sind einer der bedeutendsten Galeristen Deutschlands. Ihre<br />

Galerien in Leipzig und Berlin sind international etabliert und<br />

bekannt. Gibt es einen Grundsatz, der Ihnen bei Ihrer Arbeit<br />

wichtig ist?<br />

Na klar! Mir ist immer wichtig, dass man sich korrekt zueinander<br />

verhält, gerade bei der Arbeit mit jungen Künstlern oder<br />

meinen Praktikanten. Sobald man die Zeit findet, agiert man auf<br />

Augenhöhe miteinander. Das ist die Vorraussetzung dafür, in<br />

der nächsten Generation immer noch eine gewisse Bedeutung<br />

zu haben. Denn die junge Generation muss sich an dem reiben,<br />

was wir hier zeigen. Solange ich Künstler vertrete, mit denen<br />

eine Auseinandersetzung notwendig ist und deren Arbeit auch<br />

inhaltlich die nächste Generation betrifft, solange ist alles gut.<br />

Das fördert ja auch Ihren Plan, etwas für die Ewigkeit schaffen<br />

zu wollen.<br />

So ist es: Kunstgeschichte schreiben, unsterblich werden, für<br />

die Ewigkeit. Und im Endeffekt, da kann ich machen, was ich<br />

will, ist es schon soweit. Aber ich hatte auch Glück. Denn selbst<br />

wenn es uns nicht mehr gäbe, wäre die Galerie und das, was sie<br />

macht, ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, so etwas durchzuziehen:<br />

Sie im Osten vor dem Mauerfall unter den damaligen<br />

Bedingungen aufzubauen und dann im Westen unter neuen<br />

Bedingungen bestehen zu lassen. Es gibt keine andere ostdeutsche<br />

Galerie, die auf diesem Level mitspielt.<br />

Was ist Ihr Ausgleich zu der ganzen Kunstszene?<br />

Ich mache Interviews.<br />

Richtigen Ausgleich, Herr Lybke, weg von der Arbeit, auch wenn<br />

Sie diese nicht so bezeichnen. Mit der Familie beispielsweise?<br />

Natürlich gibt es Familie und auch Freizeit. Früher habe ich<br />

das alles zu 200 Prozent gemacht. Und jetzt … Der eine Ausgleich<br />

ist der, dass ich Zuhause gar keine Kunst habe.<br />

Aber warum?<br />

Na, der Ausgleich.<br />

Haben Sie als Privatperson kein Interesse an Kunst?<br />

Ich habe Interesse an Leuten. Das ist mein Hauptinteresse.<br />

Davon spiegelt sich alles andere ab. Das ist vielleicht auch ein<br />

Grund, weshalb ich so erfolgreich bin. Wenn du als Galerist<br />

Menschen nicht magst, magst du weder die Künstler noch die<br />

Leute, die kommen, um etwas zu kaufen. Ich bin Dienstleister<br />

und finde es grandios, mit Menschen zu arbeiten. Ich könnte<br />

auch Kellner werden, das würde ich bestimmt auch gut machen.<br />

Alles, was mit Menschen zu tun hat, finde ich super.<br />

Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis? Oder woran erkennen Sie einen guten<br />

Künstler?<br />

Auf jeden Fall ist das Interesse an Menschen und der Umgang<br />

mit ihnen sehr wichtig. Einen guten Künstler erkenne ich zuerst<br />

an der Person selbst, dann an seiner Kunst. Die Person<br />

steht immer im Vordergrund. Alle meine Künstler in der Galerie<br />

habe ich über Jahre hinweg beobachtet. Auf der anderen<br />

Seite musst du aber auch ein guter Geschäftsmann sein, denn<br />

das betrifft die ganze Firma. Man darf das, wofür eine Galerie<br />

steht, nicht aus den Augen verlieren. Am Ende ist das ein<br />

Unternehmen mit 22 festen Mitarbeitern, 22 Künstlern, drei<br />

Standorten und acht Messen im Jahr.<br />

Kann es vorkommen, dass Sie sich Rat einholen müssen, oder<br />

treffen Sie immer alle berufsbedingten Entscheidungen selbst?<br />

Ich entscheide eigentlich gar nichts alleine. Das ist die Wahrheit.<br />

Bei uns ist das ein absolutes Team-Ding. Wir besprechen<br />

die Sachen und finden einen gemeinsamen Konsens. Ich frage<br />

mein Team oft nach Vorschlägen. Sie sind fachlich viel besser<br />

auf der Position, die sie innehaben. Dadurch habe ich mehr<br />

Zeit, mir einen Überblick zu verschaffen. Ich agiere sozusagen<br />

über allen Departments.<br />

Ein guter Geschäftsmann ist natürlich auch stets gut gekleidet.<br />

Sie tragen gern dreiteilige Anzüge, heute extra für unser<br />

Gespräch Ihren Favoriten. Warum gefällt der Ihnen am besten?<br />

Er hat Ärmel unten am Bein, eine eingearbeitete Handy- Tasche<br />

und weitere Details, die ich mag. Es ist einfach ein schöner Übergangsanzug,<br />

den man immer tragen kann. Und der Hosenärmel<br />

ist doch cool, oder? Es gibt noch einen zweiten Lieblingsanzug.<br />

Meine Designer und ich haben einen Skianzug aus englischem<br />

Stoff gemacht. Der sieht so aus, als ob du im Jahr 1920 auf den<br />

Skiern stehst, absolut old-fashioned. Aber innen drin ist er komplett<br />

hightech, mit Temperaturausgleich und so. Ich würde gern<br />

mit einer Firma zusammen einen Anzug machen, der komplett<br />

aus Hightech-Material hergestellt und dabei absolut tragbar ist.<br />

Mit welchen Designern arbeiten Sie zusammen?<br />

Mein Lieblingsanzug ist von Yoshiharu Ito. Er arbeitet in Berlin<br />

und macht mir auch immer gleich zwei Hosen, für den Fall,<br />

dass eine mal gelüftet werden muss. Den neuen, tragbaren<br />

Hightech-Anzug würde ich mit Silke Wagler aus Leipzig machen.<br />

Sie arbeitet absolut klassisch. Alles, was in England auf<br />

der Savile Row gemacht wird, macht sie so und besser. Mit<br />

der Qualität muss das immer so sein: Wenn du dich zu weit<br />

aus dem Fenster lehnst und fällst, dann ist ein Nagel, der aus<br />

der Hauswand herausstarkt, die Rettung, denn man bleibt mit<br />

seinem Anzug glücklicherweise daran hängen.<br />

Wie viele Anzüge haben Sie?<br />

Ich habe viele. Sechs Anzüge pro Jahr lasse ich mir auf jeden<br />

Fall machen. Und 20 Hemden.<br />

Sie legen also viel Wert auf Kleidung?<br />

Oder auch nicht, denn ich gehe ja nicht einkaufen. Die Anzüge<br />

zu entwerfen macht mir Spaß, denn ich finde es grandios, mit<br />

den Designern zu arbeiten. Wir schauen uns Filme an, lesen<br />

Bücher, erzählen uns Geschichten und versuchen dann das Gefühl,<br />

das beim Ansehen eines Filmes entsteht, in die Entwicklung<br />

eines neuen Anzuges zu integrieren.<br />

Und woher kommt die Vorliebe zum Dreiteiler?<br />

Bevor mein Vater 1961 nach Leipzig-Meusdorf gezogen ist, wo<br />

ich auch aufgewachsen bin, hat er als Rausschmeißer in einem<br />

Lokal in Bremen gearbeitet. Leute, die nicht bezahlen konnten,<br />

wurden aus ihrem Anzug geworfen. Und einen dieser Anzüge,<br />

einen Dreiteiler, habe ich mir damals aus seinem Schrank geholt<br />

und angezogen. Den habe ich bis heute noch.<br />

Kann Mode Kunst sein?<br />

Klar, unbedingt! Ich meine, das ist doch totaler Stress, dreimal<br />

im Jahr oder häufiger eine neue Kollektion herauszubringen.<br />

Ich finde das auf jeden Fall eine kreative Situation.<br />

Anfänglich hat sich die Mode ja auch viel Anleihe bei der<br />

Kunst geholt. Jetzt dreht sich das fast schon wieder um. Vor<br />

15 Jahren war Fotografie und Video auch keine Kunst. Die<br />

Künstler mussten kämpfen, dass ihre Arbeit anerkannt wird.<br />

Heute würde niemand mehr behaupten, Fotografie wäre bloßes<br />

Handwerk.<br />

Haben Sie einen Lieblingsdesigner?<br />

Na die, mit denen ich arbeite. Von der Stange etwas auszusuchen,<br />

das wäre mir zu stressig. Anfangs habe ich nur mit Silke<br />

Wagler gearbeitet. Sie hat auch den Anzug von meinem Vater<br />

nachgenäht. Damals habe ich noch keine Hemden schneidern<br />

lassen, sondern hatte sie von Kostas Murkudis. Die habe ich<br />

auch alle noch aufgehoben. Schuhe hebe ich auch auf. Von<br />

Trippen habe ich fast alles, was Männer tragen können. Und<br />

ein paar ausgefallene Frauenschuhe habe ich mir auch gekauft.<br />

Warum denn das?<br />

Weil die geil sind.<br />

Worin gefällt Ihnen Ihre Freundin am besten?<br />

Frauen haben einen anderen Zugang zur Mode. Sie wollen die<br />

verschiedensten Trends nicht verpassen und kaufen da was<br />

und dort was. Von daher: Solange sie authentisch bleibt, bei<br />

sich selbst, kann sie tragen, was sie will.<br />

Haben Sie ihr auch schon was zum Anziehen geschenkt?<br />

Habe ich versucht, aber nichts davon hat sie getragen. Wir<br />

haben das jetzt anders gemacht: Ich gehe mit, sie wählt aus,<br />

ich darf schenken. Aber zumindest von meiner 16-jährigen<br />

Tochter Zara werde ich gefragt. Morgens führt sie es vor,<br />

dann sage ich etwas dazu, und sie macht es oder eben auch<br />

nicht. Aber dass sie mich überhaupt fragt, ist schon eine<br />

großartige Sache.<br />

Fragen Sie nach?<br />

Manchmal sagt meine Freundin, dass sie einen bestimmten<br />

Anzug nicht besonders mag, dann kommt der ein Stück weiter<br />

nach hinten in den Schrank. Manchmal, wenn ich etwas anderes<br />

anhabe, dann sehe ich dadurch ein bisschen cooler und jünger<br />

für sie aus, dann findet sie das natürlich toll. Aber wenn ich<br />

dann wieder den Dreiteiler anziehe, ist das auch in Ordnung.<br />

Bei Ihnen in der Galerie arbeiten hauptsächlich Frauen. Finden<br />

Sie, dass sie die besseren Menschen sind?<br />

Nein, das nicht. Aber Frauen können sich selbst mehr belasten,<br />

ohne das heroisch darzustellen. Und sie sind außerordentlich<br />

teamfähig.<br />

Haben es Frauen schwerer als Männer?<br />

Ja. Das liegt an der Gesellschaft, das ist klar. Es liegt aber nicht<br />

daran, dass sie keine führenden Positionen haben. Das liegt an<br />

ihrem sozialen Gewissen. Frauen haben nicht diesen Tunnelblick<br />

wie Männer ihn haben. Die hängen ihrer Idee nach, egal<br />

ob Leben auf dem Spiel stehen oder nicht. Frauen sind eben<br />

sozial vernetzte Wesen, die auch einen sozial vernetzten Handlungsspielraum<br />

haben. Das sollte man auch nicht ändern. Man<br />

sollte eher die Haltung von uns Männern ändern, so asozial zu<br />

sein, wie wir sind.<br />

Immer in Eile – gut,<br />

dass Judy Lybke<br />

seine Arbeit liebt<br />

40 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

41


NATUR<br />

GEWALTEN<br />

Die Kunst der Collage ist es, Fragen aufzuwerfen,<br />

auf die es keine Antworten gibt<br />

FOTOGRAF JOHANNES ERB<br />

PRODUKTION LENA KAMMER, LISA SCHÜTZ, JANET SCHULZ,<br />

SARA STOLLENWERK, <strong>VI</strong>KTORIA VON DER WAY<br />

COLLAGEN LENA KAMMER<br />

MODEL JILL<br />

HAARE & MAKE-UP NATALIA VERMEER<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

43


Erste Seite<br />

Ohrring Asos<br />

Links<br />

Armreif H&M<br />

Säbel-Ohrring Jane Kønig<br />

Footcuff Vibe Harsløf<br />

Rechts<br />

Tasche aus Leder & Sneaker Adidas<br />

44 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

45


46 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

47


Vorige Seite<br />

Ring aus vergoldetem Silber Jane Kønig<br />

Body Vintage<br />

Links<br />

Ring Vibe Harsløf<br />

Kleid H&M<br />

Rechts<br />

Regenmantel Shutterheim<br />

Uhr G-Shock<br />

Sonnenvisier Mykita<br />

Shirt Monki<br />

48 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

49


JUTTA<br />

Pullover Adpt<br />

Kette Vladimir Karaleev<br />

SAMI<br />

Hose Stills<br />

Beziehungs weise<br />

Alter, Geschlecht, Rolle – Beziehungen brechen oft<br />

gesellschaftliche Tabus. Doch gibt es die heute überhaupt noch?<br />

FOTOGRAF<br />

PRODUKTION<br />

MODELS<br />

HAARE & MAKE-UP<br />

RUBEN JACOB FEES<br />

JENNY KOLOSSA, MARINA LACIC<br />

KHIRA LI LINDEMANN, NINA SCHMIDT<br />

JUTTA VON BRUNKAU (<strong>VI</strong>VA)<br />

SAMI GOTTSCHALCK (INDEED)<br />

NATALIA VERMEER<br />

50<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

51


JUTTA<br />

Rock Only<br />

Oberteil Vintage<br />

SAMI<br />

Hose Asos<br />

Jacke Starter<br />

Mütze New Balance<br />

JUTTA<br />

Fellkragen Vintage<br />

Top Whitetail<br />

SAMI<br />

Hemd WE<br />

Fliege Selected Homme<br />

52<br />

WERK <strong>VI</strong><br />

Q&A<br />

53


JUTTA<br />

Crop-Top und Rock Oasis<br />

Schuhe Joyks<br />

SAMI<br />

Hemd und Hose Sissi Goetze<br />

Sandalen Dr. Martens<br />

54 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

55


JUTTA<br />

Crop-Top Cos<br />

Rock By Malene Birger<br />

Schuhe Dr. Martens<br />

SAMI<br />

Shirt Only & Sons<br />

Hose Only<br />

JUTTA<br />

Pullover Adpt<br />

Kette Vladimir Karaleev<br />

Kleid H&M<br />

Schuhe Vintage<br />

SAMI<br />

Hose Stills<br />

Schuhe Vagabond<br />

56 WERK <strong>VI</strong> Q&A 57


JUTTA<br />

Jacke Vila<br />

SAMI<br />

Pullover Wood Wood<br />

Hose Asos<br />

58 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

59


Fünf Fragen<br />

an die Zukunft<br />

ILLUSTRATIONEN: HELENA LANGER<br />

Entwicklung, Innovationen, Wandel – wir leben in einer dynamischen Zeit, in der<br />

Gegenwart und Zukunftsvisionen nah beieinander liegen. Was heute noch<br />

undenkbar ist, wird morgen Realität. Wie könnte unsere nahe Zukunft aussehen<br />

und wie sehr wollen wir uns auf sie einlassen?<br />

Auf den folgenden Seiten haben wir mit Experten aus den Bereichen Mode, Technik,<br />

Social Media, Schönheit und Ernährung gesprochen und eine Gemeinsamkeit entdeckt:<br />

Um etwas verändern zu können, muss man Veränderung zulassen. Lesen Sie selbst.<br />

61


1Frau Drier, Sie schreiben seit fast 40 Jahren über Mode. Kann man<br />

die Entwicklung kurz zusammenfassen?<br />

Das ist schwer – wir reden schließlich über vier Jahrzehnte. Mit 20<br />

schaut man aus einem anderen Blickwinkel auf die Dinge als mit<br />

60. Junge Menschen sind begeistert von Neuem. Nach zehn Jahren<br />

in der Branche war ich verlegen, weil ich den Designern zweimal im<br />

Jahr die gleichen Fragen stellen musste: „Was ist neu?“ und „Was<br />

war deine Inspiration?“ Journalisten stellen diese Fragen immer<br />

noch, nur dass sie es mittlerweile viermal im Jahr tun. Die größte<br />

Veränderung im System der letzten Jahrzehnte sind die Schnelligkeit<br />

und die Mengen von Styles, die jedes Jahr angeboten werden.<br />

Das Ganze ist außer Kontrolle geraten. Denn die Geschwindigkeit,<br />

mit der Designer und Unternehmen vermeintliche Neuheiten zu<br />

produzieren haben, macht eine wirkliche Neuheit unmöglich.<br />

3<br />

In ihrem Manifest Anti-Fashion sagt die niederländische<br />

Trendforscherin Li Edelkoort, dass die „Mode den Draht zur<br />

Welt und zu den Menschen verloren hat“. Stimmt das?<br />

Ich fürchte ja. Ich bin eine Demokratin. Ich glaube nicht<br />

daran, dass Mode nur etwas für die Oberschicht ist. Natürlich<br />

kosten schöne Sachen Geld. Aber zur gleichen Zeit sollte es für<br />

jeden möglich sein, sich durch Kleidung auszudrücken und<br />

gut auszusehen. Sicherlich hat ein Teil der Mode seine<br />

Verbindung zur Welt, zu den Menschen verloren. Das sieht<br />

man auf der Straße, im Alltag – denn Mode ist dort einfach<br />

nicht präsent. Die Leute haben große Schwierigkeiten, gut<br />

angezogen aus dem Haus zu gehen. Und seit den nuller Jahren<br />

warte ich darauf, dass etwas Neues passiert. Vergeblich!<br />

4<br />

von Katharina Regenthal<br />

2<br />

Was bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft der Mode?<br />

Ich halte an meiner Vorstellung des sich aus der Asche erhebenden<br />

Phönix fest. Die Modeindustrie ist kommerziell, der Einzelhandel<br />

liegt in den Händen von Buchhaltern. Diese Entwicklung<br />

begann schon am Anfang meiner Karriere. Wir beklagen uns<br />

darüber, aber Fakt ist, dass es stärker und stärker wird. Wenn du<br />

jedes Quartal ein zweistelliges Wachstum erreichen sollst, kann<br />

Kreativität kaum stattfinden. Die Verbraucher kommen aus<br />

verschiedenen Alters- und Finanzklassen, wollen aber alle nur<br />

einer Mode folgen. Der einzige Weg für junge Designer ist<br />

tatsächlich, ihren eigenen Stil zu entwickeln und an ihm weiterzuarbeiten.<br />

Viele Einzelhändler sind nicht sehr interessiert daran,<br />

diesen Designern eine Chance zu geben. Es ist eine Zwickmühle,<br />

eine No-Win-Situation. Aber wenn wir wollen, dass Mode<br />

überlebt, dann muss sich etwas ändern.<br />

Denken Sie, dass die deutsche Mode zukünftig international eine<br />

Chance hat?<br />

Deutsche versuchen immer, Platzhirsche zu sein. Die deutsche<br />

Modeindustrie ist mainstream. Hier gibt es mehr Leute, die nach<br />

durchschnittlicher Kleidung suchen, als woanders. Viele<br />

Designer wollen etwas anderes machen, aber die meisten gehen<br />

bereits in ihrer Anfangsphase baden. Hier muss umgedacht<br />

werden. Oder die Guten gehen woanders hin, und das wäre<br />

schade. Ich glaube nicht, dass in Deutschland weniger Talent<br />

existiert als in anderen Ländern. Es gibt ja auch brillante Erfolgsgeschichten<br />

– aber wie lange können wir Karl und Jil noch als<br />

Paradebeispiele nutzen? Fazit ist, dass wir in einer Zeit des<br />

Wandels sind, aber Talent bleibt doch Talent. Und Mode ist ein<br />

grundsätzliches Bedürfnis, um sich auszudrücken. Ich staune<br />

manchmal, wie viele Menschen ohne Spiegel leben. Aber wer bin<br />

ich, ihnen zu sagen, wie es besser geht?<br />

5<br />

Und wie sehen Sie die Zukunft des Modejournalismus?<br />

Journalismus im Allgemeinen ist in einer sehr chaotischen<br />

Phase mit vielen unruhigen Erschütterungswellen. Zurzeit<br />

haben wir kaum Wiederaufbau. Wir sind wie Lemminge: Wir<br />

nutzen ständig das Wort Individualität, aber es bedeutet nichts.<br />

Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen, die sein wollen<br />

wie jemand anderes. Doch kritisiert will niemand werden.<br />

Alles ist erlaubt – das ist das Problem. Steigende Erwartungen<br />

fordern etwas heraus, das keinen Gehalt hat, aber guter Journalismus<br />

braucht Zeit! Der Ist-Zustand im Journalismus ist<br />

schwer für diejenigen geworden, die Wert auf Inhalte legen<br />

und Qualität schätzen. Ich bin noch nicht bereit, aufzugeben.<br />

So wie Blogs begonnen haben, könnte auch etwas anderes<br />

entstehen. Es müssten sich Menschen finden, die gemeinsam<br />

neue, alternative journalistische Produkte entwickeln.<br />

Quo vadis, Mode?<br />

Seit den 80ern berichtet Melissa Drier über Mode in Deutschland.<br />

Die Korrespondentin der Women’s Wear Daily zählt zu den einflussreichsten<br />

Modejournalistinnen. Momentan sieht die gebürtige New Yorkerin<br />

für ihre Branche schwarz. Aber es gibt Hoffnung für die Zukunft<br />

1Herr Arad, Sie forschen nach zukünftigen<br />

Trends, warum ist das so wichtig?<br />

Das Grundbedürfnis nach Trendforschung<br />

kommt daher, dass Firmen oft Produkte<br />

entwickeln, die zu lange brauchen, bis sie auf<br />

den Markt kommen. Dafür sind gewisse<br />

Sicherheiten wichtig, die den Erfolg garantieren.<br />

Bei der Entwicklung von Produkten gibt es<br />

viele Risikofaktoren: die preisliche Einordnung,<br />

die eine große Rolle spielt oder auch<br />

einfach, ob sich das Produkt auf dem Markt<br />

etablieren kann. Der Markt an sich ist ein sehr<br />

trendorientiertes Feld. Daher ist es essentiell,<br />

dass man mit dem Trend geht, wenn man Geld<br />

verdienen möchte. Forecasting war übrigens<br />

lange Zeit etwas, das fast ausschließlich im<br />

Zusammenhang mit der Mode stattfand. Das<br />

hat sich mittlerweile stark verändert.<br />

4<br />

Wie<br />

2<br />

Woran<br />

Wie profitieren Designer oder Unternehmen von<br />

Ihrer Arbeit?<br />

Manche verschaffen sich einen Eindruck über<br />

die Marktentwicklung. Andere möchten<br />

wissen, wie und durch was das Design<br />

beeinflusst wird. Und dann gibt es noch<br />

Kunden, die sich komplett an unseren<br />

Prognosen orientieren und diese eins zu eins<br />

für ihr Design übernehmen. Aber es gibt auch<br />

Firmen, die aus unseren Trendvorhersagen<br />

Gegentrends entwickeln.<br />

von Miriam Chalabi<br />

Woher kommen<br />

Trends?<br />

Die New Yorker Lilly und Itay Arad gründeten vor 15 Jahren die<br />

Forecasting-Agentur Fashionsnoops. Für Kunden wie H&M,<br />

Macy’s und Sony sucht und entwickelt das Unternehmen zukünftige<br />

Trends. Wie das funktioniert, erklärt uns CEO Itay Arad<br />

orientieren Sie sich, um Trends zu<br />

identifizieren? Wie entstehen Trends überhaupt?<br />

Ich denke, dass sich Trends aus all dem, was<br />

auf der Welt passiert, entwickeln. Wir<br />

versuchen unterschiedliche Strömungen<br />

einzufangen oder zu beobachten, um zu sehen,<br />

was aus ihnen wird. Es ist ein fortlaufender<br />

Prozess, oft auch ein wiederkehrender<br />

Kreislauf. Ein Beispiel: Bald jährt sich das<br />

Hippie-Festival Woodstock zum 60. Mal. Und<br />

momentan ist die Legalisierung von Drogen<br />

ein großes Thema in den USA. Das führt dazu,<br />

dass sich gerade viele Menschen mit Psychedelic<br />

beschäftigen. In der Kunst ist das schon<br />

relativ weit verbreitet. Nun kann man gut<br />

beobachten, wie das ganze Thema anfängt,<br />

Einfluss auf die Mode und das Design zu<br />

nehmen – wie es beginnt, beides für die<br />

kommenden Saisons zu formen.<br />

5wird man ein Trendforscher?<br />

Unterschiedlich: Unser Team setzt sich aus<br />

Designern und aus Leuten aus dem Merchandising<br />

oder Marketing zusammen. Wir<br />

arbeiten aber auch mit jungen Uni-Absolventen.<br />

Davon haben einige einen journalistischen<br />

Hintergrund. Meist fangen sie mit einem<br />

mehrmonatigen Praktikum bei uns an und<br />

bekommen nach und nach mehr<br />

Verantwortung. Voraussetzungen sind ein<br />

großes Interesse für Mode und ein siebter Sinn<br />

für Trends. Letzteren kann man leider nicht<br />

erlernen!<br />

3Wie kommen Sie an Ihre Informationen?<br />

Wir haben circa 100 Mitarbeiter unterschiedlichen<br />

Alters, die uns von überall auf der Welt<br />

mit Informationen füttern. Sie sind unsere<br />

Augen und Ohren. Sie berichten uns beispielsweise<br />

von Messen, Modenschauen oder<br />

Festivals. Das Forecasting lebt von diesen<br />

Einflüssen und Eindrücken. In der Agentur<br />

werden die Ergebnisse gefiltert und verarbeitet.<br />

Wir unterscheiden zwischen Short-Term- und<br />

Long-Term-Forecasting. Als Long-Term<br />

bezeichnet man das, was bereits weit im Voraus<br />

definiert wird. Also circa zwei Jahre vor der<br />

Saison, um die es geht. Short-Terms sind stark<br />

durch aktuelle kulturelle Einflüsse oder durch<br />

die Kunst geprägt. Je näher man einer Saison<br />

kommt, desto stärker sind bereits erste<br />

Umsetzungen bestimmter Trends zu sehen.<br />

62 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

63


von Khira Li Lindemann<br />

Kann Technik<br />

Mode sein?<br />

Lisa Lang ist CEO des Modelabels Elektro Couture.<br />

Im Fab Lab Berlin, einer offenen Entwicklungswerkstatt,<br />

kreiert sie mit Hightech-<strong>Werk</strong>zeugen Mode, die leuchtet<br />

Swarovski & Misfit Slake<br />

Das Armband mit dem<br />

Shine-Activity-Tracking-<br />

Kristall dokumentiert<br />

sportliche Aktivitäten und<br />

Schlafgewohnheiten. Um<br />

150 Euro<br />

Tzukuri Eyewear<br />

Die erste Sonnenbrille, die nicht verloren geht:<br />

Über die App wird bei Bedarf der genaue<br />

Standort der Brille angezeigt.<br />

Um 310 Euro<br />

1Frau Lang, wie funktioniert Ihr Label Elektro Couture eigentlich?<br />

Unser Mission-Statement ist: We make light wearable. Wir machen<br />

nicht LEDs tragbar, sondern Licht – und das gibt es in verschiedenen<br />

Variationen: IL-Wire, also leuchtende, eingewebte Fäden, IL-Displays<br />

oder reflektierendes Material. Je nachdem, wo es passt, setzen wir es<br />

ein. Die Technik kommt dazu, wenn wir unsere Batteriesysteme<br />

entwickeln. LED-Streifen wurden nicht gebaut, um sie zu tragen oder<br />

sie zu waschen. Also nehmen wir bestehende Technologien und<br />

ändern sie – und das ist Innovation. Klar wurden in der Couture<br />

bereits Licht und andere Technologien verwendet. Allerdings hat man<br />

dabei nie ein Kleidungsstück von hinten gezeigt, weil wahrscheinlich<br />

die ganzen Kabel raushängen und womöglich noch ein Generator.<br />

3<br />

Ist diese Interdisziplinarität ein Problem?<br />

Die Herausforderung ist das Projektmanagement. Die Angst der<br />

Designer vor Technik schlägt oft in Arroganz um, aber Arroganz ist<br />

totales Gift. Wenn etwas Neues kommt, hat das Alte Angst, die<br />

Daseinsberechtigung zu verlieren. Daher muss man mit Technik<br />

vorsichtig sein, damit das Design nicht darunter leidet. Bei uns heißt es<br />

immer: „Hey, wir müssen aufpassen, damit das Licht das Design nicht<br />

überstrahlt.“ Für mich sind beide Welten, also Technik und Mode, sehr<br />

kreativ. Sie existieren allerdings in anderen Ökosystemen, sind anderen<br />

Saisons unterworfen. Für Techniker gibt es nur eine Saison, den Rest<br />

des Jahres sprechen sie mit ihren Servern.<br />

4<br />

Wie<br />

sieht die Mode Ihrer Meinung nach in 100 Jahren aus?<br />

Es gibt dieses Sprichwort: Die Art und Weise, die Zukunft vorherzusagen,<br />

ist, sie mitzugestalten. Und genau darin sehe ich eine riesengroße<br />

Perspektive. Es wird mehr Technik in der Mode geben und Individualität<br />

wird wieder stärker sein. Jeder wird aus verschiedenen Komponenten<br />

beim 3D-Drucker seines Vertrauens sein individuelles Paar<br />

Schuhe drucken lassen können. Ich mag den Begriff Customized<br />

Manufacturing, es gibt jetzt schon jede Menge Internetseiten, auf<br />

denen du dir dein Müsli zusammenstellen und liefern lassen kannst,<br />

oder eben deine eigenen Schuhe. Momentan dümpelt die Mode mit<br />

ihren immer wiederkehrenden Retrophasen vor sich hin.<br />

5<br />

2Lassen sich Technik und stilvolles Design also schwer miteinander<br />

vereinbaren?<br />

Modedesigner erzählen durch ihr Design eine Geschichte. Technologie<br />

ist ein weiteres <strong>Werk</strong>zeug, um besser und anders zu erzählen. Technik<br />

ist heutzutage gar nicht mehr das Problem, denn es gibt alles. Die<br />

Möglichkeiten werden nur noch nicht erkannt. Und viele Designer<br />

haben Angst vor der Technologie, weil sie Einiges nicht verstehen. Es<br />

wird bereits mit Solartechnologie experimentiert, mit Kinetik, also<br />

technischer Mechanik, oder mit Glasfaser-Optik-Materialien, aus<br />

denen Datenkabel bestehen. Wichtig ist nur, interdisziplinär zu<br />

arbeiten, alle Bereiche zu verstehen und diese zu verbinden. Deshalb<br />

verbringe ich viel Zeit damit, Menschen aus verschiedenen Bereichen<br />

in einen Raum zu sperren.<br />

Und welches Fashion-Tech-Piece könnte sich zukünftig durchsetzten?<br />

Das ist schwer zu sagen. Es geht nicht unbedingt um das Piece,<br />

sondern um das Konzept dahinter. Was die Welt gar nicht braucht, ist<br />

ein Outfit, das die ganze Zeit blinkt, fiept und mit dir spricht. Kleidung<br />

sollte deine Stärke repräsentieren und dich nicht wie ein Zirkuspferdchen<br />

daherkommen lassen. Kleidung, die deinen Puls misst oder weiß,<br />

wie viel Kalorien du zu dir nimmst, ist auch so ein Thema. Letztens<br />

war ich auf der Wearable Technologies Conference in San Francisco.<br />

Da saß ein ganzer Haufen Amerikaner aus der I-Health-Szene. Die<br />

haben sich gegenseitig mit ihren Fashion-Tech-Pieces übertrumpft. Es<br />

wird zum Beispiel einen BH geben, der Brustkrebs früh genug<br />

diagnostiziert, was an sich ja eine tolle Sache ist. Aber wenn du das<br />

Businessmodell dahinter verstehst, wird dir schlecht! Du wirst nämlich<br />

zur Datenschleuder: Die Hersteller verkaufen deine Daten, wie es<br />

Facebook auch macht. Stell dir vor, du bist Diabetiker und kaufst<br />

morgens eine Tüte Chips. Diese Information geht dann an deine<br />

Versicherung, die dir dann am nächsten Tag die Kündigung schickt.<br />

Davor habe ich wirklich Angst. Aus lauter Technikverliebtheit werden<br />

wir noch zu Big Brother. Da muss man sehr aufpassen, denn am Ende<br />

geht es oft leider doch nur ums Geld.<br />

von Jenny Kolossa<br />

Wo tragen<br />

wir das hin?<br />

Wearable Technologies sind<br />

Accessoires, die mit Technik<br />

ausgestattet sind. Die Schmuckstücke<br />

sollen unser Leben<br />

optimieren und sind via Bluetooth<br />

mit Smartphone-Apps<br />

verbunden. Diese Kombination<br />

ist noch nicht weit verbreitet,<br />

wird aber in Zukunft Teil unseres<br />

Alltags sein<br />

Bellabeat Leaf<br />

Der Anhänger überwacht<br />

das Bewegungsprofil,<br />

Stress-Level und Schlafverhalten<br />

seiner Trägerin<br />

und zeichnet den<br />

Menstruationszyklus auf.<br />

Um 100 Euro<br />

BioSensive Technologies Inc. Ear-O-Smart<br />

Der erste Smart-Ohrring der Welt zeichnet die<br />

Herzfrequenz und die Bewegungsabläufe sowie<br />

den damit verbundenen Kalorienverbrauch auf.<br />

Um 100 Euro<br />

Algara<br />

Über die Smartphone-App kann die Edelstein-Farbe<br />

des Armbands nach Belieben<br />

verändert werden. Außerdem misst es Schritte<br />

und die Distanz, die zurückgelegt wurde.<br />

Um 135 Euro<br />

64 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

65


We carry brands like<br />

DU4 Shirtmakers<br />

Kings of Indigo<br />

FRENN<br />

Oak Natural Beard Care<br />

Knowledge Cotton Apparel<br />

Bagagiste<br />

von Annmarie Juhr<br />

Wie redest du<br />

eigentlich mit mir?<br />

Der Hamburger Siems Luckwaldt ist Social Media Coach,<br />

freier Journalist, Redakteur, Kolumnist und Blogger.<br />

Mit ihm sprechen wir über die Zukunft von Social Media und<br />

darüber, wie soziale Netzwerke unsere Gesellschaft verändern<br />

Menswear Concept Store<br />

Kleine Hamburger Straße 3· 10115 Berlin – Mitte<br />

Open Tu- Fr 12-19· Sa 12-17<br />

www.agoodman.de<br />

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PR-PRAKTIKANT GESUCHT<br />

Wir suchen regelmäßig zur Verstärkung unserer PR-Teams eine/n PR-Praktikanten/in<br />

für ein sechsmonatiges, vergütetes Vollzeit-Pflichtpraktikum.<br />

Als Praktikant/in arbeitest Du in einem unserer Beratungsteams und lernst so das<br />

Tagesgeschäft einer PR-Agentur sehr gut kennen. Du unterstützt die Teams<br />

u.a. bei Recherche, Organisation und Umsetzung von Projekten. Dazu gehört auch<br />

das Verschicken von Styling-Pieces und Erstellen von Clipping-Präsentationen.<br />

Anforderungen:<br />

• Alle gängigen Mac-Anwendungen (Word, PowerPoint, Excel).<br />

• Deutsch und Englisch gut in Wort und Schrift.<br />

• Kontaktfreudig und engagiert.<br />

• Erste Erfahrungen in der Kommunikationsbranche sind von Vorteil.<br />

• Hohe Affinität zu Social Media.<br />

• Du bist mode- und szenebegeistert.<br />

Bewerbung mit Kurzvita an: jobs@silk-relations.com<br />

1Herr Luckwaldt, was halten Sie von moderner<br />

Kommunikation?<br />

Es findet eine Verlagerung von Diskursen,<br />

Bekundungen von Mitgefühl und Sympathie auf<br />

Plattformen statt, deren Regeln wir nicht<br />

bestimmen. Zu deren Inhalten tragen wir<br />

kostenlos bei – und die Plattformen verkaufen<br />

diese Inhalte dann meistbietend. Das sehe ich<br />

durchaus kritisch. Unser Gehirn ist bereits<br />

dabei, sich an die ständige Reizüberflutung, an<br />

die Dauerablenkung in unserer Hosentasche<br />

anzupassen. Das Resultat werden wir erst in Jahren<br />

oder Jahrzehnten kennen. Good or bad –<br />

wer weiß es schon?<br />

3<br />

Rücken wir Menschen in Zukunft zusammen?<br />

Apps wie Vine, Snapchat, Meerkat oder<br />

Periscope schalten uns jetzt per Video und in<br />

Echtzeit zusammen. Wir haben theoretisch die<br />

Möglichkeit, uns Millionen mitzuteilen, ohne<br />

ein Medienimperium zu besitzen. Die<br />

Hoffnung manches Web-Utopisten, diese<br />

Netzwerke würden uns als Weltöffentlichkeit<br />

einander näher bringen, unser Gemeinschaftsgefühl<br />

über Länder- und kulturelle Grenzen<br />

hinweg stärken, sehe ich jedoch nur teilweise<br />

erfüllt. Denn gleichzeitig sprechen wir im<br />

Alltag immer weniger miteinander, empfinden<br />

den direkten Kontakt mit anderen Menschen,<br />

Nachbarn, selbst Freunden zuweilen gar als<br />

lästig. Das ist genauso wahr wie die Chancen,<br />

die die Connectedness eröffnet: Wir können<br />

durch geteiltes Wissen, etwa in Forschung,<br />

Medizin, politischem Aktivismus oder<br />

Wohltätigkeit wie nie zuvor von einer globalen<br />

Crowd und ihrem Input profitieren. Die Utopie<br />

des We Are One ist greifbar.<br />

2<br />

Hat das nicht auch positive Aspekte?<br />

Protestbewegungen erhalten heute nahezu for<br />

free rasch globalen Zuspruch, auf Missstände<br />

kann mit ein paar Klicks hingewiesen werden.<br />

Gleichzeitig verlagert sich dadurch das Kontra<br />

der Bevölkerung von der Straße auf eine<br />

Dislike-Zahl im Netz. Doch ein demokratischer<br />

Dialog mit der Politik braucht definitiv beides.<br />

Wichtig finde ich auch die Frage, was mit denen<br />

passiert, die sich weder Latte Macchiato noch<br />

Wifi leisten können. Wie wird ihre Stimme<br />

gehört? Und: Wollen wir sie überhaupt noch<br />

hören, wenn News von den Kardashians und<br />

Katzenvideos auf uns warten?<br />

5<br />

4Wie sehen Sie die Zukunft von Social Media?<br />

Die sollten wir endlich weitgehend mitbestimmen<br />

und nicht erst warten, bis uns Milliardenkonzerne<br />

neue Apps zum Rumspielen auf die<br />

Devices laden. Brauchen wir nicht eher ein<br />

Revival des Vis-à-Vis statt noch mehr<br />

Pseudo-Meetings im WWW? Echte Freundschaften<br />

statt Facebook-Chats? Klingt total old<br />

school, ich weiß. Nur –, was wir mehr und<br />

mehr herausfinden, ist Folgendes: Unsere<br />

Hardware, unser Körper und Geist, hat noch<br />

immer die gleichen evolutionären Wurzeln<br />

und Bedürfnisse wie vor Tausenden von<br />

Jahren.<br />

2011 haben Sie das Moderedaktionsbüro<br />

Lucky Inc. Media gegründet. Was bedeutet der<br />

Erfolgszug von Social Media für die Modebranche?<br />

Social Media, E-Commerce, Mobile Web und<br />

das damit einhergehende fortschreitende<br />

Aufmerksamkeitsdefizit sind für die Mode<br />

genauso fundamental wie für andere Branchen.<br />

Für etablierte Marken heißt das: Sind wir<br />

schnell genug, flexibel genug, erzählen wir<br />

nachhaltig begeisternde und daher wirksame<br />

Geschichten oder fügen wir dem ohrenbetäubenden<br />

Rauschen auf allen Kanälen bloß<br />

banale Ego-News hinzu? Für Newcomer ist ein<br />

agiles Set-up weniger ein Problem, das richtige<br />

Storytelling schon. Zwar ist die Hürde des<br />

Einstiegs durch neue Technologien und fast<br />

kostenlose Plattformen für Handel und PR<br />

extrem gesunken, der Nachteil ist aber: Das gilt<br />

für alle, verschafft heute also keinen Wettbewerbsvorteil<br />

mehr. Statt weniger großer Fische<br />

und ein paar kleinen schwimmen im Fashion-<br />

Teich heute neben den großen unzählige kleine<br />

mehr.<br />

WERK <strong>VI</strong><br />

Q&A<br />

67


1<br />

Frau Gubser und Frau Frank, was<br />

sind die Vorteile von veganer Mode?<br />

Die liegen für uns klar auf der Hand:<br />

Für vegane Mode müssen keine<br />

Lebewesen sterben und für Produzenten<br />

veganer Mode sind faire<br />

Arbeitsverhältnisse und Nachhaltigkeit<br />

ganz wichtig. Das Konzept von<br />

The NAB ist Vegan as a fashion<br />

statement. Stella McCartney hat es<br />

vorgemacht: Man kann heutzutage<br />

Schuhe, Taschen, Accessoires und<br />

Kleidung produzieren, die modernen<br />

Trends in keiner Weise<br />

nachstehen und dennoch tierfrei<br />

sind. Die Negativberichterstattung<br />

der vergangenen Zeit hat uns ebenso<br />

wie viele Endverbraucher stark<br />

sensibilisiert. Man hinterfragt viele<br />

Dinge. Wir wollen aufzeigen, dass es<br />

für die üblichen Modeherstellungsprozesse<br />

eine Alternative gibt.<br />

von Julia Ledig<br />

4<br />

Wie überzeugen Sie Ihre Kunden<br />

davon, dass vegane Mode wichtig für<br />

die Zukunft ist?<br />

Wir möchten keine Überzeugungsarbeit<br />

leisten. Der Kunde soll sich<br />

nicht in die „vegane Ecke“ gedrängt<br />

fühlen. In erster Linie sollen unsere<br />

Kollektionen und Modelle überzeugen.<br />

Die Tatsache, dass man sich ein<br />

Stück gutes Gewissen erkauft, wenn<br />

man sich für ein Teil aus einer<br />

veganen Kollektion entscheidet, ist<br />

ein absolut positiver Nebeneffekt.<br />

2<br />

Wie vegan geht<br />

Mode?<br />

Veganer Lifestyle boomt. Auch in der Mode wird er<br />

immer populärer. Das Label The No Animal Brand<br />

(The NAB) von Nicole Frank und Bianca Gubser erhielt<br />

dafür 2013 den Peta Fashion Award in der<br />

Kategorie „Beste Designer“<br />

Welche Materialien verwenden Sie?<br />

Wir benutzen hochwertige Stoffe<br />

wie Spitze, Macramé und bedrucktes<br />

Leinen, auch Hightech-Materialien,<br />

wie bei den Innensohlen, die<br />

antibakteriell und antitranspirant<br />

sind. Wir produzieren unsere<br />

Schuhe und Taschen ausschließlich<br />

in Europa und achten auf faire<br />

Arbeitsbedingungen. Auch die<br />

verwendeten Materialien werden in<br />

Europa hergestellt.<br />

3<br />

Wie kann vegane Mode in Zukunft in<br />

den Mainstream einziehen?<br />

Vegan ist ein absoluter Trend. Dem<br />

kommt zugute, dass das Leben unter<br />

anderem durch das Internet viel<br />

transparenter geworden ist. Man<br />

hinterfragt vieles, kann vieles<br />

kontrollieren. Deutschland befindet<br />

sich erst langsam auf diesem Weg,<br />

aber in den USA und England leben<br />

die Leute diesen veganen Lifestyle<br />

bereits zu 100 Prozent.<br />

5 1<br />

Wird die traditionelle Stoffherstellung<br />

aussterben, und gibt es in<br />

Zukunft keine tierischen Stoffe mehr?<br />

Auf jeden Fall wird es schwieriger<br />

werden, Stoffe aus traditioneller<br />

Herstellung, also auch tierische<br />

Produkte, zu bekommen, da auch<br />

immer mehr Designer zu alternativen<br />

Materialien greifen. Das freut<br />

uns natürlich sehr. Zudem ist es viel<br />

spannender, mit neuen<br />

innovativen Stoffen zu arbeiten.<br />

von Sara Stollenwerk<br />

Kann Steinzeit<br />

trendy sein?<br />

Paleo ist die Kurzform für die Zeit des Paläolithikums, der<br />

sogenannten Altsteinzeit. Der Belgier Boris Leite-Poço führt<br />

seit 2011 das Paleo-Restaurant Sauvage in Berlin und erzählt,<br />

was sich wirklich hinter der Steinzeiternährung verbirgt<br />

Herr Leite-Poço, wozu dient Paleo<br />

eigentlich?<br />

Paleo ist eine Ernährungsweise, die auf<br />

Evolutionsbiologie und Evolutionswissenschaft<br />

basiert. Es geht um eine<br />

moderne und gesunde Ernährung, die<br />

sich an der Nahrung der Steinzeitmenschen<br />

orientiert. Sie wird dem<br />

angepasst, was uns die Evolution<br />

vorgibt. Das ist der Grundgedanke.<br />

4<br />

Soll man denn nur noch Insekten und<br />

Fleisch essen!?<br />

Nein, aber man kann sofort auf<br />

Nachhaltigkeit achten, indem man auf<br />

industrielle Ernährung verzichtet, die<br />

sehr ungesund ist. Ebenso sollte man<br />

kein Fleisch von gezüchteten Tieren<br />

essen, das die Ursache für viele<br />

Krankheiten ist. Und durch den<br />

schnellen Anstieg der Weltbevölkerung<br />

wird man sich eh in Zukunft nicht<br />

mehr auf die nachwachsenden<br />

Getreidesorten verlassen können.<br />

2<br />

Aber warum sollen wir uns 2015 wie<br />

Steinzeitmenschen ernähren?<br />

Weil wir jetzt ungesund leben. Es gibt<br />

immer mehr Probleme wie Übergewicht<br />

und andere Krankheiten, an<br />

denen sogar Menschen sterben.<br />

Mittlerweile ist das normal geworden,<br />

aber eigentlich ist es das nicht. Wenn<br />

man auf die moderne Jäger-Sammler-Gesellschaft<br />

der letzten 100 Jahre<br />

schaut, die Dank der Wissenschaft<br />

teilweise dokumentiert wurde, findet<br />

man heraus, dass die Menschen früher<br />

deutlich bessere Gesundheitswerte<br />

hatten. Unser Leben heute ist dagegen<br />

geprägt von Krankheiten und<br />

Schmerzen. Stellt man die Ernährung<br />

auf Paleo um, kann man viele<br />

Beschwerden loswerden.<br />

5Was sollte dafür Ihrer Ansicht nach<br />

zukünftig aus unserer Nahrungskette<br />

verschwinden?<br />

Auf jeden Fall alle pflanzlichen Öle,<br />

Fettalternativen und Getreideprodukte.<br />

Die Werbung will es uns immer<br />

verkaufen, aber es gibt keine natürlichen<br />

Fette. Rapsöl oder Sonnenblumenöl<br />

werden gepresst und stark<br />

erhitzt, das ist sehr ungesund und auf<br />

natürliche Weise bekommt man es<br />

nicht hin. Außerdem brät und bäckt<br />

man mit Öl. Das ist der totale<br />

Wahnsinn! Weil es eine Lüge ist, dass<br />

Fette gut für den Organismus sind. Sie<br />

sind nicht nur schlecht, sondern dazu<br />

noch krebserregend.<br />

3Ist Paleo neben Veganismus und<br />

Vegetarismus nicht einfach nur einer<br />

der typischen Ernährungshypes?<br />

Ich glaube, dass wir noch ganz am<br />

Anfang einer neuen Bewegung sind.<br />

Paleo basiert auf einer Wissenschaft.<br />

Alle anderen Ernährungsstile wie<br />

Veganismus und Vegetarismus sind<br />

eher dem Tier gegenüber moralisch<br />

geprägt. Paleo wird sich weiterentwickeln,<br />

das wird sehr spannend!<br />

Bestimmt kommen weitere Eiweißquellen<br />

wie Insekten dazu. Der<br />

allgemeine Trend bewegt sich in<br />

Richtung fermentierter Lebenmittel,<br />

also Nahrung, die eine Vielzahl an<br />

Bakterienkulturen liefert, um das<br />

Abwehrsystem zu stärken und<br />

chronische Krankheiten zu verringern.<br />

In Zukunft werden Verdauung und<br />

Verträglichkeit für den Körper immer<br />

wichtiger.<br />

68 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

69


von Nina Schmidt<br />

Wer ist schön?<br />

Ulrich Renz ist Schönheitsforscher und Autor des<br />

Buches Schönheit – eine Wissenschaft für sich.<br />

Er spekuliert für uns, wie sich Ideale verändern werden<br />

Großartig wären Tabletten gegen UV-Strahlung. Eincremen<br />

ist nicht mehr nötig und sie bieten einen dauerhaften Schutz<br />

Stephanie Neureuter, Beauty-Director und Mitglied der Chefredaktion bei „Glamour“<br />

Ein Make-up, das sich der Kondition der Haut anpasst –<br />

egal ob die Haut trocken ist oder bei Hitze schnell glänzt<br />

Miriam Jacks, Gründerin von JACKS Beauty Department<br />

3<br />

1Herr Renz, warum verändern sich Schönheitsideale im<br />

Laufe der Zeit und was macht ein Gesicht schön?<br />

Ideale verändern sich eigentlich nur in Bezug auf den<br />

Körper, weniger auf das Gesicht – obwohl das für die<br />

Schönheitsbeurteilung viel wichtiger ist. Die Frauen<br />

auf alten Gemälden gelten auch heute noch als<br />

schön. Wichtig sind große Augen, kleine Nase, volle<br />

Lippen: Je kindlicher ein Gesicht wirkt, desto eher<br />

wollen wir es versorgen und beschützen. Der andere<br />

große Faktor ist Jugendlichkeit. Das hat etwas mit<br />

der Zeitspanne zu tun, in der Frauen sich reproduzieren<br />

können. Wir können einfach keine Vorliebe<br />

für Falten entwickeln, das hat uns die Evolution<br />

sozusagen verboten.<br />

Provozieren diese neuen, technologischen Möglichkeiten<br />

auf lange Sicht also ein künstliches Schönheitsideal?<br />

Nein, das denke ich nicht. Unser Kapitalismus mit<br />

seinen ganzen Fleiß- und Strebsamkeitsgedanken ist<br />

eine Spielart des Puritanismus. Und dazu gehört<br />

natürlich, Künstlichkeit nach außen nicht zu zeigen.<br />

Das könnte sich in Zukunft auch zum Megatrend<br />

entwickeln: Je künstlicher unsere Welt durch technologischen<br />

Fortschritt wird, desto schöner wird der Glanz<br />

der Natürlichkeit. Und damit auch das Bedürfnis nach<br />

einem idealen, aber natürlichen Aussehen.<br />

2<br />

Frankreich hat ein Gesetz gegen Magermodels auf<br />

Laufstegen verabschiedet. Eine Kosmetikfirma hat mit<br />

„ganz normalen“ Frauen geworben. Prägt so etwas das<br />

zukünftige Schönheitsideal?<br />

Das sind sehr kurzfristige Entwicklungen – da kann<br />

man nicht von einer Trendwende sprechen. In<br />

Zukunft werden die technologischen Möglichkeiten,<br />

das Aussehen zu verändern, ausgefeilter, effizienter<br />

und billiger werden. In der Forschung, etwa um<br />

Faltenbildung oder den Schwund von Unterhaut zu<br />

verhindern, wird sich noch sehr viel tun. Wahrscheinlich<br />

wird Jugendlichkeit in Zukunft immer<br />

mehr als erstrebenswertes Attribut angesehen. Das<br />

ist ein Megatrend. Und weil man Jugendlichkeit<br />

technologisch besser wird herstellen können,<br />

könnten Menschen, die altersgemäß aussehen,<br />

ähnlich abgewertet und stigmatisiert werden wie<br />

jetzt Menschen mit Zahnlücken. Die sind, seit man<br />

Zähne ersetzen kann, ein soziales Stigma.<br />

4Wie könnte ein „natürlich idealer“ Körper aussehen?<br />

Durch die Globalisierung konkurrieren Schönheitsideale<br />

verschiedener Kulturen immer mehr. Je<br />

nachdem, welche Gesellschaft sich wirtschaftlich<br />

durchsetzt, wird sich auch das Schönheitsideal<br />

anpassen. Es ist jetzt schon festzustellen, dass sich bei<br />

Schönheitskonkurrenzen ein multiethnisches Ideal<br />

mit einer leicht angeschrägten Augenachse durchsetzt.<br />

Wenn China den Laden übernimmt, werden<br />

sich die Europäerinnen genauso operieren lassen,<br />

wie es die Chinesinnen bis jetzt getan haben.<br />

5Gelten diese Entwicklungen auch für Männer?<br />

Auch, aber weniger stark. Beim Mann kann man von<br />

einer biologisch abgeleiteten Universalität sprechen:<br />

Er unterliegt dem Druck, einem Schönheitsideal zu<br />

entsprechen, weniger stark als eine Frau, die nur eine<br />

kurze Reproduktionsphase hat. Ein Gesicht, das eine<br />

relativ große Dominanz ausstrahlt, wird auch in<br />

Zukunft die besten Karten haben.<br />

ILLUSTRATIONEN: NINA SCHMIDT<br />

Ein Eyeliner, der WIRKLICH nicht verschmiert. Vor<br />

allem bei Schlupflidern muss ich immer wieder feststellen,<br />

dass sich die Eyeliner schnell auf dem Lid absetzen<br />

Patricia Makosch, Hair & Make-up Artist<br />

von Annmarie Juhr<br />

Das Kosmetikprodukt<br />

der Zukunft?<br />

Drogerie, Parfümerie und unser Badezimmer haben unendlich viele<br />

Cremes, Seren und Wässerchen zu bieten. Doch was brauchen<br />

wir wirklich? Fünf Beauty-Experten wünschen sich in die Zukunft<br />

perfect line<br />

Eine Bodylotion, die sich im Bereich der Brust verfärbt, sofern sich<br />

bösartige Zellen oder Tumore unter der Haut befinden. Somit<br />

vereint sich eine alltägliche Schönheitspflege mit lebenswichtiger Vorsorge<br />

Elsa Sonntag, Beauty-Redakteurin bei „Harper’s Bazaar“<br />

CancerCare<br />

Egal welches Produkt: Alle betreffenden Entscheidungen<br />

sollten das Wohl der nächsten Generationen,<br />

der Tiere und der Erde, auf der sie leben, sichern<br />

CC<br />

Bodylotion<br />

UV UV UV UV<br />

UV UV UV UV<br />

UV UV UV UV<br />

Christina Roth, Mitbegründerin von UND GRETEL Naturkosmetik<br />

UV<br />

UV<br />

70 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

71


TAT<br />

VERDACHT<br />

„Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss<br />

das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich<br />

sie auch klingen mag.“ Sherlock Holmes<br />

FOTOGRAF MARC HUTH<br />

PRODUKTION ANNMARIE JUHR, JULIA LEDIG, KATHARINA REGENTHAL,<br />

<strong>VI</strong>CTORIA RICHTER, MIRIAM ZENNER<br />

MODEL IRÈNE AMUQUANDOH (PLACE MODELS)<br />

HAARE/MAKE-UP SAI<strong>VI</strong>E LE<br />

FOTOASSISTENZ YANNIC POEPPERLING<br />

Falsche Credits!<br />

Kleid Marlene Birger<br />

Hut Henrik Vibskov<br />

Schuhe Buffalo<br />

FOTOCREDIT<br />

72 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

72Mantel By Malene Birger, WERK Bluse Frisur, <strong>VI</strong> Q&A Hose Cheap Monday, Schuhe Eden, Fliege Vintage<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A 73


Pumps Eden<br />

FOTOCREDIT<br />

Pullover Malene Birger<br />

Hose Marlene Birger<br />

74 Jacke Fred Perry, Bluse Frisur, WERK Hose <strong>VI</strong> Warehouse, Q&A Lackpumps Buffalo 75<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A 75


Wollkleid Fabrics Interseason<br />

76<br />

Mantel Lipsy, Kleid By Malene Birger. Lackpumps Buffalo<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

77


Bluse Minimarket, Ohrringe & Kette Sabrina Dehoff<br />

Kleid AMD Fundus<br />

Ut faces nobit acepelisit volorer orepudi<br />

autest, consequ atibus molore poremol<br />

orerum eatis a conseni squam, qui<br />

vendae is dolupienet imaximu sdamus<br />

78 Minikleid & Hut Realitiy Studio, Schuhe Cheap Monday<br />

WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

79


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orerum eatis a conseni squam, qui<br />

vendae is dolupienet imaximu sdamus<br />

Pullover Stills, Hose Filippa K, Kette Vibe Harsløf, Schuhe Cheap Monday<br />

80 Mantel Barbour, Hut Reality WERK Studio, <strong>VI</strong> Tasche Q&A Selected Femme, Schal & Schuhe Vintage<br />

81


Die<br />

Weitsichtigen<br />

Mykita-Mitbegründer<br />

und Creative Director<br />

Moritz Krüger<br />

bei der Arbeit<br />

Links: Auch die<br />

Sonnenbrillengläser<br />

werden in Berlin<br />

entwickelt<br />

In Berlin mit Design Millionen verdienen?<br />

In einer Stadt, die bisher für stilvolles Scheitern<br />

bekannt ist? In der Kreativität zwar grenzenlos,<br />

aber nicht teuer sein darf? Es geht also doch,<br />

wie die Brillenmanufaktur Mykita zeigt.<br />

Eine leise Erfolgsgeschichte<br />

VON JANET SCHULZ FOTOS: JULIAN BAUMANN<br />

82 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

83<br />

1


„Ist die Mannschaft<br />

glücklich, bleibt auch<br />

das Schiff auf Kurs“<br />

Maßgenaues Arbeiten und<br />

Qualitätskontrollen tragen<br />

zum Erfolg von Mykita bei<br />

Am Vormittag ist die Kantine des alten<br />

Pelikan-Hauses in der Kreuzberger<br />

Ritterstraße noch leer.<br />

Seit dem Sommer 2014 wird in der<br />

elegant sanierten Schreibwarenfabrik<br />

Mode für Kurz- und Weitsichtige produziert – die alten Räumlichkeiten<br />

in Mitte hatten das Wachstum der Brillen-Manufaktur<br />

nicht mehr mitgemacht. Was vor zwölf Jahren mit vier<br />

Freunden in einer ehemaligen Kindertagesstätte begann – daher<br />

der Firmenname –, ist heute ein internationales Unternehmen<br />

mit 220 Mitarbeitern. Sie alle sind auf Polaroids zu sehen,<br />

die an einer Wand in der Aula hängen. Weitere 179 Kollegen<br />

arbeiten auf der ganzen Welt verteilt.<br />

Angefangen hat alles mit einer simplen Idee: Ein Brillengestell<br />

aus Flachmetall ohne Schraubverbindungen und Lötstellen<br />

herzustellen, zusammengehalten durch eine schraubenfreie<br />

Technik. „Mykita ist stark autodidaktisch geprägt“, erklärte<br />

Moritz Krüger, Managing Partner & Creative Director, in<br />

einem Interview mit The Brander zu der unkonventionellen<br />

Lösung. „Eine auf Lernen basierende Unternehmung.“<br />

In den letzten zwölf Jahren wurde aus der Idee eine Weltmarke:<br />

Mykita expandierte in über 80 Länder. In einigen davon<br />

ist die Berliner Manufaktur sogar mit eigenen Läden vertreten<br />

– in Städten wie Paris, Monterrey, Wien, Zürich und<br />

Tokio. Im vergangenen Jahr stieg das Umsatzwachstum um<br />

17,8 Prozent – das bedeutete 25 Millionen Euro Gewinn. Mykita<br />

zählt somit zu den erfolgreichsten Unternehmen Berlins und<br />

ist einer der größten Arbeitgeber im Designbereich. Doch das<br />

weiß kaum jemand in einer Stadt, die stetig gegen ihr Armaber-sexy-Image<br />

kämpft.<br />

Eine Mykita-Brille ist zu 100 Prozent Made in Berlin. Die<br />

Manufaktur in Kreuzberg ist Produktionsstätte für sämtliche<br />

Gestelle, die in den Handel kommen. Im Erdgeschoss liegt die<br />

erste Station. Hier wird die Brillenfront in mehreren Schritten<br />

in Handarbeit gefaltet und gebogen, bis aus einem völlig flachen<br />

Material ein dreidimensionales Objekt entsteht. An einem<br />

rechteckigen Massivholztisch, der fast den ganzen Raum<br />

einnimmt, werden die Brillengestelle aus dünnen Metallplatten<br />

herausgebrochen. Einen Tisch weiter werden die einzelnen<br />

Bügel der Edelstahlbrillen, die man später individuell hinter<br />

die Ohren biegen kann, in ihre endgültige Form gebracht. Das<br />

patentierte Spiralgelenk verbindet Bügel und Gestell. Dies ist<br />

der USP, an der jede Mykita-Brille zu erkennen ist. Denn ein<br />

sichtbares Logo gibt es nicht. Man möchte ästhetisch, aber dezent<br />

wirken und die Schönheit von Handwerk und Technik in<br />

den Vordergrund stellen. Eine Etage höher werden die Brillen<br />

aus Acetat und dem neuartigen Material Mylon gefertigt und<br />

in Handarbeit montiert.<br />

Alles unter einem Dach bedeutet auch, dass ein hauseigenes<br />

Fotostudio eingerichtet wurde, um alle Brillen für die Webseite,<br />

die Social-Media-Kanäle und auch in Videos zu inszenieren.<br />

Die komplette Corporate Identity inklusive der Verpackungen<br />

wird vom Design-Team hausintern entworfen. Der<br />

Vertrieb, die PR und das Marketing sitzen auf der gleichen Etage.<br />

Und im großen Showroom im Vorderhaus kann man sämtliche<br />

Modelle anschauen und anfassen.<br />

Die Mitarbeiter sind zwischen 20 und 70 Jahre alt und kommen<br />

aus der ganzen Welt. Viele sind gelernte Optiker oder<br />

84 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

85


86 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

V.l.n.r.: Jede Brille wird per Hand<br />

zusammengebaut und überprüft.<br />

Die ehemalige Pelikan-Fabrik ist<br />

heute das Mykita-Haus. Im Innenhof<br />

herrscht Café-Athmosphäre<br />

Zahntechniker – Berufe, die gute Fingerfertigkeit voraussetzen.<br />

Ein älterer Herr mit grauen Haaren sitzt neben einem<br />

punkigen Mädchen mit pinkfarbener Mähne und Piercings.<br />

Die Stimmung ist locker. Manche unterhalten sich, andere haben<br />

bunte Kopfhörer auf und hören Musik. Wer fehlsichtig ist,<br />

schaut natürlich durch ein Mykita-Gestell. Mit einem Preis<br />

von 300 bis 400 Euro ist ein Modell eher im höheren Preissegment<br />

angesiedelt. Vielleicht verkaufen sich deshalb die Brillen<br />

in den USA am besten, gefolgt von Frankreich und Deutschland.<br />

Auch mag es daran liegen, dass in der ersten Szene von<br />

Sex and the City 2 im Jahr 2010 Carrie Bradshaw (gespielt von<br />

Sarah Jessica Parker) mit einer goldenen Mykita-Sonnenbrille<br />

namens Franz aus ihrem New Yorker Appartementhaus tritt.<br />

Franz war sogar auf den Kinoplakaten zum Film zu sehen.<br />

Hollywoodstars wie Brad Pitt oder Pop-Größen wie Lady Gaga<br />

besitzen ebenfalls Mykita-Modelle und wurden schon oft damit<br />

fotografiert. Das hat einen unbezahlbaren Werbeeffekt,<br />

von dem die Berliner profitierten.<br />

Auch die Kooperationen mit Designern, die es seit 2009<br />

gibt, haben dafür gesorgt, dass Mykita international immer bekannter<br />

wurde. Spezielle Modelle entstanden in Zusammenarbeit<br />

mit Bernhard Willhelm, Maison Martin Margiela, Moncler,<br />

Romain Kremer oder Damir Doma. Man fand sich<br />

interessant, hieß es, bei den Kooperationen stünde der kreative<br />

Austausch im Vordergrund. Doch der Marketingeffekt war sicherlich<br />

auch sehr willkommen.<br />

Dass der Erfolg von Mykita nicht auf Ausbeutung der Mitarbeiter<br />

beruht, spürt man an der Atmosphäre und an vielen<br />

Kleinigkeiten im Haus: Es gibt einen Kicker, am schwarzen<br />

Brett hängen bunte Ankündigungen für ein „Mykita Frühlingsfest“,<br />

einen „Mykita Yoga Kurs“ und die „Mykita Laufgruppe“.<br />

Fast wähnt man sich bei einer gutgelaunten Sekte.<br />

Auffällig sind auch die vielen Babyfotos an der Wand.<br />

Das Arbeitsklima und die Work-Life-Balance unterscheiden<br />

Mykita von vielen anderen Firmen in der Branche. Denn dort<br />

sind schlechte Bezahlung und Überstunden oft Realität. Gerade<br />

im konkurrenzstarken Designfach ist es vielerorts üblich,<br />

Mitarbeiter richtiggehend zu verschleißen. Oder die Produktion<br />

wird wegen günstigerer Bedingungen gleich ganz ins Ausland<br />

verlagert.<br />

Mykita vermeidet dies ganz bewusst: Die Nähe der einzelnen<br />

Stationen und die dadurch mögliche Kommunikation zwischen<br />

den Abteilungen wirkt sich positiv sowohl auf die Produktion,<br />

als auch auf die Motivation der Mitarbeiter aus. Sie<br />

können miterleben, was sie herstellen. „Ist die Mannschaft<br />

glücklich“, sagt Moritz Krüger dazu, „bleibt auch das Schiff auf<br />

Kurs.“ Somit ist ein Geschäftsmodell aus der Vergangenheit, in<br />

der ebenfalls oft an einem einzigen Ort produziert wurde, vielleicht<br />

auch eins für die Zukunft. Die überstandene Wirtschaftskrise<br />

von 2008 schien also ein Gutes gehabt zu haben: Sie<br />

brachte das Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit zurück,<br />

und für die Geschichte, die hinter einem Produkt steht.<br />

Und das alles darf sogar etwas kosten. Mykita ist das beste Beispiel<br />

dafür.<br />

Langsam füllt sich die Kantine, die durch die bunte Mischung<br />

der Mitarbeiter an ein hippes Kreuzberger Café erinnert.<br />

Über dem Tagesmenü, Gemüse aus ökologischem Anbau,<br />

bespricht man Techniken und Produktionssummen. Und<br />

falls doch jemand Arbeitsstress abzubauen hat, kickert er diesen<br />

einfach weg.<br />

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WENDEPUNKTE<br />

EINER MISS<br />

Leticia Koffke trägt einen einzigartigen Titel: 1990 wurde sie zur<br />

schönsten Frau eines Staates gewählt, der schon kurz darauf nicht<br />

mehr existierte. Was ist eigentlich aus Miss DDR geworden?<br />

TEXT: <strong>VI</strong>CTORIA RICHTER<br />

FOTOS: MARC HUTH<br />

FOTO: PRIVAT (1)<br />

Das Foto hat sie aufgeklebt und mit rotem<br />

Filzstift umrahmt. „Die Sekunde, die mein<br />

Leben veränderte“, steht in leicht verblasster<br />

Schreibschrift darunter. Es zeigt den Moment, in dem<br />

die damals 19-jährige Leticia Koffke aus Brandenburg an der<br />

Havel in Schwerin zur Schönheitskönigin der DDR gekürt<br />

wird. Überrascht sieht sie aus auf dem Bild. Zwischen Miss<br />

Sachsen und Miss Mecklenburg entgleist ihr Gesicht ein wenig:<br />

ein Ausdruck von Unglauben und Freude zugleich.<br />

„Miss DDR zu werden war natürlich toll“, sagt Leticia Koffke,<br />

die heute in einer lauschigen Zweiraumwohnung in Köln<br />

lebt und auch nach 26 Jahren noch über diese Momentaufnahme<br />

lacht. Sie spricht nicht gern mit Journalisten, aber wenn<br />

doch, schwelgt sie in Erinnerungen: Eine Kiste voller Zeitungsberichte,<br />

alte Fotos, sogar die original Miss-Schärpe – für Leticia<br />

hat sich kurz nach dem Mauerfall mehr geändert als der<br />

Zusammenbruch eines politischen Systems. Das Mädchen aus<br />

Brandenburg wurde zur schönsten Frau Deutschlands gewählt<br />

und reiste fortan durch die Weltgeschichte. „Als ich im Flieger<br />

nach Los Angeles saß, dachte ich nur: Was geht denn jetzt ab?“<br />

Doch von Anfang an.<br />

Es war ihre Tante aus Berlin, die Ende der 80er-Jahre von einer<br />

Anzeige zur Wahl der Miss Stadt Brandenburg aus der Tageszeitung<br />

berichtete und Leticia mit den Worten „Du siehst<br />

doch ganz gut aus“ vorschlug, daran teilzunehmen. Sachpreise<br />

lockten, dazu die Aussicht, dem Alltag zu entkommen. „Das<br />

Leticias großer<br />

Moment – sie wird<br />

Miss DDR<br />

88 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

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Kurz vor der Wahl zur Miss<br />

DDR: Leticia bei Proben am<br />

Scharmützelsee<br />

„MISS SACHSEN<br />

HATTE DAMALS SCHON<br />

EXTENSIONS“<br />

Leben war nicht so aufregend, ich hatte gerade meine Ausbildung<br />

zur Krankenschwester beendet. Abends saß ich im<br />

Schwesternzimmer und dachte: Das kann ja jetzt nicht alles gewesen<br />

sein“, lacht die heute 45-Jährige und nippt dabei an einer<br />

Tasse Kaffee. Sie lacht oft und gern, während sie weitererzählt.<br />

Aus Neugier bewarb sie sich gemeinsam mit zwei Freundinnen<br />

für die Wahl, die im Clubhaus der Eisenbahner stattfand.<br />

Dort war alles etwas chaotisch und unorganisiert – die Deutsche<br />

Demokratische Republik war auf derartige Wettbewerbe<br />

nicht vorbereitet. Denn obwohl in Deutschland bereits seit<br />

1927 in jedem Jahr (mit Ausnahme der Jahre 1934 bis 1948)<br />

eine Miss Germany gekürt wird, blieb die DDR bis kurz vor<br />

ihrem Untergang Miss-freie Zone. Es gab zwar kleinere, inoffizielle<br />

Wahlen wie die zur Miss Frühling oder Miss Badeball.<br />

Schönheitswettbewerbe waren jedoch als Erniedrigung der<br />

Frau verpönt. Gleichstellung und die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf prägten das Frauenbild der DDR, nicht der Fokus<br />

auf Äußerlichkeiten. Und das prägte auch Leticia Koffke: „Es<br />

gab im Osten ja keine vorgegebenen Schönheitsideale. Ich fand<br />

eher andere Mädchen hübsch, habe mich selbst nicht als etwas<br />

Besonderes gesehen.“ Ihre Freundin gewann die Wahl, Leticia<br />

wurde Zweite und freute sich über eine Fünf-Liter-Flasche<br />

Uhle Sekt, einen Pullover und einen Spiegel.<br />

Obwohl sie knapp am Sieg vorbeirauschte, machte sie weiter<br />

und meldete sich zur Wahl der Miss Land Brandenburg an.<br />

Ihr Umfeld reagierte unterschiedlich: Während Freund und<br />

Bruder stolz auf die hübsche Freundin und Schwester waren,<br />

zeigte sich die Mutter skeptisch. „Sie fand es Quatsch“,<br />

schmunzelt Leticia.<br />

Auch bei der Wahl zur Miss Brandenburg wurde Leticia wieder<br />

nur Vize-Miss. Doch richtig geärgert hat sie das nicht,<br />

schließlich ging es ihr vor allem darum, etwas zu erleben. „Als<br />

ich dann zur Wahl der Miss DDR eingeladen wurde, machte<br />

ich mir keine großen Hoffnungen, deshalb war ich sehr entspannt.“<br />

Die Oldenburger Miss Germany Corporation, die bis<br />

heute Deutschlands Misswahlen ausrichtet und zuvor auch<br />

Miss Brandenburg gekürt hatte, plante die Wahl zur Miss DDR<br />

für Oktober 1990. Doch aufgrund der Wiedervereinigung am<br />

3. Oktober wurde sie auf September vorverlegt. Für Leticia begann<br />

eine aufregende Zeit: „Wir sind gereist, haben Sponsoren<br />

besucht, hatten Pressetermine und eine Menge Spaß.“ Der Zickenkrieg<br />

blieb aus, denn die Mädchen aus der DDR waren<br />

Konkurrenzkämpfe nicht gewohnt und einfach nur froh, dabei<br />

zu sein. „Natürlich gab es auch Ausnahmen, Miss Sachsen<br />

etwa, die hatte schon damals Extensions“, erinnert sich Leticia.<br />

„Solche Mädchen waren auf der Gewinnerstrecke und haben<br />

FOTO: PRIVAT (1)<br />

recht viel in ihren Sieg investiert.“ Umso größer war die Überraschung<br />

für Leticia, als sie tatsächlich zur Miss DDR gekürt<br />

wurde. Ein einmaliger Titel, den sie wegen der Auflösung des<br />

Arbeiter- und Bauernstaates nur für kurze Zeit trug.<br />

Der Sieg katapultierte sie in eine neue Welt. Leticia investierte<br />

ihr erstes Preisgeld in eine Levi’s, gewann einen Toyota, obwohl<br />

sie noch nicht einmal einen Führerschein hatte, und<br />

tauschte sehr schnell die Heimat Brandenburg gegen das niedersächsische<br />

Oldenburg. Dort zog sie zu Misswahl-Veranstalter<br />

und Manager Horst Klemmer, wo sie wie eine Tochter aufgenommen<br />

wurde. „Ich habe mein Leben von einem Tag auf<br />

den anderen hinter mir gelassen, war in Nullkommanix weg.“<br />

Das Bild von ihr als Miss DDR ging um die Welt, sogar in<br />

Brasilien sah man sie in der Zeitung. „Ich will so bleiben wie<br />

ich bin“ oder „Brandenburg verliert seine schönste Krankenschwester“<br />

titelte die heimische Presse, während Leticia von<br />

einem Termin zum nächsten reiste. Um dem Ganzen ein weiteres<br />

Krönchen aufzusetzen, wurde sie im Dezember 1990 auch<br />

noch zur ersten gesamtdeutschen Miss Germany seit 1933 gekürt.<br />

„Bei dieser Wahl prallten Welten aufeinander“, erinnert<br />

sie sich. Die Mädchen aus Ost und West unterschieden sich<br />

nicht nur optisch, sondern auch in ihren Wertvorstellungen und<br />

der Sprache. Und während die West-Mädchen durch entsprechende<br />

Accessoires gut ausgestattet waren, setzten die Ost-Mädchen<br />

auf Natürlichkeit: Es gab schließlich von vorneherein weniger<br />

Badeanzüge, Kleider oder schwarze Pumps. Der Sieg stellte<br />

sie zudem vor eine weitere Herausforderung: „Als nach der<br />

Wahl die westdeutsche Nationalhymne gespielt wurde, stand ich<br />

ein wenig verloren da, denn ich kannte die ja gar nicht!“<br />

In Leticias neuem Leben häuften sich die ungewohnten Promotions-<br />

und Modeljobs, Supermarkt-Eröffnungen, Autogrammstunden<br />

und Fernsehauftritte. „Eines meiner Highlights<br />

war die Bambi-Verleihung 1990. Da durfte ich anlässlich<br />

der Wiedervereinigung ein paar der Auszeichnungen übergeben.“<br />

Gemeinsam mit Michael Cromer, dem Gründer der Modemarke<br />

MCM, wurde sie sogar nach Los Angeles, dem<br />

Traumziel vieler Mädchen in Ost und West, eingeladen. „Auf<br />

dieser Reise habe ich auch noch Geld verdient, das war einfach<br />

unglaublich“, schwärmt sie.<br />

In den 90ern hatte Leticia jedoch genug davon, nur ein hübsches<br />

Aushängeschild zu sein, und entdeckte ihre eigene Kreativität.<br />

Sie begann, für das Label Uncle Sam Kollektionsstücke<br />

zu entwerfen. Wegen der Kleiderproduktion zog sie nach<br />

Istanbul und wurde Mutter einer Tochter. Nach zwei Jahren<br />

am Bosporus ging sie zurück nach Brandenburg – vielleicht,<br />

um Luft zu holen. Doch dort hielt es die Weltenbummlerin<br />

nicht lange aus. „Manche Frauen hier tragen immer noch blauen<br />

Kajal und Karottenhosen, die Zeit ist irgendwie stehen geblieben.“<br />

Leticia zog im Jahr 2000 ins Rheinland, wo sie bis<br />

heute für einen Schweizer Uhrenhersteller arbeitet und sich<br />

nach Langem mal wieder heimisch fühlt. „Köln ist für mich ein<br />

bisschen wie ein kleines Berlin: multikulti, locker und nicht<br />

spießig.“ Als Außendienstmitarbeiterin ist sie immer noch viel<br />

unterwegs, hat viel Abwechslung – vielleicht ist das der Grund,<br />

aus dem sie momentan die Füße stillhalten und das sogar genießen<br />

kann. Übrig geblieben von den Jahren als Miss ist ihre<br />

Neugier auf fremde Orte und eine gewisse Unvoreingenommenheit:<br />

„Ich wollte nie stehen bleiben und bin gegenüber<br />

Neuerungen im Leben recht aufgeschlossen.“<br />

Leticia kennt sie, die Wendepunkte im Leben. 2011 bekam<br />

sie von ihrem Bruder eine Niere gespendet. Bei der Beschreibung<br />

der medizinischen Vorgehensweise kommt die Krankenschwester<br />

in ihr durch, mit ein bisschen Stolz zeigt sie auf ein<br />

Foto des Bruders und deutet auf eine kleine Wölbung an ihrem<br />

Bauch. „Er hat mir eine ganz schön große Niere verpasst“,<br />

lacht sie. Die Operation hat die Geschwister eng zusammengeschweißt.<br />

„Geben ist seliger denn Nehmen“, sagt Leticia Koffke,<br />

die für sich die Antwort darauf gefunden hat, was im Leben<br />

wichtig ist – weit mehr als Schärpe und Glitzerkrone jedenfalls.<br />

Zu Misswahl-Finalen fährt sie heute dennoch ab und zu. Aber<br />

nur als Zuschauerin.<br />

Leticia Koffke<br />

heute. Alle<br />

Erinnerungen an<br />

ihre Zeit als Miss<br />

DDR hebt sie in<br />

einer Kiste auf.<br />

Auch die<br />

Original-Schärpe<br />

90 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

91


København<br />

für Anfänger<br />

Ob Mode, Design, Lebensstil oder Kunst – die Länder Skandinaviens gelten als<br />

Trendsetter. Warum das so ist, wollen wir bei einem Kurzurlaub in das Herz<br />

Dänemarks herausfinden – und bekommen Hilfe von Stefany Vidzus, einer der<br />

erfolgreichsten Modebloggerinnen Kopenhagens<br />

TEXT & FOTOS: CATHARINA SCHICK, <strong>VI</strong>KTORIA VON DER WAY<br />

Links: Einer von Stefanys<br />

Favoriten: Der Israels Plads<br />

Rechts: Kopenhagen will bis<br />

2025 die erste klimaneutrale<br />

Stadt der Welt werden<br />

BIOGRAFIE<br />

Seit drei Jahren schreibt die 20-jährige Stefany Vidzus auf ihrem Blog Black Irony<br />

über Mode. In Kopenhagen lebt die gebürtige Lettin seit einem Jahr. Hierher kam<br />

sie, um Medienkommunikation zu studieren. Nebenher arbeitet Stefany in einer<br />

PR-Agentur. An ihren freien Tagen geht sie am liebsten am Hafen spazieren, erkundet<br />

neue Second-Hand-Läden oder verliert sich in den kleinen Gassen im Zentrum<br />

der Stadt.<br />

„Mich hat die dänische Modeszene schon immer fasziniert. Die Dänen gelten als<br />

sehr stilvolles, anmutiges und stolzes Volk, denn viele von ihnen sind wohlhabend,<br />

stellen das aber in der Öffentlichkeit nicht zur Schau. Natürlich spiegelt sich das in<br />

ihrer Mode wieder, und das gefällt mir. In meiner Heimat konnte ich mich modisch<br />

nie wirklich ausdrücken. Hier in Kopenhagen habe ich zu meinem Stil gefunden.“<br />

MAINFACTS<br />

Dänemark – von den Wikingern<br />

geprägt, im Mittelalter eine Großmacht<br />

im Ostseeraum. Die Hafenstadt<br />

Kopenhagen wurde 1417<br />

offiziell zur Hauptstadt ernannt.<br />

Das Königreich Dänemark hat heute<br />

insgesamt nur 5,4 Millionen<br />

Einwohner.<br />

500.000 davon wohnen in København.<br />

Die Königin Margarethe II. übernimmt<br />

politisch lediglich repräsentative<br />

Aufgaben. Das dänische<br />

Parlament Folketing verabschiedet<br />

die Gesetze, es wählt und kontrolliert<br />

die Regierung. Die dänische<br />

Ministerpräsidentin Helle Thorning-<br />

Schmidt war bis vor Kurzem die<br />

erste weibliche Amtsträgerin. Im<br />

Juni 2015 ergaben die Wahlergebnisse<br />

eine Mehrheit für die rechtspopulistische<br />

Dänische Volkspartei<br />

und zwangen die Sozialdemokratin<br />

zum Rücktritt. Diese Entwicklung<br />

wurde in der EU scharf kritisiert.<br />

Die dänische Lebensweise spiegelt<br />

sich auch heutzutage im Copenhagen<br />

Chic wieder, denn das raue, kalte<br />

Klima fordert bequeme und simple<br />

Kleidung, die die Dänen in eleganten<br />

Kombinationen tragen. Bevorzugt<br />

tragen sie einheimische Labels<br />

und Designer wie Wood Wood,<br />

Stine Goya oder Henrik Vibskov,<br />

die auch international großen<br />

Anklang finden.<br />

92 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

93


MORGENS<br />

REZEPT<br />

HAFENRUNDFAHRT<br />

Klar, Hafenrundfahrten erinnern an Rentnerfreizeit. In Kopenhagen<br />

bieten sie jedoch die beste Gelegenheit, wirklich alle<br />

Attraktionen, zum Beispiel die kleine Meerjungfrau oder das<br />

monumentale Black-Diamond-Gebäude (den Anbau der Bibliothek)<br />

kennenzulernen. Dazu noch eine frische Meeresbrise:<br />

perfekt!<br />

Start: Gammeltorv oder Nyhavn, 80 Kronen (circa 10 Euro)<br />

STRØGET<br />

Das pulsierende Leben im Zentrum spielt sich rund um die beliebte<br />

Einkaufsmeile Strøget ab. Der Hauptbahnhof, Nyhavn<br />

und andere wichtige Fixpunkte der Stadt sind von hier aus bequem<br />

zu Fuß erreichbar. Auf dem Weg Richtung Illum findet<br />

man skandinavische Mode, cleanes Interior-Design und jede<br />

Menge Second-Hand-Läden. Tipp: Designermode gibt es im<br />

Magnolias Luksus 2nd Hand (Købmagergade 5). Der Flagship<br />

Store von Wood Wood liegt in der Grønnegade 1.<br />

Station: Nørreport St.<br />

ILLUM<br />

Das dänische Pendant zu hochpreisigen und eleganten<br />

Kaufhausriesen wie dem KaDeWe oder Harrods ist das Illum.<br />

Dänemark ist teuer, dafür ist aber auch der Verdienst üppiger.<br />

„Von allen Skandinaviern geben Dänen das meiste Geld für<br />

Klamotten aus“, sagt Stefany.<br />

Adresse: Østergade 52<br />

Das Luxuskaufhaus Illum<br />

gibt es seit 1892<br />

Der Strøget bietet<br />

vielfältige Einkaufsmöglichkeiten.<br />

Auch Saisonobst<br />

und old school<br />

Hip-Hop to go<br />

MITTAGS<br />

NYHAVN 17<br />

Wenn das Smørrebrød zum Superstar wird und der Kellner bei<br />

jeder Bestellung einen Knicks macht, dann befindet man sich<br />

im Nyhavn 17. Das Restaurant mit dem typischen Seemannsflair<br />

ist in der schönsten Gegend Kopenhagens am neuen<br />

Hafen. Einfach hyggelig!<br />

Adresse: Nyhavn 17, ab 150 Kronen (circa 20 Euro)<br />

Entspannte Atmosphäre<br />

und einen aromatischen<br />

Kaffee kann man in<br />

der Kafbar 9 neben einer<br />

Vespa genießen<br />

Für zwei Smørrebrød<br />

2 Lauchzwiebeln<br />

2 Eier<br />

4 EL Milch<br />

Salz<br />

Pfeffer<br />

3 TL Butter oder Margarine<br />

2 kleine dicke Scheiben Brot<br />

2 Salatblätter<br />

60 g geräuchertes Forellenfilet<br />

Schmand, Forellenkaviar und Dill zum<br />

Garnieren<br />

Lauch in Ringe schneiden und Ei,<br />

Milch, Salz und Pfeffer zu einem<br />

Rührei verquirlen. Brot (wahlweise<br />

Roggen-, Vollkorn-, Weiß- oder<br />

Mischbrot) mit Butter bestreichen<br />

und mit Salat bedecken.<br />

Das Smørrebrød mit dem gebra tenen<br />

Rührei und der Forelle belegen.<br />

Als Garnitur dient Schmand, Kaviar<br />

und Dill.<br />

Das Smørrebrød Superstar<br />

im Nyhavn 17<br />

ist ein Bestseller<br />

KAFBAR 9<br />

Das Kafbar 9 ist ein Paradebeispiel für dänisch-internationalen<br />

Stilmix. Über Treppen gelangt man zur eigentlichen<br />

Kaffeebar im Hochparterre. Holz dominiert den Raum,<br />

gemischt mit modernen Möbeln, zum Beispiel von Vitra. Die<br />

beigefarbene Vespa nahe der Bar ist das Herz des Cafés. Und<br />

der Kaffee schmeckt wie in Italien.<br />

Adresse: Kompagnistræde 9, Kaffee für 35 Kronen (circa 5 Euro)<br />

DÉCOR<br />

Wer möchte eine Wikingerrüstung kaufen? Oder Varietékleidung?<br />

Im Décor in der Nähe der Torvehallerne am Israels<br />

Plads kann man in vergessenen Zeiten stöbern und kleine<br />

Schätze finden. Second-Hand aus vergangenen Epochen, das<br />

auf Neuinterpretation wartet.<br />

Adresse: Rømersgade 9<br />

94 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

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Frisches Gebäck<br />

und einheimische<br />

Feinkost gibt es<br />

auf dem Street<br />

Food Market in<br />

der Torvehallerne<br />

Nächtlicher,<br />

traditioneller Snack:<br />

Hot Dog mit<br />

Röstzwiebeln,<br />

Ketchup und<br />

sauren Gurken<br />

FUNFACTS<br />

NACHTS<br />

THE STANDARD<br />

Bei Kerzenlicht Jazz hören und sich dabei von den besten Köchen<br />

Dänemarks kulinarisch verwöhnen lassen kann man im<br />

Restaurant The Standard direkt am Hafen. Reservierungen<br />

sind sinnvoll, da sowohl das von Art-Deco inspirierte Restaurant,<br />

die Bar als auch die Jazz-Abende meist komplett ausgebucht<br />

sind.<br />

Adresse: Havnegade 44, Tel: +45 72 14 88 08, Eintritt für den<br />

Jazz-Abend 270 Kronen (circa 40 Euro), Drei-Gänge-Menü<br />

für 350 Kronen (circa 50 Euro), Drinks ab 80 Kronen (circa 11<br />

Euro)<br />

Das Wort Hygge ist eines der meist<br />

benutzen Wörter in Dänemark. Es<br />

beschreibt das Gefühl von Geborgenheit.<br />

Wenn jemand sich irgendwo<br />

geborgen fühlt, dann findet er es<br />

hyggelig.<br />

In Dänemark gibt es in fast jedem Bus<br />

frei nutzbares WLAN, besonders<br />

praktisch für Touristen.<br />

Dänen schätzen ihre Privatsphäre und<br />

werden schnell wütend, wenn Fremde<br />

zu lange auf ihre Kinder oder Hunde<br />

schauen.<br />

Die meisten Dänen schließen beim<br />

Verlassen ihrer Wohnung die Tür nicht<br />

ab. Dänemark gehört zu den sichersten<br />

Ländern der Welt mit einer<br />

vergleichbar geringen Zahl an<br />

Einbrüchen.<br />

ABENDS<br />

PAPERS ISLAND<br />

In Kopenhagen gibt es die besten Street-Food-Märkte voller<br />

Stände, an denen Speisen frisch zubereitet werden. Die einstige<br />

Papierfabrik auf der Insel Christiansholm, heute bekannt<br />

als Papirøen (Papers Island), wurde zu einem Begegnungsort<br />

für Jung und Alt. Hier kann man auf Liegestühlen den Ausblick<br />

auf die See genießen und original dänisches Essen probieren.<br />

Oder es sich im nur 14 Quadratmeter kleinen Café Den<br />

Plettede Gris des dänischen Modedesigners Henrik Vibskov<br />

gemütlich machen.<br />

Adresse: Trangravsvej, Cocktail ab 90 Kronen (circa 13 Euro),<br />

Barbecue ab 65 Kronen (circa 9 Euro)<br />

Den Plettede Gris, Öffnungszeiten: Mo-Fr, 9-18 Uhr, Sa-So,<br />

10-18 Uhr, Kaffee für 32 Kronen (circa 4 Euro), Bier 30 Kronen<br />

(circa 3 Euro)<br />

Wer Christiania besucht,<br />

reist zurück in<br />

die Zeit der Hippies<br />

CULTUREBOX<br />

Getanzt und gefeiert wird in dem Techno-Club bis in die frühen<br />

Morgenstunden in vier Boxen (Mainfloors), die sich durch<br />

verschiedene Farben unterscheiden.<br />

Adresse: Kronprinsessegade 54, Eintritt je nach Event zwischen<br />

50 und 100 Kronen (circa 7 bis 12 Euro)<br />

GILT<br />

Ein Absacker im Gilt geht immer noch! Der Besucher kann<br />

wählen zwischen klassisch zubereiteten Cocktails und extravaganten<br />

Varianten, zum Beispiel den Mojito mit Passionsfrucht,<br />

Zitronengras und Chili. Zusätzlich bietet die Karte auch diverse<br />

Kaffeesorten.<br />

Adresse: Rantzausgade 39, Cocktails ab 85 Kronen (11 Euro)<br />

The Copenhagen<br />

Standard: Jazz, Drinks,<br />

Drei-Gänge-Menü<br />

Wolkenkratzer gibt es in Dänemark<br />

kaum. Im gesamten Königreich sind<br />

20 Hochhäuser vermerkt, das höchste<br />

ist 120 Meter klein.<br />

Ein durchschnittlicher Däne heiratet<br />

erst mit 32 Jahren und zählt somit bis<br />

dahin zu den ältesten Junggesellen<br />

der Welt.<br />

Eine Studie der New Yorker Columbia<br />

University stellte im Jahr 2013 fest,<br />

dass die Dänen das glücklichste Volk<br />

der Welt sind.<br />

In Dänemark leben 14 Nobelpreis träger.<br />

Die dänische Königsfamilie zählt zu<br />

den ältesten ununterbrochenen<br />

Monarchien der Welt.<br />

CHRISTIANIA<br />

Christiania liegt im Bezirk Christianshaven und wurde 1971 als<br />

verlassenes Areal von Jugendlichen besetzt. Heute wird die autonome<br />

Gemeinde geduldet und lädt Gäste in ihre Fantasiewelt<br />

ein: Glitzergirlanden, Buddhastatuen, Graffitikunst und spirituelle<br />

Musik. Peace, Love und Happiness gibt es hier to go.<br />

Adresse: Prinsessegade bei der Vor Frelsers Kirke<br />

TORVEHALLERNE<br />

Im verglasten Torvehallerne im Zentrum Kopenhagens befindet<br />

sich einer der meist besuchten Food Markets der Stadt. An<br />

über 60 Ständen können hier regionale Köstlichkeiten probiert<br />

und gekauft werden. Es lohnt sich, einige Stunden für diesen<br />

Markt einplanen.<br />

Adresse: Frederiksborggade 21, Fisch ab 52 Kronen (7 Euro),<br />

Süßes ab 60 Kronen (9 Euro)<br />

Dyrehavsbakken, im heutigen Naturpark<br />

Jaegersborg Dyrehave am<br />

Stadtrand von Kopenhagen, ist der<br />

älteste Freizeitpark und wurde im<br />

16. Jahrhundert erbaut. Die heute<br />

noch aktive Hauptattraktion, eine<br />

Achterbahn, besteht aus massivem<br />

Holz und wurde damals von einem<br />

Bremser gefahren.<br />

Dänen lieben Lakritze, daher veranstalten<br />

sie jedes Jahr ein Lakritz-<br />

Festival (Lakridsfestivalen/Flemming<br />

Lyng).<br />

Zu Dänemark zählen ungefähr 400<br />

Inseln, von denen nur 75 bewohnt sind.<br />

96 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

97


WER SITZT DAHINTER?<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

An welchem Ort verbringen kreative Menschen wohl die meiste Zeit?<br />

Langweilig, aber wahr: am Schreibtisch. Chaos oder Ordnung, Wasser oder Tee?<br />

Raten Sie mal, wer wo arbeitet!<br />

FOTOS: MATTHIAS BRANDL<br />

PRODUKTION: JANET SCHULZ<br />

A) Die Designerin Malaika Raiss<br />

macht Mode, die ausdrucksstark<br />

und zart ist. In ihrem Atelier<br />

in Friedrichhain entwickelt sie<br />

Kollektionen und Schnitte und<br />

sucht Stoffe aus. „Sorry für das<br />

Durcheinander, aber so sieht das<br />

hier immer aus!“, empfängt sie<br />

uns. So schlimm war es dann<br />

doch nicht – Kreativität braucht<br />

schließlich Chaos!<br />

98 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />

B) Die Blogger David Kurt<br />

Karl Roth (l.) und Carl Jakob<br />

Haupt von Dandy Diary sind<br />

für ihre provokanten Posts und<br />

Style- Experimente bekannt. Ihr<br />

Schreibtisch ist das Tor zur Welt<br />

und rund um die Uhr einsatzbereit.<br />

Die Hauptzentrale in<br />

Berlin-Mitte ist erstaunlicherweise<br />

alles andere als Rock’n’Roll.<br />

Hier herrscht Ordnung!<br />

C) Simon Haehnel ist ein Teil<br />

des DJ- und Produzentenduos<br />

Andhim. Inzwischen lebt der<br />

Kölner in Berlin. An seinem<br />

Schreibtisch frickelt er gern an<br />

dem Super-House-Sound,<br />

für den Andhim international<br />

bekannt sind. Ob der Erfolg<br />

etwas mit seinem rosa Glücksschwein<br />

zu tun hat, wollte er<br />

leider nicht verraten.<br />

Auflösung: 1 C, 2 A, 3 D, 4 B<br />

D) Die Modejournalistin Stephanie<br />

Neumann arbeitet als freie<br />

Redakteurin und Autorin für<br />

Magazine wie Harper’s Bazaar,<br />

Elle oder Madame. Obwohl sie<br />

auch immer einen Arbeitsplatz<br />

im Büro hat, schreibt sie am<br />

liebsten zu Hause in ihrer hellen<br />

Dachgeschosswohnung mit<br />

atemberaubendem Blick über<br />

Berlin.<br />

RESTAURANT | BAR | CLUB | EVENTS<br />

Opentime:<br />

Mo – Fr: 12:00 – 23:00 CET / Su: 18:00- 23:00 CET<br />

Make your Reservation:<br />

Tel. 030/ 278 909 95 55 or info@the-grand-berlin.com


Torstrasse 74<br />

Berlin Germany<br />

no74-berlin.com<br />

42 Rue de Sévigné<br />

Paris France<br />

no42-paris.com

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