Werk VI
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<strong>Werk</strong><br />
<strong>VI</strong><br />
Q&A<br />
Ein Studienprojekt der AMD Akademie Mode & Design Berlin, Lehrredaktion MM7, Ausgabe No. 5, Sommer 2015
Q&A<br />
EDITORIAL<br />
Fragen stellen liegt in der Natur des Menschen. Die Suche nach Antworten<br />
beschäftigt uns ein Leben lang. Für die neue Ausgabe von WERK <strong>VI</strong><br />
haben wir uns deshalb genau das zur Aufgabe gemacht – mit dem Thema<br />
Q & A – Questions & Answers. Eigentlich beschreibt der Begriff im journalistischen<br />
Fachjargon ein klassisches Interview. Doch Q & A funktioniert<br />
auch anders.<br />
Zum Beispiel in Bildern. Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding beantwortete<br />
unsere Fragen mit Fotoaufnahmen. Antworten von Die Antwoord<br />
bekamen wir per E-Mail. Selbstverständlich hatten wir auch einige Fragen<br />
an die Mode. Über sie sprachen wir zum Beispiel mit Barbara Vinken, die<br />
über die Konstruktion von Geschlechtern philosophierte. In unseren Modestrecken<br />
klären wir unter anderem, wie die Zukunft der deutschen<br />
Mode aussieht. Und welche Bedeutung Beziehungen und Alter heute<br />
noch haben. Eine spannende Frage ist – auch schon immer gewesen – die<br />
nach der Zukunft. Ihr sind wir in einem Special, gemeinsam mit Experten<br />
aus den Bereichen Mode, Technik, Schönheit, Ernährung und Trends, auf<br />
den Grund gegangen.<br />
Das alles ohne den Anspruch, die einzig wahre Antwort geben zu können.<br />
Die deutsche Lyrikerin Else Pannek schrieb einmal: „Auf die wichtigsten<br />
Fragen gibt es nur eigene Antworten.“ Falls also bei der Lektüre mal eine<br />
Frage offen bleibt, legen wir Ihnen ans Herz, diesem Rat zu folgen: Beantworten<br />
Sie sich die doch einfach selbst.<br />
Ihre <strong>Werk</strong> <strong>VI</strong>-Redaktion<br />
3
INHALT<br />
20 Made in Germany<br />
Visionen aus dem<br />
Berliner Mode Salon<br />
IMPRESSUM<br />
WERK <strong>VI</strong> ist ein Studienprojekt des 6. Semesters<br />
im Ausbildungsgang Modejournalismus/<br />
Medienkommunkation an der AMD Akademie<br />
Mode & Design Berlin.<br />
6 Was siehst du?<br />
Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding<br />
spricht in Bildern<br />
14 Wie bekommt man Antworten?<br />
Ein Interview mit der „Interview“<br />
18 Was Macht der Nachwuchs?<br />
Die „Vogue“-Chefin Christiane Arp<br />
über deutsches Modedesign<br />
30 Ist Mode feministisch?<br />
Modetheoretikerin Barbara Vinken<br />
über Geschlechterrollen<br />
42<br />
42 Naturgewalten<br />
Accessoires in Collagen<br />
50 Beziehungsweise<br />
Guter Stil kennt<br />
keine Tabus<br />
72 Tatverdacht<br />
Eine modische<br />
Spurensuche<br />
50<br />
VERANTWORTLICHE DOZENTEN<br />
Olga Blumhardt<br />
(Magazinentwicklung, Text, V.i.S.d.P.)<br />
Antje Drinkuth (Styling)<br />
Janine Sack (Art Direktion)<br />
Martin Schmieder (Marketing & PR)<br />
Jenni Zylka (Text)<br />
REDAKTION, KURS MM7<br />
Miriam Chalabi, Tanita Hecking, Annmarie Juhr,<br />
Lena Kammer, Jenny Kolossa, Marina Lacic,<br />
Julia Ledig, Khira Li Lindemann,<br />
Katharina Regenthal, Victoria Richter,<br />
Catharina Schick, Nina Schmidt, Janet Schulz,<br />
Lisa Schütz, Sara Stollenwerk,<br />
Viktoria von der Way, Miriam Zenner<br />
CHEFIN VOM DIENST<br />
Miriam Zenner<br />
SCHLUSSREDAKTION<br />
Heinrich Dubel<br />
FOTOS<br />
Matthias Brandl, Julian Baumann, Barbara<br />
Donaubauer, Johannes Erb, Ruben Jacob Fees,<br />
Marc Huth, Kike Koloxo, Stefan Korte, Helena<br />
Langer (Illustrationen), Stefan Milev, Catharina<br />
Schick, Dennis Schoenberg, Viktoria von der Way<br />
GRAFIK<br />
Tanita Hecking, Khira Li Lindemann,<br />
Catharina Schick, Nina Schmidt, Janet Schulz<br />
34 Was sagst du?<br />
E-Mail von Ninja von Die Antwoord<br />
38 Kann Mode Kunst sein?<br />
Ein Gespräch mit dem Galeristen<br />
Judy Lybke<br />
20<br />
BILDBEARBEITUNG<br />
Katharina Regenthal<br />
ANZEIGEN<br />
Tanita Hecking, Jenny Kolossa<br />
DRUCK<br />
Brandenburgische Universitätsdruckerei<br />
und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH<br />
Karl-Liebknecht-Straße 24-25<br />
14476 Potsdam<br />
www.bud-potsdam.de<br />
61 Was bringt die Zukunft?<br />
Experten geben Prognosen<br />
82 Wie macht ihr das?<br />
Die Erfolgsgeschichte der<br />
Brillenmanufaktur Mykita<br />
88 Was machst du jetzt?<br />
Leticia Koffke war die schönste Frau<br />
der DDR, dann fiel die Mauer<br />
92 Was ist hier los?<br />
Die Modebloggerin Stefany Vidzus<br />
erklärt ihr Kopenhagen<br />
98 Wer sitzt dahinter?<br />
Raten Sie mal!<br />
FOTOS: JOHANNES ERB, RUBEN JACOB FEES, MARC HUTH (2)<br />
72<br />
REDAKTIONSANSCHRIFT<br />
AMD Akademie Mode & Design Berlin<br />
Franklinstraße 10, 10587 Berlin<br />
Tel.: 030 330 99 76 0<br />
olga.blumhardt@amdnet.de<br />
www.werk6-magazin.de<br />
WERK <strong>VI</strong> erscheint jährlich und liegt an<br />
ausgewählten Orten in Berlin aus.<br />
Das Titelbild wurde von Ruben Jacob Fees<br />
fotografiert. Models: Jutta von Brunkau (Viva)<br />
und Sami Gottschalck (Indeed).<br />
Haare & Make-up: Natalia Vermeer<br />
Jutta trägt einen Pullover von Adpt und eine Kette<br />
von Vladimir Karaleev. Sami trägt eine Hose von<br />
Stills.<br />
Cover-Papier: Constellation Snow, Raster,<br />
240 g/qm. Mit freundlicher Unterstützung von<br />
Wir danken allen, die WERK <strong>VI</strong><br />
möglich gemacht haben!<br />
4 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
5
Mome ntaufnahmen<br />
Der Streetstyle-Fotograf Adam Katz Sinding<br />
spricht am liebsten in Bildern.<br />
Hier sind seine Antworten auf unsere Fragen<br />
WAS FASZINIERT DICH?<br />
VON LENA KAMMER<br />
FOTOS: ADAM KATZ SINDING<br />
Vor elf Jahren hat der US-Amerikaner Adam Katz Sinding<br />
sein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Nach dem Tod<br />
seines Vaters erbte er dessen Kamera und brachte sich selbst<br />
das Fotografieren bei, kündigte seinen Job in einem Hotel<br />
in Seattle und ging nach New York. Heute ist der 32-Jährige<br />
einer der erfolgreichsten Streetstyle-Fotografen der Welt.<br />
Anfangs fotografierte er nur Architektur und Landschaften,<br />
bis er seine Kamera als Mittel entdeckte, um sich Menschen zu<br />
nähern. Er begann, Leute in Momenten aufzunehmen, in denen<br />
sie sich unbeobachtet fühlen. Auf diese Weise entwickelte er<br />
einen einzigartigen Stil und überwand seine Schüchternheit.<br />
Seit 2007 gibt Adam auf seinem Blog Le 21ème einen fotojournalistischen<br />
Einblick in die Modewelt. Obwohl er auf den<br />
internationalen Fashion Weeks ständig von den spektakulärsten<br />
Looks umgeben ist, steht Kleidung oft eher im Hintergrund<br />
seiner Fotografien. Stattdessen sucht er nach besonderen<br />
Persönlichkeiten und außergewöhnlichen Momenten. Unsere<br />
Fragen beantwortete Adam selbstverständlich mit Bildern.<br />
WAS IST DAS BESTE AN DEINEM JOB?<br />
6 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
7
EIN UNERWARTETER MOMENT?<br />
WAS IST TYPISCH AMERIKANISCH?<br />
DAS SCHÖNSTE OUTFIT?<br />
WAS IST LIEBE?<br />
8 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
9
WAS IST KUNST?<br />
WAS BRINGT DICH ZUM LACHEN?<br />
WAS HAT DIR DAS HERZ GEBROCHEN?<br />
WAS IST TYPISCH DEUTSCH?<br />
10 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
11
WAS HAT NEW YORK, DAS BERLIN NICHT HAT?<br />
WER BIST DU?<br />
DER SCHÖNSTE ORT, AN DEM DU WARST?<br />
12 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
13
BIG NAMES<br />
SMALL TALK<br />
Jörg Harlan Rohleder ist stellvertretender Chefredakteur der Interview.<br />
Mit uns spricht er über kluge Fragen, überraschende Antworten und die Kunst,<br />
ein gutes Gespräch zu führen<br />
INTER<strong>VI</strong>EW: NINA SCHMIDT<br />
FOTO: DENNIS SCHOENBERG<br />
WERK <strong>VI</strong>: Man muss sich sehr gut auf seinen Interviewpartner<br />
vorbereiten. Jetzt kennen Sie selbst sich ja am besten. Welche<br />
Frage würden Sie sich zuerst stellen?<br />
Jörg Harlan Rohleder: Hmm, vielleicht: Warum sollten wir Sie<br />
interviewen, Herr Rohleder?<br />
So bescheiden?<br />
Naja (lacht). Was würde ich mich denn zuerst fragen? Vielleicht:<br />
Wie geht es Ihnen, Herr Rohleder?<br />
Und wie geht es Ihnen, Herr Rohleder?<br />
Dem Herrn Rohleder geht es heute sehr gut.<br />
Jörg Harlan Rohleder, geboren<br />
1976, hat in Tübingen und London<br />
studiert und arbeitete unter anderem<br />
für MTV, Vanity Fair und Focus.<br />
Heute wohnt er in Berlin und ist<br />
stellvertretender Chefredakteur<br />
der Interview. 2010 erschien sein<br />
Roman Lokalhelden, in dem es<br />
um das Erwachsenwerden in der<br />
Provinz der 90er-Jahre geht<br />
Schön. Sie haben schon sehr viele Interviews geführt. Gibt es bei<br />
Ihnen so etwas wie eine Lieblingseingangsfrage?<br />
Es kommt darauf an, für wen man das macht. Ein Magazin wie<br />
die Interview lebt ja von diesem leichtfüßigen, smalltalkigen<br />
Charakter. Da kommt man aus dem lockeren Gespräch zu<br />
komplexeren Fragen. Für Spiegel oder Focus, also Magazine,<br />
deren Anspruch es ist, einen hohen Nachrichtenwert zu haben,<br />
versucht man eher, mit einer Knallerfrage einzusteigen. Nach<br />
dem Motto: Die trauen sich aber was. So führen wir hier bei<br />
Interview aber keine Interviews. Eigentlich sind es eher<br />
Gespräche, die sachte anfangen. Später, wenn man sich das<br />
Vertrauen erschlichen hat, kann man dann auch mal eine heiklere<br />
Frage stellen.<br />
14 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
15
„ICH LESE INTER<strong>VI</strong>EWS AM LIEBSTEN,<br />
WENN DER NACHRICHTENWERT GERING<br />
UND DER ANEKDOTENWERT HOCH IST“<br />
Der Ursprung dieses smalltalkigen Gesprächscharakters der<br />
„Interview“ liegt in der Geschichte des Magazins.<br />
Richtig. Andy Warhol hat bei seinen Gesprächen auf Partys<br />
oder bei Abendessen immer das Tonband mitlaufen lassen –<br />
das wurde dann auch 1:1 gedruckt. Wenn sich jemand einen<br />
Rotwein bestellt hat, stand später im Magazin, welcher das war.<br />
Das waren ehrliche Gespräche, statt pseudo-hartem Nachfragen,<br />
wie es viele andere heute tun.<br />
Interviewer und Gesprächspartner sind also auf Augenhöhe.<br />
Ja, auf Augenhöhe bekommt man von den Leuten einfach auch<br />
mehr. Ich mag es gern, wenn Interviews nicht groß umgestellt<br />
und im Fluss erzählt werden.<br />
Das ist aber mittlerweile ganz schön schwer geworden – Stichwort<br />
Autorisierung, die vor der Veröffentlichung fast immer<br />
verlangt wird.<br />
Die schlimmsten Autorisierer sind ja gar nicht die, die selbst<br />
gesprochen haben, sondern deren Pressestellen. Das ist jedoch<br />
ein sehr deutsches Phänomen. Deshalb finde ich es natürlich<br />
viel angenehmer, im angloamerikanischen Raum zu interviewen.<br />
Da gilt das gesprochene Wort.<br />
er dann endlich kam, habe ich ihm von dem Geburtstag<br />
erzählt. Daraufhin griff er sich mein Handy und rief Ju an, um<br />
ihm Happy Birthday zu singen.<br />
Und was ist das Schlimmste, was Ihnen bei einem Interview<br />
passiert ist?<br />
Nicht wirklich schlimm, aber speziell: Am Abend, bevor ich<br />
Robert Anton Wilson, den Autor der Illuminaten-Trilogie, interviewen<br />
sollte, kam ein Kollege zu mir und meinte: „Vielleicht<br />
ist Robert Anton Wilson ja der heimliche Pressesprecher<br />
der Illuminaten!“ Danach konnte ich kaum schlafen und dachte:<br />
Oh Gott, vielleicht erzählt er ja die Wahrheit, getarnt in einem<br />
Science-Fiction-Buch, und alle fallen darauf rein? In seinem<br />
Haus hingen an den Wänden dann auch überall<br />
Urkunden über diesen und jenen Freimaurer-Grad und er<br />
selbst ist mit so einer Art Rollator rumgelaufen. Als ich während<br />
des Besuchs auf dem Klo war, dachte ich: Wenn ich mich<br />
jetzt umdrehe, steht er da – denn den Rollator braucht er gar<br />
nicht. Ich wurde paranoid. Aber gut, das lag vielleicht auch daran,<br />
dass ich vorher mit Herrn Wilson gekifft hatte – er war<br />
damals einer der ersten Patienten in Kalifornien, die medizinisches<br />
Marihuana bekamen.<br />
die selbst denkt und nicht in Schubladen gesteckt werden will.<br />
Wir haben bei mir zu Hause Risotto gekocht, uns drei Stunden<br />
unterhalten und es war super.<br />
Dass es angeblich keine Promis gibt, liegt ja auch daran, dass<br />
man sich in Deutschland schwer tut mit seinen Stars. Da zeigt<br />
Bobby Kolade seine Kollektion in einer für eine Fashion-Show<br />
ungewöhnlichen Location wie dem Berghain und die ersten<br />
drei motzen schon wieder, weil das zu obvious sei. Aber ich<br />
habe auch das Gefühl, dass es mit der Zeit besser wird.<br />
Wo Sie gerade Bobby Kolade ansprechen: Interessieren Sie sich<br />
privat für Mode? Die „Interview“ wird für ihre Modestrecken ja<br />
sehr geschätzt.<br />
Klar, ich kann jetzt nicht sagen, dass der Einfluss unserer<br />
Moderedaktion in den vier Jahren, die ich hier bin, spurlos an<br />
mir vorbeigegangen ist. Obwohl ich immer noch meine Vans<br />
trage – früher hätte ich nur keine mit Flamingos drauf gekauft!<br />
(lacht).<br />
Es gibt kein Budget-Limit: Wo und wie kleiden Sie sich ein?<br />
Das erste Kleidungsstück, das ich mir selbst gekauft habe, war<br />
ein dunkelblauer Kapuzenpulli von Trasher. Das letzte, das ich<br />
mir im Internet bestellt habe, war ein dunkelblauer Trasher-Pulli<br />
ohne Kapuze. Dazwischen liegen 25 Jahre.<br />
Wie viele Jahre ist Ihr erstes Interview her und wen haben Sie<br />
interviewt?<br />
Mein erstes Interview war mit Konrad Kujau, dem Fälscher der<br />
Hitler-Tagebücher. Das war 1995 in Stuttgart für eine landesweite<br />
Abi-Zeitung – und er hat mir angeboten, mein Abi-Zeugnis<br />
zu fälschen, falls mein Schnitt nicht reicht.<br />
In diesen 20 Jahren kam es sicher schon vor, dass Sie dem Interviewpartner<br />
keine gute Geschichte entlocken konnten. Was tun<br />
Sie dann?<br />
Das hatte ich mit Pharrell Williams. Er hatte einfach so gar<br />
keinen Bock und hat immer nur mit Ja oder Nein geantwortet<br />
– eigentlich undruckbar. Bei einem Freund von mir, der ihn<br />
auch interviewt hat, ist er eingeschlafen. Wenn gar nichts geht,<br />
schreibt man eben ein Porträt. Bei Pharrell hatte ich das Glück,<br />
dass ich irgendwann angefangen habe, mit ihm über das Skaten<br />
zu sprechen. Das war für Focus zwar auch undruckbar, hat aber<br />
wenigstens mich amüsiert. Also im Notfall: Weg mit den vorbereiteten<br />
Fragen und es mit Smalltalk probieren.<br />
Das bei der „Interview“ ja immer noch relativ original abgedruckt<br />
wird.<br />
Wir versuchen immer, den Leuten ihre Sprache zu lassen. Klar,<br />
sowas wie „Ähm“ kommt raus, aber wenn man ein dreistündiges<br />
Gespräch auf eine Doppelseite runterkürzt, bleibt da nicht<br />
mehr viel. Wir nehmen uns auch mal raus, wirklich lange Gespräche<br />
zu drucken. Das macht dann mehr Spaß, weil es eben<br />
ein Gespräch ist und kein bloßes Frage-Antwort-Spiel. Ich lese<br />
Interviews immer am liebsten, wenn der Nachrichtenwert gering<br />
und der Anekdotenwert hoch ist.<br />
Erzählen Sie doch mal eine Anekdote!<br />
Ich habe mal 50 Cent in einem Fünf-Sterne-Hotel in New York<br />
interviewt. Kurz nachdem er „In Da Club“ veröffentlicht hat.<br />
Ich wurde zuerst abgetastet, dann in einen Raum geführt, in<br />
dem zwei Typen FBI-mäßig kontrolliert haben, ob auch wirklich<br />
alles safe ist. 50 Cent kam an, in schusssicherer Weste gekleidet,<br />
war aber im Interview extrem freundlich. Auf Nachfrage,<br />
wieso er so nett ist, aber auf seinem Albumcover so<br />
furchteinflößend dreinblicke, meinte er dann, Eminem hätte<br />
ihm gesagt, dass er zu weißen Journalisten besonders nett sein<br />
soll. Später hab’ ich ihn gefragt, ob sein Nuscheln wirklich davon<br />
kommt, dass er von einer Schießerei (Anm. d. Red: 50<br />
Cent wurde im Mai 2000 neun Mal angeschossen) noch ein<br />
Stück der Kugel in der Zunge hat? Er schickte mich zum Händewaschen<br />
ins Bad und steckte danach meinen Finger in seinen<br />
Mund. Genau an die Stelle, an der tatsächlich eine harte<br />
Kante zu fühlen war. Das war schon ganz amüsant.<br />
Eine andere schöne Geschichte ist, dass ich einmal den Geburtstag<br />
von meinem Kumpel Ju verpasst habe, weil ich in<br />
London sieben Stunden auf Stevie Wonder warten musste. Als<br />
Es gibt ja noch viel mehr interessante Persönlichkeiten, mit<br />
denen Sie gesprochen haben: Eminem, der Dalai Lama, Bill<br />
Gates, Cher, David LaChapelle. Wer war Ihr Liebling?<br />
Eigentlich verliebe ich mich in jeden Interviewpartner ein bisschen.<br />
Selbst die Leute, die ich davor doof fand, finde ich danach<br />
meistens toll. Mick Jagger ist ein gutes Beispiel dafür. Mein<br />
Vater hat früher permanent die Stones gehört. Irgendwann<br />
fanden wir Kinder Jagger dann scheiße – und wollten lieber<br />
Mozarts Hornkonzerte hören. Hauptsache keine Stones mehr.<br />
Es war einfach zu viel. Deshalb hatte ich auf das Interview<br />
eigentlich keinen Bock. Dazu kam: nach Paris fahren, obwohl<br />
ich Paris nicht mag, 15 Presseagenten, Fragen vorher schicken<br />
und so weiter. Mick Jagger war dann aber so intelligent, so<br />
charmant, so witzig, hat druckreif gesprochen – super Typ. Da<br />
war ich echt schockverliebt.<br />
Und wer fehlt auf der Liste noch?<br />
Ich habe Madonna nie interviewt. Wobei ich sie jetzt gar nicht<br />
mehr so interessant finde. Ich hätte sie gern 1985 getroffen. Es<br />
gibt ja zum Glück noch sehr viele andere interessante Menschen.<br />
Vielleicht jemand aus Deutschland? Obwohl: Manche sagen ja,<br />
es gebe keine interessanten Promis in Deutschland.<br />
Quatsch! Es gibt viele interessante Prominente in Deutschland.<br />
Es kommt einfach nur darauf an, wie man mit Menschen<br />
spricht. Mit Katja Riemann habe ich zum Beispiel kurz nach<br />
ihrem Skandal-NDR-Interview (Anm. der Red.: Interview mit<br />
Hinnerk Baumgarten für die Sendung „Das!“, über das Riemann<br />
sich unzufrieden zeigte) gesprochen. Im Vorfeld hieß es:<br />
Frau Riemann ist schwierig. Aber letztendlich ist sie eine Frau,<br />
Die aktuelle Ausgabe der Interview<br />
erscheint mit vier Covern.<br />
Im Uhrzeigersinn: Paris Hilton,<br />
Stella Lucia, Conchita Wurst<br />
und Emma Stone<br />
Könnte Persönliches im Journalismus in Zukunft sowieso mehr<br />
gefragt sein? Gerade wenn man an Blogs denkt, die sehr erfolgreich<br />
sind. Stirbt der klassische Printjournalismus wirklich aus?<br />
Nein, der Printjournalismus wird nicht aussterben. Ich glaube,<br />
Nachrichten- und Boulevardzeitungen könnten es in Zukunft<br />
schwer haben. Denn das ist das, was das Internet gut kann:<br />
„Die hat sich von dem getrennt“ oder „Ein Flugzeug ist abgestürzt“<br />
– Schlagzeilen und News. Ich persönlich bin kein großer<br />
Fan von diesem Ich-Journalismus der Blogger, der es jetzt<br />
auch mehr und mehr in die Zeitungen schafft. Die Interview<br />
hat indes einen ganz guten USP, weil wir ja immer wieder zwei<br />
bekannte Persönlichkeiten miteinander sprechen lassen. Ich<br />
hoffe, das könnte in Zukunft ein Weg sein, um sich gegen das<br />
Internet durchzusetzen: Außergewöhnliche Ansätze, auserzählte<br />
Geschichten, hochwertige Produktionen, neue Formate.<br />
Ein Magazin muss Teil einer Lebenswelt sein – und so gut<br />
aussehen, dass es als Designobjekt durchgeht.<br />
Klingt aber nicht so, als seien Sie absoluter Print-Verfechter.<br />
Nein, ich finde Print und Online leisten einfach verschiedene<br />
Dinge, die beide ihre Daseinsberechtigung haben. Online ist<br />
schneller, Print ist schöner. Wichtig ist, dass die Leute überhaupt<br />
weiterhin lesen.<br />
Zum Abschluss noch Ihre absolute Lieblingsfrage!<br />
Eine Sache gibt es, die ich fast jeden frage: Was würde die<br />
16-jährige Nina über die Nina sagen, die hier heute sitzt?<br />
Gute Frage. Was würde der 16-jährige Jörg Rohleder wohl über<br />
den heutigen sagen?<br />
Die Antwort variiert. Heute: Rauchst du etwa immer noch?<br />
16 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
17
Die Mentorin<br />
Deutsches Modedesign hat es nicht leicht. Um ihm eine Zukunft zu bieten,<br />
kämpft die Chefredakteurin der deutschen Vogue gegen Windmühlen.<br />
Christiane Arp ebnet mit verschiedenen Förderprogrammen Schritt für<br />
Schritt den Weg zum Erfolg<br />
VON TANITA HECKING<br />
FOTO: STEFAN MILEV<br />
FASHION COUNCIL<br />
USA – seit 1962<br />
Das Council of Fashion Designers of<br />
America unterstützt seit den 60er-Jahren<br />
amerikanische Modedesigner und stärkt<br />
die weltweite wirtschaftliche Bedeutsamkeit<br />
des amerikanischen Modedesigns.<br />
Heute sind 476 Labels in dem Non-<br />
Profit-Handelsverband vertreten.<br />
Verschiedene Förderprogramme und<br />
Stipendien, die von Sponsoren finanziert<br />
werden, stellen die Etablierung von<br />
jungen Gründern in der Branche sicher.<br />
Kooperationen von Labels und dem<br />
CFDA ermöglichen Jungdesignern<br />
praktische Erfahrungen und vermitteln<br />
Insider-Wissen. Zu den Förderprogrammen<br />
zählt der CFDA Vogue Fashion<br />
Fund, der jährlich die besten Talente der<br />
Branche mit einer Geldprämie und einem<br />
einjährigen Mentoring-Programm<br />
unterstützt.<br />
Christiane Arp setzt sich gezielt für die Förderung deutscher<br />
Nachwuchsdesigner ein. Bereits 2011 gründete die Chefredakteurin<br />
der deutschen Vogue eine Plattform, die ausgewählte<br />
Modedesigner unterstützt: den Vogue Salon. Im vergangenen<br />
Januar veranstaltete sie zusammen mit Marcus Kurz, Geschäftsführer<br />
der Kreativagentur Nowadays, erstmals den Berliner<br />
Mode Salon, der deutschen Designtalenten im Berliner<br />
Kronprinzenpalais eine Bühne gibt. Nach dem Vorbild internationaler<br />
Organisationen wie dem British Fashion Council<br />
und dem Council of Fashion Designers of America gab sie im<br />
Januar die Gründung des Fashion Council Germany bekannt,<br />
dem sie als Präsidentin vorsitzt.<br />
<strong>Werk</strong> <strong>VI</strong>: Frau Arp, warum liegt Ihnen die Förderung deutscher<br />
Modedesigner so am Herzen?<br />
Christiane Arp: Dazu möchte ich unseren Claim zitieren:<br />
„Before it’s in fashion, it’s in Vogue.“ Es liegt in der DNS einer<br />
Vogue-Chefredakteurin, sich für gutes Modedesign zu interessieren<br />
und gezielt Nachwuchstalente zu fördern. Ich habe ein<br />
persönliches Interesse an Mode Made in Germany, da ich so<br />
viel gutes deutsches Modedesign in meiner täglichen Arbeit<br />
sehe. Daraus ist bei mir der Wunsch entstanden, deutschen<br />
Nachwuchstalenten eine Bühne zu geben.<br />
Worin unterscheiden sich der Berliner Mode Salon und der<br />
Vogue Salon?<br />
Der Vogue Salon ist in erster Linie eine Begegnungsstätte zwischen<br />
jungen deutschen Nachwuchsdesignern, Handel und<br />
Experten aus der Branche. Wir begleiten diese Talente vier<br />
Saisons lang intensiv in einer Mentorenrolle auf ihrem Weg.<br />
Der Berliner Mode Salon ist die konsequente Weiterentwicklung<br />
dessen. Hier treffen Jungdesigner auf etablierte deutsche<br />
Designer. Mit dem Berliner Mode Salon schaffen wir einen<br />
Ort, wo wir im Rahmen der Fashion Week Berlin deutsches<br />
Modedesign konzentriert zusammenbringen und auf einer<br />
Bühne präsentieren.<br />
Welche Kriterien müssen Designer erfüllen, um in einen der<br />
Salons aufgenommen zu werden?<br />
Sie müssen gut sein.<br />
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur Mercedes-Benz Fashion<br />
Week in Berlin stellten Sie im vergangenen Januar eine interessante<br />
Frage: „Warum haben wir Deutschen eigentlich so viel<br />
Angst davor, schön zu sein?“ Haben Sie darauf eine Antwort<br />
gefunden?<br />
Das ist eine Frage mit einer sehr komplexen Antwort, die in<br />
unserer Geschichte verankert ist.<br />
Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit deutsches<br />
Modedesign international mehr Anerkennung bekommt? Und<br />
wie wird sich das neu gegründete Fashion Council Germany<br />
zukünftig darauf auswirken?<br />
Deutsches Modedesign muss im ersten Schritt in Deutschland<br />
Anerkennung erfahren, das ist auch eine der Hauptaufgaben des<br />
Fashion Council Germany. Wenn in unserem eigenen Land die<br />
Wertschätzung und Unterstützung für Mode made in Germany<br />
steigt, wird auch international die Wahrnehmung zunehmen.<br />
Das Designerduo Augustin Teboul gehört<br />
seit 2012 zu Christiane Arps Schützlingen.<br />
Für deren Lookbook (H/W 2015/16)<br />
ließ sich die Vogue-Chefin fotografieren<br />
ENGLAND – seit 1983<br />
Seit Anfang der 80er fördert das British<br />
Fashion Council britische Modedesigner.<br />
Die Hauptaufgabe der Non-Profit-<br />
Organisation ist: Nachwuchstalente<br />
dabei zu unterstützen, ein eigenes<br />
Unternehmen aufzubauen und in der<br />
Branche zu etablieren. Dabei steht vor<br />
allem die Vermittlung von Unternehmensführungsstrategien<br />
im Vordergrund.<br />
Stipendien und Förderprogramme,<br />
finanziert von Unternehmen wie Burberry,<br />
Sponsoren wie American Express und<br />
der britischen Regierung, ermöglichen<br />
dem Nachwuchs einen Einblick in die<br />
Branche. Auch der BFC Vogue Designers<br />
Fund ist ein Programm, das ausgewählte<br />
Designer mit finanziellen Mitteln unterstützt,<br />
um deren Unternehmensgründung<br />
und -wachstum zu gewährleisten.<br />
DEUTSCHLAND – seit 2015<br />
Das Fashion Council Germany wurde<br />
Anfang des Jahres gegründet. Schirmherrin<br />
Christiane Arp folgt damit<br />
internationalen Vorbildern, um deutsches<br />
Modedesign international<br />
anerkannter zu machen und den<br />
Nachwuchs nachhaltig zu fördern. Zu<br />
den Gründungsmitgliedern zählen auch<br />
die Premium-Chefin Anita Tillmann,<br />
die Journalistin Melissa Drier und<br />
Marie-Louise Berg von der PR-Agentur<br />
Berg Communications. Im Präsidium<br />
stehen ihr – neben anderen – Marcus<br />
Kurz von Nowadays, der Designer Dirk<br />
Schönberger und Stylebob-Gründer<br />
Mario Eimuth beratend zur Seite.<br />
18 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
19
Made in<br />
Germany<br />
Auf der kommenden Fashion Week präsentieren<br />
sich 30 deutsche Labels im Berliner Mode<br />
Salon – eingeladen von Christiane Arp. Auf den<br />
folgenden Seiten haben wir eine Auswahl inszeniert<br />
FOTOGRAF MARC HUTH<br />
PRODUKTION MIRIAM CHALABI, TANITA HECKING, CATHARINA SCHICK<br />
MODELS VANESSA HÄNISCH (<strong>VI</strong>VA), LUZIE NATERS<br />
(MEGA MODELS), MAGDALENA LAMEK<br />
HAIR & MAKE UP ROCCO K., ANNIKA JECK<br />
FOTOASSISTENZ JULIAN MARTINI<br />
Top & Lederrock Marina Hoermanseder<br />
Armreifen & Ring The Medley Institute<br />
20 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
21
Seiden-Pyjama Horror Vacui<br />
Leder-Rucksack PB0110<br />
Sonnenbrille Mykita<br />
Von links:<br />
Rock & Blouson Tim Labenda<br />
Schuhe Vintage<br />
Hosenrock & Bluse Odeeh<br />
Schuhe Hien Le<br />
22 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
23
Von links:<br />
Kleid & Hose Michael Sontag<br />
Tasche Stiebich & Rieth<br />
Schuhe Vintage<br />
Jacke, Seidenbluse & Hose Haltbar<br />
Schuhe Vintage<br />
24 Lammfell-Mantel, Lederhose WERK & Samt-Stiefel <strong>VI</strong> Q&A Schacky<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
25
Hemd & Kleid Talbot Runhof<br />
Ohrringe The Medley Institute<br />
Bluse & Rock Vladimir Karaleev<br />
Armreife & Ring The Medley Institute<br />
26 WERK <strong>VI</strong> Schuhe Q&AVintage<br />
27
Mantel Perret Schaad<br />
Schuhe Vintage<br />
Von links:<br />
Rollkragenpullover, Pullunder &<br />
Hose, alles aus Kaschmir Allude<br />
Hut und Schuhe Vintage<br />
Kaschmir-Rollkragenpullover,<br />
Kaschmir-Cape & Lederhose Iris<br />
von Arnim<br />
Schuhe Vintage<br />
Derzeit im<br />
BERLINER MODE SALON:<br />
Anna Bornhold, Allude, Annelie<br />
Schubert, Antonia Zander, Augstin<br />
Teboul, Christina Braun, Dawid<br />
Tomaszewski, Dorothee Schumacher,<br />
Felder Felder, Golpira, Haltbar, Hien Le,<br />
Horror Vacui, Iris von Arnim, Isabell de<br />
Hillerin, Lala Berlin, Malaika Raiss,<br />
Marina Hoermanseder, Michael<br />
Sontag, Mykita, Nobi Talai, Odeeh,<br />
PB0110, Perret Schaad, Schacky.,<br />
Stiebich & Rieth, Talbot Runhof, The<br />
Medley Institute, Tim Labenda,<br />
Vladimir Karaleev<br />
(Stand Ende Juni 2015)<br />
28 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
29
Wissen schafft<br />
Mode<br />
VON MIRIAM ZENNER FOTO: BARBARA DONAUBAUER<br />
In Ihrem jüngsten Buch Angezogen: Das Geheimnis der<br />
Mode betrachtet Barbara Vinken die Entwicklung der Mode im<br />
Zusammenhang mit dem Geschlecht. Präzise erklärt sie die<br />
Modegeschichte ab dem Ende der Französischen Revolution<br />
1799. Sie nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise durch die<br />
Moden Europas, angefangen im 18. Jahrhundert bei Marie Antoinette,<br />
der Modekönigin, bis zu den Schauen von Maison<br />
Martin Margiela im 21. Jahrhundert.<br />
Barbara Vinken war Gastprofessorin an verschiedenen Universitäten<br />
weltweit: New York, Chicago, Baltimore, Paris, Bordeaux.<br />
In Angezogen beschreibt sie immer wieder Szenen, die<br />
sie beobachtet hat, sieht sich genau an, was wir heute tragen,<br />
und setzt dies in einen historischen Kontext. Denn ob am Washington<br />
Square in Manhattan oder in München-Schwabing:<br />
Unsere Alltagsuniform besteht aus Anzügen für Männer, dem<br />
In ihrem Buch Angezogen beschäftigt<br />
sich die Literaturwissenschaftlerin<br />
Barbara Vinken mit Geschlechterrollen<br />
in der Mode. Wir haben sie in<br />
München besucht<br />
Barbara Vinken ist eine<br />
der bedeutesten<br />
Modetheoretikerinnen<br />
in Deutschland<br />
Keine Verwechslungsgefahr bei den<br />
Geschlechtern gibt es im Münchner<br />
Unicafé Lost Weekend an diesem<br />
Mittwochvormittag: Zwei Studentinnen<br />
mit Bloggerdutts bereiten gemeinsam eine Präsentation<br />
vor, beide in Skinny-Jeans. Eine elegant geschminkte Frau mit<br />
akkurat geschnittenem Bob liest. Eine Gruppe Freunde unterhält<br />
sich. Am Hals des Mädchens funkelt eine Statementkette,<br />
die kurzhaarigen Jungen tragen keinerlei Schmuck. Warum<br />
das so ist, kann Barbara Vinken erklären. Vinken ist Professorin<br />
für Allgemeine Literaturwissenschaften und bekennende<br />
Modeliebhaberin. Vier Stockwerke über dem Café befindet<br />
sich ihr Büro. Der Raum bildet einen Kontrast zur Tristesse des<br />
Unigebäudes. Auf dem Boden liegt ein orangefarbener Fransenteppich.<br />
Er ist neu, genauso wie das graue Sofa und der passende<br />
Sessel. Der Geruch frischer Textilien ist noch deutlich<br />
wahrnehmbar.<br />
Vinken fällt auf an dem grauen Regentag, im faden Unigebäude,<br />
zwischen eintönig gekleideten Kollegen und Studenten.<br />
Sie trägt ein grasgrünes Etuikleid, eine helle Netzstrumpfhose<br />
und Pumps. Sie setzt sich in den Sessel vor dem Fenster. Auf<br />
ihrem Tisch steht zwischen Bücherstapeln ein Puderdöschen<br />
von Chanel. Mit einem Pinsel streicht sie sich etwas davon<br />
über die Nase. „Das einzig Wichtige auf einem Foto ist, dass<br />
die Nase nicht glänzt! Sonst sieht man aus wie ein Clown”,<br />
erklärt sie.<br />
„Dadurch, dass die Mode<br />
die unterschiedlichen<br />
Typen entwirft, zeigt sie<br />
ihre Künstlichkeit“<br />
Symbol für erfolgreiche Arbeit. Frauen, so Barbara Vinken,<br />
tragen Kleidung, die aussehen soll, als würden sie nicht arbeiten.<br />
Ober- und Unterteil passen, anders als beim Anzug, nicht<br />
zusammen. Accessoires, wie zufällig ausgewählt, sollen laut<br />
Vinken an Urlaub erinnern, das Gefühl von Freizeit vermitteln.<br />
Gemeinsam haben wir, dass wir größtenteils Hosen tragen.<br />
Bei Frauen gibt es wenige Ausnahmen, bei Männern noch<br />
weniger. Ein Mann in einem Rock oder Kleid wäre eine Schlagzeile<br />
wert, eine Frau in Hosen interessiert dagegen heute niemanden<br />
mehr.<br />
Dass das Thema Feminismus momentan lauter und häufiger<br />
in den Medien diskutiert wird und an Relevanz gewinnt, merkt<br />
Vinken auch in ihren Vorlesungen. Wie ist es mit der Mode?<br />
Kann Mode feministisch sein?<br />
„Mode zeigt uns, dass man Geschlechterrollen konstruiert“,<br />
sagt Vinken nach kurzem Nachdenken. „Dadurch, dass die<br />
Mode die unterschiedlichen Typen entwirft, zeigt sie ihre<br />
Künstlichkeit. Das heißt, diese Typen sind auch anders denkbar.<br />
Insofern löst sie zumindest mal eine Figur auf, die für die<br />
Geschlechterkonstitution seit dem 18. Jahrhundert sehr wichtig<br />
war: Die Frau als Funktion ihrer Eierstöcke. Diese Vorstellungen,<br />
die biologistische Begründung von Geschlecht, ist eigentlich<br />
das, was dadurch aufgehoben wird. Oder was dadurch<br />
zumindest umkehrbar wird.“<br />
Dass Geschlecht ein gesellschaftliches Konstrukt ist, wird<br />
thematisch auch beim Queerfeminismus aufgegriffen, einer<br />
Mischform aus Feminismus und Queer Theory. Queerfeminismus<br />
positioniert sich oppositionell zum Patriarchat und den<br />
damit verbundenen Unterdrückungsmechanismen wie Benachteiligung<br />
und Diskriminierung aufgrund von Rasse, Klasse<br />
und Geschlecht. Die Queer Theory entwickelte sich Anfang<br />
30 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
31
der 90er-Jahre und hinterfragt kritisch alle Geschlechterzusammenhänge.<br />
Dazu gehört das Anzweifeln der Heteronormativität,<br />
also dem zweiteiligen Geschlechtssystem, in dem das<br />
biologische Geschlecht übereinstimmt mit Identität und sexueller<br />
Orientierung. Dieses System schließt transidentitäre oder<br />
geschlechtsneutrale Personen ebenso aus wie Homo-, Bi- oder<br />
Asexualität. Reduziert gesagt: Frauen (Personen mit Eierstöcken)<br />
lieben Männer (Personen mit Hodensäcken) und umgekehrt.<br />
Mehr gibt es nicht. Diese heteronormativen Rollen werden<br />
auch durch unsere Kleidung konstruiert: Herren- und<br />
Damenkleidung.<br />
In ihrem Buch beschreibt Barbara Vinken, wie die Mode die<br />
Geschlechter nach der Französischen Revolution teilte. Während<br />
die Geschlechtlichkeit des Mannes eine unmarkierte Sexualität<br />
in seiner Kleidung generierte, wurde die Geschlechtlichkeit<br />
der Frauen markiert. Diese Markierung beziehungsweise<br />
Abwesenheit von Markierung erfolgte bei der Entwicklung des<br />
Mannes zum arbeitenden demokratischen Staatsbürger, die<br />
sich auch in seiner Kleidung ausdrückte: Bis heute ist der<br />
schlichte, zurückhaltende Anzug der Inbegriff einer männlichen<br />
Arbeitsuniform. Er wird als männlicher, weil vermeintlich<br />
erfolgreicher wahrgenommen als die Kleidung, die man für<br />
körperlich beanspruchende Arbeit benötigt. Männer wurden zu<br />
einer gleichberechtigten Einheit. Frauen und alles weiblich konnotierte<br />
wurden dagegen in den Privatraum gedrängt. Die erotische<br />
Zurschaustellung des Körpers, die Freude an individueller<br />
„Alle Geschlechterverhältnisse<br />
würden sich ändern“<br />
Schönheit ist unerwünscht in einer Gesellschaft, in der vermeintlich<br />
Gleichheit herrscht. Die Mode der Männer uniformiert und<br />
eint, die der Frauen macht sie zum Individuum. Dadurch findet<br />
Weiblichkeit keinen Platz in der Arbeit, der Politik und der Wissenschaft.<br />
Das macht die Frau zu einem Überhang der Aristokratie.<br />
Denn dort wurde Kleidung von Männern und Frauen stark<br />
zur Markierung von Geschlechtlichkeit, Stand und Individualität<br />
genutzt. Könnte Unisex eine Lösung sein?<br />
„Nein, denn Unisex meint normalerweise, dass man in Richtung<br />
einer unmarkierten Geschlechtlichkeit gehen sollte. Ich<br />
finde das völlig unattraktiv“, sagt Barbara Vinken kopfschüttelnd.<br />
„Viel unterhaltsamer wäre es, wenn die Männer sich<br />
weiblicher anzögen. Wenn wir wieder zu einer stärkeren Markierung<br />
von Geschlechtlichkeit kämen“, Vinken überlegt kurz,<br />
wippt mit dem Fuß im beigefarbenen Highheel. „Das muss ja<br />
gar nicht geschlechtsidentisch sein“, erklärt sie weiter. „Zum<br />
Beispiel eine Frau, die sich sehr offensiv als Butch kleidet. Oder<br />
ein Mann, der sich sehr schmeichelnd anzieht und mit der<br />
Schönheit seines Körpers, seines Verführungspotenzials spielt.<br />
Es hätte viel mehr von Lust. Man hätte nicht mehr die Vorstellung<br />
von inneren Werten, diesem puritanisch Bürgerlichem,<br />
auf gar keinen Fall erkennen zu dürfen, dass einem an der<br />
Kleidung etwas liegt.“<br />
In ihrem Buch finden sich mannigfaltige Beispiele für diese<br />
Theorie. Eine der ersten Antimoden der Moderne, die damit<br />
brach, war laut Vinken die der Dandys. Die Männer, die sich<br />
Mitte des 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
extrem mit ihrem Aussehen beschäftigten, bildeten einen starken<br />
Gegensatz zu den republikanischen Staatsmännern. Der<br />
Lebenssinn der Dandys bestand darin, gut gekleidet zu sein,<br />
während das nüchterne Tragen von Kleidung eine gleichgültige<br />
Notwendigkeit für die anderen war, so beschreibt Barbara<br />
Vinken den Kontrast. Die Dandys wurden Modenarren geschimpft.<br />
In einer Welt, in der moralische Werte, Bildung und<br />
Politik den Ehrenmann, den echten Mann definierten, war die<br />
Auseinandersetzung mit dem Äußeren verpönt.<br />
Vinken selbst hat großen Spaß daran, sich zu kleiden. Schaut<br />
morgens, womit sie sich wohlfühlt, worauf sie Lust hat, wie es<br />
sich von innen anfühlt. Und so kommt es, dass sie an einem<br />
trüben Tag wie heute mit ihrem bunten Kleid Farbe in den<br />
Universitätsalltag bringt. In von Männern dominierten Branchen<br />
wie der Wissenschaft ist der Mut zur Farbe noch immer<br />
mit dem Risiko verbunden, nicht ernst genommen zu werden.<br />
Die Männer tragen nach wie vor Anzüge in gedeckten Tönen,<br />
die sich im Schnitt ähneln. Niemand sticht hervor. Vinken<br />
nennt das „eine aggressive Ablehnung von Mode. Es ist der<br />
Akt, der sagt, Mode ist einem egal, denn man hat etwas Wichtigeres<br />
im Kopf“, erklärt sie. Und was wäre, wenn wir uns davon<br />
lösen könnten?<br />
„Das würde das Wertesystem verändern, in dem das Weibliche<br />
abgewertet und ausgeschlossen wird. Weil Weiblichkeit<br />
mit Oberflächlichem, dem Sinnlichen und auch der sinnlichen<br />
Verblendung assoziiert wird.“ Vinkens Position zu ihren Theorien<br />
ist deutlich: „Das fände ich viel besser“, gibt die Literaturwissenschaftlerin<br />
zu. „Und ich glaube, es gibt schon Tendenzen<br />
in diese Richtung. Aber das ist ein sehr langer Weg. Und<br />
ich weiß nicht, ob es bei den Männern jemals etwas aus der<br />
Antimode tatsächlich in den Mainstream schafft …“ Ausnahmen<br />
wie Dandys habe es schon immer gegeben, erklärt sie<br />
dann. Die Frage sei, wie breit diese Gegenkulturen werden<br />
könnten. Denn wenn sie tatsächlich zum Mainstream würden,<br />
dann wäre das eine Revolution. „Dann würde sich alles verändern,<br />
alle Geschlechterverhältnisse würden sich ändern.“ Die<br />
Professorin lacht.<br />
Bei so genauer Betrachtung wird klar: Eine Aufhebung des<br />
zweiteiligen Geschlechtssystems ist Teil der Auflösung des Patriarchats.<br />
Und Mode kann dazu bewusst genutzt, ja sogar eingesetzt<br />
werden. Wie Barbara Vinken sagt: „Es ist ein weiter<br />
Weg. Aber ein nötiger Schritt, um irgendwann in einer gleichberechtigten<br />
Gesellschaft zu leben.“<br />
Zurück in der U-Bahn sind flamboyante Dandys, die bewusst<br />
mit ihrer Körperlichkeit spielen, kaum zu finden. Das<br />
einzige Accessoire der Jungs ist das Basecap, die Mädchen tragen<br />
Schmuck und lange Haare. Schade. Denn wenn es die<br />
Mode in Deutschland endlich heraus aus der vermeintlich<br />
oberflächlichen, weibischen Nische schaffte, könnten wir unsere<br />
Kleidung nutzen, um eine Meinung zu transportieren.<br />
Damit Kleider nicht nur Leute, sondern auch Gerechtigkeit<br />
machen.<br />
BASIC COLLECTION<br />
32 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
www.whitetail.luxury
FRAGE &<br />
ANTWOORD<br />
Das südafrikanische Duo Die Antwoord ist ein Fleisch gewordenes Gesamtkunstwerk,<br />
das mit Musik, Kunst und White-Trash-Lifestyle womöglich in die Geschichte<br />
eingehen wird. ¥o-Landi Vi$$er und Ninja sind Meister der Provokation und<br />
wissen, dass die Welt hässlich ist und das Leben schön. Die wesentlichen Fragen<br />
des Lebens kann uns also keiner besser beantworten als Ninja. Per E-Mail haben wir<br />
ihn in Kapstadt erreicht:<br />
VON KHIRA LI LINDEMAN<br />
FOTOS: AMANDA DEMME<br />
poesrot23@gmail.com<br />
Von: Poes < ><br />
Datum: 12. Mai 2015 19:47:08 MESZ<br />
An: Khira Lindemann <br />
Betreff: Re: Khira here<br />
On May 12, 2015, at 10:44 AM, Poes wrote:<br />
hi khira<br />
i answer below.<br />
if u want we can back and forth again if i wanna cross question<br />
any of my answers. your questions are supa-cool btw.<br />
X n<br />
Ninja, der 1974 als Watkin<br />
Tudor Jones geboren<br />
wurde, lässt sich gern<br />
WERK <strong>VI</strong>: Why does sex sell?<br />
Ninja: i dunno, prolly coz it’s fun and mischievous and wateva.<br />
humanz are heavenly and also animal and hellish by nature.<br />
sex energy is lo-level bass energy. even tho it’s lo-level energy<br />
it’s still super powerful and immediate, and is prolly so strong<br />
like dis to ensure the survival of the species. but it’s also quite<br />
an easy and brainless energy to tap into or appeal to.<br />
Gold or silver?<br />
gold every time. coz it’s fancier dan silver.<br />
Art or fight?<br />
same thing to me. again humans are heavenly creatures and<br />
hellish animals at the same time. fight energy is for the animals<br />
– raw and sexy and super unpredictable. enlightened, heavenly<br />
creative and artistic thoughts and energy require a certain level<br />
of intelligence, on the highest level commonly referred to as<br />
genius.<br />
Day or night?<br />
days are strong and clear and reliable like a man is supposed to<br />
be. night is strange and mysterious and inviting like a woman<br />
is allowed to be.<br />
Prince or Michael Jackson?<br />
they were both super fukn ultimate cool at 1 point. darling<br />
nikki by prince and all the music he was makin around dat<br />
time iz sum of my favourite songz of all time. but fuck – so is<br />
bad by michael jackson. bad is kinda zef though. the word zef<br />
means bad. as in bad style. as in: it’s so so so bad, that it becomes<br />
kinda cool.<br />
What does Cara Delevigne have that Lady Gaga doesn’t?<br />
a vagina. no, im playing. cara is what she is. she’s a cool kid. and<br />
she models. and has a fun bubbly vibe. plus she fucks with acting<br />
and music a little. lady gaga is a strange 1. because she<br />
wants to be a heavyweight popartist, but she borrows so heavily<br />
from so many other very well known artists’ styles: madonna,<br />
david bowie, grace jones, andy warhol, et cetera. which in my<br />
opinion is kinda weak. gaga also tags herself to new artists to<br />
try make it look like she discovered them, and put them on,<br />
which is what she tried to do with us. her energy and her vibe<br />
are super gross and parasitic to me. so short answer is: cara is<br />
what she is. gaga thinks she is what she isn’t. no matter how<br />
much a parasite believes it is a creator, at the end of the day, it’s<br />
still a parasite. this is why we chose to make an example of gaga<br />
in the fatty boom boom video.<br />
The meaning of life?<br />
42<br />
Hunter or gatherer?<br />
hmm. tuff 1. hunting so excitin. gathering so fun and easy.<br />
One night with – Miley Cyrus or Taylor Swift?<br />
fuck. u are funny.<br />
34 inszenieren<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
35
A feature with Tupac or Notorious B.I.G.?<br />
biggy... duh.<br />
The loudest clown in town? Or a good looking dude with a little<br />
attitude?<br />
tuff 1. thats like old dirty bastard vs johnny depp.<br />
Worst name ever?<br />
truffle-butter. coz it’s just fuckin gross. dats why.<br />
Stylist or self-made look?<br />
self-made every time. fuck. stylists hate us. we alwayz say we<br />
don’t want a stylist. then they always send a stylist anyway that<br />
always ends up sulking, crying or hating us more than anything<br />
on this earth.<br />
Loving yourself first or somebody else?<br />
yorself. for me it feels like having a deep love for yor inner self<br />
(not yor outer self) is like having roots sunk deep into the soil of<br />
life. (fuk im so deep). when yor roots are thick and strong, u can<br />
stand strong and support people u love real good. if u dont love<br />
yorself deeply but u love someone else soooo much, it can make<br />
u desperate and unstable and needy etc etc. when i say inner self<br />
i mean yor private inner workings, the side of u that no-one else<br />
Seit 2009 sind Ninja und<br />
¥o-Landi Vi$$er Die Antwoord.<br />
In dem Film Chappie von<br />
Regisseur Neill Blomkamp<br />
spielten die beiden kürzlich die<br />
Hauptrollen<br />
really knows about. and your outer self is the self you show to<br />
people. being in love with your outer self is a little weak because<br />
it means you need people’s praise and recognition to feel good.<br />
being in love with your outer self can make you dilerious, and<br />
power-drunk like a lot of superstars get. people that feed off<br />
fame like this never have a happy ending when their fame starts<br />
to wane, or their wrinkles start getting botoxed.<br />
Dinner with Marilyn Monroe or Edie Sedgwick?<br />
fuck. lemme google edie sedgwick quick. hmm ... edie looks<br />
nice. prolly her. she has more facial variation on google search<br />
than marilyn.<br />
Would you prefer a piece of work by Jeff Koons or Damien Hirst?<br />
jeff! jesus. duh.<br />
Which tattoos would you not allow your child?<br />
the little mermaid. from disney.<br />
Which South African music album do you really need to have?<br />
not many people in the world makin full albums that i need<br />
now-a-days. a dope track here and there. but dats about it. fuk.<br />
i would love 2 need 2 have an album. dat wud b beautiful.<br />
Zef is now. What’s next?<br />
the boy with the rainbow face.<br />
When will you come to Germany with a new album?<br />
2016 we droppin ratsrule23. rr23 got 23 trax on it. it’s the best<br />
thing i ever heard. we all so in love wif deze new songz. dey are<br />
mayhem. gonna be dropping singles and videos from this album<br />
very soon tho. rr23 singles and videos will keep droppin<br />
regularly in 2015 till full albumdrops nxt year.<br />
THE CONFERENCE ON<br />
THE FUTURE OF FASHION<br />
SEE YOU IN<br />
JANUARY 2016<br />
www.fashiontech.berlin<br />
36 WERK <strong>VI</strong> Q&A
Ärmel am Bein<br />
Gerd Harry Lybke, genannt „Judy“, ist einer der bedeutendsten<br />
Galeristen in Deutschland. Mit seiner Galerie Eigen+Art,<br />
bereits 1983 in Leipzig gegründet, vertritt er Künstler wie<br />
Neo Rauch, Melora Kuhn oder Martin Eder. Mit uns spricht er<br />
über das asoziale Verhalten von Männern, warum keiner<br />
mit ihm über Kunst redet und woran man die Qualität eines<br />
guten Anzugs erkennt<br />
INTER<strong>VI</strong>EW: LISA SCHÜTZ<br />
FOTOS: STEFAN KORTE<br />
Zur Arbeit erscheint der<br />
Galerist Judy Lybke<br />
immer im Anzug – einer<br />
davon hat Ärmel am Bein<br />
WERK <strong>VI</strong>: In einem Interview mit der FAZ haben Sie gesagt,<br />
dass „es nicht um Antworten geht – es geht um Fragen“. Was<br />
haben Sie damit gemeint?<br />
Judy Lybke: Für mich sind Antworten nicht die Leitmotive oder<br />
Gründe, um einen nächsten Schritt zu gehen. Das, wonach ich<br />
suche, was ich finden will, sind die Fragen, die mich bewegen.<br />
So ist es auch bei jeder Ausstellung mit meinen Künstlern. Es<br />
ist mir wichtig, eine Entwicklung in deren Arbeit zu sehen.<br />
Schaue ich mir die <strong>Werk</strong>e an, lassen sie immer Fragen offen.<br />
Solange die Geschichte nicht zu Ende erzählt ist, bleiben die<br />
Arbeiten interessant.<br />
Auf meine Anfrage nach einem Gespräch haben Sie mit der<br />
Aussage „Ich liebe Interviews!“ sofort zugestimmt. Was mögen<br />
Sie daran?<br />
Bei Interviews werde ich nicht so stark unterbrochen wie sonst<br />
im Leben. Ich kann dabei pausenlos etwas erzählen. Außerdem<br />
bekomme ich dadurch die Möglichkeit, meine Gedanken auszuformulieren.<br />
Denn indem du das Gedachte aussprichst, gewinnt<br />
es eine andere Bedeutung. So kannst du überprüfen, ob<br />
das Gesagte überhaupt einen Sinn ergibt, auch an der Reaktion<br />
deines Gegenübers. Wichtig ist, dass es ihn einfängt.<br />
Gibt es etwas, worüber Sie gerne reden würden, was Sie aber<br />
noch keiner gefragt hat?<br />
Mich hat noch nie einer gefragt, wie das künstlerische <strong>Werk</strong><br />
von einem Künstler aus der Galerie Eigen+Art im Verhältnis<br />
zu einem anderen Künstler steht. Eine kunsthistorische Abhandlung<br />
in Form von einem Disput, eine <strong>Werk</strong>gruppe des<br />
einen Künstlers der des anderen gegenüberzustellen, tiefgründig<br />
über die Arbeiten sprechen, das machen die Leute nicht.<br />
Und warum nicht? Weil sie sich nicht so gern mit der Kunst<br />
beschäftigen und sich auch nicht mit ihr auskennen. Das ist<br />
aber genau das, was ich wirklich weiß. Was die meisten Journalisten<br />
von mir verlangen ist Allgemeinwissen und steht in<br />
jeder Bild-Zeitung. Und dem hecheln die nun schon seit Jahren<br />
hinterher. Aber es ist natürlich auch anstrengend, wenn man<br />
sich mit mir über Kunst unterhalten will. Ich weiß einfach so<br />
viel, dass mein Gegenüber dann ziemlich schnell ziemlich blass<br />
aussieht.<br />
Vielleicht sind die Menschen mehr an Ihnen als Person anstatt<br />
an der Kunst und Ihren Künstlern interessiert?<br />
Ja, an mir und natürlich an dem Kontext der Kunstvermittlung,<br />
das heißt, wie das mit dem Geld so alles abläuft.<br />
38 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
39
Stören Sie sich daran?<br />
Ich liebe das auch, denn ich liebe ja den Mythos. Das ist so alles<br />
ganz wunderbar.<br />
Wenn Sie mit einer Person Ihrer Wahl ein Interview führen<br />
könnten, wer wäre das?<br />
Am liebsten mache ich natürlich mit dir ein Interview, denn du<br />
bist jetzt hier und interessierst dich für mich. Alles andere ist<br />
Quatsch. Man muss den Leuten, die im Moment ihre Lebenszeit<br />
opfern, um sich mit dir zu unterhalten, die volle Aufmerksamkeit<br />
entgegenbringen.<br />
Man sollte die Haltung<br />
von uns Männern ändern,<br />
so asozial zu sein<br />
Sie sind einer der bedeutendsten Galeristen Deutschlands. Ihre<br />
Galerien in Leipzig und Berlin sind international etabliert und<br />
bekannt. Gibt es einen Grundsatz, der Ihnen bei Ihrer Arbeit<br />
wichtig ist?<br />
Na klar! Mir ist immer wichtig, dass man sich korrekt zueinander<br />
verhält, gerade bei der Arbeit mit jungen Künstlern oder<br />
meinen Praktikanten. Sobald man die Zeit findet, agiert man auf<br />
Augenhöhe miteinander. Das ist die Vorraussetzung dafür, in<br />
der nächsten Generation immer noch eine gewisse Bedeutung<br />
zu haben. Denn die junge Generation muss sich an dem reiben,<br />
was wir hier zeigen. Solange ich Künstler vertrete, mit denen<br />
eine Auseinandersetzung notwendig ist und deren Arbeit auch<br />
inhaltlich die nächste Generation betrifft, solange ist alles gut.<br />
Das fördert ja auch Ihren Plan, etwas für die Ewigkeit schaffen<br />
zu wollen.<br />
So ist es: Kunstgeschichte schreiben, unsterblich werden, für<br />
die Ewigkeit. Und im Endeffekt, da kann ich machen, was ich<br />
will, ist es schon soweit. Aber ich hatte auch Glück. Denn selbst<br />
wenn es uns nicht mehr gäbe, wäre die Galerie und das, was sie<br />
macht, ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, so etwas durchzuziehen:<br />
Sie im Osten vor dem Mauerfall unter den damaligen<br />
Bedingungen aufzubauen und dann im Westen unter neuen<br />
Bedingungen bestehen zu lassen. Es gibt keine andere ostdeutsche<br />
Galerie, die auf diesem Level mitspielt.<br />
Was ist Ihr Ausgleich zu der ganzen Kunstszene?<br />
Ich mache Interviews.<br />
Richtigen Ausgleich, Herr Lybke, weg von der Arbeit, auch wenn<br />
Sie diese nicht so bezeichnen. Mit der Familie beispielsweise?<br />
Natürlich gibt es Familie und auch Freizeit. Früher habe ich<br />
das alles zu 200 Prozent gemacht. Und jetzt … Der eine Ausgleich<br />
ist der, dass ich Zuhause gar keine Kunst habe.<br />
Aber warum?<br />
Na, der Ausgleich.<br />
Haben Sie als Privatperson kein Interesse an Kunst?<br />
Ich habe Interesse an Leuten. Das ist mein Hauptinteresse.<br />
Davon spiegelt sich alles andere ab. Das ist vielleicht auch ein<br />
Grund, weshalb ich so erfolgreich bin. Wenn du als Galerist<br />
Menschen nicht magst, magst du weder die Künstler noch die<br />
Leute, die kommen, um etwas zu kaufen. Ich bin Dienstleister<br />
und finde es grandios, mit Menschen zu arbeiten. Ich könnte<br />
auch Kellner werden, das würde ich bestimmt auch gut machen.<br />
Alles, was mit Menschen zu tun hat, finde ich super.<br />
Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis? Oder woran erkennen Sie einen guten<br />
Künstler?<br />
Auf jeden Fall ist das Interesse an Menschen und der Umgang<br />
mit ihnen sehr wichtig. Einen guten Künstler erkenne ich zuerst<br />
an der Person selbst, dann an seiner Kunst. Die Person<br />
steht immer im Vordergrund. Alle meine Künstler in der Galerie<br />
habe ich über Jahre hinweg beobachtet. Auf der anderen<br />
Seite musst du aber auch ein guter Geschäftsmann sein, denn<br />
das betrifft die ganze Firma. Man darf das, wofür eine Galerie<br />
steht, nicht aus den Augen verlieren. Am Ende ist das ein<br />
Unternehmen mit 22 festen Mitarbeitern, 22 Künstlern, drei<br />
Standorten und acht Messen im Jahr.<br />
Kann es vorkommen, dass Sie sich Rat einholen müssen, oder<br />
treffen Sie immer alle berufsbedingten Entscheidungen selbst?<br />
Ich entscheide eigentlich gar nichts alleine. Das ist die Wahrheit.<br />
Bei uns ist das ein absolutes Team-Ding. Wir besprechen<br />
die Sachen und finden einen gemeinsamen Konsens. Ich frage<br />
mein Team oft nach Vorschlägen. Sie sind fachlich viel besser<br />
auf der Position, die sie innehaben. Dadurch habe ich mehr<br />
Zeit, mir einen Überblick zu verschaffen. Ich agiere sozusagen<br />
über allen Departments.<br />
Ein guter Geschäftsmann ist natürlich auch stets gut gekleidet.<br />
Sie tragen gern dreiteilige Anzüge, heute extra für unser<br />
Gespräch Ihren Favoriten. Warum gefällt der Ihnen am besten?<br />
Er hat Ärmel unten am Bein, eine eingearbeitete Handy- Tasche<br />
und weitere Details, die ich mag. Es ist einfach ein schöner Übergangsanzug,<br />
den man immer tragen kann. Und der Hosenärmel<br />
ist doch cool, oder? Es gibt noch einen zweiten Lieblingsanzug.<br />
Meine Designer und ich haben einen Skianzug aus englischem<br />
Stoff gemacht. Der sieht so aus, als ob du im Jahr 1920 auf den<br />
Skiern stehst, absolut old-fashioned. Aber innen drin ist er komplett<br />
hightech, mit Temperaturausgleich und so. Ich würde gern<br />
mit einer Firma zusammen einen Anzug machen, der komplett<br />
aus Hightech-Material hergestellt und dabei absolut tragbar ist.<br />
Mit welchen Designern arbeiten Sie zusammen?<br />
Mein Lieblingsanzug ist von Yoshiharu Ito. Er arbeitet in Berlin<br />
und macht mir auch immer gleich zwei Hosen, für den Fall,<br />
dass eine mal gelüftet werden muss. Den neuen, tragbaren<br />
Hightech-Anzug würde ich mit Silke Wagler aus Leipzig machen.<br />
Sie arbeitet absolut klassisch. Alles, was in England auf<br />
der Savile Row gemacht wird, macht sie so und besser. Mit<br />
der Qualität muss das immer so sein: Wenn du dich zu weit<br />
aus dem Fenster lehnst und fällst, dann ist ein Nagel, der aus<br />
der Hauswand herausstarkt, die Rettung, denn man bleibt mit<br />
seinem Anzug glücklicherweise daran hängen.<br />
Wie viele Anzüge haben Sie?<br />
Ich habe viele. Sechs Anzüge pro Jahr lasse ich mir auf jeden<br />
Fall machen. Und 20 Hemden.<br />
Sie legen also viel Wert auf Kleidung?<br />
Oder auch nicht, denn ich gehe ja nicht einkaufen. Die Anzüge<br />
zu entwerfen macht mir Spaß, denn ich finde es grandios, mit<br />
den Designern zu arbeiten. Wir schauen uns Filme an, lesen<br />
Bücher, erzählen uns Geschichten und versuchen dann das Gefühl,<br />
das beim Ansehen eines Filmes entsteht, in die Entwicklung<br />
eines neuen Anzuges zu integrieren.<br />
Und woher kommt die Vorliebe zum Dreiteiler?<br />
Bevor mein Vater 1961 nach Leipzig-Meusdorf gezogen ist, wo<br />
ich auch aufgewachsen bin, hat er als Rausschmeißer in einem<br />
Lokal in Bremen gearbeitet. Leute, die nicht bezahlen konnten,<br />
wurden aus ihrem Anzug geworfen. Und einen dieser Anzüge,<br />
einen Dreiteiler, habe ich mir damals aus seinem Schrank geholt<br />
und angezogen. Den habe ich bis heute noch.<br />
Kann Mode Kunst sein?<br />
Klar, unbedingt! Ich meine, das ist doch totaler Stress, dreimal<br />
im Jahr oder häufiger eine neue Kollektion herauszubringen.<br />
Ich finde das auf jeden Fall eine kreative Situation.<br />
Anfänglich hat sich die Mode ja auch viel Anleihe bei der<br />
Kunst geholt. Jetzt dreht sich das fast schon wieder um. Vor<br />
15 Jahren war Fotografie und Video auch keine Kunst. Die<br />
Künstler mussten kämpfen, dass ihre Arbeit anerkannt wird.<br />
Heute würde niemand mehr behaupten, Fotografie wäre bloßes<br />
Handwerk.<br />
Haben Sie einen Lieblingsdesigner?<br />
Na die, mit denen ich arbeite. Von der Stange etwas auszusuchen,<br />
das wäre mir zu stressig. Anfangs habe ich nur mit Silke<br />
Wagler gearbeitet. Sie hat auch den Anzug von meinem Vater<br />
nachgenäht. Damals habe ich noch keine Hemden schneidern<br />
lassen, sondern hatte sie von Kostas Murkudis. Die habe ich<br />
auch alle noch aufgehoben. Schuhe hebe ich auch auf. Von<br />
Trippen habe ich fast alles, was Männer tragen können. Und<br />
ein paar ausgefallene Frauenschuhe habe ich mir auch gekauft.<br />
Warum denn das?<br />
Weil die geil sind.<br />
Worin gefällt Ihnen Ihre Freundin am besten?<br />
Frauen haben einen anderen Zugang zur Mode. Sie wollen die<br />
verschiedensten Trends nicht verpassen und kaufen da was<br />
und dort was. Von daher: Solange sie authentisch bleibt, bei<br />
sich selbst, kann sie tragen, was sie will.<br />
Haben Sie ihr auch schon was zum Anziehen geschenkt?<br />
Habe ich versucht, aber nichts davon hat sie getragen. Wir<br />
haben das jetzt anders gemacht: Ich gehe mit, sie wählt aus,<br />
ich darf schenken. Aber zumindest von meiner 16-jährigen<br />
Tochter Zara werde ich gefragt. Morgens führt sie es vor,<br />
dann sage ich etwas dazu, und sie macht es oder eben auch<br />
nicht. Aber dass sie mich überhaupt fragt, ist schon eine<br />
großartige Sache.<br />
Fragen Sie nach?<br />
Manchmal sagt meine Freundin, dass sie einen bestimmten<br />
Anzug nicht besonders mag, dann kommt der ein Stück weiter<br />
nach hinten in den Schrank. Manchmal, wenn ich etwas anderes<br />
anhabe, dann sehe ich dadurch ein bisschen cooler und jünger<br />
für sie aus, dann findet sie das natürlich toll. Aber wenn ich<br />
dann wieder den Dreiteiler anziehe, ist das auch in Ordnung.<br />
Bei Ihnen in der Galerie arbeiten hauptsächlich Frauen. Finden<br />
Sie, dass sie die besseren Menschen sind?<br />
Nein, das nicht. Aber Frauen können sich selbst mehr belasten,<br />
ohne das heroisch darzustellen. Und sie sind außerordentlich<br />
teamfähig.<br />
Haben es Frauen schwerer als Männer?<br />
Ja. Das liegt an der Gesellschaft, das ist klar. Es liegt aber nicht<br />
daran, dass sie keine führenden Positionen haben. Das liegt an<br />
ihrem sozialen Gewissen. Frauen haben nicht diesen Tunnelblick<br />
wie Männer ihn haben. Die hängen ihrer Idee nach, egal<br />
ob Leben auf dem Spiel stehen oder nicht. Frauen sind eben<br />
sozial vernetzte Wesen, die auch einen sozial vernetzten Handlungsspielraum<br />
haben. Das sollte man auch nicht ändern. Man<br />
sollte eher die Haltung von uns Männern ändern, so asozial zu<br />
sein, wie wir sind.<br />
Immer in Eile – gut,<br />
dass Judy Lybke<br />
seine Arbeit liebt<br />
40 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
41
NATUR<br />
GEWALTEN<br />
Die Kunst der Collage ist es, Fragen aufzuwerfen,<br />
auf die es keine Antworten gibt<br />
FOTOGRAF JOHANNES ERB<br />
PRODUKTION LENA KAMMER, LISA SCHÜTZ, JANET SCHULZ,<br />
SARA STOLLENWERK, <strong>VI</strong>KTORIA VON DER WAY<br />
COLLAGEN LENA KAMMER<br />
MODEL JILL<br />
HAARE & MAKE-UP NATALIA VERMEER<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
43
Erste Seite<br />
Ohrring Asos<br />
Links<br />
Armreif H&M<br />
Säbel-Ohrring Jane Kønig<br />
Footcuff Vibe Harsløf<br />
Rechts<br />
Tasche aus Leder & Sneaker Adidas<br />
44 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
45
46 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
47
Vorige Seite<br />
Ring aus vergoldetem Silber Jane Kønig<br />
Body Vintage<br />
Links<br />
Ring Vibe Harsløf<br />
Kleid H&M<br />
Rechts<br />
Regenmantel Shutterheim<br />
Uhr G-Shock<br />
Sonnenvisier Mykita<br />
Shirt Monki<br />
48 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
49
JUTTA<br />
Pullover Adpt<br />
Kette Vladimir Karaleev<br />
SAMI<br />
Hose Stills<br />
Beziehungs weise<br />
Alter, Geschlecht, Rolle – Beziehungen brechen oft<br />
gesellschaftliche Tabus. Doch gibt es die heute überhaupt noch?<br />
FOTOGRAF<br />
PRODUKTION<br />
MODELS<br />
HAARE & MAKE-UP<br />
RUBEN JACOB FEES<br />
JENNY KOLOSSA, MARINA LACIC<br />
KHIRA LI LINDEMANN, NINA SCHMIDT<br />
JUTTA VON BRUNKAU (<strong>VI</strong>VA)<br />
SAMI GOTTSCHALCK (INDEED)<br />
NATALIA VERMEER<br />
50<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
51
JUTTA<br />
Rock Only<br />
Oberteil Vintage<br />
SAMI<br />
Hose Asos<br />
Jacke Starter<br />
Mütze New Balance<br />
JUTTA<br />
Fellkragen Vintage<br />
Top Whitetail<br />
SAMI<br />
Hemd WE<br />
Fliege Selected Homme<br />
52<br />
WERK <strong>VI</strong><br />
Q&A<br />
53
JUTTA<br />
Crop-Top und Rock Oasis<br />
Schuhe Joyks<br />
SAMI<br />
Hemd und Hose Sissi Goetze<br />
Sandalen Dr. Martens<br />
54 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
55
JUTTA<br />
Crop-Top Cos<br />
Rock By Malene Birger<br />
Schuhe Dr. Martens<br />
SAMI<br />
Shirt Only & Sons<br />
Hose Only<br />
JUTTA<br />
Pullover Adpt<br />
Kette Vladimir Karaleev<br />
Kleid H&M<br />
Schuhe Vintage<br />
SAMI<br />
Hose Stills<br />
Schuhe Vagabond<br />
56 WERK <strong>VI</strong> Q&A 57
JUTTA<br />
Jacke Vila<br />
SAMI<br />
Pullover Wood Wood<br />
Hose Asos<br />
58 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
59
Fünf Fragen<br />
an die Zukunft<br />
ILLUSTRATIONEN: HELENA LANGER<br />
Entwicklung, Innovationen, Wandel – wir leben in einer dynamischen Zeit, in der<br />
Gegenwart und Zukunftsvisionen nah beieinander liegen. Was heute noch<br />
undenkbar ist, wird morgen Realität. Wie könnte unsere nahe Zukunft aussehen<br />
und wie sehr wollen wir uns auf sie einlassen?<br />
Auf den folgenden Seiten haben wir mit Experten aus den Bereichen Mode, Technik,<br />
Social Media, Schönheit und Ernährung gesprochen und eine Gemeinsamkeit entdeckt:<br />
Um etwas verändern zu können, muss man Veränderung zulassen. Lesen Sie selbst.<br />
61
1Frau Drier, Sie schreiben seit fast 40 Jahren über Mode. Kann man<br />
die Entwicklung kurz zusammenfassen?<br />
Das ist schwer – wir reden schließlich über vier Jahrzehnte. Mit 20<br />
schaut man aus einem anderen Blickwinkel auf die Dinge als mit<br />
60. Junge Menschen sind begeistert von Neuem. Nach zehn Jahren<br />
in der Branche war ich verlegen, weil ich den Designern zweimal im<br />
Jahr die gleichen Fragen stellen musste: „Was ist neu?“ und „Was<br />
war deine Inspiration?“ Journalisten stellen diese Fragen immer<br />
noch, nur dass sie es mittlerweile viermal im Jahr tun. Die größte<br />
Veränderung im System der letzten Jahrzehnte sind die Schnelligkeit<br />
und die Mengen von Styles, die jedes Jahr angeboten werden.<br />
Das Ganze ist außer Kontrolle geraten. Denn die Geschwindigkeit,<br />
mit der Designer und Unternehmen vermeintliche Neuheiten zu<br />
produzieren haben, macht eine wirkliche Neuheit unmöglich.<br />
3<br />
In ihrem Manifest Anti-Fashion sagt die niederländische<br />
Trendforscherin Li Edelkoort, dass die „Mode den Draht zur<br />
Welt und zu den Menschen verloren hat“. Stimmt das?<br />
Ich fürchte ja. Ich bin eine Demokratin. Ich glaube nicht<br />
daran, dass Mode nur etwas für die Oberschicht ist. Natürlich<br />
kosten schöne Sachen Geld. Aber zur gleichen Zeit sollte es für<br />
jeden möglich sein, sich durch Kleidung auszudrücken und<br />
gut auszusehen. Sicherlich hat ein Teil der Mode seine<br />
Verbindung zur Welt, zu den Menschen verloren. Das sieht<br />
man auf der Straße, im Alltag – denn Mode ist dort einfach<br />
nicht präsent. Die Leute haben große Schwierigkeiten, gut<br />
angezogen aus dem Haus zu gehen. Und seit den nuller Jahren<br />
warte ich darauf, dass etwas Neues passiert. Vergeblich!<br />
4<br />
von Katharina Regenthal<br />
2<br />
Was bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft der Mode?<br />
Ich halte an meiner Vorstellung des sich aus der Asche erhebenden<br />
Phönix fest. Die Modeindustrie ist kommerziell, der Einzelhandel<br />
liegt in den Händen von Buchhaltern. Diese Entwicklung<br />
begann schon am Anfang meiner Karriere. Wir beklagen uns<br />
darüber, aber Fakt ist, dass es stärker und stärker wird. Wenn du<br />
jedes Quartal ein zweistelliges Wachstum erreichen sollst, kann<br />
Kreativität kaum stattfinden. Die Verbraucher kommen aus<br />
verschiedenen Alters- und Finanzklassen, wollen aber alle nur<br />
einer Mode folgen. Der einzige Weg für junge Designer ist<br />
tatsächlich, ihren eigenen Stil zu entwickeln und an ihm weiterzuarbeiten.<br />
Viele Einzelhändler sind nicht sehr interessiert daran,<br />
diesen Designern eine Chance zu geben. Es ist eine Zwickmühle,<br />
eine No-Win-Situation. Aber wenn wir wollen, dass Mode<br />
überlebt, dann muss sich etwas ändern.<br />
Denken Sie, dass die deutsche Mode zukünftig international eine<br />
Chance hat?<br />
Deutsche versuchen immer, Platzhirsche zu sein. Die deutsche<br />
Modeindustrie ist mainstream. Hier gibt es mehr Leute, die nach<br />
durchschnittlicher Kleidung suchen, als woanders. Viele<br />
Designer wollen etwas anderes machen, aber die meisten gehen<br />
bereits in ihrer Anfangsphase baden. Hier muss umgedacht<br />
werden. Oder die Guten gehen woanders hin, und das wäre<br />
schade. Ich glaube nicht, dass in Deutschland weniger Talent<br />
existiert als in anderen Ländern. Es gibt ja auch brillante Erfolgsgeschichten<br />
– aber wie lange können wir Karl und Jil noch als<br />
Paradebeispiele nutzen? Fazit ist, dass wir in einer Zeit des<br />
Wandels sind, aber Talent bleibt doch Talent. Und Mode ist ein<br />
grundsätzliches Bedürfnis, um sich auszudrücken. Ich staune<br />
manchmal, wie viele Menschen ohne Spiegel leben. Aber wer bin<br />
ich, ihnen zu sagen, wie es besser geht?<br />
5<br />
Und wie sehen Sie die Zukunft des Modejournalismus?<br />
Journalismus im Allgemeinen ist in einer sehr chaotischen<br />
Phase mit vielen unruhigen Erschütterungswellen. Zurzeit<br />
haben wir kaum Wiederaufbau. Wir sind wie Lemminge: Wir<br />
nutzen ständig das Wort Individualität, aber es bedeutet nichts.<br />
Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen, die sein wollen<br />
wie jemand anderes. Doch kritisiert will niemand werden.<br />
Alles ist erlaubt – das ist das Problem. Steigende Erwartungen<br />
fordern etwas heraus, das keinen Gehalt hat, aber guter Journalismus<br />
braucht Zeit! Der Ist-Zustand im Journalismus ist<br />
schwer für diejenigen geworden, die Wert auf Inhalte legen<br />
und Qualität schätzen. Ich bin noch nicht bereit, aufzugeben.<br />
So wie Blogs begonnen haben, könnte auch etwas anderes<br />
entstehen. Es müssten sich Menschen finden, die gemeinsam<br />
neue, alternative journalistische Produkte entwickeln.<br />
Quo vadis, Mode?<br />
Seit den 80ern berichtet Melissa Drier über Mode in Deutschland.<br />
Die Korrespondentin der Women’s Wear Daily zählt zu den einflussreichsten<br />
Modejournalistinnen. Momentan sieht die gebürtige New Yorkerin<br />
für ihre Branche schwarz. Aber es gibt Hoffnung für die Zukunft<br />
1Herr Arad, Sie forschen nach zukünftigen<br />
Trends, warum ist das so wichtig?<br />
Das Grundbedürfnis nach Trendforschung<br />
kommt daher, dass Firmen oft Produkte<br />
entwickeln, die zu lange brauchen, bis sie auf<br />
den Markt kommen. Dafür sind gewisse<br />
Sicherheiten wichtig, die den Erfolg garantieren.<br />
Bei der Entwicklung von Produkten gibt es<br />
viele Risikofaktoren: die preisliche Einordnung,<br />
die eine große Rolle spielt oder auch<br />
einfach, ob sich das Produkt auf dem Markt<br />
etablieren kann. Der Markt an sich ist ein sehr<br />
trendorientiertes Feld. Daher ist es essentiell,<br />
dass man mit dem Trend geht, wenn man Geld<br />
verdienen möchte. Forecasting war übrigens<br />
lange Zeit etwas, das fast ausschließlich im<br />
Zusammenhang mit der Mode stattfand. Das<br />
hat sich mittlerweile stark verändert.<br />
4<br />
Wie<br />
2<br />
Woran<br />
Wie profitieren Designer oder Unternehmen von<br />
Ihrer Arbeit?<br />
Manche verschaffen sich einen Eindruck über<br />
die Marktentwicklung. Andere möchten<br />
wissen, wie und durch was das Design<br />
beeinflusst wird. Und dann gibt es noch<br />
Kunden, die sich komplett an unseren<br />
Prognosen orientieren und diese eins zu eins<br />
für ihr Design übernehmen. Aber es gibt auch<br />
Firmen, die aus unseren Trendvorhersagen<br />
Gegentrends entwickeln.<br />
von Miriam Chalabi<br />
Woher kommen<br />
Trends?<br />
Die New Yorker Lilly und Itay Arad gründeten vor 15 Jahren die<br />
Forecasting-Agentur Fashionsnoops. Für Kunden wie H&M,<br />
Macy’s und Sony sucht und entwickelt das Unternehmen zukünftige<br />
Trends. Wie das funktioniert, erklärt uns CEO Itay Arad<br />
orientieren Sie sich, um Trends zu<br />
identifizieren? Wie entstehen Trends überhaupt?<br />
Ich denke, dass sich Trends aus all dem, was<br />
auf der Welt passiert, entwickeln. Wir<br />
versuchen unterschiedliche Strömungen<br />
einzufangen oder zu beobachten, um zu sehen,<br />
was aus ihnen wird. Es ist ein fortlaufender<br />
Prozess, oft auch ein wiederkehrender<br />
Kreislauf. Ein Beispiel: Bald jährt sich das<br />
Hippie-Festival Woodstock zum 60. Mal. Und<br />
momentan ist die Legalisierung von Drogen<br />
ein großes Thema in den USA. Das führt dazu,<br />
dass sich gerade viele Menschen mit Psychedelic<br />
beschäftigen. In der Kunst ist das schon<br />
relativ weit verbreitet. Nun kann man gut<br />
beobachten, wie das ganze Thema anfängt,<br />
Einfluss auf die Mode und das Design zu<br />
nehmen – wie es beginnt, beides für die<br />
kommenden Saisons zu formen.<br />
5wird man ein Trendforscher?<br />
Unterschiedlich: Unser Team setzt sich aus<br />
Designern und aus Leuten aus dem Merchandising<br />
oder Marketing zusammen. Wir<br />
arbeiten aber auch mit jungen Uni-Absolventen.<br />
Davon haben einige einen journalistischen<br />
Hintergrund. Meist fangen sie mit einem<br />
mehrmonatigen Praktikum bei uns an und<br />
bekommen nach und nach mehr<br />
Verantwortung. Voraussetzungen sind ein<br />
großes Interesse für Mode und ein siebter Sinn<br />
für Trends. Letzteren kann man leider nicht<br />
erlernen!<br />
3Wie kommen Sie an Ihre Informationen?<br />
Wir haben circa 100 Mitarbeiter unterschiedlichen<br />
Alters, die uns von überall auf der Welt<br />
mit Informationen füttern. Sie sind unsere<br />
Augen und Ohren. Sie berichten uns beispielsweise<br />
von Messen, Modenschauen oder<br />
Festivals. Das Forecasting lebt von diesen<br />
Einflüssen und Eindrücken. In der Agentur<br />
werden die Ergebnisse gefiltert und verarbeitet.<br />
Wir unterscheiden zwischen Short-Term- und<br />
Long-Term-Forecasting. Als Long-Term<br />
bezeichnet man das, was bereits weit im Voraus<br />
definiert wird. Also circa zwei Jahre vor der<br />
Saison, um die es geht. Short-Terms sind stark<br />
durch aktuelle kulturelle Einflüsse oder durch<br />
die Kunst geprägt. Je näher man einer Saison<br />
kommt, desto stärker sind bereits erste<br />
Umsetzungen bestimmter Trends zu sehen.<br />
62 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
63
von Khira Li Lindemann<br />
Kann Technik<br />
Mode sein?<br />
Lisa Lang ist CEO des Modelabels Elektro Couture.<br />
Im Fab Lab Berlin, einer offenen Entwicklungswerkstatt,<br />
kreiert sie mit Hightech-<strong>Werk</strong>zeugen Mode, die leuchtet<br />
Swarovski & Misfit Slake<br />
Das Armband mit dem<br />
Shine-Activity-Tracking-<br />
Kristall dokumentiert<br />
sportliche Aktivitäten und<br />
Schlafgewohnheiten. Um<br />
150 Euro<br />
Tzukuri Eyewear<br />
Die erste Sonnenbrille, die nicht verloren geht:<br />
Über die App wird bei Bedarf der genaue<br />
Standort der Brille angezeigt.<br />
Um 310 Euro<br />
1Frau Lang, wie funktioniert Ihr Label Elektro Couture eigentlich?<br />
Unser Mission-Statement ist: We make light wearable. Wir machen<br />
nicht LEDs tragbar, sondern Licht – und das gibt es in verschiedenen<br />
Variationen: IL-Wire, also leuchtende, eingewebte Fäden, IL-Displays<br />
oder reflektierendes Material. Je nachdem, wo es passt, setzen wir es<br />
ein. Die Technik kommt dazu, wenn wir unsere Batteriesysteme<br />
entwickeln. LED-Streifen wurden nicht gebaut, um sie zu tragen oder<br />
sie zu waschen. Also nehmen wir bestehende Technologien und<br />
ändern sie – und das ist Innovation. Klar wurden in der Couture<br />
bereits Licht und andere Technologien verwendet. Allerdings hat man<br />
dabei nie ein Kleidungsstück von hinten gezeigt, weil wahrscheinlich<br />
die ganzen Kabel raushängen und womöglich noch ein Generator.<br />
3<br />
Ist diese Interdisziplinarität ein Problem?<br />
Die Herausforderung ist das Projektmanagement. Die Angst der<br />
Designer vor Technik schlägt oft in Arroganz um, aber Arroganz ist<br />
totales Gift. Wenn etwas Neues kommt, hat das Alte Angst, die<br />
Daseinsberechtigung zu verlieren. Daher muss man mit Technik<br />
vorsichtig sein, damit das Design nicht darunter leidet. Bei uns heißt es<br />
immer: „Hey, wir müssen aufpassen, damit das Licht das Design nicht<br />
überstrahlt.“ Für mich sind beide Welten, also Technik und Mode, sehr<br />
kreativ. Sie existieren allerdings in anderen Ökosystemen, sind anderen<br />
Saisons unterworfen. Für Techniker gibt es nur eine Saison, den Rest<br />
des Jahres sprechen sie mit ihren Servern.<br />
4<br />
Wie<br />
sieht die Mode Ihrer Meinung nach in 100 Jahren aus?<br />
Es gibt dieses Sprichwort: Die Art und Weise, die Zukunft vorherzusagen,<br />
ist, sie mitzugestalten. Und genau darin sehe ich eine riesengroße<br />
Perspektive. Es wird mehr Technik in der Mode geben und Individualität<br />
wird wieder stärker sein. Jeder wird aus verschiedenen Komponenten<br />
beim 3D-Drucker seines Vertrauens sein individuelles Paar<br />
Schuhe drucken lassen können. Ich mag den Begriff Customized<br />
Manufacturing, es gibt jetzt schon jede Menge Internetseiten, auf<br />
denen du dir dein Müsli zusammenstellen und liefern lassen kannst,<br />
oder eben deine eigenen Schuhe. Momentan dümpelt die Mode mit<br />
ihren immer wiederkehrenden Retrophasen vor sich hin.<br />
5<br />
2Lassen sich Technik und stilvolles Design also schwer miteinander<br />
vereinbaren?<br />
Modedesigner erzählen durch ihr Design eine Geschichte. Technologie<br />
ist ein weiteres <strong>Werk</strong>zeug, um besser und anders zu erzählen. Technik<br />
ist heutzutage gar nicht mehr das Problem, denn es gibt alles. Die<br />
Möglichkeiten werden nur noch nicht erkannt. Und viele Designer<br />
haben Angst vor der Technologie, weil sie Einiges nicht verstehen. Es<br />
wird bereits mit Solartechnologie experimentiert, mit Kinetik, also<br />
technischer Mechanik, oder mit Glasfaser-Optik-Materialien, aus<br />
denen Datenkabel bestehen. Wichtig ist nur, interdisziplinär zu<br />
arbeiten, alle Bereiche zu verstehen und diese zu verbinden. Deshalb<br />
verbringe ich viel Zeit damit, Menschen aus verschiedenen Bereichen<br />
in einen Raum zu sperren.<br />
Und welches Fashion-Tech-Piece könnte sich zukünftig durchsetzten?<br />
Das ist schwer zu sagen. Es geht nicht unbedingt um das Piece,<br />
sondern um das Konzept dahinter. Was die Welt gar nicht braucht, ist<br />
ein Outfit, das die ganze Zeit blinkt, fiept und mit dir spricht. Kleidung<br />
sollte deine Stärke repräsentieren und dich nicht wie ein Zirkuspferdchen<br />
daherkommen lassen. Kleidung, die deinen Puls misst oder weiß,<br />
wie viel Kalorien du zu dir nimmst, ist auch so ein Thema. Letztens<br />
war ich auf der Wearable Technologies Conference in San Francisco.<br />
Da saß ein ganzer Haufen Amerikaner aus der I-Health-Szene. Die<br />
haben sich gegenseitig mit ihren Fashion-Tech-Pieces übertrumpft. Es<br />
wird zum Beispiel einen BH geben, der Brustkrebs früh genug<br />
diagnostiziert, was an sich ja eine tolle Sache ist. Aber wenn du das<br />
Businessmodell dahinter verstehst, wird dir schlecht! Du wirst nämlich<br />
zur Datenschleuder: Die Hersteller verkaufen deine Daten, wie es<br />
Facebook auch macht. Stell dir vor, du bist Diabetiker und kaufst<br />
morgens eine Tüte Chips. Diese Information geht dann an deine<br />
Versicherung, die dir dann am nächsten Tag die Kündigung schickt.<br />
Davor habe ich wirklich Angst. Aus lauter Technikverliebtheit werden<br />
wir noch zu Big Brother. Da muss man sehr aufpassen, denn am Ende<br />
geht es oft leider doch nur ums Geld.<br />
von Jenny Kolossa<br />
Wo tragen<br />
wir das hin?<br />
Wearable Technologies sind<br />
Accessoires, die mit Technik<br />
ausgestattet sind. Die Schmuckstücke<br />
sollen unser Leben<br />
optimieren und sind via Bluetooth<br />
mit Smartphone-Apps<br />
verbunden. Diese Kombination<br />
ist noch nicht weit verbreitet,<br />
wird aber in Zukunft Teil unseres<br />
Alltags sein<br />
Bellabeat Leaf<br />
Der Anhänger überwacht<br />
das Bewegungsprofil,<br />
Stress-Level und Schlafverhalten<br />
seiner Trägerin<br />
und zeichnet den<br />
Menstruationszyklus auf.<br />
Um 100 Euro<br />
BioSensive Technologies Inc. Ear-O-Smart<br />
Der erste Smart-Ohrring der Welt zeichnet die<br />
Herzfrequenz und die Bewegungsabläufe sowie<br />
den damit verbundenen Kalorienverbrauch auf.<br />
Um 100 Euro<br />
Algara<br />
Über die Smartphone-App kann die Edelstein-Farbe<br />
des Armbands nach Belieben<br />
verändert werden. Außerdem misst es Schritte<br />
und die Distanz, die zurückgelegt wurde.<br />
Um 135 Euro<br />
64 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
65
We carry brands like<br />
DU4 Shirtmakers<br />
Kings of Indigo<br />
FRENN<br />
Oak Natural Beard Care<br />
Knowledge Cotton Apparel<br />
Bagagiste<br />
von Annmarie Juhr<br />
Wie redest du<br />
eigentlich mit mir?<br />
Der Hamburger Siems Luckwaldt ist Social Media Coach,<br />
freier Journalist, Redakteur, Kolumnist und Blogger.<br />
Mit ihm sprechen wir über die Zukunft von Social Media und<br />
darüber, wie soziale Netzwerke unsere Gesellschaft verändern<br />
Menswear Concept Store<br />
Kleine Hamburger Straße 3· 10115 Berlin – Mitte<br />
Open Tu- Fr 12-19· Sa 12-17<br />
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PR-PRAKTIKANT GESUCHT<br />
Wir suchen regelmäßig zur Verstärkung unserer PR-Teams eine/n PR-Praktikanten/in<br />
für ein sechsmonatiges, vergütetes Vollzeit-Pflichtpraktikum.<br />
Als Praktikant/in arbeitest Du in einem unserer Beratungsteams und lernst so das<br />
Tagesgeschäft einer PR-Agentur sehr gut kennen. Du unterstützt die Teams<br />
u.a. bei Recherche, Organisation und Umsetzung von Projekten. Dazu gehört auch<br />
das Verschicken von Styling-Pieces und Erstellen von Clipping-Präsentationen.<br />
Anforderungen:<br />
• Alle gängigen Mac-Anwendungen (Word, PowerPoint, Excel).<br />
• Deutsch und Englisch gut in Wort und Schrift.<br />
• Kontaktfreudig und engagiert.<br />
• Erste Erfahrungen in der Kommunikationsbranche sind von Vorteil.<br />
• Hohe Affinität zu Social Media.<br />
• Du bist mode- und szenebegeistert.<br />
Bewerbung mit Kurzvita an: jobs@silk-relations.com<br />
1Herr Luckwaldt, was halten Sie von moderner<br />
Kommunikation?<br />
Es findet eine Verlagerung von Diskursen,<br />
Bekundungen von Mitgefühl und Sympathie auf<br />
Plattformen statt, deren Regeln wir nicht<br />
bestimmen. Zu deren Inhalten tragen wir<br />
kostenlos bei – und die Plattformen verkaufen<br />
diese Inhalte dann meistbietend. Das sehe ich<br />
durchaus kritisch. Unser Gehirn ist bereits<br />
dabei, sich an die ständige Reizüberflutung, an<br />
die Dauerablenkung in unserer Hosentasche<br />
anzupassen. Das Resultat werden wir erst in Jahren<br />
oder Jahrzehnten kennen. Good or bad –<br />
wer weiß es schon?<br />
3<br />
Rücken wir Menschen in Zukunft zusammen?<br />
Apps wie Vine, Snapchat, Meerkat oder<br />
Periscope schalten uns jetzt per Video und in<br />
Echtzeit zusammen. Wir haben theoretisch die<br />
Möglichkeit, uns Millionen mitzuteilen, ohne<br />
ein Medienimperium zu besitzen. Die<br />
Hoffnung manches Web-Utopisten, diese<br />
Netzwerke würden uns als Weltöffentlichkeit<br />
einander näher bringen, unser Gemeinschaftsgefühl<br />
über Länder- und kulturelle Grenzen<br />
hinweg stärken, sehe ich jedoch nur teilweise<br />
erfüllt. Denn gleichzeitig sprechen wir im<br />
Alltag immer weniger miteinander, empfinden<br />
den direkten Kontakt mit anderen Menschen,<br />
Nachbarn, selbst Freunden zuweilen gar als<br />
lästig. Das ist genauso wahr wie die Chancen,<br />
die die Connectedness eröffnet: Wir können<br />
durch geteiltes Wissen, etwa in Forschung,<br />
Medizin, politischem Aktivismus oder<br />
Wohltätigkeit wie nie zuvor von einer globalen<br />
Crowd und ihrem Input profitieren. Die Utopie<br />
des We Are One ist greifbar.<br />
2<br />
Hat das nicht auch positive Aspekte?<br />
Protestbewegungen erhalten heute nahezu for<br />
free rasch globalen Zuspruch, auf Missstände<br />
kann mit ein paar Klicks hingewiesen werden.<br />
Gleichzeitig verlagert sich dadurch das Kontra<br />
der Bevölkerung von der Straße auf eine<br />
Dislike-Zahl im Netz. Doch ein demokratischer<br />
Dialog mit der Politik braucht definitiv beides.<br />
Wichtig finde ich auch die Frage, was mit denen<br />
passiert, die sich weder Latte Macchiato noch<br />
Wifi leisten können. Wie wird ihre Stimme<br />
gehört? Und: Wollen wir sie überhaupt noch<br />
hören, wenn News von den Kardashians und<br />
Katzenvideos auf uns warten?<br />
5<br />
4Wie sehen Sie die Zukunft von Social Media?<br />
Die sollten wir endlich weitgehend mitbestimmen<br />
und nicht erst warten, bis uns Milliardenkonzerne<br />
neue Apps zum Rumspielen auf die<br />
Devices laden. Brauchen wir nicht eher ein<br />
Revival des Vis-à-Vis statt noch mehr<br />
Pseudo-Meetings im WWW? Echte Freundschaften<br />
statt Facebook-Chats? Klingt total old<br />
school, ich weiß. Nur –, was wir mehr und<br />
mehr herausfinden, ist Folgendes: Unsere<br />
Hardware, unser Körper und Geist, hat noch<br />
immer die gleichen evolutionären Wurzeln<br />
und Bedürfnisse wie vor Tausenden von<br />
Jahren.<br />
2011 haben Sie das Moderedaktionsbüro<br />
Lucky Inc. Media gegründet. Was bedeutet der<br />
Erfolgszug von Social Media für die Modebranche?<br />
Social Media, E-Commerce, Mobile Web und<br />
das damit einhergehende fortschreitende<br />
Aufmerksamkeitsdefizit sind für die Mode<br />
genauso fundamental wie für andere Branchen.<br />
Für etablierte Marken heißt das: Sind wir<br />
schnell genug, flexibel genug, erzählen wir<br />
nachhaltig begeisternde und daher wirksame<br />
Geschichten oder fügen wir dem ohrenbetäubenden<br />
Rauschen auf allen Kanälen bloß<br />
banale Ego-News hinzu? Für Newcomer ist ein<br />
agiles Set-up weniger ein Problem, das richtige<br />
Storytelling schon. Zwar ist die Hürde des<br />
Einstiegs durch neue Technologien und fast<br />
kostenlose Plattformen für Handel und PR<br />
extrem gesunken, der Nachteil ist aber: Das gilt<br />
für alle, verschafft heute also keinen Wettbewerbsvorteil<br />
mehr. Statt weniger großer Fische<br />
und ein paar kleinen schwimmen im Fashion-<br />
Teich heute neben den großen unzählige kleine<br />
mehr.<br />
WERK <strong>VI</strong><br />
Q&A<br />
67
1<br />
Frau Gubser und Frau Frank, was<br />
sind die Vorteile von veganer Mode?<br />
Die liegen für uns klar auf der Hand:<br />
Für vegane Mode müssen keine<br />
Lebewesen sterben und für Produzenten<br />
veganer Mode sind faire<br />
Arbeitsverhältnisse und Nachhaltigkeit<br />
ganz wichtig. Das Konzept von<br />
The NAB ist Vegan as a fashion<br />
statement. Stella McCartney hat es<br />
vorgemacht: Man kann heutzutage<br />
Schuhe, Taschen, Accessoires und<br />
Kleidung produzieren, die modernen<br />
Trends in keiner Weise<br />
nachstehen und dennoch tierfrei<br />
sind. Die Negativberichterstattung<br />
der vergangenen Zeit hat uns ebenso<br />
wie viele Endverbraucher stark<br />
sensibilisiert. Man hinterfragt viele<br />
Dinge. Wir wollen aufzeigen, dass es<br />
für die üblichen Modeherstellungsprozesse<br />
eine Alternative gibt.<br />
von Julia Ledig<br />
4<br />
Wie überzeugen Sie Ihre Kunden<br />
davon, dass vegane Mode wichtig für<br />
die Zukunft ist?<br />
Wir möchten keine Überzeugungsarbeit<br />
leisten. Der Kunde soll sich<br />
nicht in die „vegane Ecke“ gedrängt<br />
fühlen. In erster Linie sollen unsere<br />
Kollektionen und Modelle überzeugen.<br />
Die Tatsache, dass man sich ein<br />
Stück gutes Gewissen erkauft, wenn<br />
man sich für ein Teil aus einer<br />
veganen Kollektion entscheidet, ist<br />
ein absolut positiver Nebeneffekt.<br />
2<br />
Wie vegan geht<br />
Mode?<br />
Veganer Lifestyle boomt. Auch in der Mode wird er<br />
immer populärer. Das Label The No Animal Brand<br />
(The NAB) von Nicole Frank und Bianca Gubser erhielt<br />
dafür 2013 den Peta Fashion Award in der<br />
Kategorie „Beste Designer“<br />
Welche Materialien verwenden Sie?<br />
Wir benutzen hochwertige Stoffe<br />
wie Spitze, Macramé und bedrucktes<br />
Leinen, auch Hightech-Materialien,<br />
wie bei den Innensohlen, die<br />
antibakteriell und antitranspirant<br />
sind. Wir produzieren unsere<br />
Schuhe und Taschen ausschließlich<br />
in Europa und achten auf faire<br />
Arbeitsbedingungen. Auch die<br />
verwendeten Materialien werden in<br />
Europa hergestellt.<br />
3<br />
Wie kann vegane Mode in Zukunft in<br />
den Mainstream einziehen?<br />
Vegan ist ein absoluter Trend. Dem<br />
kommt zugute, dass das Leben unter<br />
anderem durch das Internet viel<br />
transparenter geworden ist. Man<br />
hinterfragt vieles, kann vieles<br />
kontrollieren. Deutschland befindet<br />
sich erst langsam auf diesem Weg,<br />
aber in den USA und England leben<br />
die Leute diesen veganen Lifestyle<br />
bereits zu 100 Prozent.<br />
5 1<br />
Wird die traditionelle Stoffherstellung<br />
aussterben, und gibt es in<br />
Zukunft keine tierischen Stoffe mehr?<br />
Auf jeden Fall wird es schwieriger<br />
werden, Stoffe aus traditioneller<br />
Herstellung, also auch tierische<br />
Produkte, zu bekommen, da auch<br />
immer mehr Designer zu alternativen<br />
Materialien greifen. Das freut<br />
uns natürlich sehr. Zudem ist es viel<br />
spannender, mit neuen<br />
innovativen Stoffen zu arbeiten.<br />
von Sara Stollenwerk<br />
Kann Steinzeit<br />
trendy sein?<br />
Paleo ist die Kurzform für die Zeit des Paläolithikums, der<br />
sogenannten Altsteinzeit. Der Belgier Boris Leite-Poço führt<br />
seit 2011 das Paleo-Restaurant Sauvage in Berlin und erzählt,<br />
was sich wirklich hinter der Steinzeiternährung verbirgt<br />
Herr Leite-Poço, wozu dient Paleo<br />
eigentlich?<br />
Paleo ist eine Ernährungsweise, die auf<br />
Evolutionsbiologie und Evolutionswissenschaft<br />
basiert. Es geht um eine<br />
moderne und gesunde Ernährung, die<br />
sich an der Nahrung der Steinzeitmenschen<br />
orientiert. Sie wird dem<br />
angepasst, was uns die Evolution<br />
vorgibt. Das ist der Grundgedanke.<br />
4<br />
Soll man denn nur noch Insekten und<br />
Fleisch essen!?<br />
Nein, aber man kann sofort auf<br />
Nachhaltigkeit achten, indem man auf<br />
industrielle Ernährung verzichtet, die<br />
sehr ungesund ist. Ebenso sollte man<br />
kein Fleisch von gezüchteten Tieren<br />
essen, das die Ursache für viele<br />
Krankheiten ist. Und durch den<br />
schnellen Anstieg der Weltbevölkerung<br />
wird man sich eh in Zukunft nicht<br />
mehr auf die nachwachsenden<br />
Getreidesorten verlassen können.<br />
2<br />
Aber warum sollen wir uns 2015 wie<br />
Steinzeitmenschen ernähren?<br />
Weil wir jetzt ungesund leben. Es gibt<br />
immer mehr Probleme wie Übergewicht<br />
und andere Krankheiten, an<br />
denen sogar Menschen sterben.<br />
Mittlerweile ist das normal geworden,<br />
aber eigentlich ist es das nicht. Wenn<br />
man auf die moderne Jäger-Sammler-Gesellschaft<br />
der letzten 100 Jahre<br />
schaut, die Dank der Wissenschaft<br />
teilweise dokumentiert wurde, findet<br />
man heraus, dass die Menschen früher<br />
deutlich bessere Gesundheitswerte<br />
hatten. Unser Leben heute ist dagegen<br />
geprägt von Krankheiten und<br />
Schmerzen. Stellt man die Ernährung<br />
auf Paleo um, kann man viele<br />
Beschwerden loswerden.<br />
5Was sollte dafür Ihrer Ansicht nach<br />
zukünftig aus unserer Nahrungskette<br />
verschwinden?<br />
Auf jeden Fall alle pflanzlichen Öle,<br />
Fettalternativen und Getreideprodukte.<br />
Die Werbung will es uns immer<br />
verkaufen, aber es gibt keine natürlichen<br />
Fette. Rapsöl oder Sonnenblumenöl<br />
werden gepresst und stark<br />
erhitzt, das ist sehr ungesund und auf<br />
natürliche Weise bekommt man es<br />
nicht hin. Außerdem brät und bäckt<br />
man mit Öl. Das ist der totale<br />
Wahnsinn! Weil es eine Lüge ist, dass<br />
Fette gut für den Organismus sind. Sie<br />
sind nicht nur schlecht, sondern dazu<br />
noch krebserregend.<br />
3Ist Paleo neben Veganismus und<br />
Vegetarismus nicht einfach nur einer<br />
der typischen Ernährungshypes?<br />
Ich glaube, dass wir noch ganz am<br />
Anfang einer neuen Bewegung sind.<br />
Paleo basiert auf einer Wissenschaft.<br />
Alle anderen Ernährungsstile wie<br />
Veganismus und Vegetarismus sind<br />
eher dem Tier gegenüber moralisch<br />
geprägt. Paleo wird sich weiterentwickeln,<br />
das wird sehr spannend!<br />
Bestimmt kommen weitere Eiweißquellen<br />
wie Insekten dazu. Der<br />
allgemeine Trend bewegt sich in<br />
Richtung fermentierter Lebenmittel,<br />
also Nahrung, die eine Vielzahl an<br />
Bakterienkulturen liefert, um das<br />
Abwehrsystem zu stärken und<br />
chronische Krankheiten zu verringern.<br />
In Zukunft werden Verdauung und<br />
Verträglichkeit für den Körper immer<br />
wichtiger.<br />
68 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
69
von Nina Schmidt<br />
Wer ist schön?<br />
Ulrich Renz ist Schönheitsforscher und Autor des<br />
Buches Schönheit – eine Wissenschaft für sich.<br />
Er spekuliert für uns, wie sich Ideale verändern werden<br />
Großartig wären Tabletten gegen UV-Strahlung. Eincremen<br />
ist nicht mehr nötig und sie bieten einen dauerhaften Schutz<br />
Stephanie Neureuter, Beauty-Director und Mitglied der Chefredaktion bei „Glamour“<br />
Ein Make-up, das sich der Kondition der Haut anpasst –<br />
egal ob die Haut trocken ist oder bei Hitze schnell glänzt<br />
Miriam Jacks, Gründerin von JACKS Beauty Department<br />
3<br />
1Herr Renz, warum verändern sich Schönheitsideale im<br />
Laufe der Zeit und was macht ein Gesicht schön?<br />
Ideale verändern sich eigentlich nur in Bezug auf den<br />
Körper, weniger auf das Gesicht – obwohl das für die<br />
Schönheitsbeurteilung viel wichtiger ist. Die Frauen<br />
auf alten Gemälden gelten auch heute noch als<br />
schön. Wichtig sind große Augen, kleine Nase, volle<br />
Lippen: Je kindlicher ein Gesicht wirkt, desto eher<br />
wollen wir es versorgen und beschützen. Der andere<br />
große Faktor ist Jugendlichkeit. Das hat etwas mit<br />
der Zeitspanne zu tun, in der Frauen sich reproduzieren<br />
können. Wir können einfach keine Vorliebe<br />
für Falten entwickeln, das hat uns die Evolution<br />
sozusagen verboten.<br />
Provozieren diese neuen, technologischen Möglichkeiten<br />
auf lange Sicht also ein künstliches Schönheitsideal?<br />
Nein, das denke ich nicht. Unser Kapitalismus mit<br />
seinen ganzen Fleiß- und Strebsamkeitsgedanken ist<br />
eine Spielart des Puritanismus. Und dazu gehört<br />
natürlich, Künstlichkeit nach außen nicht zu zeigen.<br />
Das könnte sich in Zukunft auch zum Megatrend<br />
entwickeln: Je künstlicher unsere Welt durch technologischen<br />
Fortschritt wird, desto schöner wird der Glanz<br />
der Natürlichkeit. Und damit auch das Bedürfnis nach<br />
einem idealen, aber natürlichen Aussehen.<br />
2<br />
Frankreich hat ein Gesetz gegen Magermodels auf<br />
Laufstegen verabschiedet. Eine Kosmetikfirma hat mit<br />
„ganz normalen“ Frauen geworben. Prägt so etwas das<br />
zukünftige Schönheitsideal?<br />
Das sind sehr kurzfristige Entwicklungen – da kann<br />
man nicht von einer Trendwende sprechen. In<br />
Zukunft werden die technologischen Möglichkeiten,<br />
das Aussehen zu verändern, ausgefeilter, effizienter<br />
und billiger werden. In der Forschung, etwa um<br />
Faltenbildung oder den Schwund von Unterhaut zu<br />
verhindern, wird sich noch sehr viel tun. Wahrscheinlich<br />
wird Jugendlichkeit in Zukunft immer<br />
mehr als erstrebenswertes Attribut angesehen. Das<br />
ist ein Megatrend. Und weil man Jugendlichkeit<br />
technologisch besser wird herstellen können,<br />
könnten Menschen, die altersgemäß aussehen,<br />
ähnlich abgewertet und stigmatisiert werden wie<br />
jetzt Menschen mit Zahnlücken. Die sind, seit man<br />
Zähne ersetzen kann, ein soziales Stigma.<br />
4Wie könnte ein „natürlich idealer“ Körper aussehen?<br />
Durch die Globalisierung konkurrieren Schönheitsideale<br />
verschiedener Kulturen immer mehr. Je<br />
nachdem, welche Gesellschaft sich wirtschaftlich<br />
durchsetzt, wird sich auch das Schönheitsideal<br />
anpassen. Es ist jetzt schon festzustellen, dass sich bei<br />
Schönheitskonkurrenzen ein multiethnisches Ideal<br />
mit einer leicht angeschrägten Augenachse durchsetzt.<br />
Wenn China den Laden übernimmt, werden<br />
sich die Europäerinnen genauso operieren lassen,<br />
wie es die Chinesinnen bis jetzt getan haben.<br />
5Gelten diese Entwicklungen auch für Männer?<br />
Auch, aber weniger stark. Beim Mann kann man von<br />
einer biologisch abgeleiteten Universalität sprechen:<br />
Er unterliegt dem Druck, einem Schönheitsideal zu<br />
entsprechen, weniger stark als eine Frau, die nur eine<br />
kurze Reproduktionsphase hat. Ein Gesicht, das eine<br />
relativ große Dominanz ausstrahlt, wird auch in<br />
Zukunft die besten Karten haben.<br />
ILLUSTRATIONEN: NINA SCHMIDT<br />
Ein Eyeliner, der WIRKLICH nicht verschmiert. Vor<br />
allem bei Schlupflidern muss ich immer wieder feststellen,<br />
dass sich die Eyeliner schnell auf dem Lid absetzen<br />
Patricia Makosch, Hair & Make-up Artist<br />
von Annmarie Juhr<br />
Das Kosmetikprodukt<br />
der Zukunft?<br />
Drogerie, Parfümerie und unser Badezimmer haben unendlich viele<br />
Cremes, Seren und Wässerchen zu bieten. Doch was brauchen<br />
wir wirklich? Fünf Beauty-Experten wünschen sich in die Zukunft<br />
perfect line<br />
Eine Bodylotion, die sich im Bereich der Brust verfärbt, sofern sich<br />
bösartige Zellen oder Tumore unter der Haut befinden. Somit<br />
vereint sich eine alltägliche Schönheitspflege mit lebenswichtiger Vorsorge<br />
Elsa Sonntag, Beauty-Redakteurin bei „Harper’s Bazaar“<br />
CancerCare<br />
Egal welches Produkt: Alle betreffenden Entscheidungen<br />
sollten das Wohl der nächsten Generationen,<br />
der Tiere und der Erde, auf der sie leben, sichern<br />
CC<br />
Bodylotion<br />
UV UV UV UV<br />
UV UV UV UV<br />
UV UV UV UV<br />
Christina Roth, Mitbegründerin von UND GRETEL Naturkosmetik<br />
UV<br />
UV<br />
70 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
71
TAT<br />
VERDACHT<br />
„Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss<br />
das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich<br />
sie auch klingen mag.“ Sherlock Holmes<br />
FOTOGRAF MARC HUTH<br />
PRODUKTION ANNMARIE JUHR, JULIA LEDIG, KATHARINA REGENTHAL,<br />
<strong>VI</strong>CTORIA RICHTER, MIRIAM ZENNER<br />
MODEL IRÈNE AMUQUANDOH (PLACE MODELS)<br />
HAARE/MAKE-UP SAI<strong>VI</strong>E LE<br />
FOTOASSISTENZ YANNIC POEPPERLING<br />
Falsche Credits!<br />
Kleid Marlene Birger<br />
Hut Henrik Vibskov<br />
Schuhe Buffalo<br />
FOTOCREDIT<br />
72 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
72Mantel By Malene Birger, WERK Bluse Frisur, <strong>VI</strong> Q&A Hose Cheap Monday, Schuhe Eden, Fliege Vintage<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A 73
Pumps Eden<br />
FOTOCREDIT<br />
Pullover Malene Birger<br />
Hose Marlene Birger<br />
74 Jacke Fred Perry, Bluse Frisur, WERK Hose <strong>VI</strong> Warehouse, Q&A Lackpumps Buffalo 75<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A 75
Wollkleid Fabrics Interseason<br />
76<br />
Mantel Lipsy, Kleid By Malene Birger. Lackpumps Buffalo<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
77
Bluse Minimarket, Ohrringe & Kette Sabrina Dehoff<br />
Kleid AMD Fundus<br />
Ut faces nobit acepelisit volorer orepudi<br />
autest, consequ atibus molore poremol<br />
orerum eatis a conseni squam, qui<br />
vendae is dolupienet imaximu sdamus<br />
78 Minikleid & Hut Realitiy Studio, Schuhe Cheap Monday<br />
WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
79
Ut faces nobit acepelisit volorer orepudi<br />
autest, consequ atibus molore poremol<br />
orerum eatis a conseni squam, qui<br />
vendae is dolupienet imaximu sdamus<br />
Ut faces nobit acepelisit volorer orepudi<br />
autest, consequ atibus molore poremol<br />
orerum eatis a conseni squam, qui<br />
vendae is dolupienet imaximu sdamus<br />
Pullover Stills, Hose Filippa K, Kette Vibe Harsløf, Schuhe Cheap Monday<br />
80 Mantel Barbour, Hut Reality WERK Studio, <strong>VI</strong> Tasche Q&A Selected Femme, Schal & Schuhe Vintage<br />
81
Die<br />
Weitsichtigen<br />
Mykita-Mitbegründer<br />
und Creative Director<br />
Moritz Krüger<br />
bei der Arbeit<br />
Links: Auch die<br />
Sonnenbrillengläser<br />
werden in Berlin<br />
entwickelt<br />
In Berlin mit Design Millionen verdienen?<br />
In einer Stadt, die bisher für stilvolles Scheitern<br />
bekannt ist? In der Kreativität zwar grenzenlos,<br />
aber nicht teuer sein darf? Es geht also doch,<br />
wie die Brillenmanufaktur Mykita zeigt.<br />
Eine leise Erfolgsgeschichte<br />
VON JANET SCHULZ FOTOS: JULIAN BAUMANN<br />
82 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
83<br />
1
„Ist die Mannschaft<br />
glücklich, bleibt auch<br />
das Schiff auf Kurs“<br />
Maßgenaues Arbeiten und<br />
Qualitätskontrollen tragen<br />
zum Erfolg von Mykita bei<br />
Am Vormittag ist die Kantine des alten<br />
Pelikan-Hauses in der Kreuzberger<br />
Ritterstraße noch leer.<br />
Seit dem Sommer 2014 wird in der<br />
elegant sanierten Schreibwarenfabrik<br />
Mode für Kurz- und Weitsichtige produziert – die alten Räumlichkeiten<br />
in Mitte hatten das Wachstum der Brillen-Manufaktur<br />
nicht mehr mitgemacht. Was vor zwölf Jahren mit vier<br />
Freunden in einer ehemaligen Kindertagesstätte begann – daher<br />
der Firmenname –, ist heute ein internationales Unternehmen<br />
mit 220 Mitarbeitern. Sie alle sind auf Polaroids zu sehen,<br />
die an einer Wand in der Aula hängen. Weitere 179 Kollegen<br />
arbeiten auf der ganzen Welt verteilt.<br />
Angefangen hat alles mit einer simplen Idee: Ein Brillengestell<br />
aus Flachmetall ohne Schraubverbindungen und Lötstellen<br />
herzustellen, zusammengehalten durch eine schraubenfreie<br />
Technik. „Mykita ist stark autodidaktisch geprägt“, erklärte<br />
Moritz Krüger, Managing Partner & Creative Director, in<br />
einem Interview mit The Brander zu der unkonventionellen<br />
Lösung. „Eine auf Lernen basierende Unternehmung.“<br />
In den letzten zwölf Jahren wurde aus der Idee eine Weltmarke:<br />
Mykita expandierte in über 80 Länder. In einigen davon<br />
ist die Berliner Manufaktur sogar mit eigenen Läden vertreten<br />
– in Städten wie Paris, Monterrey, Wien, Zürich und<br />
Tokio. Im vergangenen Jahr stieg das Umsatzwachstum um<br />
17,8 Prozent – das bedeutete 25 Millionen Euro Gewinn. Mykita<br />
zählt somit zu den erfolgreichsten Unternehmen Berlins und<br />
ist einer der größten Arbeitgeber im Designbereich. Doch das<br />
weiß kaum jemand in einer Stadt, die stetig gegen ihr Armaber-sexy-Image<br />
kämpft.<br />
Eine Mykita-Brille ist zu 100 Prozent Made in Berlin. Die<br />
Manufaktur in Kreuzberg ist Produktionsstätte für sämtliche<br />
Gestelle, die in den Handel kommen. Im Erdgeschoss liegt die<br />
erste Station. Hier wird die Brillenfront in mehreren Schritten<br />
in Handarbeit gefaltet und gebogen, bis aus einem völlig flachen<br />
Material ein dreidimensionales Objekt entsteht. An einem<br />
rechteckigen Massivholztisch, der fast den ganzen Raum<br />
einnimmt, werden die Brillengestelle aus dünnen Metallplatten<br />
herausgebrochen. Einen Tisch weiter werden die einzelnen<br />
Bügel der Edelstahlbrillen, die man später individuell hinter<br />
die Ohren biegen kann, in ihre endgültige Form gebracht. Das<br />
patentierte Spiralgelenk verbindet Bügel und Gestell. Dies ist<br />
der USP, an der jede Mykita-Brille zu erkennen ist. Denn ein<br />
sichtbares Logo gibt es nicht. Man möchte ästhetisch, aber dezent<br />
wirken und die Schönheit von Handwerk und Technik in<br />
den Vordergrund stellen. Eine Etage höher werden die Brillen<br />
aus Acetat und dem neuartigen Material Mylon gefertigt und<br />
in Handarbeit montiert.<br />
Alles unter einem Dach bedeutet auch, dass ein hauseigenes<br />
Fotostudio eingerichtet wurde, um alle Brillen für die Webseite,<br />
die Social-Media-Kanäle und auch in Videos zu inszenieren.<br />
Die komplette Corporate Identity inklusive der Verpackungen<br />
wird vom Design-Team hausintern entworfen. Der<br />
Vertrieb, die PR und das Marketing sitzen auf der gleichen Etage.<br />
Und im großen Showroom im Vorderhaus kann man sämtliche<br />
Modelle anschauen und anfassen.<br />
Die Mitarbeiter sind zwischen 20 und 70 Jahre alt und kommen<br />
aus der ganzen Welt. Viele sind gelernte Optiker oder<br />
84 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
85
86 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
V.l.n.r.: Jede Brille wird per Hand<br />
zusammengebaut und überprüft.<br />
Die ehemalige Pelikan-Fabrik ist<br />
heute das Mykita-Haus. Im Innenhof<br />
herrscht Café-Athmosphäre<br />
Zahntechniker – Berufe, die gute Fingerfertigkeit voraussetzen.<br />
Ein älterer Herr mit grauen Haaren sitzt neben einem<br />
punkigen Mädchen mit pinkfarbener Mähne und Piercings.<br />
Die Stimmung ist locker. Manche unterhalten sich, andere haben<br />
bunte Kopfhörer auf und hören Musik. Wer fehlsichtig ist,<br />
schaut natürlich durch ein Mykita-Gestell. Mit einem Preis<br />
von 300 bis 400 Euro ist ein Modell eher im höheren Preissegment<br />
angesiedelt. Vielleicht verkaufen sich deshalb die Brillen<br />
in den USA am besten, gefolgt von Frankreich und Deutschland.<br />
Auch mag es daran liegen, dass in der ersten Szene von<br />
Sex and the City 2 im Jahr 2010 Carrie Bradshaw (gespielt von<br />
Sarah Jessica Parker) mit einer goldenen Mykita-Sonnenbrille<br />
namens Franz aus ihrem New Yorker Appartementhaus tritt.<br />
Franz war sogar auf den Kinoplakaten zum Film zu sehen.<br />
Hollywoodstars wie Brad Pitt oder Pop-Größen wie Lady Gaga<br />
besitzen ebenfalls Mykita-Modelle und wurden schon oft damit<br />
fotografiert. Das hat einen unbezahlbaren Werbeeffekt,<br />
von dem die Berliner profitierten.<br />
Auch die Kooperationen mit Designern, die es seit 2009<br />
gibt, haben dafür gesorgt, dass Mykita international immer bekannter<br />
wurde. Spezielle Modelle entstanden in Zusammenarbeit<br />
mit Bernhard Willhelm, Maison Martin Margiela, Moncler,<br />
Romain Kremer oder Damir Doma. Man fand sich<br />
interessant, hieß es, bei den Kooperationen stünde der kreative<br />
Austausch im Vordergrund. Doch der Marketingeffekt war sicherlich<br />
auch sehr willkommen.<br />
Dass der Erfolg von Mykita nicht auf Ausbeutung der Mitarbeiter<br />
beruht, spürt man an der Atmosphäre und an vielen<br />
Kleinigkeiten im Haus: Es gibt einen Kicker, am schwarzen<br />
Brett hängen bunte Ankündigungen für ein „Mykita Frühlingsfest“,<br />
einen „Mykita Yoga Kurs“ und die „Mykita Laufgruppe“.<br />
Fast wähnt man sich bei einer gutgelaunten Sekte.<br />
Auffällig sind auch die vielen Babyfotos an der Wand.<br />
Das Arbeitsklima und die Work-Life-Balance unterscheiden<br />
Mykita von vielen anderen Firmen in der Branche. Denn dort<br />
sind schlechte Bezahlung und Überstunden oft Realität. Gerade<br />
im konkurrenzstarken Designfach ist es vielerorts üblich,<br />
Mitarbeiter richtiggehend zu verschleißen. Oder die Produktion<br />
wird wegen günstigerer Bedingungen gleich ganz ins Ausland<br />
verlagert.<br />
Mykita vermeidet dies ganz bewusst: Die Nähe der einzelnen<br />
Stationen und die dadurch mögliche Kommunikation zwischen<br />
den Abteilungen wirkt sich positiv sowohl auf die Produktion,<br />
als auch auf die Motivation der Mitarbeiter aus. Sie<br />
können miterleben, was sie herstellen. „Ist die Mannschaft<br />
glücklich“, sagt Moritz Krüger dazu, „bleibt auch das Schiff auf<br />
Kurs.“ Somit ist ein Geschäftsmodell aus der Vergangenheit, in<br />
der ebenfalls oft an einem einzigen Ort produziert wurde, vielleicht<br />
auch eins für die Zukunft. Die überstandene Wirtschaftskrise<br />
von 2008 schien also ein Gutes gehabt zu haben: Sie<br />
brachte das Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit zurück,<br />
und für die Geschichte, die hinter einem Produkt steht.<br />
Und das alles darf sogar etwas kosten. Mykita ist das beste Beispiel<br />
dafür.<br />
Langsam füllt sich die Kantine, die durch die bunte Mischung<br />
der Mitarbeiter an ein hippes Kreuzberger Café erinnert.<br />
Über dem Tagesmenü, Gemüse aus ökologischem Anbau,<br />
bespricht man Techniken und Produktionssummen. Und<br />
falls doch jemand Arbeitsstress abzubauen hat, kickert er diesen<br />
einfach weg.<br />
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WENDEPUNKTE<br />
EINER MISS<br />
Leticia Koffke trägt einen einzigartigen Titel: 1990 wurde sie zur<br />
schönsten Frau eines Staates gewählt, der schon kurz darauf nicht<br />
mehr existierte. Was ist eigentlich aus Miss DDR geworden?<br />
TEXT: <strong>VI</strong>CTORIA RICHTER<br />
FOTOS: MARC HUTH<br />
FOTO: PRIVAT (1)<br />
Das Foto hat sie aufgeklebt und mit rotem<br />
Filzstift umrahmt. „Die Sekunde, die mein<br />
Leben veränderte“, steht in leicht verblasster<br />
Schreibschrift darunter. Es zeigt den Moment, in dem<br />
die damals 19-jährige Leticia Koffke aus Brandenburg an der<br />
Havel in Schwerin zur Schönheitskönigin der DDR gekürt<br />
wird. Überrascht sieht sie aus auf dem Bild. Zwischen Miss<br />
Sachsen und Miss Mecklenburg entgleist ihr Gesicht ein wenig:<br />
ein Ausdruck von Unglauben und Freude zugleich.<br />
„Miss DDR zu werden war natürlich toll“, sagt Leticia Koffke,<br />
die heute in einer lauschigen Zweiraumwohnung in Köln<br />
lebt und auch nach 26 Jahren noch über diese Momentaufnahme<br />
lacht. Sie spricht nicht gern mit Journalisten, aber wenn<br />
doch, schwelgt sie in Erinnerungen: Eine Kiste voller Zeitungsberichte,<br />
alte Fotos, sogar die original Miss-Schärpe – für Leticia<br />
hat sich kurz nach dem Mauerfall mehr geändert als der<br />
Zusammenbruch eines politischen Systems. Das Mädchen aus<br />
Brandenburg wurde zur schönsten Frau Deutschlands gewählt<br />
und reiste fortan durch die Weltgeschichte. „Als ich im Flieger<br />
nach Los Angeles saß, dachte ich nur: Was geht denn jetzt ab?“<br />
Doch von Anfang an.<br />
Es war ihre Tante aus Berlin, die Ende der 80er-Jahre von einer<br />
Anzeige zur Wahl der Miss Stadt Brandenburg aus der Tageszeitung<br />
berichtete und Leticia mit den Worten „Du siehst<br />
doch ganz gut aus“ vorschlug, daran teilzunehmen. Sachpreise<br />
lockten, dazu die Aussicht, dem Alltag zu entkommen. „Das<br />
Leticias großer<br />
Moment – sie wird<br />
Miss DDR<br />
88 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
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Kurz vor der Wahl zur Miss<br />
DDR: Leticia bei Proben am<br />
Scharmützelsee<br />
„MISS SACHSEN<br />
HATTE DAMALS SCHON<br />
EXTENSIONS“<br />
Leben war nicht so aufregend, ich hatte gerade meine Ausbildung<br />
zur Krankenschwester beendet. Abends saß ich im<br />
Schwesternzimmer und dachte: Das kann ja jetzt nicht alles gewesen<br />
sein“, lacht die heute 45-Jährige und nippt dabei an einer<br />
Tasse Kaffee. Sie lacht oft und gern, während sie weitererzählt.<br />
Aus Neugier bewarb sie sich gemeinsam mit zwei Freundinnen<br />
für die Wahl, die im Clubhaus der Eisenbahner stattfand.<br />
Dort war alles etwas chaotisch und unorganisiert – die Deutsche<br />
Demokratische Republik war auf derartige Wettbewerbe<br />
nicht vorbereitet. Denn obwohl in Deutschland bereits seit<br />
1927 in jedem Jahr (mit Ausnahme der Jahre 1934 bis 1948)<br />
eine Miss Germany gekürt wird, blieb die DDR bis kurz vor<br />
ihrem Untergang Miss-freie Zone. Es gab zwar kleinere, inoffizielle<br />
Wahlen wie die zur Miss Frühling oder Miss Badeball.<br />
Schönheitswettbewerbe waren jedoch als Erniedrigung der<br />
Frau verpönt. Gleichstellung und die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf prägten das Frauenbild der DDR, nicht der Fokus<br />
auf Äußerlichkeiten. Und das prägte auch Leticia Koffke: „Es<br />
gab im Osten ja keine vorgegebenen Schönheitsideale. Ich fand<br />
eher andere Mädchen hübsch, habe mich selbst nicht als etwas<br />
Besonderes gesehen.“ Ihre Freundin gewann die Wahl, Leticia<br />
wurde Zweite und freute sich über eine Fünf-Liter-Flasche<br />
Uhle Sekt, einen Pullover und einen Spiegel.<br />
Obwohl sie knapp am Sieg vorbeirauschte, machte sie weiter<br />
und meldete sich zur Wahl der Miss Land Brandenburg an.<br />
Ihr Umfeld reagierte unterschiedlich: Während Freund und<br />
Bruder stolz auf die hübsche Freundin und Schwester waren,<br />
zeigte sich die Mutter skeptisch. „Sie fand es Quatsch“,<br />
schmunzelt Leticia.<br />
Auch bei der Wahl zur Miss Brandenburg wurde Leticia wieder<br />
nur Vize-Miss. Doch richtig geärgert hat sie das nicht,<br />
schließlich ging es ihr vor allem darum, etwas zu erleben. „Als<br />
ich dann zur Wahl der Miss DDR eingeladen wurde, machte<br />
ich mir keine großen Hoffnungen, deshalb war ich sehr entspannt.“<br />
Die Oldenburger Miss Germany Corporation, die bis<br />
heute Deutschlands Misswahlen ausrichtet und zuvor auch<br />
Miss Brandenburg gekürt hatte, plante die Wahl zur Miss DDR<br />
für Oktober 1990. Doch aufgrund der Wiedervereinigung am<br />
3. Oktober wurde sie auf September vorverlegt. Für Leticia begann<br />
eine aufregende Zeit: „Wir sind gereist, haben Sponsoren<br />
besucht, hatten Pressetermine und eine Menge Spaß.“ Der Zickenkrieg<br />
blieb aus, denn die Mädchen aus der DDR waren<br />
Konkurrenzkämpfe nicht gewohnt und einfach nur froh, dabei<br />
zu sein. „Natürlich gab es auch Ausnahmen, Miss Sachsen<br />
etwa, die hatte schon damals Extensions“, erinnert sich Leticia.<br />
„Solche Mädchen waren auf der Gewinnerstrecke und haben<br />
FOTO: PRIVAT (1)<br />
recht viel in ihren Sieg investiert.“ Umso größer war die Überraschung<br />
für Leticia, als sie tatsächlich zur Miss DDR gekürt<br />
wurde. Ein einmaliger Titel, den sie wegen der Auflösung des<br />
Arbeiter- und Bauernstaates nur für kurze Zeit trug.<br />
Der Sieg katapultierte sie in eine neue Welt. Leticia investierte<br />
ihr erstes Preisgeld in eine Levi’s, gewann einen Toyota, obwohl<br />
sie noch nicht einmal einen Führerschein hatte, und<br />
tauschte sehr schnell die Heimat Brandenburg gegen das niedersächsische<br />
Oldenburg. Dort zog sie zu Misswahl-Veranstalter<br />
und Manager Horst Klemmer, wo sie wie eine Tochter aufgenommen<br />
wurde. „Ich habe mein Leben von einem Tag auf<br />
den anderen hinter mir gelassen, war in Nullkommanix weg.“<br />
Das Bild von ihr als Miss DDR ging um die Welt, sogar in<br />
Brasilien sah man sie in der Zeitung. „Ich will so bleiben wie<br />
ich bin“ oder „Brandenburg verliert seine schönste Krankenschwester“<br />
titelte die heimische Presse, während Leticia von<br />
einem Termin zum nächsten reiste. Um dem Ganzen ein weiteres<br />
Krönchen aufzusetzen, wurde sie im Dezember 1990 auch<br />
noch zur ersten gesamtdeutschen Miss Germany seit 1933 gekürt.<br />
„Bei dieser Wahl prallten Welten aufeinander“, erinnert<br />
sie sich. Die Mädchen aus Ost und West unterschieden sich<br />
nicht nur optisch, sondern auch in ihren Wertvorstellungen und<br />
der Sprache. Und während die West-Mädchen durch entsprechende<br />
Accessoires gut ausgestattet waren, setzten die Ost-Mädchen<br />
auf Natürlichkeit: Es gab schließlich von vorneherein weniger<br />
Badeanzüge, Kleider oder schwarze Pumps. Der Sieg stellte<br />
sie zudem vor eine weitere Herausforderung: „Als nach der<br />
Wahl die westdeutsche Nationalhymne gespielt wurde, stand ich<br />
ein wenig verloren da, denn ich kannte die ja gar nicht!“<br />
In Leticias neuem Leben häuften sich die ungewohnten Promotions-<br />
und Modeljobs, Supermarkt-Eröffnungen, Autogrammstunden<br />
und Fernsehauftritte. „Eines meiner Highlights<br />
war die Bambi-Verleihung 1990. Da durfte ich anlässlich<br />
der Wiedervereinigung ein paar der Auszeichnungen übergeben.“<br />
Gemeinsam mit Michael Cromer, dem Gründer der Modemarke<br />
MCM, wurde sie sogar nach Los Angeles, dem<br />
Traumziel vieler Mädchen in Ost und West, eingeladen. „Auf<br />
dieser Reise habe ich auch noch Geld verdient, das war einfach<br />
unglaublich“, schwärmt sie.<br />
In den 90ern hatte Leticia jedoch genug davon, nur ein hübsches<br />
Aushängeschild zu sein, und entdeckte ihre eigene Kreativität.<br />
Sie begann, für das Label Uncle Sam Kollektionsstücke<br />
zu entwerfen. Wegen der Kleiderproduktion zog sie nach<br />
Istanbul und wurde Mutter einer Tochter. Nach zwei Jahren<br />
am Bosporus ging sie zurück nach Brandenburg – vielleicht,<br />
um Luft zu holen. Doch dort hielt es die Weltenbummlerin<br />
nicht lange aus. „Manche Frauen hier tragen immer noch blauen<br />
Kajal und Karottenhosen, die Zeit ist irgendwie stehen geblieben.“<br />
Leticia zog im Jahr 2000 ins Rheinland, wo sie bis<br />
heute für einen Schweizer Uhrenhersteller arbeitet und sich<br />
nach Langem mal wieder heimisch fühlt. „Köln ist für mich ein<br />
bisschen wie ein kleines Berlin: multikulti, locker und nicht<br />
spießig.“ Als Außendienstmitarbeiterin ist sie immer noch viel<br />
unterwegs, hat viel Abwechslung – vielleicht ist das der Grund,<br />
aus dem sie momentan die Füße stillhalten und das sogar genießen<br />
kann. Übrig geblieben von den Jahren als Miss ist ihre<br />
Neugier auf fremde Orte und eine gewisse Unvoreingenommenheit:<br />
„Ich wollte nie stehen bleiben und bin gegenüber<br />
Neuerungen im Leben recht aufgeschlossen.“<br />
Leticia kennt sie, die Wendepunkte im Leben. 2011 bekam<br />
sie von ihrem Bruder eine Niere gespendet. Bei der Beschreibung<br />
der medizinischen Vorgehensweise kommt die Krankenschwester<br />
in ihr durch, mit ein bisschen Stolz zeigt sie auf ein<br />
Foto des Bruders und deutet auf eine kleine Wölbung an ihrem<br />
Bauch. „Er hat mir eine ganz schön große Niere verpasst“,<br />
lacht sie. Die Operation hat die Geschwister eng zusammengeschweißt.<br />
„Geben ist seliger denn Nehmen“, sagt Leticia Koffke,<br />
die für sich die Antwort darauf gefunden hat, was im Leben<br />
wichtig ist – weit mehr als Schärpe und Glitzerkrone jedenfalls.<br />
Zu Misswahl-Finalen fährt sie heute dennoch ab und zu. Aber<br />
nur als Zuschauerin.<br />
Leticia Koffke<br />
heute. Alle<br />
Erinnerungen an<br />
ihre Zeit als Miss<br />
DDR hebt sie in<br />
einer Kiste auf.<br />
Auch die<br />
Original-Schärpe<br />
90 WERK <strong>VI</strong> Q&A WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
91
København<br />
für Anfänger<br />
Ob Mode, Design, Lebensstil oder Kunst – die Länder Skandinaviens gelten als<br />
Trendsetter. Warum das so ist, wollen wir bei einem Kurzurlaub in das Herz<br />
Dänemarks herausfinden – und bekommen Hilfe von Stefany Vidzus, einer der<br />
erfolgreichsten Modebloggerinnen Kopenhagens<br />
TEXT & FOTOS: CATHARINA SCHICK, <strong>VI</strong>KTORIA VON DER WAY<br />
Links: Einer von Stefanys<br />
Favoriten: Der Israels Plads<br />
Rechts: Kopenhagen will bis<br />
2025 die erste klimaneutrale<br />
Stadt der Welt werden<br />
BIOGRAFIE<br />
Seit drei Jahren schreibt die 20-jährige Stefany Vidzus auf ihrem Blog Black Irony<br />
über Mode. In Kopenhagen lebt die gebürtige Lettin seit einem Jahr. Hierher kam<br />
sie, um Medienkommunikation zu studieren. Nebenher arbeitet Stefany in einer<br />
PR-Agentur. An ihren freien Tagen geht sie am liebsten am Hafen spazieren, erkundet<br />
neue Second-Hand-Läden oder verliert sich in den kleinen Gassen im Zentrum<br />
der Stadt.<br />
„Mich hat die dänische Modeszene schon immer fasziniert. Die Dänen gelten als<br />
sehr stilvolles, anmutiges und stolzes Volk, denn viele von ihnen sind wohlhabend,<br />
stellen das aber in der Öffentlichkeit nicht zur Schau. Natürlich spiegelt sich das in<br />
ihrer Mode wieder, und das gefällt mir. In meiner Heimat konnte ich mich modisch<br />
nie wirklich ausdrücken. Hier in Kopenhagen habe ich zu meinem Stil gefunden.“<br />
MAINFACTS<br />
Dänemark – von den Wikingern<br />
geprägt, im Mittelalter eine Großmacht<br />
im Ostseeraum. Die Hafenstadt<br />
Kopenhagen wurde 1417<br />
offiziell zur Hauptstadt ernannt.<br />
Das Königreich Dänemark hat heute<br />
insgesamt nur 5,4 Millionen<br />
Einwohner.<br />
500.000 davon wohnen in København.<br />
Die Königin Margarethe II. übernimmt<br />
politisch lediglich repräsentative<br />
Aufgaben. Das dänische<br />
Parlament Folketing verabschiedet<br />
die Gesetze, es wählt und kontrolliert<br />
die Regierung. Die dänische<br />
Ministerpräsidentin Helle Thorning-<br />
Schmidt war bis vor Kurzem die<br />
erste weibliche Amtsträgerin. Im<br />
Juni 2015 ergaben die Wahlergebnisse<br />
eine Mehrheit für die rechtspopulistische<br />
Dänische Volkspartei<br />
und zwangen die Sozialdemokratin<br />
zum Rücktritt. Diese Entwicklung<br />
wurde in der EU scharf kritisiert.<br />
Die dänische Lebensweise spiegelt<br />
sich auch heutzutage im Copenhagen<br />
Chic wieder, denn das raue, kalte<br />
Klima fordert bequeme und simple<br />
Kleidung, die die Dänen in eleganten<br />
Kombinationen tragen. Bevorzugt<br />
tragen sie einheimische Labels<br />
und Designer wie Wood Wood,<br />
Stine Goya oder Henrik Vibskov,<br />
die auch international großen<br />
Anklang finden.<br />
92 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
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MORGENS<br />
REZEPT<br />
HAFENRUNDFAHRT<br />
Klar, Hafenrundfahrten erinnern an Rentnerfreizeit. In Kopenhagen<br />
bieten sie jedoch die beste Gelegenheit, wirklich alle<br />
Attraktionen, zum Beispiel die kleine Meerjungfrau oder das<br />
monumentale Black-Diamond-Gebäude (den Anbau der Bibliothek)<br />
kennenzulernen. Dazu noch eine frische Meeresbrise:<br />
perfekt!<br />
Start: Gammeltorv oder Nyhavn, 80 Kronen (circa 10 Euro)<br />
STRØGET<br />
Das pulsierende Leben im Zentrum spielt sich rund um die beliebte<br />
Einkaufsmeile Strøget ab. Der Hauptbahnhof, Nyhavn<br />
und andere wichtige Fixpunkte der Stadt sind von hier aus bequem<br />
zu Fuß erreichbar. Auf dem Weg Richtung Illum findet<br />
man skandinavische Mode, cleanes Interior-Design und jede<br />
Menge Second-Hand-Läden. Tipp: Designermode gibt es im<br />
Magnolias Luksus 2nd Hand (Købmagergade 5). Der Flagship<br />
Store von Wood Wood liegt in der Grønnegade 1.<br />
Station: Nørreport St.<br />
ILLUM<br />
Das dänische Pendant zu hochpreisigen und eleganten<br />
Kaufhausriesen wie dem KaDeWe oder Harrods ist das Illum.<br />
Dänemark ist teuer, dafür ist aber auch der Verdienst üppiger.<br />
„Von allen Skandinaviern geben Dänen das meiste Geld für<br />
Klamotten aus“, sagt Stefany.<br />
Adresse: Østergade 52<br />
Das Luxuskaufhaus Illum<br />
gibt es seit 1892<br />
Der Strøget bietet<br />
vielfältige Einkaufsmöglichkeiten.<br />
Auch Saisonobst<br />
und old school<br />
Hip-Hop to go<br />
MITTAGS<br />
NYHAVN 17<br />
Wenn das Smørrebrød zum Superstar wird und der Kellner bei<br />
jeder Bestellung einen Knicks macht, dann befindet man sich<br />
im Nyhavn 17. Das Restaurant mit dem typischen Seemannsflair<br />
ist in der schönsten Gegend Kopenhagens am neuen<br />
Hafen. Einfach hyggelig!<br />
Adresse: Nyhavn 17, ab 150 Kronen (circa 20 Euro)<br />
Entspannte Atmosphäre<br />
und einen aromatischen<br />
Kaffee kann man in<br />
der Kafbar 9 neben einer<br />
Vespa genießen<br />
Für zwei Smørrebrød<br />
2 Lauchzwiebeln<br />
2 Eier<br />
4 EL Milch<br />
Salz<br />
Pfeffer<br />
3 TL Butter oder Margarine<br />
2 kleine dicke Scheiben Brot<br />
2 Salatblätter<br />
60 g geräuchertes Forellenfilet<br />
Schmand, Forellenkaviar und Dill zum<br />
Garnieren<br />
Lauch in Ringe schneiden und Ei,<br />
Milch, Salz und Pfeffer zu einem<br />
Rührei verquirlen. Brot (wahlweise<br />
Roggen-, Vollkorn-, Weiß- oder<br />
Mischbrot) mit Butter bestreichen<br />
und mit Salat bedecken.<br />
Das Smørrebrød mit dem gebra tenen<br />
Rührei und der Forelle belegen.<br />
Als Garnitur dient Schmand, Kaviar<br />
und Dill.<br />
Das Smørrebrød Superstar<br />
im Nyhavn 17<br />
ist ein Bestseller<br />
KAFBAR 9<br />
Das Kafbar 9 ist ein Paradebeispiel für dänisch-internationalen<br />
Stilmix. Über Treppen gelangt man zur eigentlichen<br />
Kaffeebar im Hochparterre. Holz dominiert den Raum,<br />
gemischt mit modernen Möbeln, zum Beispiel von Vitra. Die<br />
beigefarbene Vespa nahe der Bar ist das Herz des Cafés. Und<br />
der Kaffee schmeckt wie in Italien.<br />
Adresse: Kompagnistræde 9, Kaffee für 35 Kronen (circa 5 Euro)<br />
DÉCOR<br />
Wer möchte eine Wikingerrüstung kaufen? Oder Varietékleidung?<br />
Im Décor in der Nähe der Torvehallerne am Israels<br />
Plads kann man in vergessenen Zeiten stöbern und kleine<br />
Schätze finden. Second-Hand aus vergangenen Epochen, das<br />
auf Neuinterpretation wartet.<br />
Adresse: Rømersgade 9<br />
94 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
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Frisches Gebäck<br />
und einheimische<br />
Feinkost gibt es<br />
auf dem Street<br />
Food Market in<br />
der Torvehallerne<br />
Nächtlicher,<br />
traditioneller Snack:<br />
Hot Dog mit<br />
Röstzwiebeln,<br />
Ketchup und<br />
sauren Gurken<br />
FUNFACTS<br />
NACHTS<br />
THE STANDARD<br />
Bei Kerzenlicht Jazz hören und sich dabei von den besten Köchen<br />
Dänemarks kulinarisch verwöhnen lassen kann man im<br />
Restaurant The Standard direkt am Hafen. Reservierungen<br />
sind sinnvoll, da sowohl das von Art-Deco inspirierte Restaurant,<br />
die Bar als auch die Jazz-Abende meist komplett ausgebucht<br />
sind.<br />
Adresse: Havnegade 44, Tel: +45 72 14 88 08, Eintritt für den<br />
Jazz-Abend 270 Kronen (circa 40 Euro), Drei-Gänge-Menü<br />
für 350 Kronen (circa 50 Euro), Drinks ab 80 Kronen (circa 11<br />
Euro)<br />
Das Wort Hygge ist eines der meist<br />
benutzen Wörter in Dänemark. Es<br />
beschreibt das Gefühl von Geborgenheit.<br />
Wenn jemand sich irgendwo<br />
geborgen fühlt, dann findet er es<br />
hyggelig.<br />
In Dänemark gibt es in fast jedem Bus<br />
frei nutzbares WLAN, besonders<br />
praktisch für Touristen.<br />
Dänen schätzen ihre Privatsphäre und<br />
werden schnell wütend, wenn Fremde<br />
zu lange auf ihre Kinder oder Hunde<br />
schauen.<br />
Die meisten Dänen schließen beim<br />
Verlassen ihrer Wohnung die Tür nicht<br />
ab. Dänemark gehört zu den sichersten<br />
Ländern der Welt mit einer<br />
vergleichbar geringen Zahl an<br />
Einbrüchen.<br />
ABENDS<br />
PAPERS ISLAND<br />
In Kopenhagen gibt es die besten Street-Food-Märkte voller<br />
Stände, an denen Speisen frisch zubereitet werden. Die einstige<br />
Papierfabrik auf der Insel Christiansholm, heute bekannt<br />
als Papirøen (Papers Island), wurde zu einem Begegnungsort<br />
für Jung und Alt. Hier kann man auf Liegestühlen den Ausblick<br />
auf die See genießen und original dänisches Essen probieren.<br />
Oder es sich im nur 14 Quadratmeter kleinen Café Den<br />
Plettede Gris des dänischen Modedesigners Henrik Vibskov<br />
gemütlich machen.<br />
Adresse: Trangravsvej, Cocktail ab 90 Kronen (circa 13 Euro),<br />
Barbecue ab 65 Kronen (circa 9 Euro)<br />
Den Plettede Gris, Öffnungszeiten: Mo-Fr, 9-18 Uhr, Sa-So,<br />
10-18 Uhr, Kaffee für 32 Kronen (circa 4 Euro), Bier 30 Kronen<br />
(circa 3 Euro)<br />
Wer Christiania besucht,<br />
reist zurück in<br />
die Zeit der Hippies<br />
CULTUREBOX<br />
Getanzt und gefeiert wird in dem Techno-Club bis in die frühen<br />
Morgenstunden in vier Boxen (Mainfloors), die sich durch<br />
verschiedene Farben unterscheiden.<br />
Adresse: Kronprinsessegade 54, Eintritt je nach Event zwischen<br />
50 und 100 Kronen (circa 7 bis 12 Euro)<br />
GILT<br />
Ein Absacker im Gilt geht immer noch! Der Besucher kann<br />
wählen zwischen klassisch zubereiteten Cocktails und extravaganten<br />
Varianten, zum Beispiel den Mojito mit Passionsfrucht,<br />
Zitronengras und Chili. Zusätzlich bietet die Karte auch diverse<br />
Kaffeesorten.<br />
Adresse: Rantzausgade 39, Cocktails ab 85 Kronen (11 Euro)<br />
The Copenhagen<br />
Standard: Jazz, Drinks,<br />
Drei-Gänge-Menü<br />
Wolkenkratzer gibt es in Dänemark<br />
kaum. Im gesamten Königreich sind<br />
20 Hochhäuser vermerkt, das höchste<br />
ist 120 Meter klein.<br />
Ein durchschnittlicher Däne heiratet<br />
erst mit 32 Jahren und zählt somit bis<br />
dahin zu den ältesten Junggesellen<br />
der Welt.<br />
Eine Studie der New Yorker Columbia<br />
University stellte im Jahr 2013 fest,<br />
dass die Dänen das glücklichste Volk<br />
der Welt sind.<br />
In Dänemark leben 14 Nobelpreis träger.<br />
Die dänische Königsfamilie zählt zu<br />
den ältesten ununterbrochenen<br />
Monarchien der Welt.<br />
CHRISTIANIA<br />
Christiania liegt im Bezirk Christianshaven und wurde 1971 als<br />
verlassenes Areal von Jugendlichen besetzt. Heute wird die autonome<br />
Gemeinde geduldet und lädt Gäste in ihre Fantasiewelt<br />
ein: Glitzergirlanden, Buddhastatuen, Graffitikunst und spirituelle<br />
Musik. Peace, Love und Happiness gibt es hier to go.<br />
Adresse: Prinsessegade bei der Vor Frelsers Kirke<br />
TORVEHALLERNE<br />
Im verglasten Torvehallerne im Zentrum Kopenhagens befindet<br />
sich einer der meist besuchten Food Markets der Stadt. An<br />
über 60 Ständen können hier regionale Köstlichkeiten probiert<br />
und gekauft werden. Es lohnt sich, einige Stunden für diesen<br />
Markt einplanen.<br />
Adresse: Frederiksborggade 21, Fisch ab 52 Kronen (7 Euro),<br />
Süßes ab 60 Kronen (9 Euro)<br />
Dyrehavsbakken, im heutigen Naturpark<br />
Jaegersborg Dyrehave am<br />
Stadtrand von Kopenhagen, ist der<br />
älteste Freizeitpark und wurde im<br />
16. Jahrhundert erbaut. Die heute<br />
noch aktive Hauptattraktion, eine<br />
Achterbahn, besteht aus massivem<br />
Holz und wurde damals von einem<br />
Bremser gefahren.<br />
Dänen lieben Lakritze, daher veranstalten<br />
sie jedes Jahr ein Lakritz-<br />
Festival (Lakridsfestivalen/Flemming<br />
Lyng).<br />
Zu Dänemark zählen ungefähr 400<br />
Inseln, von denen nur 75 bewohnt sind.<br />
96 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
97
WER SITZT DAHINTER?<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
An welchem Ort verbringen kreative Menschen wohl die meiste Zeit?<br />
Langweilig, aber wahr: am Schreibtisch. Chaos oder Ordnung, Wasser oder Tee?<br />
Raten Sie mal, wer wo arbeitet!<br />
FOTOS: MATTHIAS BRANDL<br />
PRODUKTION: JANET SCHULZ<br />
A) Die Designerin Malaika Raiss<br />
macht Mode, die ausdrucksstark<br />
und zart ist. In ihrem Atelier<br />
in Friedrichhain entwickelt sie<br />
Kollektionen und Schnitte und<br />
sucht Stoffe aus. „Sorry für das<br />
Durcheinander, aber so sieht das<br />
hier immer aus!“, empfängt sie<br />
uns. So schlimm war es dann<br />
doch nicht – Kreativität braucht<br />
schließlich Chaos!<br />
98 WERK <strong>VI</strong> Q&A<br />
B) Die Blogger David Kurt<br />
Karl Roth (l.) und Carl Jakob<br />
Haupt von Dandy Diary sind<br />
für ihre provokanten Posts und<br />
Style- Experimente bekannt. Ihr<br />
Schreibtisch ist das Tor zur Welt<br />
und rund um die Uhr einsatzbereit.<br />
Die Hauptzentrale in<br />
Berlin-Mitte ist erstaunlicherweise<br />
alles andere als Rock’n’Roll.<br />
Hier herrscht Ordnung!<br />
C) Simon Haehnel ist ein Teil<br />
des DJ- und Produzentenduos<br />
Andhim. Inzwischen lebt der<br />
Kölner in Berlin. An seinem<br />
Schreibtisch frickelt er gern an<br />
dem Super-House-Sound,<br />
für den Andhim international<br />
bekannt sind. Ob der Erfolg<br />
etwas mit seinem rosa Glücksschwein<br />
zu tun hat, wollte er<br />
leider nicht verraten.<br />
Auflösung: 1 C, 2 A, 3 D, 4 B<br />
D) Die Modejournalistin Stephanie<br />
Neumann arbeitet als freie<br />
Redakteurin und Autorin für<br />
Magazine wie Harper’s Bazaar,<br />
Elle oder Madame. Obwohl sie<br />
auch immer einen Arbeitsplatz<br />
im Büro hat, schreibt sie am<br />
liebsten zu Hause in ihrer hellen<br />
Dachgeschosswohnung mit<br />
atemberaubendem Blick über<br />
Berlin.<br />
RESTAURANT | BAR | CLUB | EVENTS<br />
Opentime:<br />
Mo – Fr: 12:00 – 23:00 CET / Su: 18:00- 23:00 CET<br />
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Tel. 030/ 278 909 95 55 or info@the-grand-berlin.com
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Berlin Germany<br />
no74-berlin.com<br />
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Paris France<br />
no42-paris.com