Diakonie: Jahresbericht 2013
Der aktuelle Jahresbericht 2013 gibt Einblick in die Vielfalt der Aktivitäten des Diakonischen Werkes im Rhein-Kreis Neuss.
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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2013</strong> Leben im Alter<br />
bieten ihnen an, uns zu vertrauen. Dazu gehört, dass<br />
wir ihr Recht auf Misstrauen respektieren. Wenn Menschen<br />
unter psychischen Beeinträchtigungen leiden, verändert<br />
sich der Kontakt zur Welt. Durch Angebote Sensomotorischer<br />
Kontaktförderung können Sinnesbrücken<br />
zur Umgebung geschaffen werden, die belebend wirken.<br />
In Sinnes- und Körpererfahrungen geht es nicht darum,<br />
herauszufinden, w a s man riecht, berührt, sieht oder,<br />
schmeckt ..., sondern es geht darum, ob man es mag<br />
oder nicht. Die Qualität der Sinneswahrnehmung ermöglicht<br />
eine Stärkung der Sinneskompetenzen, der (Wieder-)Belebung<br />
des Eigen-Sinns und somit einer Steigerung<br />
der individuellen Lebensqualität, insbesondere bei<br />
Menschen mit Demenz.<br />
Die Sensomotorische Kontaktförderung bietet unterschiedliche<br />
sinnliche Erfahrungs- und Erlebensmöglichkeiten<br />
des Kontaktes und der Begegnung an. Dazu bieten<br />
wir gezielt besondere therapeutische Hilfen über den<br />
therapeutischen und sozialen Dienst an. Vor allem aber<br />
nutzen wir jede Möglichkeit im Alltag, um Sinneserfahrungen<br />
zu stärken und selbstbestimmtes Bewegen zu<br />
unterstützen. Wirksamkeit ist eine Erfahrung, die für<br />
Menschen im Alltag selbstverständlich ist: Wenn die Wäsche<br />
gebügelt wird, sieht sie danach anders aus als vorher;<br />
wenn wir einem Menschen etwas sagen, hat das in<br />
der Regel irgendeine Wirkung. Doch durch psychische<br />
Zahlen und Fakten<br />
Altersstufenstatistik <strong>2013</strong>,<br />
männlich weiblich gesamt<br />
bis 65 Jahre 0 0 0 0 %<br />
65 bis 70 Jahre 1 1 2 5,0 %<br />
71 bis 75 Jahre 1 2 3 7,5 %<br />
76 bis 80 Jahre 0 2 2 5,0 %<br />
81 bis 85 Jahre 4 12 16 40,0 %<br />
86 bis 90 Jahre 4 10 14 35,0 %<br />
91 bis 100 Jahre 0 3 3 7,5 %<br />
über 100 Jahre 0 0 0 0 %<br />
Summen 10 30 40 100 %<br />
Alter ø 82,84 84,62 84,17<br />
Stichtag 31. 12. <strong>2013</strong><br />
Aufgenommene Bewohner<br />
nach Pflegestufen<br />
Aufnahme HF Pflegestuf 0 I II III Summe<br />
0 4 1 0 5<br />
Beeinträchtigungen von der Depression bis zur Demenz<br />
schwindet das Gefühl, wirksam zu sein. Viele psychisch<br />
erkrankte alte Menschen erleben immer mehr, dass sie<br />
mit ihren Handlungen und Äußerungen ins Leere gehen.<br />
Sie fühlen sich unwirksam. Das wiederum führt zu Rückzug<br />
und Resignation – ein sich verstärkender Prozess.<br />
Wir bemühen uns, den Bewohnern möglichst viele Wirksamkeitserfahrungen<br />
zu ermöglichen. Das betrifft Handlungen<br />
in ihrer sachlichen Umgebung, von der Gestaltung<br />
eines Bildes bis zur Beteiligung an der Herstellung<br />
von Mahlzeiten. Dies betrifft vor allem die Beziehungswirksamkeit.<br />
Wir lassen Bewohner nicht ins Leere gehen,<br />
sondern stellen uns und nehmen sie ernst. Psychische<br />
Erkrankungen, insbesondere im hohen Alter, beeinträchtigen<br />
die Identität eines Menschen. Die Sicherheit,<br />
auf die Frage „Wer bin ich“ eine Antwort zu wissen,<br />
bröckelt durch reduzierte soziale Erfahrungen, Wahnvorstellungen<br />
und Gedächtnisprobleme.<br />
Zur Identitätssicherheit gehört auch, sich in seiner Kontinuität<br />
zu erleben. Wer voller Zukunftsängste und seiner<br />
Geschichte verunsichert ist, erlebt sich in einer Identitätskrise.<br />
Krisen sind nicht objektiv zu charakterisieren,<br />
sie werden subjektiv und individuell unterschiedlich erlebt.<br />
Wir respektieren dieses unterschiedliche Erleben:<br />
Was für uns „normal“ oder eine kleine Beeinträchtigung<br />
sein kann, kann für Menschen, die wir pflegen und begleiten,<br />
als eine große existenzielle Krise erlebt werden.<br />
Menschen in Krisen brauchen: Schutz als Fundament<br />
der Geborgenheit; Halt durch andere; Nahrung im konkreten<br />
und übertragenen Sinn: von einer Tasse Kakao<br />
über tröstende Musik bis zu Worten, die helfen; Spiegel,<br />
wohlwollende und verständnisvolle Spiegel: „Ja, Sie sind<br />
jetzt ängstlich und durcheinander. Das würde mir an ihrer<br />
Stelle auch so gehen. Und jetzt schauen wir mal ...“<br />
Gegenüber, also ein haltgebendes Anderssein, also z. B.<br />
die Angst ernst nehmen und nicht bagatellisieren, sondern:<br />
„Sie haben Angst und das ist schlimm. Ich habe<br />
gerade keine Angst und passe auf Sie auf ...“ Darum bemühen<br />
wir uns.<br />
Einschränkungen des Gedächtnisses, wie sie Teil der Demenz-Erkrankung<br />
sind, sind kein isoliertes Ereignis, sondern<br />
haben wichtige Auswirkungen auf das Erleben der<br />
persönlichen Identität. Neue Erfahrungen können nicht<br />
mehr zugeordnet werden, also verlieren sich nicht nur<br />
Teile der persönlichen Geschichte im Nirgendwo, die Geschichte<br />
setzt sich nicht fort. Es geschieht nichts Neues<br />
mehr, außer dass Verluste erfahren werden. Die Verbin-