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texte aus den literaturwerkstätten des - Crespo Foundation

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lich, aber er stellte keine Fragen, gen<strong>aus</strong>o wenig, wie er<br />

Antworten gab. Überhaupt sprach er recht wenig. Diese<br />

Verschwiegenheit war mir sympathisch, <strong>den</strong>n mich selbst konnte<br />

ich nicht unbedingt einen guten Zuhörer nennen. Statt<br />

ihm Anregung zu einem Gespräch zu geben, sah ich mich um,<br />

<strong>den</strong>n da ich schon einmal hier war, wollte ich auch sehen,<br />

wie Gott lebte, wie er sich eingerichtet hatte. Sein riesiger<br />

Balkon zog als erstes meine Aufmerksamkeit auf sich.<br />

Nicht schnell genug konnte ich die bei<strong>den</strong> Flügeltüren aufstoßen,<br />

um ihn zu betreten. Was mich auf der anderen Seite<br />

dieser bei<strong>den</strong> Türflügel erwartete, scheint mir schwerlich in<br />

Worte zu fassen zu sein. Der Balkon selbst erinnerte mich in<br />

Farbe und Gestalt an die Wurzeln eines großen Baumes, die<br />

sich ineinander verschlungen hatten und geradezu irrwitzige<br />

Wege kannten. Auf dem Geländer <strong>des</strong> Balkons lag, ganz so, als<br />

wäre es ein Teil dieser Wurzelkonstellationen, ein Fernglas.<br />

Es war von einem majestätischen Gold, hatte aber sonst nur<br />

sehr wenig Königliches an sich. Es war klein, stumpf und<br />

kurz, und ich weiß noch, wie ich mich fragte, wozu es wohl<br />

dienen sollte. Der Grund für diese Frage bestand ganz einfach<br />

darin, dass sich direkt hinter <strong>den</strong> Flügeltüren, dem<br />

Wurzelbalkon und dem Fernglas die Unendlichkeit <strong>aus</strong>breitete.<br />

Sie war überall. So unglaublich es klingen mag, aber von<br />

diesem Balkon <strong>aus</strong> konnte man das ganze Universum überblikken.<br />

Meine Augen flackerten von dem Funkeln der unzähligen<br />

Sterne, und als ich meinen Kopf ein Stück nach rechts wandte,<br />

sah ich sogar meinen Planeten, die Erde, was mich zu dem<br />

Schluss brachte, dass wir uns dort nicht mehr befin<strong>den</strong> konnten,<br />

Gott und ich. Ich betrachtete die Erhebungen,<br />

Vertiefungen der Erde, die Wolken und Gewässer. Das Meer sah<br />

viel dunkler <strong>aus</strong>, als auf <strong>den</strong> vielen Abbildungen, die ich<br />

von der Erde kannte. Irgendwie fleischig.<br />

Das also war es, was die Astronauten gesehen hatten, als<br />

sie einen Abstecher auf <strong>den</strong> Mond gemacht hatten. Mir fiel<br />

der Hund ein, <strong>den</strong> die Sowjets damals ins All geschickt hatten.<br />

Selbst der hatte das hier lange vor mir sehen dürfen.<br />

Spürbar breitete sich der Neid in mir <strong>aus</strong>. Wer hätte<br />

gedacht, dass ich, gerade ich, auch nur für einen kurzen<br />

Moment auf einen Hund hätte neidisch sein können? Glücklicherweise<br />

fiel mir weiterhin ein, dass der Hund dieses<br />

Manöver nicht überlebt hatte. Das beschwichtigte mich.<br />

Mein Blick zeichnete sorgfältig je<strong>den</strong> Lichtpunkt vor mir<br />

nach, meine Augen versuchten, jede gleich bleibende Einzelheit<br />

<strong>des</strong> Firmaments in sich aufzunehmen.<br />

Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass ich als klei-<br />

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