texte aus den literaturwerkstätten des - Crespo Foundation

nicht wiederholen konnte? Beim Roten Kreuz nachfragen?
Nicht? Ein beißendes Gefühl kroch durch ihre Nase nach
oben, bahnte sich durch ihre Augen flüssig den Weg wieder
nach unten. Genauso beißend in ihren Mund. Sanne krümmte
sich zusammen. Sie wollte nicht nur, sie musste diesen Mantel
haben. Ihn anfassen können. Mit ihren Fingern an den den
Ärmelenden reiben. Die schweren Knöpfe, vier Löcher im
Quadrat natürlich, auf und wieder zu knöpfen. Die Hände in
die Taschen stecken. Wo letzten Winter seine und ihre Hand
steckten.
Sannes Heimweg war kurz, aber lang genug, um sich eine
anständige Erkältung zu holen. Lang genug auch, um sich auf
der Strecke leergeweint zu haben. Sie fror nicht nur, sie
war müde. Fühlte sich so matt wie der Schneeregen, der ihr
ins Gesicht klatschte.
Nachdem sie mit frostroten Fingern den Schlüssel zur
Wohnung umgedreht hatte, ging sie nicht in den Keller. Sie
wusste ja, dass dort kein Mantel war.
Stattdessen legte sie sich mit nasser Kleidung ins Bett
und keuchte lautlos in ihr Kissen.
„Er fehlt. Er fehlt mir einfach. Ich werde ihn nicht wiederbekommen.“
Sie krümmte sich zusammen, versuchte langsamer zu atmen.
„Nie wieder anfassen können, nicht mehr über ihn streichen
können. Nichts mehr.“
Die Vergeblichkeit biss ihr ein Loch in die Brust.
„Nur noch in Gedanken sehen können. Was ist das denn? Gedanken,
die letzte Stufe vor dem Vergessen.“ Sich selbst
verhöhnend schlief Sanne ein, nicht ohne einen Besuch im
Albtraumland.
Am nächsten Morgen verhängte sie die Fenster in ihrem
Zimmer mit dunklen Decken.
(...)
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