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texte aus den literaturwerkstätten des - Crespo Foundation

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Statt<strong>des</strong>sen kroch er ihr unters Hemd.<br />

Sanne wünschte sich nicht nur, sich etwas Wärmeres angezogen<br />

zu haben, sie erinnerte sich an Maris – dunklen Mantel.<br />

Der Winter und er hatten im letzten Jahr Partnerschaft<br />

miteinander geschlossen. Hatte sie ihn noch? Oder... Sanne<br />

schob sich an <strong>den</strong> anderen Menschen vorbei zu einer Telefonzelle.<br />

Klemmte die flache Tüte zwischen ihre Beine und<br />

wählte mit steifen Fingern die Nummer von Aiga und Guntis.<br />

Maris – Eltern waren bestimmt schon zuh<strong>aus</strong>e. Tatsächlich nahm<br />

Aiga ab.<br />

„Meitene, du bist es?“<br />

„Ja. Aiga,“ Sanne stockte, „ich weiß, ich habe lange<br />

nichts von mir hören lassen. Ich habe eine Frage.“<br />

„Sprich, mein Mädchen.“ Seit sie einander kannten, hatte<br />

Aiga sie nur Mädchen oder Meitene genannt, lettisch für<br />

Mädchen. Es war Aigas Kosename für Sanne.<br />

„Erinnerst du dich an <strong>den</strong> Mantel? Als wir die Wohnung<br />

<strong>aus</strong>geräumt haben, weißt du noch, was wir mit dem Mantel<br />

gemacht haben?“<br />

„Welchen Mantel meinst du?“<br />

„Maris – Wintermantel, <strong>den</strong> teuren, <strong>aus</strong> schwarzer Wolle.<br />

Erinnerst du dich <strong>den</strong>n nicht?“ Sannes Stimme überschlug<br />

sich.<br />

„Den haben wir weggegeben.“<br />

„Weggegeben? Was heißt das?“<br />

„Guntis wollte ihn nicht tragen. Wir hatten einen Streit.<br />

Er sagte, dass er <strong>den</strong> Mantel nicht im H<strong>aus</strong> haben will. Da<br />

habe ich ihn zum Roten Kreuz gebracht.“<br />

Aiga seufzte.<br />

„Bist du dir auch ganz sicher? Kannst du nicht noch mal<br />

nachsehen, bitte?“<br />

„Ja, wenn ichs dir doch sage, Meitene, ich hab ihn nicht<br />

mehr. Aber komm doch einmal vorbei, wir haben dich lange<br />

nicht gesehen.“<br />

„Mhm.“<br />

Sanne verabschiedet sich hastig. Schluckte. Vielleicht<br />

war es nur ein Irrtum. Wahrscheinlich hatte sie ihn mitgenommen,<br />

und nun lag er im Keller bei ihren Eltern. Sie<br />

wollte diesen Mantel haben, sich in diesem Mantel verkriechen,<br />

wenn es kalt war. Sie wollte seine Wärme, und die Nase<br />

in ihn stecken. Sie mochte das Material und dass er Maris –<br />

ernstahfte Art unterstrich. Sanne war größer als Maris, –<br />

<strong>des</strong>halb sah es nicht ganz so lächerlich <strong>aus</strong>, wenn sie ihn<br />

trug, von <strong>den</strong> gigantischen Schultern abgesehen. Ob sie ihn<br />

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