18.07.2014 Aufrufe

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Grundlage anerkannt. Dennoch sieht die<br />

politische Praxis gemäss Alex Sutter, Gründer<br />

und Leiter der Informationsplattform<br />

«humanrights.ch», anders aus: Er stuft 150<br />

Regierungen weltweit als systematisch<br />

menschenrechtsverletzend ein, da sie die<br />

Menschenrechte nicht vollumfänglich in die<br />

Praxis umsetzen. Wenn die hinreichende<br />

Orientierung an sozialer Gerechtigkeit aber<br />

bereits auf nationaler Ebene fehle, seien die<br />

Voraussetzungen für eine internationale<br />

Armutsbekämpfung nicht gegeben, so<br />

Sutter. Die Folgen verdeutlichen sich beispielsweise<br />

anhand der im UNO-Bericht<br />

publizierten Zahl von 950 Millionen chronisch<br />

unterernährten Menschen.<br />

Auch von der Schweiz werde zu wenig<br />

gegen die weltweite Armut getan, ist Sutter<br />

überzeugt: «Die schweizerischen Entwicklungshilfeausgaben<br />

liegen deutlich unter<br />

dem von der UNO geforderten Wert.» Alex<br />

Sutter kommt zum Schluss, dass man in<br />

der aktuellen Situation die Hoffnung nicht<br />

auf die Politiker, sondern auf so genannte<br />

«Grass-Root-Projekte» setzen sollte, die<br />

an einem konkreten Ort anpacken und aus<br />

der Basis der Bevölkerung entstehen.<br />

Armutsbekämpfung<br />

auf individueller<br />

und struktureller Ebene<br />

In der Diskussion mit dem Publikum stand<br />

die Frage im Zentrum, wie man sich als<br />

Einzelperson für die internationale soziale<br />

Gerechtigkeit engagieren kann.<br />

Was die Handlungsmöglichkeiten des<br />

einzelnen Bürgers anbelangt, wurden<br />

schnell Antworten gefunden. Als einfaches<br />

Beispiel führte Lukas Meyer, Leiter des<br />

Instituts für Philosophie der Universität<br />

Graz, die finanzielle Unterstützung von<br />

entsprechenden Hilfeinstitutionen an.<br />

Schliesslich kenne jeder eine Reihe von<br />

Einrichtungen, die effektiv armutsbetroffenen<br />

Menschen helfen. Warum wir es<br />

dennoch oft nicht tun, sei eine Frage,<br />

die sich jeder selbst stellen müsse, so<br />

Meyer.<br />

Doch nicht nur durch Geldüberweisungen<br />

kann man seiner Gerechtigkeitspflicht<br />

nachkommen. Barbara Reiter, Dozentin<br />

für Philosophie und Ethik am Fachbereich<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>, verweist auf den verantwortungsbewussten<br />

Konsum als weitere<br />

Handlungsmöglichkeit: «Als Einzelperson<br />

muss man darauf achten, sein Kapital<br />

so einzusetzen, dass es anderen keinen<br />

Schaden zufügt.» Dies könne man, so<br />

Reiter, zum Beispiel durch den Kauf<br />

von Fair-Trade-Produkten tun. Reiter bekräftigt<br />

in diesem Zusammenhang die<br />

Argumen tation von Peter Singer, wonach<br />

wir bei unseren individuellen Handlungen<br />

in erster Linie auf deren Folgen achten<br />

müssen.<br />

Schwieriger erscheint die Frage, wie<br />

Armutsbekämpfung auf struktureller Ebene<br />

funktionieren soll – wenn es darum geht,<br />

die autonome Existenz der Menschen<br />

in den Entwicklungsländern auf Dauer<br />

sicherzustellen. Aber auch hier existieren<br />

gemäss Lukas Meyer vielversprechende<br />

Lösungsansätze. Als Beispiel nennt er<br />

die Beschränkung der Kreditvergabe an<br />

Länder mit demokratischen Bedingungen.<br />

Welches Gerechtigkeitsprinzip<br />

soll gelten?<br />

Eng verbunden mit der Suche nach konkreten<br />

Handlungsoptionen ist die Frage<br />

nach den Gerechtigkeitsprinzipien, an die<br />

sich jeder in seinem Handeln halten sollte.<br />

Lukas Meyer betont, dass man in der<br />

Literatur klare Konzeptionen der sozialen<br />

Gerechtigkeit finden kann. Das Problem<br />

besteht seiner Meinung nach darin, «dass<br />

wir uns nicht einigen können, welche dieser<br />

Konzeptionen die für uns massgebliche<br />

sein soll».<br />

Es existieren allerdings nicht nur in der<br />

Theorie verschiedene Ansichten darüber,<br />

was man als gerecht bezeichnen kann.<br />

Zusätzlich unterscheidet sich das Gerechtigkeitsempfinden<br />

je nach kulturellem Kontext.<br />

Britta Petersen nennt als Beispiel die<br />

Erfahrung, dass in ihren Journalistenkursen<br />

in Afghanistan eine Frauenquote von<br />

zwanzig Prozent als gerecht empfunden<br />

wird – und zwar sowohl von den Männern<br />

als auch von den Frauen.<br />

Wenn aber nicht alle unter dem Begriff<br />

der sozialen Gerechtigkeit das Gleiche<br />

verstehen, stellt sich die Frage, an welche<br />

Prinzipien wir uns bei der Förderung<br />

von internationalen Gerechtigkeit halten<br />

sollen.<br />

Öffentlicher Diskurs<br />

ist notwendig<br />

Britta Petersen plädiert in diesem Zusammenhang<br />

für die Bereitschaft, die Gerechtigkeit<br />

im kulturellen Kontext zu betrachten<br />

und aus den Verhältnissen vor Ort zu<br />

lernen. Ihrer Meinung nach ist es verfehlt,<br />

westliche Massstäbe bei der Etablierung<br />

der sozialen Gerechtigkeit in anderen<br />

Ländern anzusetzen, da je nach Kultur<br />

Gerechtigkeit anders empfunden wird.<br />

Wichtig sei deshalb der öffentliche Diskurs<br />

zur Entwicklungshilfe.<br />

Die Gerechtigkeitsdebatte muss im<br />

Zu sammenhang mit den notwendigen in s-<br />

titutionellen Voraussetzungen geführt<br />

werden, wozu sicherlich eine professionelle<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> gehört. Die Auseinandersetzung<br />

mit ihren normativen Grundlagen<br />

wie den Fragen sozialer Gerechtigkeit<br />

macht die Professionalität <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong><br />

aus. Dazu war das Werkstattgespräch<br />

ein Beitrag.<br />

«Die Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

Entwicklungshilfe ist die Bereitschaft,<br />

aus den vor Ort vorhandenen Grundlagen<br />

zu lernen.»<br />

Britta Petersen<br />

Autorin und freie Journalistin, Gründerin der Initiative<br />

«Freie Presse für Afghanistan»<br />

«Eine hinreichende soziale Orien tierung<br />

auf nationaler Ebene ist Voraussetzung<br />

für die interna tionale Armutsbekämpfung.»<br />

Dr. Alex Sutter<br />

Gründer und Leiter der Informations plattform<br />

«humanrights.ch»<br />

«Es gibt klare, aber unter schiedliche<br />

Konzeptionen von sozialer Gerechtigkeit.»<br />

Prof. Dr. Lukas Meyer<br />

Universitätsprofessor für Praktische Philosophie, Leiter des<br />

Instituts für Philosophie der Universität Graz (Österreich)<br />

<strong>impuls</strong> März 2010<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!