Andrea Krauledat in glücklicher Position - Stadttheater Minden
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Foto: Bernd Böhner<br />
Der Gott des Gemetzels<br />
Adnan Maral<br />
Jacquel<strong>in</strong>e Macaulay<br />
Anna Stieblich<br />
Frank Seppeler<br />
111<br />
Der Gott des Gemetzels<br />
Anna Stieblich, Frank Seppeler<br />
Foto: Bernd Böhner<br />
die Literatur noch als sprachliches Kunstwerk<br />
ernst nehmen“. Und Yasm<strong>in</strong>a Reza ist<br />
auch immer wieder für e<strong>in</strong>e Überraschung<br />
gut. E<strong>in</strong> Jahr lang hat die Autor<strong>in</strong> z.B. den<br />
späteren französischen Präsidenten Nicolas<br />
Sarkozy auf se<strong>in</strong>er Wahlkampftournee<br />
begleitet und darüber e<strong>in</strong> Tagebuch geführt,<br />
das unter dem Titel“. Frühmorgens,<br />
abends oder nachts“, im Carl Hanser<br />
Verlag erschienen ist. An e<strong>in</strong>er me<strong>in</strong>er<br />
Liebl<strong>in</strong>gsstellen sagt Reza über Sarkozy:<br />
„Er ist e<strong>in</strong> begabter Komödiant“. Er bestätigt:<br />
„Ich habe me<strong>in</strong>e Persönlichkeit selbst<br />
geschaffen“. Sie kommentiert: „Ja - Im<br />
Gegensatz zu dem, was er wirklich ist!“.<br />
Po<strong>in</strong>tierte Dialoge kennzeichnen auch das<br />
Stück „Der Gott des Gemetzels“ von Reza.<br />
Sie lässt hier zwei Ehepaare bei Kaffee<br />
und Kuchen darüber diskutieren, wie man<br />
pädagogisch korrekt auf e<strong>in</strong>e Schulhofprügelei<br />
reagiert. Reza ist übrigens selbst<br />
Mutter e<strong>in</strong>er Tochter und e<strong>in</strong>es Sohnes.<br />
Die Lust der Autor<strong>in</strong> ist die Herbeiführung<br />
der theatralischen Katastrophe bei kle<strong>in</strong>er<br />
Ursache. Ihre Werke entziehen sich e<strong>in</strong>er<br />
e<strong>in</strong>deutigen Zuordnung zu e<strong>in</strong>em bestimmten<br />
Genre. Tragisches ist bei ihr zugleich<br />
auch immer komisch, Komisches schließt<br />
entsprechend auch immer Nachdenkliches<br />
mit e<strong>in</strong>. Ihre Texte leben zudem vom musikalischen<br />
Rhythmus. Und dazu gehören auch<br />
die Pausen, beziehungsweise das Schweigen.<br />
Nicht die Worte selbst s<strong>in</strong>d das eigentlich<br />
Wichtige <strong>in</strong> Yasm<strong>in</strong>a Rezas Stücken, sondern<br />
das, was sie an Verborgenem zum Vorsche<strong>in</strong><br />
br<strong>in</strong>gen.<br />
Und wie ist Yasm<strong>in</strong>a Reza auf „Der Gott<br />
des Gemetzels“ gekommen? Sie sagt: „Wie<br />
schon bei „Kunst“ aus e<strong>in</strong>er wahren<br />
Begebenheit, e<strong>in</strong>er Geschichte, die mir<br />
me<strong>in</strong> 13jähriger Sohn erzählt hat: E<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er<br />
Schulfreunde hat e<strong>in</strong>em anderen mit<br />
e<strong>in</strong>em Stock den Zahn ausgeschlagen.<br />
Kurz darauf b<strong>in</strong> ich zufällig der Mutter des<br />
Opfers begegnet, die mir erzählte: „Stellen<br />
Sie sich vor, die Eltern haben mich nicht<br />
e<strong>in</strong>mal angerufen!“ – Da habe ich gedacht:<br />
Das ist e<strong>in</strong> wunderbarer Stoff. Ich hatte<br />
sofort Whitehaven e<strong>in</strong>e Situation Beach auf undWhitsunday ich wusste, Island dass<br />
es im Desaster enden würde, ich wusste<br />
nur noch nicht, <strong>in</strong> welcher Form.“<br />
Das Fasz<strong>in</strong>ierende an „Der Gott des Gemetzels“<br />
besteht dar<strong>in</strong>, dass sich aus dem<br />
sche<strong>in</strong>bar nichtigen Anlass e<strong>in</strong> wirklich<br />
hochkomischer, böser und abgefeimter<br />
Theater-Irrs<strong>in</strong>n entwickelt; e<strong>in</strong>e Eheschlacht,<br />
wie sie ähnlich und wohl bis<br />
heute am allerschönsten <strong>in</strong> "Wer hat Angst<br />
vor Virg<strong>in</strong>ia Woolf?" gelungen ist. Gesellschaftliche<br />
Unterhaltung lebt <strong>in</strong> der zivilisierten<br />
Welt zu e<strong>in</strong>em guten Teil vom<br />
Verrat des Intimen an das Allgeme<strong>in</strong>e. Der<br />
Spaß des Publikums basiert <strong>in</strong> solchen<br />
Fällen seit je auf re<strong>in</strong>er Schadenfreude<br />
und gruselseligem Wiedererkennen eigener<br />
Beziehungskatastrophen. Yasm<strong>in</strong>a<br />
Reza hat <strong>in</strong> Bezug über ihr Erfolgsstück<br />
„Kunst“ gesagt „Eigentlich ist es e<strong>in</strong>e<br />
Tragödie; selbst wenn man sehr viel dabei<br />
lacht“. Und das Gleiche gilt wohl auch für<br />
„Der Gott des Gemetzels“. Ob Tragödie<br />
oder Komödie – beurteilen Sie das am<br />
besten selbst! Im Januar 2011 ist „Der Gott<br />
des Gemetzels“ u.a. mit Anna Stieblich<br />
und Adnan Maral zu sehen. Wunderbare<br />
Schauspieler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klasse-Stück – vielen<br />
s<strong>in</strong>d die beiden großartigen Theater-<br />
Protagonisten sicherlich u. a. auch aus<br />
der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten<br />
ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“ bekannt.<br />
Die nächste Landgraf-Produktion im Februar<br />
2011 ist „Verbrennungen“ von Wajdi<br />
Mouawad, es ist e<strong>in</strong> mutiges Theaterstück.<br />
Es berührt durch kompromisslos gestellte<br />
Fragen von existentieller Tragweite:<br />
Verlust, Krieg, Heimat, Entwurzelung,<br />
Flucht, Gewalt und Exil. Es ist e<strong>in</strong> forderndes<br />
Stück, e<strong>in</strong> Stück das Themen auf die<br />
Theaterbühne br<strong>in</strong>gt, bei denen sich die<br />
meisten Menschen zunächst <strong>in</strong>nerlich<br />
zurückziehen. Man sieht die furchtbaren<br />
Bilder tagtäglich <strong>in</strong> den Nachrichten, liest<br />
darüber <strong>in</strong> den Zeitungen. Muss und kann