Historische Arabesken - Die hispano-arabische Dichtkunst
Schon zwei Jahre nach Erscheinen war das Buch "Ich pflückte die Rose ... - Eine Auswahl der schönsten Verse und Gedichte aus der Maurenzeit" von Isabel Blanco del Piñal vergriffen. Hier veröffentlichen wir ihre Einführung in die hispano-arabische Dichtkunst mit dem Titel "Historische Arabesken", das sie seinerzeit zur Einstimmung auf einen poetischen Streifzug durch acht Jahrhunderte maurischer Dichtkunst auf spanischer Erde schrieb. Vollständiger Titel: "ICH PFLÜCKTE DIE ROSE - Eine Auswahl der schönsten Verse und Gedichte aus der spanischen Maurenzeit" - von Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire Gisela Fischer, München, 2005
Schon zwei Jahre nach Erscheinen war das Buch "Ich pflückte die Rose ... - Eine Auswahl der schönsten Verse und Gedichte aus der Maurenzeit" von Isabel Blanco del Piñal vergriffen. Hier veröffentlichen wir ihre Einführung in die hispano-arabische Dichtkunst mit dem Titel "Historische Arabesken", das sie seinerzeit zur Einstimmung auf einen poetischen Streifzug durch acht Jahrhunderte maurischer Dichtkunst auf spanischer Erde schrieb. Vollständiger Titel:
"ICH PFLÜCKTE DIE ROSE - Eine Auswahl der schönsten Verse und Gedichte aus der spanischen Maurenzeit" - von Isabel Blanco del Piñal,
Verlag RoseNoire Gisela Fischer, München, 2005
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Das 14. Jahrhundert, das für die Renaissance der maurischen Architektur in Granada<br />
gepriesen wird, kann meines Erachtens keine glanzvolle Wiedergeburt der bewegenden,<br />
gefühlvollen maurischen Poesie feiern. <strong>Die</strong> Könige der Alhambra pflegten besoldete<br />
Lobredner einzustellen die ihnen und den herrlichen Gebäuden die sie umgaben, huldigen<br />
sollten. Jetzt lebt die <strong>Dichtkunst</strong> nur noch im Schatten ihrer einstigen Originalität und<br />
beeindruckt höchstens durch eine Anhäufung kunstvoller Vergleiche, die sich immer<br />
wiederholen. Nur selten mischen sich bewegende Elemente unter dieses brillante, aber doch<br />
kühle Wortfeuerwerk, wie der Nachhall einer unsterblichen Melodie aus alten Zeiten, die<br />
einst die Seelen der Poeten und ihrer Zuhörer zum Schwingen brachte. <strong>Die</strong> berühmtesten<br />
Panegyristen in Granada waren Palastbeamte wie Ibn al‐Dschaijab, Ibn Zamrak oder Ibn al‐<br />
Chatib, der sich derart verschlungener Vergleiche und metrischer Konstruktionen bediente,<br />
dass er ein eigenes Wörterbuch herausgab, um richtig verstanden und interpretiert zu<br />
werden.<br />
In der Blütezeit der maurischen <strong>Dichtkunst</strong> gab es eine große Zahl ungebildeter<br />
Poeten und dichtender Analphabeten; dies ist ungewöhnlich, da das Unterrichtswesen<br />
landesweit verbreitet war und staatlich gefördert wurde. Wahrscheinlich entdeckten sie erst<br />
nach dem Schulalter ihre Liebe zur Poesie und bildeten sich dann weiter. Berühmte Dichter<br />
und Sprachgelehrte nahmen in den Kreis ihrer Schüler gern jeden wissbegierigen Zuhörer<br />
auf, der auch nur das geringste Anzeichen von Talent zeigte. Denn schließlich gereichte der<br />
Erfolg eines Schülers auch immer seinem Meister zur Ehre. <strong>Die</strong>ser großzügigen Weitergabe<br />
des Wissens und der Förderung ihrer Begabung verdankten auch viele blinde Poeten in al‐<br />
Andalus ihren Ruhm. Zahlreich sind bekannte Dichter und Gelehrte, hinter deren Namen wir<br />
den Zusatz „der Blinde“ finden 1 – und einige von ihnen hatten nie das Licht gesehen.<br />
Gern mischten sich etablierte Literaten und Möchtegernpoeten auch unter das<br />
arbeitende Volk – dichtende Handwerker waren für sie eine unerschöpfliche Quelle für neue,<br />
lebensnahe Bilder und deftige Wortspiele. So ist bekannt, dass Ibn Ammar, der engste<br />
Freund Königs al‐Mutamid von Sevilla, den dichtenden Färber Dschami in Badajoz oder die<br />
Reime von Yahya, einem Metzger in Zaragoza, entdeckte. In Calatrava machte ein Bader von<br />
sich reden, weil seine Verse so überaus abstoßend und blutrünstig waren.<br />
Ψ<br />
Einen großen Beitrag zum literarischen Leben leistete auch die Landbevölkerung, denn das<br />
Leben dieser Frauen und Männer war nicht nur von mühsamer Arbeit geprägt: Der enge<br />
Kontakt mit der Natur, die sie umgab, öffnete ihre Seele und beflügelte sie. <strong>Die</strong><br />
ursprüngliche Anmut, die raue Trostlosigkeit beeindruckender Landschaften und gewaltige<br />
Naturschauspiele fanden in einfachen, aber eindrucksvollen Versen Ausdruck und<br />
bereicherten die städtische Poesie.<br />
Erbittert war das Buhlen der Poeten um die Gunst der Mäzene, in Königspalästen und<br />
reichen Bürgerhäusern drängten sich die Dichter in den Vorzimmern und harrten oft<br />
tagelang aus, um vorgelassen zu werden und ihre Originalität unter Beweis zu stellen. War es<br />
einem Poeten gelungen, in den erlauchten Dichterrunden zugelassen oder gar zum<br />
Lobredner oder in den Kreis der Hofdichter berufen zu werden, konnte er sich nicht auf<br />
seinen Lorbeeren ausruhen: Ein beliebter Zeitvertreib war, die Wortkünstler miteinander in<br />
Wettstreit treten zu lassen, um sich miteinander zu messen.<br />
1 Wie z. b. Abu Dschafar ibn Huraira, der „Blinde von Tudela“.<br />
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