Riviera Côte d'Azur Zeitung Yachten-Fieber (Vorschau)
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12 Saint-tropeZ<br />
www.rivierazeitung.com<br />
Die Frau mit den zwei Gesichtern<br />
Vom Sexsymbol zur militanten Tierschützerin: Brigitte Bardot wird 80. VON ROLF LIFFERS<br />
Collectionneur Bruno Ricard<br />
«Den Männern schenkte ich meine Schönheit und Jugend. Meine<br />
Weisheit und Erfahrung schenke ich den Tieren.» Dieser Ausspruch<br />
von Brigitte Bardot, die am 28. September in Saint-Tropez ihren 80.<br />
Geburtstag begeht, sagt alles über das ehemalige Sexsymbol. Das<br />
Tourismusamt von Saint-Tropez widmet der B.B. bis zum 26. Oktober<br />
die Ausstellung «Best of Brigitte Bardot» im Château de la Messardière<br />
mit verschiedenen Objekten des Sammlers Bruno Ricard.<br />
Im kollektiven Gedächtnis<br />
steht Brigitte Bardot noch<br />
immer für ungezügelte<br />
Lebensfreude. Mit dem<br />
weltberühmten Kürzel B.B. wird<br />
freie Liebe assoziiert, Jet-Set,<br />
Dolce Vita, Glamour, Reichtum<br />
und Schönheit, Sonne, Strand<br />
und blaues Meer, alles auch Inbegriff<br />
von «Holiday in Saint-<br />
Tropez». Der wahre Kern des<br />
Mythos ist jedoch eher bitter:<br />
«Ich danke all denen, die mich<br />
gelehrt haben, mit Tritten in den<br />
Hintern zu leben, die mich verraten<br />
und meine Naivität ausgenutzt<br />
haben und mich damit in<br />
eine tiefe Verzweiflung stürzten,<br />
aus der ich mich nur wie durch<br />
ein Wunder befreien konnte»,<br />
blickt die Film-Diva, die dem<br />
Staat in ihren besten Tagen mehr<br />
Devisen einbrachte als Autobauer<br />
Renault, auf ihr nunmehr achtzigjähriges<br />
bewegtes Leben zurück.<br />
Am 28. September feiert Brigitte<br />
Bardot ihren runden Geburtstag.<br />
B.B. und das Lolita-Syndrom<br />
Als sozusagen erstes Girlie hatte<br />
sie Bikini, Petticoat und hochtoupierte<br />
Bienenstock-Frisuren in<br />
Mode gebracht, die Grande Nation<br />
ehrte ihren Exportartikel<br />
Nummer eins gar, indem sie der<br />
Marianne ihre Gesichtszüge verleihen<br />
ließ. Der strahlende, großzügige,<br />
avantgardistische, aufregende<br />
Leinwandstar galt als die<br />
moderne und emanzipierte Frau<br />
schlechthin. Ihr Äußeres, ihre Sexualität,<br />
ihre vergänglichen Liebesaffären<br />
waren Mythen des Alltags.<br />
Simone de Beauvoir<br />
(«Selbst ein Heiliger würde bei<br />
ihrem Anblick in Versuchung geraten»)<br />
veröffentlicht 1960 ihre<br />
wissenschaftliche Studie «Brigitte<br />
Bardot und das Lolita-Syndrom»,<br />
in der sie weibliche Sexualität<br />
verteidigt.<br />
Die Familie Bardot siezt sich<br />
Doch eines schönen Tages im<br />
Jahr 1973 schmeißt Brigitte alles<br />
hin. Umgeben von Tieren in<br />
ihren Häusern La Madrague und<br />
La Garrigue in Saint-Tropez,<br />
kehrt sie der Welt den Rücken,<br />
«einer Welt, vor der sie Angst<br />
hat, die sie nicht mehr versteht<br />
und gegen die sie regelmäßig<br />
anstänkert» (Olivier Guez, Journalist<br />
und Buchautor). Gegen<br />
Homosexuelle, Muslime, Arbeitslose<br />
teilt sie aus, polemisiert gegen<br />
die Öffnung der Grenzen, gegen<br />
Integration und Globalisierung.<br />
Wie die so oft gedemütigte und<br />
depressive Actrice ihre Verzweiflung<br />
überwunden hat, ist aus ihrer<br />
Biografie herauszulesen: Dass sie,<br />
die ein Junge hätte werden sollen,<br />
nicht zugrunde gegangen ist, verdankt<br />
sie ihrem großbürgerlichen<br />
Hintergrund und dem frühen<br />
Überlebenstraining, mutmaßt<br />
Alice Schwarzer. Ihre Eltern<br />
Anne-Marie und Louis waren<br />
millionenschwere Fabrikanten<br />
aus Lothringen und tpyische Vertreter<br />
ihrer Klasse: engherzig, national-<br />
und standesbewusst.<br />
Die Familie Bardot siezt sich.<br />
Das Mädchen bewundert «die<br />
schöne Mama», obwohl die sie<br />
fortgesetzt tyrannisiert. Die jüngere<br />
Schwester Mijanou gilt als<br />
«die Hübsche», während Brigitte<br />
die Rolle des Aschenputtels<br />
zugewiesen wird, ein Stigma, das<br />
sie lebenslang verfolgen wird. In<br />
der Tat hat sich die Bardot selbst<br />
stets als hässlich empfunden:<br />
«Ich bin eine Gefangene hinter<br />
meinem eigenen Gesicht.»<br />
Begleitet von Mama, posiert die<br />
15-jährige Schülerin eines Tanzkonservatoriums<br />
zufällig für die<br />
Titelseite der Zeitschrift Elle. Von<br />
da bis zur Entdeckung durch<br />
Regisseur Marc Allégret ist es nur<br />
ein Katzensprung. Allégrets Assistent<br />
ist ein gewisser Roger Vadim,<br />
bohemisierender Sohn des russischen<br />
Botschafters in Paris und zu<br />
der Zeit ein Niemand (B.B.: «Er<br />
sah aus wie ein Zigeuner – und<br />
ich war verrückt nach ihm»).<br />
Bald kommt das Verhältnis heraus.<br />
Brigitte unternimmt ihren<br />
ersten Selbstmordversuch. Mit 18<br />
trotzt Brigitte den Eltern die Eheschließung<br />
mit Vadim ab. An der<br />
ersten Abtreibung mit 18, in der<br />
Schweiz, stirbt sie fast. Auch bei<br />
der zweiten, damals noch illegalen,<br />
ein Jahr später, verblutet sie<br />
beinahe.<br />
1956 dreht die 22-jährige Bardot<br />
mit Vadim ihren elften und<br />
seinen ersten Film. Angeblich ist<br />
sie Vadims «Geschöpf», dabei<br />
hat sie die Rolle der wissend-unwissenden<br />
Kindfrau längst verinnerlicht.<br />
Doch erst das Gespann<br />
Bardot/Vadim schafft mit «Und<br />
ewig lockt das Weib» die B.B.<br />
Brigitte Bardot, lange Projektionsfläche<br />
männlicher Fantasien,<br />
ist nach ihren eigenen Schilderungen<br />
wenig geschenkt worden.<br />
1959, auf dem Höhepunkt ihres<br />
Ruhms, heiratet sie, schwanger,<br />
den Schauspieler Jacques Charriere.<br />
Der fängt prompt an, sich<br />
als ihr Besitzer zu gerieren. Er will<br />
ihr verbieten, weiter zu filmen: Es<br />
gibt Streit. Sie bezieht Prügel.<br />
«Ich war wohl ein Scheusal»<br />
Gehetzt von Reportern, bringt<br />
Brigitte Bardot 1960 ihr einziges<br />
Kind zur Welt – Nicolas. Über<br />
ihre so verzweifelte Mutterschaft<br />
hat sie das wohl Ehrlichste geschrieben,<br />
was je von einer Frau<br />
darüber gesagt wurde, findet<br />
Schwarzer. O-Ton B.B.: «Es war<br />
wie ein Tumor, der sich in mir<br />
von meinem geschwollenen<br />
Fleisch genährt hatte. Nun, da der<br />
Alptraum seinen Höhepunkt erreicht<br />
hatte, sollte ich für die<br />
Ursache meines Unglücks<br />
lebenslänglich Verantwortung<br />
übernehmen. Unmöglich, lieber<br />
wollte ich sterben! Ein Kind in<br />
meinem Leben ging über meine<br />
Vorstellungskraft, und doch war<br />
es da. Ich muss ein Scheusal gewesen<br />
sein!»<br />
Zu sagen hat die frühere<br />
«Antwort Europas auf Marilyn<br />
Monroe» etwas anderes, als man<br />
es von Busenstars im allgemeinen<br />
kennt. Auch und gerade zur Sexualität.<br />
«Bei meinen Geliebten<br />
habe ich immer nur Zuneigung<br />
und Zärtlichkeit gesucht. Die körperliche<br />
Liebe rangierte, so intensiv<br />
sie auch gewesen sein mag, immer<br />
nur an zweiter Stelle.» Zum<br />
Zeitpunkt dieser Offenbarung<br />
war sie bereits zwei Jahre älter als<br />
sie sich selbst zu werden als junge<br />
Frau je hätte vorstellen können.<br />
Mit 62 äußerte sie sich stolz auf<br />
ihre Falten («Sie sind das Leben<br />
in meinem Gesicht»). In der Tat<br />
ließ sie sich nie liften.<br />
Ein Leben für die Tiere<br />
Zunehmend verzweifelt, versucht<br />
die Bardot, nicht auch im wirklichen<br />
Leben zur B.B. zu verkommen.<br />
Doch gegen Ende der 60er,<br />
eigentlich ab der Operettenehe<br />
mit Gunter Sachs, scheint sie es<br />
nicht mehr zu schaffen, die beiden<br />
Rollen auseinander zu halten.<br />
Sie merkt das und steigt aus.<br />
Seit 1972 widmet sich die<br />
Umweltaktivistin, die mit ihrer<br />
meist harschen Kritik auch vor<br />
Thronen und Herrschaften nicht<br />
zurückschreckt, ihrer großen Passion:<br />
den Tieren.<br />
Schon als Kind fühlte die Tierrechtlerin<br />
mit jedem gequälten<br />
Hund und getöteten Hasen:<br />
«Jedesmal, wenn ich mich auf ein<br />
menschliches Wesen verlassen<br />
habe, bin ich verraten worden»,<br />
klagt sie. 1986 versteigert sie einen<br />
Teil ihres Schmucks und gründet<br />
mit dem Ertrag ihre Fondation<br />
Brigitte Bardot, der sie ihre beiden<br />
Häuser vermacht. Heute zählt die<br />
Stiftung mehr als 70 000 Mitglieder<br />
und ist in 60 Ländern<br />
tätig. Wo immer Tiere in Not<br />
sind, geht die B.B. gnadenlos auf<br />
die Barrikaden.<br />
Bekannt wie der Eiffelturm<br />
Wohl nicht zufällig erwähnt<br />
Brigitte Bardot in ihren Erinnerungen<br />
ihre Eheschließung<br />
1990 mit dem politischen Weggefährten<br />
des Rechtsextremisten Le<br />
Pen, Bernard D’Ormale, mit<br />
keinem Wort. 1992 versucht die<br />
58-Jährige erneut, sich umzubringen.<br />
Bis auf den heutigen Tag ist die<br />
Bardot, die einst bekannt war wie<br />
der Eiffelturm, das Aushängeschild<br />
von Saint-Tropez, obwohl<br />
sie etliche Male gedroht hatte<br />
wegzuziehen, wenn ihr irgendetwas<br />
nicht in den Kram passte. Tag<br />
für Tag hoffen Tausende von<br />
Touristen, einen wenigstens<br />
kleinen Blick auf sie zu erhaschen.<br />
Doch die leibhaftige Eternelle, wie<br />
die Lokalpresse sie einmal nannte,<br />
lässt sich nicht blicken, und auch<br />
an ihrem 80. Geburtstag wird sie<br />
auf Tauchstation bleiben. So weichen<br />
die vielen Voyeure aus aller<br />
Welt auf Boote aus, die täglich in<br />
kleiner Fahrt an den Villengrundstücken<br />
der prominenten Einwohner<br />
des Dorfes vorbeigondeln.<br />
Dann zücken sie ihre<br />
Feldstecher und versuchen, die<br />
alte Frau an sich ranzuzoomen.<br />
Doch die verbirgt sich hinter einer<br />
Mauer, die sie auf der Seeseite<br />
ihres eher bescheidenen Hauses<br />
eigenmächtig errichtet hat und an<br />
der sich der baurechtliche Papiertiger<br />
des Ortes seither die Zähne<br />
ausbeißt.<br />
Ein Jüngling kommt nicht mehr<br />
«Schau in den Spiegel, der zeigt<br />
dir mein Bild, wie es in Wahrheit<br />
ist», sagt die verwunschene<br />
Königstochter im Märchen, und<br />
so schaut man von der kämpferischen<br />
Frau mit ihrer militanten<br />
Tierliebe auf die Leinwand. Dort<br />
entdeckt man den schmollenden<br />
Mund wieder, der so wunderbar<br />
lächeln konnte, das leicht zerwühlte<br />
blonde Haar, den makellosen<br />
Körper, den nicht Gott<br />
schuf, sondern Roger Vadim, den<br />
Godard in «Die Verachtung»<br />
nicht ohne eine Spur Frauenhass<br />
vorführte und in dem Brigitte<br />
Bardot ein wenig nervös wirkte,<br />
wenn sie in «Viva Maria» die<br />
Anarchie verkörpern sollte.<br />
Die roten Rosen von Gunter<br />
Sachs regnen auf sie herab wie<br />
einst die Komplimente von Simone<br />
de Beauvoir.<br />
Aber da kommt kein Jüngling<br />
mehr, der sie befreit wie bei den<br />
Brüdern Grimm, glaubt naseweis<br />
die F.A.Z.<br />
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