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Das akute Leberversagen

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<strong>Das</strong> <strong>akute</strong> <strong>Leberversagen</strong><br />

Definition ______________________________________________________________________ 2<br />

Ätiologie_______________________________________________________________________ 2<br />

Pathophysiologie ________________________________________________________________ 3<br />

Störungen des Säure-Basen- und des Elektrolyt-Haushaltes: _____________________________________3<br />

Störungen der Osmolalität: _______________________________________________________________3<br />

Störungen des Kohlehydratstoffwechsels: ___________________________________________________4<br />

Störungen im Fettstoffwechsel:____________________________________________________________4<br />

Störungen des Aminosäurestoffwechsels:____________________________________________________4<br />

Störungen des Proteinstoffwechsels:________________________________________________________5<br />

Hepatische Enzephalopathie: _____________________________________________________________5<br />

pulmonale Komplikationen: ______________________________________________________________6<br />

renale Komplikationen:__________________________________________________________________6<br />

hämodynamische Störungen: _____________________________________________________________7<br />

Blutungskomplikationen: ________________________________________________________________7<br />

Klinische Symptomatik __________________________________________________________ 8<br />

Hepatische Enzephalopathie ______________________________________________________________8<br />

Therapiemaßnahmen ___________________________________________________________ 11<br />

Prognose _____________________________________________________________________ 16<br />

Literaturhinweise ______________________________________________________________ 18


Definition<br />

Beim <strong>akute</strong>n Leberkoma kommt es aufgrund einer schweren Leberfunktionsstörung zu Zeichen einer<br />

hepatischen Enzephalopathie innerhalb von acht Wochen nach Krankheitsbeginn bei zuvor gesunder<br />

Leber.<br />

Synonyme für <strong>akute</strong>s <strong>Leberversagen</strong> sind:<br />

- <strong>akute</strong> Leberinsuffizienz,<br />

- endogenes Leberzerfallskoma,<br />

- fulminantes <strong>Leberversagen</strong>,<br />

- fulminant hepatic failure (FHF).<br />

Hiervon abgegrenzt ist das Leberausfallkoma, auch exogenes Leberkoma genannt, welches ein<br />

terminales <strong>Leberversagen</strong> bei vorbestehender Lebererkrankung darstellt.<br />

Ätiologie<br />

Hauptursachen für das <strong>akute</strong> <strong>Leberversagen</strong> sind hepatotrope Virusinfektionen, unerwünschte<br />

Arzneimittelwirkungen und Toxine.<br />

Alle wesentlichen hepatotropen Viren können zum <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> führen:<br />

Virus<br />

Auftreten des<br />

<strong>Leberversagen</strong>s<br />

Hepatitis a Virus (HAV) 0,2 %<br />

Hepatitis B Virus (HBV) 1,0 %<br />

Hepatitis B Virus (HBV) +<br />

2 - 20 %<br />

Hepatitis D Virus (HDV)<br />

Hepatitis C Virus (HCV)<br />

1,0 %<br />

non-A, non-B Viren<br />

Hepatitis E Virus (HEV) 22 %<br />

<strong>Das</strong> Risiko für die Entwicklung eines <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s variiert zwischen den verschiedenen<br />

Viren.<br />

Bei der Hepatitis-B-Infektion ist die Immunreaktion des Organismus gegen virusinfizierte Zellen für den<br />

Leberzellschaden verantwortlich. Die in der Milz produzierten HBV-Antikörper erreichen die Leber über<br />

den Pfortaderkreislauf. Diese überschießende, körpereigene Immunreaktion gegen das entstandene<br />

HBV-Antigen ist hingegen für den fulminanten Verlauf verantwortlich.<br />

HAV und non-A,non-B-Viren scheinen während der Infektion keine Immunpathogene zu besitzen,<br />

sondern sie verursachen wahrscheinlich eine direkte Leberzellschädigung.<br />

Verschiedene Arzneimittel können ein <strong>akute</strong>s <strong>Leberversagen</strong> auslösen.<br />

Bei der Paracetamol-Vergiftung korreliert die Menge der aufgenommenen Substanz mit der Mortalität.<br />

Paracetamol wird im Hepatozyten durch das Enzymsystem Cytochrom P 450 zu hochreaktiven<br />

Metaboliten abgebaut und durch Glutathion kovalent gebunden und inaktiviert. Überschreitet die<br />

aufgenommene Paracetamoldosis die Bindungskapazität des Glutathions, dies sind etwa 10 g =<br />

Letalitätsdosis, dann werden Metaboliten an Strukturproteine und Enzyme der Leberzelle gebunden<br />

und führen dosisabhängig zu einem <strong>akute</strong>n Leberzellschaden.<br />

Nach einer Halothannarkose entwickeln ca. 20 % der Patienten eine Transaminasenerhöhung., jedoch


entwickeln nur sehr seltene Fälle auch eine Halothanhepatitis, welche mit einem hohen Prozentsatz zu<br />

einem <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> führt. Als Ursache für das <strong>Leberversagen</strong> nach Halothangabe werden<br />

zur Zeit immunologische Mechanismen diskutiert.<br />

Die Vergiftung durch Knollenblätterpilze, Amanita phalloides geschieht durch die Bestandteile<br />

Amatoxine, Phallotoxine und Phallolysine, wodurch ein <strong>akute</strong>s <strong>Leberversagen</strong> ausgelöst wird. Die<br />

Letalitalität des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s nimmt mit dem Alter zu jedoch gelten allgemein 0,1 mg<br />

Amatoxin als letale Dosis.<br />

Die Hypoxie- bzw. Schockleber entwickelt sich als Folgezustand schwerer Schockzustände. Durch den<br />

plötzlichen Blutdruckabfall kann es zum Sauerstoffmangel in der Leber und zur Entstehung großer<br />

Areale mit Lebernekrosen kommen. Sind mehr als 80 - 90 % der Leber zerstört, kommt es zum<br />

fulminanten <strong>Leberversagen</strong>, welches nur wenige Patienten überstehen.<br />

Bei vorliegen eines genetisch bedingten Aldolasemangels kann eine hohe Dosierung von Fructose<br />

oder Sorbit zu einem <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> führen.<br />

Seitdem Tetrazykline in der Schwangerschaft nicht mehr verwendet werden, ist die <strong>akute</strong><br />

„Schwangerschaftsleber“ kaum noch vorzufinden. Jedoch kann jetzt vermehrt eine andere Form des<br />

<strong>Leberversagen</strong>s beobachtet werden: das sogenannte HELLP-Syndrom (haemolysis, elevated liver<br />

enzymes, low platelets). Die genaue Ursache dieser im letzten Drittel der Schwangerschaft<br />

auftretenden Krankheit mit Hypertonie ist noch weitestgehend unbekannt. Der Thrombozytenabfall, der<br />

Hämolyse-Nachweis und die erhöhten Transaminasen ermöglichen eine rasche und sichere Diagnose<br />

dieses Symtomenkomplexes.<br />

Der <strong>akute</strong> Morbus Wilson stellt als Ursache des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s häufig ein diagnostisches<br />

Problem dar, da die typischen Laborbefunde wie niedriges Coeruloplasmin, eine hohe<br />

Urinkupferkonzentration und der beweisende Kayser-Fleischer-Ring meist nicht nachweisbar sind,. da<br />

eine Therapie der Gerinnungsstörungen mit Frischplasma-Präparaten (FFP = fresh frozen plasma) die<br />

dem Patienten eigenen Werte verfälschen kann.<br />

Pathophysiologie<br />

Störungen des Säure-Basen- und des Elektrolyt-Haushaltes:<br />

Häufig wird eine respiratorische Alkalose und eine Hypokaliämie beobachtet.<br />

Im Verlaufe der Erkrankung tritt regelmäßig eine Hyponatriämie ein mit Werten um 110 mmol/l. Diese<br />

Hyponatriämie ist durch eine verminderte Ausscheidung von freiem Wasser bedingt, daher wird hier<br />

auch von einer „Verdünnungshyponatriämie“ gesprochen. Der vorhandene Hyperaldosteronismus<br />

bewirkt eine verminderte renale Natriumausscheidung, daher kommt es auch zu einer verminderten<br />

Ausscheidung von freiem Wasser.<br />

Störungen der Osmolalität:<br />

Die Leber eliminiert die Intermediärproduklte des Stoffwechsels durch deren vollständigen Abbau, bzw.<br />

durch die Synthese höhermolekularer Substanzen, welche an Blut oder Galle abgegeben werden.<br />

Auch bringt die Leber Abbauprodukte des Stoffwechsels durch Verbindungsvorgänge in eine<br />

nierengängige Form, so daß sie renal eliminiert werden können.


Versagen diese Mechanismen kommt es durch Zunahme von klein- und mittelmolekularen<br />

Substanzen zu einer Zunahme der Serumosmolalität auf Werte von bis zu 400 mosmol/kg H 2 O.<br />

Da die Konzentration der Elektrolyte wie auch der Blutglukose bzw. des Serumharnstickstoffs relativ<br />

konstant bleibt, ergibt sich eine Differenz zwischen der Berechnung der Serumosmolalität aus der<br />

molekularen Konzentration der Substanzen sowie der kryoskopisch Gemessenen.<br />

Diese Restosmolalität kann bis zu 60 mosmol/kg H 2 O betragen, und die Höhe ist ein guter Wert für die<br />

endogene Intoxikation des Patienten während des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s.<br />

Die Restosmolalität kann durch die Bestimmung der Laktatkonzentration im Serum weiter differenziert<br />

werden. Wird von der Restosmolalität noch das Serumlaktat (mmol/l) abgezogen, verbleibt für die<br />

Restosmolalität nur noch die Gesamtkonzentration der Plasmaaminosäuren als relevanter osmotisch<br />

wirksamer Faktor.<br />

Diese korrigierte Restosmolalität kann zur Steuerung der Aminosäurenzufuhr, bzw. zur Steuerung der<br />

parenteralen Ernährung dienen.<br />

Störungen des Kohlehydratstoffwechsels:<br />

Bei <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> kommt es in über 50% der Fälle zu hypoglykämischen Reaktionen.<br />

Dies wird bei den Patienten zum einen durch den verzögerten Abbau des Insulins in der Leber bewirkt,<br />

andererseits ist durch die durch Lebernekrosen verminderte funktionelle Lebermasse die<br />

Glukoneogenese eingeschränkt.<br />

<strong>Das</strong> Versagen der Glukoneogenese ist im Therapieplan besonders dann mit zu überdenken, wenn bei<br />

bestehender Hypoglykämie gleichzeitig eine Hyperlaktatämie besteht.<br />

Laktat als wesentlicher Präkursor der Glukose steigt bei Störungen der Glukoneogenese auch ohne<br />

Steigerung der peripheren Laktatproduktion im Serum schnell an.<br />

Diese erhöhten Laktatwerte sind meist mit einer Alkalose kombiniert; die Laktatazidose hingegen weist<br />

auf eine Gewebe-Sauerstoff-Verwertungsstörung hin.<br />

Störungen im Fettstoffwechsel:<br />

Bei <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> ist die Elimination von freien Fettsäuren durch die Leber beeinträchtigt,<br />

wodurch natürlich die Plasmakonzentration von freien Fettsäuren erhöht ist.<br />

Kinetische Untersuchungen zeigten jedoch, daß die Elimination von Fettemulsionen nicht wesentlich<br />

gestört ist und unter parenteraler Ernährung mit fettfreien Infusionsregimen die Plasmakonzentration<br />

der essentiellen Fettsäuren auf nicht meßbare Werte absinkt.<br />

Störungen des Aminosäurestoffwechsels:<br />

Die Leber synthetisiert Aminosäuren, entfernt jedoch auch überschüssige Aminosäuren durch<br />

Umwandlung oder Abbau.<br />

Beim <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> kommt es schnell zu Situationen, wo das Aminosäurenangebot der<br />

parenteralen Ernährung die Abbaurate der Leber überschreitet, d.h. zu einem Anstieg der freien<br />

Plasmaaminosäuren und damit auch zu einem Anstieg der Serumosmolalität.<br />

Einige Aminosäuren werden extrahepatisch abgebaut, so daß sich beim <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> ein


typisches Plasmaaminogramm entwickelt, dessen individuelle Variationen im Verlauf der Erkrankung<br />

über die Restfunktion der Leber Aufschluß geben kann.<br />

Störungen des Proteinstoffwechsels:<br />

In der Abnahme der Serum-Proteinkonzentration zeigt sich schon frühzeitig die Einschränkung der<br />

Proteinsynthese durch die Leber.<br />

Für die Beurteilung der Leberfunktionen sind die Gerinnungsfaktoren besonders geeignet, da die<br />

Gerinnungsfaktoren bzw. deren Inhibitoren nahezu vollständig in der Leber synthetisiert werden. Die<br />

Vitamin-K abhängigen Gerinnungsfaktoren, das sind im Besonderen Faktor II, Faktor VII, Faktor IX<br />

und Faktor X, haben im Vergleich zum Albumin eine kurze biologische Halbwertszeit.<br />

Faktor VII z.B. hat eine biologische Halbwertszeit von vier bis sechs Stunden, wodurch<br />

Gerinnungstests mit hoher Faktor VII Empfindlichkeit - d. i. z. B. der Normotest - die Syntheseleistung<br />

der Leber sehr gut charakterisieren, sofern kein Vitamin-K Mangel vorliegt. Auch eine Aktivierung der<br />

intravasalen Gerinnung kann diese Werte natürlich verfälschen.<br />

Hepatische Enzephalopathie:<br />

Die Pathogenese der hepatischen Enzephalopathie beruht auf endogene Neurotoxine, falschen<br />

Neurotransmittern und einer Imbalance der normalen Neurotransmitter und deren Rezeptoren.<br />

Die Hyperammonämie im <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> beruht auf einer verminderten Ammoniumentgiftung<br />

in der Leber. Die Abnahme der Ammoniumentgiftung kann durch portokavale Anastomosen, also<br />

durch Umgehung der Leber, sowie durch Einschränkung der Harnstoff- und Glutaminsynthese bedingt<br />

sein.<br />

Die neurotoxische Wirkung hoher Ammoniumspiegel beruht auf die Störung des cerebralen<br />

Energiestoffwechsels, der Permeabilitätsänderung der Blut-Hirn-Schranke und der dadurch bedingten<br />

vermehrten Aufnahme aromatischer Aminosäuren in das Gehirn.<br />

Durch einen erhöhten Ammoniumspiegel nimmt auch die Dichte und Affinität der<br />

Serotoninrezeptoren im Gehirn ab.<br />

Durch die verminderte hepatische Elimination von aromatischen Aminosäuren kommt es zu einem<br />

verhältnismäßigen Anstieg der Serumkonzentration der aromatischen Aminosäuren, insbesondere<br />

Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan, und zu einem Abfall der verzweigtkettigen Aminosäuren Valin,<br />

Leuzin und Isoleuzin, welche extrahepatisch eliminiert werden.<br />

Da diese neutralen Aminosäuren ein gemeinsames Transportsystem der Blut-Hirn-Schranke benutzen,<br />

kommt es durch die Konzentrationsunterschiede zu einer Zunahme von Phenylalanin im Gehirn. Dies<br />

führt zu einer Hemmung der Hydroxylierung von Tyrosin zu Dopa, wodurch es zu einer Abnahme der<br />

normalen Neurotransmitter Dopamin und Norepinephrin kommt.<br />

Aus dem Überschuß von Phenylalanin und Tyrosin wird zugleich vermehrt β-Phenylethanolamin und<br />

Oktopamin gebildet.<br />

Diese Substanzen besetzen die noradrenergen Rezeptoren, erregen sie jedoch nicht. Daher spricht<br />

man hier auch von den sogenannten „falschen Neurotransmittern“.<br />

Neurotoxine wie Ammonium und Merkaptane steigern die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke und<br />

begünstigen so den Übertritt von Aminosäuren, die gegen Glutamin ausgetauscht werden, d.h. es


existiert ein Synergismus zwischen den Neurotoxinen und den aromatischen Aminosäuren.<br />

Bei der hepatischen Enzephalopathie scheint ein Überwiegen der inhibitorisch wirkenden<br />

postsynaptischen Rezeptoren (GABA, Glyzin) gegenüber den exzitatorisch wirkenden<br />

Aminosäurenneurotransmittern (Glutamat, Aspartat) zu bestehen.<br />

Der hauptsächlich hemmende Neurotransmitter GABA soll im Darm aus Glutamat durch Bakterien<br />

gebildet und in der im <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> insuffizienten Leber nicht ausreichend abgebaut werden.<br />

Durch die Zunahme der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke kommt es zu einem vermehrten<br />

Einstrom von GABA in das Gehirn.<br />

Generalisierte Krampfanfälle bei Patienten mit Symptomen der hepatischen Enzephalopathie deuten<br />

immer auf einen erhöhten Hirndruck hin, daher empfiehlt sich in höheren Stadien der hepatischen<br />

Enzephalopathie die kontinuierliche direkte Hirndruckmessung, um schon frühzeitig einen drohenden<br />

Hirnschaden erkennen und therapieren zu können. Alle diagnostischen und therapeutischen<br />

Maßnahmen sollten darauf zielen, das Entstehen eines irreversiblen Hirndruckanstiegs zu vermeiden,<br />

bzw. zu verhindern.<br />

pulmonale Komplikationen:<br />

Am Anfang besteht wegen der Hyperventilation eine respiratorische Alkalose (siehe auch Störungen<br />

des Säure-Basen-Haushaltes) mit PaCO 2 -Werten von weniger als 30 mm Hg und einem pH-Wert ><br />

7,5.<br />

Durch die Veränderung der Serum-Osmolarität, wie auch durch die vermehrte Infusionstherapie<br />

kommt es zum Flüssigkeitseinstrom in die Alveolen, wodurch es zu Permeabilitätsstörungen der<br />

alveolo-kapillären Membran kommt, was einer weitere Ödembildung Vorschub leistet.<br />

Dies führt zu dem Symptom des Lungenversagens mit der Notwendigkeit der maschinellen Beatmung.<br />

renale Komplikationen:<br />

Bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr, Fieber, Permeabilitätsstörungen mit<br />

Flüssigkeitsverschiebungen zwischen intra- und extravasalem Volumen, Aszites oder auch<br />

gastrointestinalen Blutungen kann eine Hypovolämie zu einer prärenalen Beeinträchtigung der<br />

Nierenfunktion führen.<br />

Typischer für das <strong>akute</strong> <strong>Leberversagen</strong> hingegen sind funktionelle Nierenstörungen, bei denen die<br />

Nieren morphologisch intakt sind: das hepatorenale Syndrom.<br />

Die häufig vorgefundene arterielle Hypotension bei gleichzeitig bestehender hyperdynamer<br />

Zirkulation mit erhöhtem Herzzeitvolumen ist durch eine ausgeprägte Verminderung der peripheren<br />

Widerstandes, insbesondere im Splanchnikusgebiet hervorgerufen. Als Ursache für diese Reaktion<br />

werden verschiedene Mediatoren diskutiert:<br />

- Stickstoffmonoxid (NO)<br />

- vasoaktives intestinales Peptid<br />

- falsche Neurotransmitter<br />

- calcitonin-gen relatet Peptid<br />

- Glukagon<br />

- Substanz P


- Bradykinin<br />

- Prostaglandine<br />

- Plättchenaktivierender Faktor<br />

- atriales natriuretisches Peptid (ANP).<br />

Dem Stickoxid (NO) kommt bei der Eröffnung des peripheren Widerstandes wahrscheinlich die<br />

größte Bedeutung zu, da es mit endothelialen Relaxationsfaktor identisch ist. NO entsteht enzymatisch<br />

aus L-Arginin und molekularem Sauerstoff..<br />

Barorezeptoren im Hoch- und Niederdrucksystem des Kreislaufs, welche über den intravasalen Druck<br />

den Füllungszustand des Gefäßsystems erfassen, vermitteln auf Grund des verminderten peripheren<br />

Widerstandes eine Sympathikusaktivierung.<br />

Die Folgen sind eine Tachykardie mit einer Steigerung des Herzzeitvolumens, sofern keine<br />

myokardiale Schädigung vorliegt, sowie eine gesteigerte Retention von freiem Wasser und Natrium<br />

durch intrarenale Vasokonstriktion und vermehrter Freisetzung von Renin, Angiotensin, Aldosteron und<br />

ADH.<br />

Die reflektorische Sympathikusaktivierung führt weiterhin zu einer Verminderung der glomerulären<br />

Filtrationsrate, andererseits zu einer gesteigerten Natriumrückresorption im proximalen Tubulus.<br />

Hieraus erklärt sich die im späteren Krankheitsverlauf verminderte Wirksamkeit der ausschließlich im<br />

distalen Tubulus angreifenden Aldosteronantagonisten und des atrialen natriuretischen Peptids.<br />

Eine weitere Folge der Sympathikusaktivierung ist die vermehrte Ausschüttung des antidiuretischen<br />

Hormons (Vasopressin, ADH).<br />

Aber auch ohne meßbare Veränderung der systemischen Hämodynamik kommt es beim <strong>akute</strong>n<br />

<strong>Leberversagen</strong> schon zu einer Natrium- und Wasserretention.<br />

Verantwortlich hierfür sind vermutlich direkte hepatorenale Kommunikationswege, welche bisher<br />

jedoch nur teilweise geklärt sind.<br />

Die durch die periphere Vasodilatation aktivierten Vasopressorsysteme (Sympathikus, hepatorenaler<br />

Reflex, Angiotensin III, Endothelin, Vasopressin) führen zur intrarenalen Vasokonstriktion.<br />

Als Antwort auf diese ausgeprägte Vasokonstruktion der Nierenrinde kommt es schließlich zur Oligurie<br />

und zur Retention harnpflichtiger Substanzen, was letztlich jedoch im Nierenversagen endet.<br />

hämodynamische Störungen:<br />

<strong>Das</strong> <strong>akute</strong> <strong>Leberversagen</strong> wird häufig durch eine arterielle Hypotonie begleitet (siehe auch renale<br />

Komplikationen).<br />

Dies kann trotz erhöhtem HZV zu lokalen ischämischen Prozessen führen. (Stichwort: Schockdarm !)<br />

Blutungskomplikationen:<br />

Als Bildungs- und Abbauort für die Mehrzahl der Faktoren und Inhibitoren des Gerinnungs- und<br />

Fibrinolysesystems ist beim <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> das Gerinnungssystem an zahlreichen Punkten<br />

gestört. Die Folge ist die hämorrhagische Diathese.<br />

Diese Koagulopathie hepatischen Ursprungs äußert sich meist in Blutungen, gelegentlich aber auch in<br />

Thrombosen, was bei extrakorporalen Verfahren zur Verkürzung der Lebensdauer des extrakorporalen<br />

Kreislaufs führen kann.


Als blutungsfördernd erweist sich natürlich der Mangel an Gerinnungsfaktoren und die niedrige<br />

Thrombozytenzahl, welche zudem häufig noch in ihrer Funktion gestört sind.<br />

50 % der Patienten mit <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung<br />

gastrointestinale Blutungen, vor allem aus dem oberen Gastrointestinaltrakt<br />

Die im Verlauf der Erkrankung gesteigerte Gefäßbrüchigkeit begünstigt die Entstehung von<br />

Mikroblutungen, deren Entstehen im Reizleitungssystem des Herzens oder im vitalen Zentrum des<br />

Gehirns einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand verursachen können; den Atemstillstand des<br />

beatmeten Patienten zu erkennen, fällt natürlich schwer.<br />

Der im <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> entstandene AT III-Mangel wirkt zudem thrombosefördernd.<br />

Klinische Symptomatik<br />

Die Diagnose des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s ist einfach zu stellen:<br />

- Anamnese<br />

- klinischer Untersuchungsbefund<br />

a) internistische Status<br />

b) psychometrische Tests<br />

c) neurologischer Status<br />

- apparative Untersuchungen<br />

a) EEG<br />

b) evozierte Potentiale<br />

- charakteristische Laborwerte<br />

a) Transaminasen (GOT, GPT)<br />

b) Cholestaseparameter (χGT, AP, Bilirubin)<br />

c) Plasmaproteine (Albumin, Cholinesterase, Quick, AT III)<br />

d) Ammoniak<br />

e) Harnstoffproduktionsrate.<br />

Die ätiologische Abklärung jedoch ist häufig nur durch die Anamnese zu erheben.<br />

Die Differentialdiagnose der verschiedenen Formen der Virushepatitis geschieht durch die<br />

entsprechenden serologischen Tests:<br />

Virus<br />

Diagnostik<br />

HAV<br />

IgM anti-HAV<br />

HBV HBsAntigen, HBV-DNS, anti<br />

HBc, IgM-anti-HBc<br />

HDV IgM anti-HDV (Delta)<br />

HCV<br />

(anti-HCV)<br />

HEV z. Zt. noch in Entwicklung<br />

Hepatische Enzephalopathie<br />

<strong>Das</strong> Hauptsymptom des <strong>akute</strong>n Leberkomas ist die hepatische Enzephalopathie.<br />

die Übergänge zwischen den einzelnen Schweregraden der hepatischen Enzephalopathie sind


fließend, erlauben jedoch für die klinische Unterscheidung eine hinreichend genaue Unterteilung.<br />

Stadium I, neurasthenisches Stadium:<br />

Die Reaktion auf Ansprechen ist normal, der Patient gibt adäquate Antworten auf Fragen, wenn auch<br />

eine gewisse Konzentrations- und Merkschwierigkeit besteht. Auch zeigt er eine schnelle<br />

Erschöpfbarkeit, Euphorie und Depression können schnell wechseln.<br />

Neurologisch findet sich ein leichter „flapping tremor“, eine beginnende Hyperreflexie und im EEG<br />

normale oder leichte Allgemeinveränderungen.<br />

Stadium II, Somnolenz:<br />

Die Reaktion auf Ansprache ist verzögert, das Verhalten beginnt inadäquat zu werden. Die zeitliche<br />

und örtliche Orientierung des Patienten ist aufgehoben. Der Patient ist schläfrig, in den Wachphasen<br />

unruhig und verwirrt.<br />

Ein „flapping tremor“, Hyperreflexie, Koordinationsstörungen und eine verwaschene Sprache lassen<br />

sich deutlich nachweisen. Die Grundaktivität im EEG ist verlangsamt und vereinzelt tauchen<br />

Thetawellen auf.<br />

Stadium III, Sopor:<br />

Die Reaktion auf Ansprache ist deutlich verzögert, die Grundhaltung des Patienten ist lethargisch. Der<br />

Patient ist aus seiner Schläfrigkeit zwar noch erweckbar, die Sprache jedoch zerfällt und die Reaktion<br />

auf Schmerzreize ist deutlich verzögert. Neurologisch finden sich klonische Zuckungen, eine Ataxie,<br />

ein „flapping tremor“ und eine Hyperreflexie. Im EEG bestehen hauptsächlich Theta/Delta-Aktivitäten<br />

mit eingelagerten bi- und triphasischen Potentialen.<br />

Stadium IV, Koma:<br />

Es existiert keine Reaktion auf Ansprache, die Reaktion auf Schmerzreiz findet nur ungezielt statt,<br />

verbale Aktivitäten sind erloschen. Die fehlende Spontanmotorik wird von vereinzelten Klonii<br />

unterbrochen, ein positiver Babinski-Reflex ist nachweisbar. <strong>Das</strong> EEG wird von Deltawellen mit bi- und<br />

triphasischen Potentialen beherrscht.<br />

Stadium V, terminales Koma:<br />

Der Patient zeigt keine Reaktion auf Schmerzreize, der Muskeltonus ist erloschen oder in Beuge-<br />

Streck-Krämpfen gefangen. <strong>Das</strong> EEG wird fulminant flacher.<br />

Hier noch einmal die Stadien der hepatischen Enzephalopathie in einer Kurzübersicht:<br />

Stadium klinische Einteilung Symptome<br />

Verlangsamung,<br />

Stadium I Prodromalstadium verwaschene Sprache,<br />

flapping tremor<br />

schläfrig,<br />

Stadium II drohendes Koma meist noch orientiert,<br />

flapping tremor<br />

Stadium III Stupor verwirrt,<br />

noch erweckbar<br />

keine Reaktion auf äußere<br />

Stadium IV tiefes Koma<br />

Reize,<br />

erloschener Kornealreflex,


Stadium V<br />

terminales Koma<br />

Foetor hepaticus,<br />

flapping tremor kann fehlen<br />

abgeflachtes EEG,<br />

erloschener Muskeltonus bzw.<br />

Beuge-Streck-Synergismen<br />

Zur Abgrenzung der Diagnose des hepatorenalen Syndroms gegenüber dem prärenalen<br />

Nierenversagen oder der <strong>akute</strong>n Tubulusnekrose eignet sich folgende Übersicht:<br />

hepatorenales Syndrom prärenales <strong>akute</strong> Tubulusnekrose<br />

Nierenversagen<br />

Na + -Konzentration im<br />

< 10 < 10 > 30<br />

Urin (mmol/l)<br />

Urinosmolarität<br />

> 100 über<br />

> 100 über wie Plasmaosmolarität<br />

(mosmol/l)<br />

Plasmaosmolarität Plasmaosmolarität<br />

Urin/Plasma-<br />

> 30 : 1 < 30 : 1 < 20 : 1<br />

Kreatinin-Quotient<br />

Urinsediment unauffällig unauffällig Proteinurie, Zelldebris<br />

Diuresesteigerung<br />

nach<br />

Plasmaexpansion<br />

nein ja nein<br />

Steht die Diagnose des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s fest und die hepatische Enzephalopathie ist schon in<br />

ein höheres Stadium getreten, sollte nach Anhebung der Gerinnungsfaktoren eine Sonde zur<br />

kontinuierlichen Hirndruckmessung gelegt werden, da bei ca. 70 % aller Patienten mit fulminantem<br />

<strong>Leberversagen</strong> ein Hirnödem die Ursache ist.<br />

Dieses entwickelt sich meist langsam, so daß ein rechtzeitig erkanntes Hirnödem immer rechtzeitig<br />

behandelt werden kann.<br />

Wesentlich für die Beurteilung der Schwere der Leberinsuffizienz ist die Einschätzung der<br />

Proteinsynthese der Leber.<br />

Hierzu sind die Gerinnungsparameter wie Prothrombinzeit, Fibrinogen, AT III und die Serumproteine<br />

wie Albumin, Cholinesterase und Transferrin am ehesten geeignet.<br />

Häufig findet sich beim <strong>Leberversagen</strong> auch ein Versagen der Glukoneogenese mit Blutzuckerwerten<br />

unter 70 mg% und eine Einschränkung der Harnstoff-N-Produktionsrate unter 5 g/die, was<br />

prognostisch auf eine deutliche Therapieresistenz hindeutet.


Therapiemaßnahmen<br />

Zur Zeit gibt es noch keine Therapie des fulminanten <strong>Leberversagen</strong>s.<br />

Wichtigste Maßnahmen ist hier die Beseitigung der auslösenden Symptome, das ist in der Regeln eine<br />

der allgemeinen Intensivmedizin entsprechenden Therapie.<br />

Dazu gehören hier besonders die Überwachung und die Substitution von Elektrolyten, bzw. des<br />

Wasserhaushaltes.<br />

Ein besonderes Augenmerk ist auf eine adäquate Streß-Ulkus-Therapie zu richten, da die Gefahr<br />

einer gastrointestinalen Blutung beim fulminanten <strong>Leberversagen</strong> sehr groß ist.<br />

Da die enterale Streß-Ulkus-Prophylaxe beim <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> obsolet ist, kommt der Gabe von<br />

Ranitidin eine besondere Bedeutung zu: H 2 -Antagonisten bewirken bekannterweise eine signifikante<br />

Verminderung von Streß-Ulkus-Blutungen.<br />

Eine konsequente Darmentleerung und Darmsterilisierung:<br />

- durch Lactulose-Gabe 4 mal 10 bis 15 g p.o. und Laktulose-Einläufe Absenkung des<br />

Stuhl-pH, auch als Abführmaßnahme,<br />

- Paromycin (Humatin®)-Gabe 4 mal 1 g zur Suppression der ammoniakbildenden Darmflora,<br />

- die Gabe von nichtresorbierbaren Antibiotika, z.B. Neomycin.<br />

Eine verminderte Bakterienbesiedelung des Darmes sorgt vielleicht auch für die Bekämpfung der<br />

hepatischen Enzephalopathie durch verminderte GABA-Bildung.<br />

Benzodiazepin-Antagonisten (Flumazenil) wurden schon mehrfach zur Behandlung der hepatischen<br />

Enzephalopathie im <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> eingesetzt.<br />

Zur Behandlung der hepatischen Enzephalopathie hat sich die Gabe von L-Valin 5 %ig als Infusion<br />

gut bewährt. Eine Initialdosis von 100 mg/kg Körpergewicht/h (≈ 2 ml/kg Körpergewicht), gefolgt von<br />

einer Erhaltungsdosis von 25 mg/kg Körpergewicht/h (≈ 0,5 ml/kg Körpergewicht) ist hier zu<br />

empfehlen.<br />

Zur Steigerung des Plasmaspiegels der verzweigtkettigen Aminosäuren wird zur Zeit die Gabe von 30<br />

g/die verzweigtkettiger Aminosäuren empfohlen, die mit verschiedenen Aminosäurengemischen<br />

infundiert werden können. Wichtig ist hier zu unterscheiden zwischen der Therapie der hepatischen<br />

Enzephalopathie einerseits und der parenteralen Ernährung andererseits.<br />

Bei einer Paracetamol-Vergiftung ist selbstverständlich die Gabe von Acetylcystein die Therapie der<br />

Wahl.<br />

Eine kontrollierte Studie von Gregory et al. zeigte schon 1976 den ungünstigen Effekt, welchen<br />

Kortikosteroide auf den Krankheitsverlauf nehmen können.<br />

Zur Substitution von Gerinnungsfaktoren sollte Frischplasma (FFP) eingesetzt werden, da<br />

Frischplasma nicht einseitig in das Gerinnungssystem eingreift. Die Gabe von Frischplasma ist immer<br />

indiziert bei Zeichen einer klinisch relevanten Blutung, einem Abfall des Fibrinogens unter 100 mg/dl<br />

und/oder einem Abfall der Thrombozytenzahl unter 50 000/µl.<br />

Der Versuch durch Vitamin K -Gabe die Synthese der Faktoren II, VII, IX und X zu stimulieren ist beim<br />

<strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> wirkungslos. Eine rasche Zufuhr von Vitamin K kann einen Abfall des<br />

Prothrombins bewirken; von einer Vitamin K-Applikation ist daher abzuraten.<br />

Liegt zusätzlich eine Verbrauchskoagulopathie vor, so ist der Einsatz von niedrig dosiertem Heparin -


etwa 50 I.E./kg Körpergewicht/die - zu erwägen. Eine prophylaktische Antikoagulation mit Heparin zur<br />

Hemmung eines gesteigerten Verbrauchs von Gerinnungsfaktoren ist jedoch abzulehnen. Da bei<br />

einem <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> immer ein Mangel an AT-III besteht, sollte vor Beginn der<br />

Heparinisierung AT-III-Konzentrat infundiert werden.<br />

Die direkte Hirndruckmessung zur Erkennung eines Hirnödems steht sicher nicht an erster Stelle bei<br />

der Therapie des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s, doch sollte die Gefahr des Todes durch ein Hirnödem bei<br />

der Therapie immer mit bedacht werden.<br />

Liegen Anzeichen für ein Hirnödem vor, sollten entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden:<br />

- Gabe von Mannitol zur Anhebung des KOD,<br />

- bei der Beatmung Hyperventilation: 28 < PaCO 2 < 32,<br />

- Azidose-Pufferung mit THAM<br />

- nach Möglichkeit Behandlung mit Barbituraten vermeiden<br />

- keine Kortikosteroide.<br />

Der Aufbau der parenteralen Ernährung muß, unter Kontrolle von Laborwerten, allmählich<br />

durchgeführt werden.<br />

Die Substrate der parenteralen Ernährung, das sind Glukose, Aminosäuren, Fette, Elektrolyte und<br />

Vitamine, sollen nach dem Ausmaß der Verwertungsstörungen, d.h. nach dem Bedarf des Patienten<br />

dosiert werden.<br />

Bei der parenteralen Ernährung verbietet sich Fructose aus zwei Gründen:<br />

a) es kann selber Ursache für ein <strong>akute</strong>s <strong>Leberversagen</strong> sein (Fructoseintoleranz),<br />

und b) Bode zeigte schon 1971<br />

- Fructose übt einen hemmenden Effekt auf zahlreiche Enzyme aus,<br />

- Fructose verbraucht energiereiche Phosphate.<br />

Fettemulsionen zeigten bisher zwar keine negativen Auswirkungen auf Patienten während der<br />

Therapie des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s, jedoch können Fettemulsionen bei zu hoher Dosierung, aber<br />

auch bei zu rascher Applikation zumindest theoretisch eine Blockade des Retikulo-endothelialen<br />

Systems (RES) bewirken.<br />

Die Aminosäuren sind zum Teil im Serum deutlich erhöht, daher ist hier eine ausgewogene Gabe zu<br />

beachten. Hier als Beispiel die normalen Werte sowie die Werte im <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong> von einigen<br />

Aminosäuren angegeben in % über der Norm:


106<br />

134 820<br />

0<br />

0<br />

700<br />

600 • •<br />

500 • •<br />

400 • •<br />

300 • •<br />

200 • •<br />

100 • • •• • • • • • • • • • • •<br />

Daher sollten bei der Ernährung hauptsächlich verzweigtkettige Aminosäuren eingesetzt werden, so<br />

daß das Aminosäurengemisch im Körper des Patienten die Chance hat, wieder ins Gleichgewicht zu<br />

gelangen.<br />

Der Zeitpunkt für das Einsetzen der Gabe von Aminosäuren bei der parenteralen Ernährung des<br />

Patienten kann durch indirekte Parameter wie der Restosmolalität hinreichend gut bestimmt werden:<br />

liegt die Restosmolalität unter 15 mosmol/ kg H 2 O sollte mit der Gabe von Aminosäuren begonnen<br />

werden.<br />

Auch die Harnstoffproduktionsrate kann zur Bestimmung des Zeitpunktes herangezogen werden. Als<br />

grobe Richtlinie gilt hier das Erreichen oder das Überschreiten der Harnstoff-N-Produktionsrate von 6<br />

g/die. Ist dieser Fall erreicht sollte mit der Gabe von Aminosäuren begonnen werden.<br />

Ebenso wichtig ist nach überstandener Erkrankung der stufenweise Abbau der parenteralen Ernährung<br />

und der allmähliche Aufbau der enteralen Ernährung.<br />

Zur Aszitestherapie ist eine Restriktion der Kochsalzzufuhr auf 1 bis 2 g/die sowie der<br />

Flüssigkeitszufuhr auf 1 Liter/die zu empfehlen.<br />

Zur Ausschwemmung hat sich die Kombination von Spironolacton (Aldactone®), 200 bis 400 (maximal<br />

600) mg/die, und Furosemid (z.B. Lasix®), etwa 40 mg/die) bewährt. Ein zu rasches Ausschewmmen<br />

birgt jedoch immer die Gefahr eines hepatorenalen Syndroms. Daher sollte die Höchstgrenze bei<br />

maximal 1 Liter ausschwemmen pro Tag liegen.<br />

Bei Punktion und Ablassen von Aszites immer die Eiweißverluste durch Aszites, welche durch die<br />

Bestimmung vom Gesamtprotein im Aszites ermittelt werden können, gleichzeitig durch<br />

Humanalbumingabe ersetzen.<br />

Bei der Behandlung des hepatorenalen Syndroms sollte primär die Hypovolämie korrigiert werden,<br />

wobei auf eine sorgfältige Bilanzierung zu achten ist. Der zentralvenöse Druck muß gut überwacht<br />

werden um eine Überwässerung zu vermeiden. Besonderes Augenmerk verlangt hier die Natrium-<br />

Bilanz.


Die Funktionsstörung der Nieren kann in der Regel durch Vasopressin günstig beeinflußt werden. Die<br />

Gabe von Ornipressin (Por 8, Sandoz) 0,03 bis 0,06 I.E./min führt in der Regel zu einer guten<br />

Steigerung der Diurese, entsprechend zu einer Zunahme der glomerulären Filtrationsrate. Auch die<br />

Kombination mit Dopamin in der Dosierung von 2 µg/kg Körpergewicht/min kann hilfreich sein. Bei<br />

vollständigen Nierenversagen kann nur zu einer extrakorporalen Nierenersatztherapie gegriffen<br />

werden.<br />

Beim hepatorenalen Syndrom sollte zur Therapie auch immer eine Lebertransplantation bedacht<br />

werden, wenn nicht andere zwingende Gründe dagegen sprechen.<br />

Die Selektion von Patienten, welche von einer Lebertransplantation den größten Nutzen haben, ist<br />

immer noch ein großes Problem. Anzeichen die zur Lebertransplantation als ultima ratio greifen lassen<br />

sind die Symptome des zusammenbrechenden Kreislaufs:<br />

- <strong>akute</strong> Verschlechterung des Allgemeinzustandes,<br />

- schwere Gerinnungsstörung,<br />

- Koma III° bis IV°,<br />

- deutliches Schrumpfen der Leber,<br />

- metabolische Azidose,<br />

- katecholaminpflichtige Kreislaufinsuffizienz / Zeichen des septischen Multiorganversagens.<br />

Patienten mit <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> sollten in spezialisierten Kliniken intensivmedizinisch betreut<br />

werden.<br />

Frühzeitig, d.h. spätestens bei<br />

- abfallender Tendenz der Gerinnungsfaktoren (insbesondere Quick und Faktor V),<br />

- Zunahme der hepatische Enzephalopathie<br />

und - Anstieg des Serumbilirubins<br />

sollte Kontakt mit einem Lebertransplantationszentrum aufgenommen werden, bzw. der Patient nach<br />

Möglichkeit in eine derartige Institution verlegt werden.<br />

Wird der Patient transplantiert, so ist durch die überschießende Immunreaktion des Körpers auf die<br />

Transplantation mit einer kompletten Elimination der vorhandenen Viren zu rechnen.<br />

Die medikamentöse Therapie bei <strong>Leberversagen</strong> ist differnziert zu sehen, einige Medikamente wirken<br />

hepatotoxischer als andere:


Substanzgruppe<br />

Medikament nach<br />

Möglichkeit vermeiden,<br />

bzw. max. 25 -<br />

50 % der Normaldosis<br />

Reduktion auf etwa 50 %<br />

der Normaldosis<br />

empfehlenswert<br />

normale Dosis kann gegeben<br />

Analgetika Pethidin (Dolantin®) ASS (Aspisol®) Naproxen (Proxen®)<br />

Pentazocin (Fortral®) Indometazin (Amuno®) Phenylbutazon² (Butazolidin®)<br />

Phenacetin<br />

Antibiotika Erythromycin 1<br />

Antidiabetika<br />

(Erythromycin®)<br />

Metamizol (Novalgin®)<br />

Paracetamol 1 (Ben-U-Ron®)<br />

Chloramphenicol<br />

(Leukomycin®)<br />

PAS² (<br />

INH 1 (Isonlazid®) Clindamycin (Sobelin®) Penicillin<br />

Nitrofurantoin ( Furadantin®)<br />

Pyraazinamid (Pyrafat®)<br />

Sulfonamide²<br />

Tetrazykline(Tefilin®)<br />

Metformin (Glucophage®)<br />

Sulfonylharnstoffe² (<br />

Antiepileptika Phenytoin² (Phenhydan®) Barbiturate<br />

Valproinate 1 (Ergenyl®)<br />

FusidinsäureFucidine®)<br />

Metronidazol (Clont®)<br />

Antihypertensiva Glycerolnitrat (Nitrolingual®) Natrium-Nitroprussid<br />

(Nipruss®)<br />

Diuretika<br />

Methyldopa (Presinol®)<br />

Prazosin (Minipress®)<br />

Kardiaka Labetolol Chinidin Digoxin<br />

Lidocain<br />

Metroprolol<br />

Mexitil<br />

Propanolol<br />

Tocainamid<br />

Digitoxin<br />

Procainamid<br />

Verapamil<br />

Captopril (Lopirin®)<br />

Nifedipin (Adalat®)<br />

Furosemid (Lasix®)<br />

Spironolacton (Aldactone®)<br />

Thiazide (Clotride®)<br />

Psychopharmaka Chlorpromazin Barbiturate Lorazepam<br />

Clomethiazol² Diazepam Oxazepam<br />

Demipramin<br />

Imipramin<br />

MAO-Hemmer²<br />

Nortryptilin<br />

1 = dosisabhängige, toxische Leberschädigung möglich<br />

² = dosisunabhängige, toxische Leberschädigung möglich


Prognose<br />

Die Mortalität des <strong>akute</strong>n <strong>Leberversagen</strong>s schwankt zwischen 20 bis 70 und ist von der Ätiologie stark<br />

abhängig:<br />

Ätiologie<br />

Überlebensrate in Prozent<br />

Hepatitis A 67 %<br />

Paracetamolintoxikation 53 %<br />

Hepatitis B 35 %<br />

Hepatitis non-A, non-B 20 %<br />

andere Arzneimittel 12 %<br />

Kriterien für eine schlechte Prognose stellen in der Regel zugleich eine frühe Indikation zur Anmeldung<br />

für eine Lebertransplantation. Solche Kriterien können sein:<br />

- eine rasche Progredienz der hepatischen Enzephalopathie<br />

- Gerinnungsfaktoren < 20 %, Prothrombinzeit > 50 Sekunden<br />

- Ätiologie<br />

a) non-A, non-B-Hepatitis<br />

b) Koinfektion Hepatitis-B-Virus mit Hepatitis-D-Virus<br />

c) Hepatitis E bei Schwangeren<br />

- Serum-Bilirubin > 300 µmol/l<br />

- Ikterusdauer von mehr als 7 Tagen vor Beginn der ersten Anzeichen einer hepatischen<br />

Enzephalopathie.<br />

Auch die Harnstoff-N-Produktionsrate kann als prognostischer Parameter dienen. Unterschreitet die<br />

Harnstoff-N-Produktionsrate 5 g/die, sollte ein junger Patient für eine dringliche Lebertransplantation<br />

vorgesehen werden. Die Indikationsstellung zur Lebertransplantation kann hier auch jeden Tag neu bei<br />

der Überprüfung der gegenwärtigen Therapie ins Kalkül gezogen werden.<br />

Der Komagrad bei Patienten mit <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> vermag ebenfalls als prognostischen Faktor<br />

zu dienen. Trey et al. berichten von einer Multicenterstudie in den USA:<br />

Komagrad Überlebensrate in n = 318<br />

%,<br />

Mittelwert<br />

Range<br />

II° 66 % 43 - 81 %<br />

III° 42 % 19 - 75 %<br />

IV° 18 % 12 - 21 %<br />

Auch das Hirnödem ist als prognostisch schlechter Parameter anzusehen. Zwischen 60 und 70 % aller<br />

Patienten mit <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> beruhend auf einer Virushepatitis und sogar 80 % aller Patienten,<br />

deren Erkrankung auf eine Paracetamol-Vergiftung beruht entwickeln ein Hirnödem, wenn sie Koma<br />

IV° erreicht haben.<br />

Bedenklich: zwischen 60 und 80 % aller Patienten mit <strong>akute</strong>m <strong>Leberversagen</strong> zeigen im<br />

Sektionsbefund als Todesursache ein Hirnödem.<br />

Zur Abschätzung des Operationsrisikos kann die Klassifizierung der funktionellen Leberreserve nach<br />

Child dienen. Pugh modifizierte dieses Schema 1973, so daß folgende Einteilungskriterien entstanden:


Befund je 1 Punkt je 2 Punkte je 3 Punkte<br />

Serumalbumin > 35 g/l 30 - 35 g/l < 30 g/l<br />

Serumbilirubin < 2 mg/dl 2 - 3 mg/dl > 3 mg/dl<br />

< 40 µmol/l 40 - 50 µmol/l > 50 µmol/l<br />

Serumbilirubin bei 1 - 4 mg/dl 4 - 10 mg/dl > 10 mg/dl<br />

primärer Leberzirrhose 20 - 70 µmol/l 70 - 170 µmol/l > 170 µmol/l<br />

Prothrombinzeit 1 - 4 sek über Norm 4 - 6 sek über Norm > 6 sek über Norm<br />

Aszites keiner minimal stark<br />

Enzephalopathie keine Stadien I und II Stadien III und IV<br />

Die Einteilung nach Child erfolgt folgendermaßen:<br />

Child A Child B Child C<br />

5 - 6 Punkte 7 - 9 Punkte 10 - 15 Punkte<br />

Nach der Child-Gruppierung ist es jetzt möglich, Prognosen für das Operationsrisiko bzw. für die 1-<br />

Jahr-Letalitätsrate zu erstellen:<br />

Child A Child B Child C<br />

OP-Risiko < 1 % ≈ 10 % > 50 %<br />

1-Jahres-Letalität gering 20 - 40 % 40 - 60 %


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