GAus âGastâ - Triangelis.de
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Flucht<br />
A<br />
Aktion:<br />
Wir wollen jetzt mit <strong>de</strong>r roten Farbe<br />
einen Abdruck unserer Hän<strong>de</strong> auf das<br />
große Tuch drücken und zwar so, dass<br />
<strong>de</strong>r Umriss <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rsoldaten davon<br />
immer mehr zuge<strong>de</strong>ckt wird.<br />
„Kin<strong>de</strong>rsoldat wer<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r fliehen.“<br />
Das war die Alternative<br />
für Tsige und<br />
Amanuel Tzegai.<br />
Angekommen<br />
Familie Tzegai hat in Kiedrich eine Heimat gefun<strong>de</strong>n<br />
„In Eritrea wird nicht gefragt, ob man etwas anbieten darf. Was man in <strong>de</strong>r<br />
Küche fin<strong>de</strong>t, wird einfach serviert.“ Dass Gastfreundschaft im Rheingau<br />
an<strong>de</strong>rs gelebt wird als in Afrika, entlockt <strong>de</strong>m Ehepaar Tzegai aus Kiedrich<br />
höchstens ein heiteres Lachen. Seit etwa 20 Jahren leben Tsige und Amanuel<br />
Tzegai nun schon in Deutschland, seit sie als Jugendliche vor <strong>de</strong>m<br />
Krieg in ihrer Heimat und <strong>de</strong>m drohen<strong>de</strong>n Militärdienst geflüchtet sind.<br />
In ihrem Wohnzimmer, das ganz ohne <strong>de</strong>n allgegenwärtigen Trend zur<br />
Afrika-Deko auskommt, serviert Amanuel Tzegai Kaffee und Rheingauer<br />
Stückchen und räumt gleich je<strong>de</strong>n Verdacht beiseite, dass er in Deutschland<br />
nicht herzlich aufgenommen wor<strong>de</strong>n wäre: „Ich kann mich beim besten<br />
Willen nicht beschweren. Ich habe mich je<strong>de</strong>rzeit willkommen gefühlt<br />
und immer freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen.“<br />
Seine Frau, die heute als Krankenschwester arbeitet, nickt und beginnt<br />
davon zu erzählen, wie ihr und ihren Geschwistern zahlreiche Menschen<br />
dabei geholfen haben, <strong>de</strong>n Start in <strong>de</strong>m frem<strong>de</strong>n Land zu meistern.<br />
Obwohl sie ganz ruhig spricht und sich mit keiner Silbe über die<br />
damaligen Zustän<strong>de</strong> beklagt, wird doch klar, dass es keine leichte<br />
Zeit gewesen ist, als sie 1991 ohne Eltern nach Wiesba<strong>de</strong>n kam. Zu<br />
viert wohnten sie in einem kleinen betreuten Zimmer in Wiesba<strong>de</strong>n.<br />
Immerhin fünf Jahre dauerte es, bis ihr Asylantrag genehmigt wur<strong>de</strong>,<br />
doch statt über die Entbehrungen für ein damals 16jähriges Mädchen<br />
spricht sie lieber über die Chancen, die ihr freundliche Menschen eröffnet<br />
hätten. Sprachkurse habe sie besuchen dürfen und die Abendhauptschule,<br />
auf <strong>de</strong>r sie auch <strong>de</strong>n Abschluss schaffte.<br />
Das Ehepaar Tzegai erzählt so gar nicht die Geschichte von<br />
verweigerter Gastfreundschaft und von Frem<strong>de</strong>nhass: „Es waren im-<br />
to: Reuters / Gleb Garanich<br />
10 11<br />
Herberge<br />
mer Menschen da, die angeboten haben zu helfen“, blickt das Ehepaar zurück.<br />
Die neunjährige Bethel hört <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen ihrer Eltern interessiert<br />
zu, die dreijährige Zoe ist auf <strong>de</strong>m Schoß <strong>de</strong>r Mutter eingeschlafen. Da seien<br />
die Betreuer im Kiedricher AWO-Heim gewesen, von <strong>de</strong>nen Amanuel Tzegai<br />
sagt, er habe in ihnen Eltern gesehen, o<strong>de</strong>r<br />
die Leute vom Flüchtlingsrat in Wiesba<strong>de</strong>n<br />
und die Mitarbeiter in <strong>de</strong>n Kirchen, die ihnen<br />
regelmäßige Treffen mit an<strong>de</strong>ren orthodoxen<br />
Flüchtlingen aus <strong>de</strong>r Heimat ermöglichten. So<br />
seien Perspektiven entstan<strong>de</strong>n: „Heute sind<br />
wir Kiedricher. Und unsere Kin<strong>de</strong>r erst recht.“<br />
Bethel nickt, für sie ist das selbstverständlich.<br />
Foto: Höhndorf<br />
Ute Kobus Spei<strong>de</strong>l, die Bethel unterrichtet,<br />
kann das bestätigen. Für sie ist es ganz<br />
Ehepaar Tzegai im Gespräch mit Ute Kobus-Spei<strong>de</strong>l.<br />
normal, dass Bethels Eltern nach <strong>de</strong>r Schule mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Eltern auf <strong>de</strong>m<br />
Schulhof stehen und lachen. Es ist normal, dass bei Bethels Kin<strong>de</strong>rgeburtstag<br />
die eingela<strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r alle Deutsche sind. Und für Tsige Tzegai ist es<br />
auch normal, dass ihre Tochter beim Besuch <strong>de</strong>r Verwandten in Eritrea bald<br />
vor allem eines will: Nach Hause zu ihren Freundinnen. Nach Kiedrich.<br />
Natürlich gab es auch an<strong>de</strong>re Erfahrungen. Eine Dozentin beschimpfte<br />
Amanuel Tzegai während seiner Ausbildung zum Altenpflegehelfer in<br />
Kiedrich mehrmals, dass er nicht in Afrika geblieben sei. Seine Frau machte<br />
die gleiche Erfahrung: „Ich musste bei dieser Frau – als Österreicherin war sie<br />
doch auch nicht von hier! – viel runterschlucken.“ „Eine böse Frau. Aber die<br />
gibt es an<strong>de</strong>rswo auch.“<br />
„Ich wohne jetzt seit über 20 Jahren in Kiedrich“, sagt Amanuel Tzegai,<br />
„ich kenne hier fast je<strong>de</strong>n.“ Das hat neben seinem Beruf als Altenpfleger<br />
viel mit seiner großen Lei<strong>de</strong>nschaft zu tun, <strong>de</strong>m Fußball. In <strong>de</strong>r letzten Saison<br />
titelte <strong>de</strong>r Wiesba<strong>de</strong>ner Kurier über die siegreiche Kiedricher Mannschaft:<br />
„Das Kollektiv schlechthin.“ Das Erfolgsgeheimnis sei, „dass das Gros <strong>de</strong>r<br />
Spieler aus Kiedrich stammt.“ Mittendrin: Amanuel Tzegai. Thomas Höhndorf