Qindie-Mag Traum und Trauma.pdf
Das erste Qindie-Magazin Herbst 2014
Das erste Qindie-Magazin
Herbst 2014
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Er hing in der Luft, wie Schwefelgeruch am Neujahrsmorgen. Ich bewegte mich<br />
so wenig wie möglich, um herauszufinden, wo genau er sich befand, <strong>und</strong> um<br />
ihn nicht mit einer unüberlegten, fahrigen Bewegung zu vertreiben. Er war da,<br />
ganz sicher, fast greifbar. Er schaukelte in den Ästen des Birnbaums, den ich zu<br />
Emilies Geburt gepflanzt, <strong>und</strong> der nie Früchte getragen hatte. Verfing sich in<br />
den Gardinen des offenen Küchenfensters, die einmal hinaus <strong>und</strong> ein andermal<br />
hinein flatterten, wie ein Kind, das sich nicht entscheiden kann, ob es auf den<br />
eigenen Füßen stehen oder sie doch lieber noch eine Zeit lang unter Mamas<br />
Tisch stellen möchte. Schließlich wehte er direkt an meiner Nase vorbei, tanzte<br />
einige Sek<strong>und</strong>en auf den Seilen der Wäschespinne, verdrückte sich durch den<br />
Jägerzaun <strong>und</strong> floh auf die Hauptstraße. Fast hätte ich ihm nachgebrüllt, er solle<br />
vorsichtig sein, wenn er die Straße überquert.<br />
»Was ist denn los mit dir?«<br />
Werners Stimme riss mich herum <strong>und</strong> ich verlor den Kontakt. Doch ich hatte<br />
noch bemerkt, dass er in die Kirchgasse abgebogen war, Richtung Marktplatz.<br />
»Verdammt!«, sagte ich. »Verdammt, ich habe ihn verloren.«<br />
»Wen?«<br />
»Den Gedanken. Er war wichtig, das weiß ich.«<br />
Werner glotzte mich mit halb offenem M<strong>und</strong> an. Stemmte die Hände in die<br />
Hüfte <strong>und</strong> kräuselte die Nase, wie er es immer tat, wenn er sich nicht entscheiden