MEIN PASSAU
MP_1435.pdf
MP_1435.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TITELTHEMA<br />
Kooperationen bei Wasserschutzgebietsberatungen<br />
sowie die Überwachung der<br />
Rohwasserbeschaffenheit<br />
zeigen, dass die Umweltqualitätsziele<br />
von 50 Milligramm<br />
Nitrat je Liter im Grund- und<br />
Oberflächenwasser anders<br />
nicht zu erreichen sind. Aus<br />
Gründen des Gewässerschutzes<br />
darf der zulässige<br />
Stickstoff-Saldo nach Feststellung<br />
von Fachleuten der<br />
Wasserbranche nach der<br />
Hoftorbilanz im drei Jahresmittelwert<br />
60 kg pro Hektar<br />
und Jahr nicht überschreiten.<br />
Außerdem dürften auch<br />
nicht mehr als zwei Großvieheinheiten<br />
(GV), das sind<br />
acht Schweine oder zwei<br />
Kühe pro Hektar, gehalten<br />
werden statt wie bisher bis<br />
zu sechs GV und mehr. Wir<br />
Naturschützer fordern zudem,<br />
Grünlandumbruch –<br />
die Umnutzung von Weiden<br />
und Wiesen zu Ackerland –<br />
zu verbieten. Die Neufassung<br />
der Düngemittelverordnung<br />
auf natürliche Art einhaltbare<br />
Grenzwerte scheiterte<br />
bisher immer an der Lobbyarbeit<br />
in Regierungskreisen,<br />
Ministerien und darüber<br />
hinaus des Bauernverbandes,<br />
aber auch vieler seiner Untergliederungen<br />
und sonstigen<br />
Mithelfer aus rein finanziellen<br />
Interessen.“<br />
Mein Passau: Sind das<br />
Amt für Landwirtschaft, die<br />
Wasserwirtschaftsämter und<br />
Landkreise personell nicht<br />
heillos überfordert, um eine<br />
umweltverträgliche Gülleausbringung<br />
kontrollieren zu<br />
können?<br />
Karl Haberzettl: „Das<br />
Landwirtschaftsamt ist personell<br />
nicht überfordert, so<br />
meine Erfahrungen. Ganz<br />
anders sieht es bei den für<br />
die Sauberkeit, Trinkbarkeit,<br />
Keimfreiheit und Überwachung<br />
des Wasserkreislaufes<br />
zuständigen Behörden aus.<br />
Diese sind personell extrem<br />
unterbesetzt und bedürfen<br />
einer personellen Aufstockung,<br />
wenn hier weiterhin<br />
ordentliche Arbeit geleistet<br />
werden soll. Gerade bei den<br />
für das Wasser zuständigen<br />
Behördenvertretern ist noch<br />
ein weiteres fatales Phänomen<br />
zu beobachten: Sie machen<br />
in vielen Bereichen die<br />
Ankläger zu Angeklagten.<br />
Auch das muss sich ändern.<br />
Ebenfalls fehlt Betroffenen<br />
die Unterstützung der Politik,<br />
nicht nur der großen,<br />
sondern auch der Politik vor<br />
Ort.“<br />
Mein Passau: Der BUND<br />
weist darauf hin, dass der<br />
Anteil der Messstellen in<br />
Deutschland, die eine deutliche<br />
Nitratbelastung melden,<br />
erheblich gestiegen ist – genau<br />
dort, wo die Massentierhalter<br />
viel Gülle produzieren,<br />
der Anbau von Energiepflanzen<br />
starkes Düngen erfordert<br />
und Gärprodukte aus<br />
Biogasanlagen auf dem Acker<br />
landen. Beschreiten wir beim<br />
Thema Biogas den falschen<br />
Weg?<br />
Karl Haberzettl: „In<br />
Niedersachsen leben bereits<br />
mehr als vier Mal mehr<br />
Masthühner, nämlich 36,5<br />
Millionen, als Einwohner.<br />
Damit beheimatet Niedersachsen<br />
etwa die Hälfte aller<br />
Masthühnerställe Deutschlands.<br />
„Doch auch Bayern<br />
ist keine Insel der Seligen<br />
mehr. In Bayern wurden die<br />
Kapazitäten in den letzten<br />
drei Jahren um 62 Prozent<br />
erhöht, von 5,2 auf 8,4 Millionen<br />
Masthühnchenplätze.<br />
Die bayerische Staatsregierung<br />
muss sich endlich für<br />
strengeren Tierschutz und<br />
den Stopp flächenunabhängiger<br />
Tierfabriken einsetzen,<br />
um den weiteren Trend zur<br />
„Das Wort Brunnenvergifter<br />
wird weltweit<br />
noch zu einer<br />
nie geahnten Bedeutung<br />
aufsteigen.“<br />
industrialisierten Hühnerhaltung<br />
zu stoppen. Spitzenreiter<br />
unter den Regierungsbezirken<br />
ist Niederbayern.<br />
Dort wurden im Landkreis<br />
Landshut 648.000 Masthühnertierplätze<br />
genehmigt und<br />
weitere 39.900 beantragt,<br />
Karl Haberzettl (2.v.l.) mit Vertretern des Wasserwirtschaftsamtes und des Amtes für Landwirtschaft<br />
bei einem Ortstermin in Sachen Gülle: „Das Landwirtschaftsamt ist personell nicht überfordert, so<br />
meine Erfahrungen. Ganz anders sieht es bei den für die Sauberkeit, Trinkbarkeit, Keimfreiheit und<br />
Überwachung des Wasserkreislaufes zuständigen Behörden aus.“ <br />
Foto: Russ<br />
9<br />
gefolgt vom Landkreis Rottal-Inn<br />
mit 425.000 genehmigten<br />
und weiteren 74.000<br />
beantragten Tierplätzen.<br />
Niederbayern zählt, neben<br />
Oberbayern und Schwaben,<br />
zu den Regionen mit den<br />
höchsten durchschnittlichen<br />
Viehdichten in Bayern. Über<br />
die importierten Futtermittel<br />
gelangen auch immer<br />
mehr Nährstoffe auf die<br />
Ackerflächen, die zu Ammoniakemissionen<br />
und auch zur<br />
Belastung des Trinkwassers<br />
mit Nitrat führen. Bei Biogas<br />
sind wir nicht auf dem<br />
verkehrtem Weg, wir haben<br />
nur den ursprünglich richtigen<br />
verlassen, nämlich aus<br />
der vorhanden Gülle Gas zu<br />
produzieren. Jetzt machen<br />
wir es vielerorts nur noch<br />
mit Mais und zugekauftem<br />
Material.“<br />
Mein Passau: Es heißt ja<br />
immer, das Trinkwasser in<br />
Deutschland sei rein. Sitzen<br />
wir aber nicht alle auf einer<br />
tickenden Zeitbombe? Immerhin<br />
dauert es ja bis zu 30<br />
Jahre, bis das heute mit der<br />
Gülle ausgebrachte Nitrat<br />
das Grundwasser erreicht.<br />
Können wir in 30 Jahren<br />
unser Wasser noch trinken,<br />
wenn wir so weiterdüngen?<br />
Karl Haberzettl: „Die<br />
Nitrateinträge und andere<br />
Schadstoffeinträge von heute<br />
werden wir erst so richtig in<br />
30 Jahren zu spüren bekommen,<br />
das ist richtig, so lange<br />
dauert der Kreislauf eines<br />
Wassertropfens. In vielen<br />
Trinkwasseranlagen wird bei<br />
uns „gutes“ und „schlechtes“<br />
Wasser schon vermischt<br />
um den zulässigen Wert von<br />
50 mg einhalten zu können.<br />
Kostensteigerung durch<br />
Reinigung werden auf uns<br />
zukommen. Das Wort Brunnenvergifter<br />
wird weltweit<br />
noch zu einer nie geahnten<br />
Bedeutung aufsteigen.“<br />
Mein Passau: Was können<br />
konkret wir Verbraucher<br />
unternehmen, wenn es uns<br />
zu sehr zum Himmel stinkt?<br />
Karl Haberzettl: „Ganz<br />
einfach: Den Fleischkonsum<br />
einschränken und bewusster<br />
einkaufen.“<br />
Das Gespräch führte<br />
Christian Russ