Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer (Vechta): Erlebte pädagogische ...
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Zentrum für<br />
Empirische<br />
Bildungsforschung<br />
und Fachdidaktik<br />
<strong>Erlebte</strong> <strong>pädagogische</strong> Effektivität von<br />
Lehrkräften<br />
<strong>Vechta</strong>, 19. April 2010<br />
Beitrag zum wissenschaftlichen Kolloquium „Pädagogische Effektivität und Effizienz“<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Karl</strong>-<strong>Oswald</strong> <strong>Bauer</strong>, Leiter des Zentrums für Empirische Bildungsforschung und<br />
Fachdidaktik (ZEBiD)<br />
www.zebid.uni-vechta.de 1
Gliederung<br />
1. Relevanz und konzeptueller Rahmen<br />
2. Zwei Beispiele für Effizienz<br />
3. Ein Beispiel für (erlebte) Effektivität<br />
4. Konstrukt der erlebten <strong>pädagogische</strong>n Wirksamkeit<br />
5. Forschungsergebnisse zur Validierung<br />
6. Konsequenzen für Forschung, Lehrerbildung und Schulpraxis<br />
www.zebid.uni-vechta.de 2
kurz und knapp<br />
• Effizienz ist eine gesunde Form der Faulheit.<br />
• Pädagogisches Testen ist effizientes Testen<br />
dank PTT.<br />
• <strong>Erlebte</strong> <strong>pädagogische</strong> Effektivität ist ein<br />
Kernkonzept für <strong>Prof</strong>essionalität.
Relevanz<br />
Pädagogische Arbeit ist anstrengend, mitunter zermürbend,<br />
zeitaufwändig und extrem personalintensiv.<br />
Als professionalisierte personbezogene Dienstleistung entzieht sie sich<br />
Rationalisierungsbemühungen, die in anderen Berufen greifen.<br />
Ihre Technologisierung schreitet voran, aber der humane Faktor ist<br />
offenbar weiterhin entscheidend.<br />
Umso wichtiger wird es, ihre Wirksamkeit systematisch zu überprüfen<br />
und wirkungsschwache und ineffiziente Maßnahmen, Handlungsmuster<br />
und Organisationsformen zu erkennen.<br />
Eine Verbesserung der Wirksamkeit liegt nicht nur im Interesse der<br />
jeweiligen Zielgruppen, sondern auch der Angehörigen <strong>pädagogische</strong>r<br />
Berufe, denn auch deren Gesundheit und Wohlergehen stehen auf dem<br />
Spiel.<br />
Deshalb bezieht sich dieses Kolloquium auf für die Bildungsforschung<br />
zentrale Forschungsdesiderata.
Konzeptueller Rahmen<br />
real<br />
erlebt<br />
Effizienz<br />
Verhältnis von Ertrag und<br />
Aufwand<br />
Unterrichtsqualität/<br />
Vorbereitungszeit;<br />
Diagnosevalidität/Diagnoseaufwand<br />
Engagement/<strong>pädagogische</strong><br />
Wirkung<br />
Effektivität<br />
Art und Ausmaß der<br />
erzielten Wirkungen<br />
Lernzuwächse;<br />
Erzieherische Wirkungen,<br />
z.B. Selbstregulation,<br />
Sozialkompetenz<br />
wahrgenommene Wirksamkeit<br />
des eigenen<br />
Handelns; gutes Gefühl in<br />
der Interaktion; Feedback
Beispiel 1: Faul oder effizient?<br />
• Typ S: ausgeprägte Schonungstendenz<br />
gegenüber beruflichen Anforderungen<br />
• Risikomuster A: überhöhtes Engagement<br />
(Selbstüberforderung), das keine<br />
Entsprechung im Lebensgefühl findet,<br />
verminderte Widerstandsfähigkeit gegenüber<br />
Belastungen (Schaarschmidt/Kieschke 2007, S.<br />
23)
Tabelle 1 - Ergebnisse einer Studie zu Lehrerbelastung und Unterrichtsqualität<br />
Typ G<br />
Typ S<br />
Typ A<br />
Typ B<br />
F<br />
Eta-Quadrat<br />
N=98<br />
N= 73<br />
N=90<br />
N=83<br />
Störung im Unterricht<br />
(Mittelwerte)<br />
Interaktionstempo<br />
(Mittelwerte)<br />
Kognitive Selbstständigkeit<br />
(Mittelwerte)<br />
Sozialorientierung<br />
(Mittelwerte)<br />
Gerechtigkeitserleben<br />
(Mittelwerte)<br />
2,47 2,42 2,49 2,53
Burnout und Unterrichtsqualität<br />
Unter Burnout leidet auch die Unterrichtsqualität.<br />
Interessant, wenn nicht sensationell: Lehrpersonen des Schonungstyps<br />
erzielen keine schlechtere Unterrichtsqualität als Lehrpersonen des<br />
Selbstüberforderungstyps A.<br />
Könnte Lehrpersonen des Typs A geholfen werden, indem die Effizienz<br />
ihrer Arbeit erhöht wird, bei gleichzeitiger Reduzierung des Stress?<br />
Arbeiten Lehrkräfte des Schonungstyps besonders effizient?<br />
www.karl-oswald-bauer.de 8
<strong>Prof</strong>essorenspringen und KTT<br />
Item 3<br />
Item 2<br />
Item 1<br />
Alle <strong>Prof</strong>s der Uni <strong>Vechta</strong> werden auf ihre Hochsprungfähigkeit<br />
getestet. <strong>Dr</strong>ei Items sind zu absolvieren. (frei nach Bühner 2006)<br />
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Beispiel 2: Effizienz und adaptives Testen<br />
• Computerisiertes adaptives Testen (CAT) ermöglicht<br />
individualisiertes Testen.<br />
• „the main motive is (…) efficiency“ (Eggen 208, S.<br />
215)<br />
• 50 % der Items (Aufgaben) genügen.<br />
• Unmittelbares Feedback ist möglich.<br />
• Authentischere und interessantere Aufgaben sind<br />
möglich.<br />
• Mehrdimensionale Kompetenzmessungen sind<br />
möglich.
Fähigkeit, Aufgabenschwierigkeit und<br />
Lösungswahrscheinlichkeit nach der PTT<br />
Quelle: Bühner 2006, S. 313
Beispiel 3:<br />
Arbeitsbezogenes Erleben von Lehrkräften<br />
Zur Erfassung des arbeitsbezogenen Erlebens von Lehrkräften haben wir<br />
ein Instrument entwickelt, das vier deutlich voneinander unterscheidbare<br />
Dimensionen des berufsbezogenen Erlebens erfasst: das Wohlbefinden im<br />
Arbeitsumfeld, das von den Lehrkräften wahrgenommene Interesse der<br />
Schülerinnen und Schüler am eigenen Unterricht, das Vertrauen in der<br />
Lehrer-Schüler-Beziehung und schließlich die subjektiv erlebte Wirksamkeit<br />
der eigenen <strong>pädagogische</strong>n Arbeit.<br />
Zur Validierung des Konstruktes einer subjektiv erlebten spezifisch<br />
<strong>pädagogische</strong>n Wirksamkeit führten wir konfirmatorische Faktorenanalysen<br />
und Pfadanalysen durch, die auch inhaltlich interessant sind.
<strong>Erlebte</strong> <strong>pädagogische</strong> Wirksamkeit<br />
(α = 0,849; M = 43,02; SD = 4,74; Min = 13, Max = 52)<br />
trifft voll<br />
zu<br />
trifft gar<br />
nicht zu<br />
Konstrukt der erlebten<br />
<strong>pädagogische</strong>n<br />
Wirksamkeit,<br />
Messinstrument<br />
online verfügbar unter:<br />
www.zebid-testothek.de<br />
1. Ich denke, dass durch mich ein gutes Basiswissen für den<br />
weiteren Lebensweg der Schüler vermittelt wird. <br />
2. Schüler werden durch meinen Unterricht angeregt, zu<br />
denken und eigene Ideen zu entwickeln. <br />
3. Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich in den Unterricht gehe. <br />
4. Ich bin den Schülern gegenüber positiv eingestellt und offen<br />
für deren Ideen. <br />
5. Ich sehe meine Arbeit als sinnvoll an. <br />
6. Mir macht die Arbeit mit Lernenden Freude. <br />
7. Ich bin davon überzeugt, dass die Schüler infolge meines<br />
Unterrichts gut in den Beruf kommen werden. <br />
8. Ich bin mir sicher, dass ich das Wissen so vermittele, dass es<br />
einprägsam ist und bleibt. <br />
9. Ich trage auch zur Erziehung der Schüler Wesentliches bei. <br />
10. Die Schüler zeigen mir deutlich, wenn sie sich freuen. <br />
11. Ich bin auch für Kritik von Schülern zugänglich und lerne<br />
daraus. <br />
12. Ich bekomme von meinen Schülern häufig ohne<br />
Aufforderung eine positive Rückmeldung über meinen<br />
Unterricht.<br />
<br />
13. Schüler berichten mir, dass sie langfristig von meinem<br />
Unterricht profitieren.
Ergebnis einer konfirmatorischen<br />
Faktorenanalyse (vereinfachte Darstellung)<br />
<strong>Erlebte</strong> <strong>pädagogische</strong><br />
Wirksamkeit<br />
.49<br />
Berufszufriedenheit<br />
-.31 -.36<br />
Burnout<br />
r<br />
2<br />
.34
Pfadmodell<br />
Schulform<br />
-.16<br />
Integration neuer<br />
Kollegen<br />
.21 .18<br />
.16<br />
Positives Sozialklima<br />
im Kollegium<br />
.19<br />
<strong>Erlebte</strong> <strong>pädagogische</strong><br />
Wirksamkeit<br />
.28<br />
Berufszufriedenheit<br />
-.31 -.36<br />
Burnout<br />
2<br />
r<br />
.29<br />
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Unterrichtsqualität: alle Kriterien<br />
<strong>Erlebte</strong><br />
Wirksamkeit<br />
Interesse wecken<br />
können<br />
Vertrauen<br />
-.39*<br />
Reduzierte<br />
Leistungsfähigkeit<br />
.33*<br />
.13* .21*<br />
- .14<br />
Unterrichtsqualität insgesamt<br />
r = 0.66<br />
r 2 = 0.44<br />
* = standardisierte<br />
Betakoeffizienten<br />
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Unterrichtsqualität: adaptiv<br />
<strong>Erlebte</strong><br />
Wirksamkeit<br />
.34*<br />
Vertrauen<br />
.17*<br />
.15*<br />
Positive Lehrer-<br />
Schüler-Beziehung<br />
Unterrichtsqualität: adaptiv<br />
r = 0.54<br />
r 2 = 0.29<br />
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Strukturkarte <strong>Prof</strong>essionelles Selbst<br />
<strong>Prof</strong>essionelles Selbst<br />
Kompetenzen<br />
Steuerung<br />
Basiskompetenzen<br />
Fachkompetenzen<br />
Werte/Ziele<br />
<strong>Prof</strong>essionelles<br />
Selbstkonzept<br />
Überzeugungen<br />
Strukturieren<br />
fachwiss.<br />
allgemeine<br />
Vertrauen<br />
Allgemeine<br />
Selbstwirksamkeit<br />
Kommunizieren<br />
fachdidaktische<br />
spezifisch<br />
<strong>pädagogische</strong><br />
<strong>Erlebte</strong><br />
Wirksamkeit<br />
Begabungskonzepte<br />
Interagieren<br />
Interesse<br />
wecken<br />
können<br />
Hintergrundarbeit
Fragen<br />
• Wie stark sind die Zusammenhänge zwischen<br />
erlebter und tatsächlicher <strong>pädagogische</strong>r<br />
Wirksamkeit?<br />
• Welche Beziehungen bestehen zwischen Effizienz<br />
und erlebter sowie realer <strong>pädagogische</strong>r Effektivität?<br />
• Wie stark sind die Zusammenhänge zwischen<br />
<strong>pädagogische</strong>n Basiskompetenzen und erlebter<br />
Wirksamkeit?
Fazit<br />
• Am Beispiel der unterschiedlichen Beanspruchung von<br />
Lehrpersonen bei gleicher Unterrichtsqualität sowie der<br />
Belastung von Testpersonen durch unterschiedliche<br />
Testverfahren wurde gezeigt, dass Effizienz für die<br />
Bildungsforschung eine zentrale Kategorie darstellt.<br />
• Das Konstrukt der erlebten <strong>pädagogische</strong>n Effektivität trägt<br />
zur Aufklärung von Burnout bei, beispielsweise kann es den<br />
paradoxen Befund erklären, dass hohe gesundheitliche<br />
Risiken und zugleich normale bis hohe Berufszufriedenheit für<br />
den Lehrerberuf typisch sind.<br />
• Das Konstrukt eignet sich auch zur Vorhersage von wichtigen<br />
Merkmalen der Unterrichtsqualität.<br />
• Es ist schließlich geeignet, Untersuchungen zu Effekten der<br />
Aus- und Fortbildung, zur berufsbiographischen Entwicklung<br />
und zum professionellen Selbst quantitativ zu stützen.
Literatur<br />
• <strong>Bauer</strong>, K.-O./Kemna, P. (2009). Arbeitsbezogenes Erleben von Lehrkräften.<br />
Validierung eines Messinstruments. In: Bildungsforschung 2 (2009), S. 81-110,<br />
online verfügbar unter URL: http://www.bildungsforschung.org/<br />
• Bühner, M. (2006) Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. München<br />
u.a.: Pearson<br />
• Eggen, T. J. H. M. (2008). Adaptive Testing and Item Banking. In: Hartig, J./Klieme,<br />
E./Leutner, D. (Hrsg.). Assessment of Competencies in Educational Contexts.<br />
Cambridge, MA/Göttingen: Hogrefe & Huber, S. 215-234<br />
• Klusmann u.a. (2006): Lehrerbelastung und Unterrichtsqualität aus der Perspektive<br />
von Lehrenden und Lernenden. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 20 (3),<br />
2006, S. 161-173<br />
• Schaarschmidt, U./Kieschke, U. (2007). Gerüstet für den Schulalltag.<br />
Psychologische Unterstützungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer. Weinheim:<br />
Beltz<br />
www.zebid.uni-vechta.de 21