Heft 2 + 3 / 2011 - UniversitätsVerlagWebler
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P-OE<br />
C. K. Karl • Kompetenzorientiertes Prüfungsmodell in den Bauwissenschaften<br />
Christian K. Karl<br />
Kompetenzorientiertes Prüfungsmodell<br />
in den Bauwissenschaften<br />
Christian K. Karl<br />
Allgemein besteht die Ansicht, dass das Ziel einer Prüfung<br />
die reine Beurteilung von erworbenem Faktenwissen sei.<br />
Unter anderem durch die Bologna Deklaration (1999) und<br />
das Berliner Kommuniqué (2003) soll die akademische<br />
Ausbildung kompetenzbasiert und outcome-orientiert sein.<br />
Daraus ist das langfristige Ziel abzuleiten, dass die Studierenden<br />
im Rahmen eines umfassenden Persönlichkeitsentwicklungsprozesses<br />
dazu befähigt werden eine bestimmte<br />
Aufgabe verantwortungsvoll sowohl fachlich wie auch sozial<br />
angemessen erfolgreich zu lösen. Aus diesem Grund soll<br />
laut ECTS Users' Guide (2004) das Lernziel einer Lehrveranstaltung<br />
aus einer Vielzahl von verschiedenen Kompetenzen<br />
bestehen. Diese setzen sich aus einer dynamischen<br />
Kombination von Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen<br />
zusammen. Eine Prüfung muss daher über die reine<br />
Validierung von Faktenwissen hinaus gehen und zum Ziel<br />
haben innerhalb eines nach formalen Vorschriften geregelten<br />
Verfahrens Fähig- und Fertigkeiten (Kompetenzen) zu<br />
erfassen und bewertbar zu machen.<br />
Dieser Beitrag stellt die Grundlagen des kompetenzorientierten<br />
Prüfungsmodells LOCAM (Learning Outcomes and<br />
Competency Assessment Model) vor und soll anhand von<br />
Beispielen aus dem Bereich der Bauwissenschaften, wie<br />
sie am Institut für Baubetrieb und Baumanagement der<br />
Universität Duisburg-Essen angewendet werden, Transfermöglichkeiten<br />
für andere Bereiche aufzeigen. Es wurde<br />
auf der gemeinsamen Tagung „Kompetenzorientiertes<br />
Prüfen in den Ingenieurwissenschaften und der Informatik“<br />
von 4ING und Projekt nexus der Hochschulrektorenkonferenz<br />
am 29.03.<strong>2011</strong> an der Universität Bremen erstmals<br />
vorgestellt.<br />
Hintergrund<br />
In klassischen Prüfungen steht, wie auch in den Veranstaltungen<br />
auf denen sie gründen, das domänenspezifische<br />
Fachwissen im Mittelpunkt. Dabei handelt es sich zumeist<br />
um das Abfragen von Faktenwissen oder das Anwenden auf<br />
zumeist bekannte oder neuerdings auch teilweise neue<br />
Probleme. Auch wenn Letzteres eine Weiterentwicklung in<br />
Richtung problemorientierter Lehr-Lern-/ bzw. Prüfungsszenarien<br />
darstellt, ist sie noch keine kompetenzorientierte<br />
Prüfungsmethode.<br />
Ein kompetenzorientiertes Prüfungsmodell soll im Folgenden<br />
als ein (vorzugsweise auf einem Kompetenzmodell basiertes)<br />
Modell verstanden werden, innerhalb dessen verschiedene<br />
Dimensionen in Form von Systemen, und darin<br />
enthaltenen Subsystemen und Elementen wie auch deren<br />
gegenseitige Abhängigkeiten und Einflüsse festgelegt sind,<br />
welches in die Lage versetzen soll Prüfungsszenarien zu<br />
konzipieren, um die Erfassung von Fähig- und Fertigkeiten<br />
von Individuen zu ermöglichen.<br />
In diesem Zusammenhang liegt der Schwerpunkt insbesondere<br />
darauf, inwiefern die für die Prüfung motivierten und<br />
durch soziale resp. rechtliche Befugnis zugelassenen Teilnehmer/innen<br />
die Fertigkeit besitzen Fakten in Fachwissen<br />
transformiert zu haben um dieses aufgabenangemessen als<br />
situierte Fähigkeit in einem wettbewerbsorientierten Umfeld<br />
angepasst und verantwortungsvoll zu einem bestimmten<br />
Zweck erfolgreich einzusetzen. Denn erst dann kann<br />
von einem kompetenten Individuum gesprochen werden.<br />
Anforderungen<br />
Die elementaren Anforderungen an ein kompetenzorientiertes<br />
Prüfungsmodell werden durch vier Dimensionen<br />
definiert. Die erste Dimension, welche sich nicht von<br />
denen eines nicht kompetenzorientierten Prüfungsmodells<br />
unterscheidet, ist die formale Dimension. Diese wird<br />
u.a. von den Prüfungsordnungen festgelegt und über die<br />
Prüfungsämter koordiniert und geregelt, wie z.B. im Hinblick<br />
auf Prüfungszeiträume und Terminierung der Prüfungen.<br />
Weitere zu berücksichtigende Elemente sind der zeitlich<br />
und ökonomisch zu optimierende Einsatz von Ressourcen<br />
wie Personalkapazitäten für die Erstellung und<br />
Durchführung der Prüfung oder benötigte Materialen,<br />
verfügbare EDV-Infrastruktur u.v.m.. Erheblichen Einfluss<br />
darauf haben u.a. die Teilnehmeranzahl und die zur Verfügung<br />
stehenden Räumlichkeiten. Ein weiterer Aspekt ist<br />
die Dimension der Durchführung, in welcher der zentrale<br />
Punkt die Prüfungsart bzw. –form ist. Hierbei liegt der<br />
Fokus auf der Beantwortung der Frage wie spezifische<br />
Fähig- und Fertigkeiten geprüft werden können. Weiterhin<br />
gilt es die Dimension der Inhaltsdefinition zu berücksichtigen,<br />
bei der es darum geht den Gegenstand der Prüfung<br />
festzustellen. Neben dem fachlichen Inhalt steht hier<br />
insbesondere eine auf die zu erfassenden Fähig- und Fertigkeiten<br />
abgestimmte quantitative wie auch qualitative<br />
Inhaltsbetrachtung im Vordergrund. Als weitere Anforderung<br />
kann die Rückmeldung des Lehr-Lernerfolgs an die<br />
Teilnehmer/innen und an die Lehrenden festgestellt werden.<br />
Die Prüfung besitzt damit auch die Dimension der<br />
Evaluation. Richtig eingesetzte kann sie neben der Erfassung<br />
und Bewertung von Fähig- und Fertigkeiten zusätz-<br />
P-OE 2+3/<strong>2011</strong><br />
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