Vom Deutschland-Besuch de Gaulles zum ... - Charles de Gaulle
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Lan<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung Ba<strong>de</strong>n‐Württemberg<br />
Klaus Pfiffer/Eduard Schön, <strong>Vom</strong> <strong>Deutschland</strong>‐<strong>Besuch</strong> <strong>de</strong> <strong><strong>Gaulle</strong>s</strong> <strong>zum</strong> Élysée‐Vertrag ‐ Vorschläge für <strong>de</strong>n Unterricht, 2012<br />
Großbritannien sei jedoch noch immer eine wirtschaftliche Großmacht, und sein Einfluß bei<br />
<strong>de</strong>n Vereinigten Staaten sei beträchtlich. (…)<br />
Frankreich müsse unbedingt wie<strong>de</strong>r stark wer<strong>de</strong>n. Die Schwäche Frankreichs habe eine<br />
schwere Gefahr dargestellt. Ich wünschte ihm, <strong>de</strong> <strong>Gaulle</strong>, je<strong>de</strong>n nur möglichen Erfolg und ein<br />
langes Leben (…).<br />
<strong>Vom</strong> französischen Volk sagte <strong>de</strong> <strong>Gaulle</strong>, daß es eine schwere Krankheit durchgemacht habe.<br />
Es sei ein großes Volk gewesen, insbeson<strong>de</strong>re aber habe es sich für sehr groß gehalten. Es<br />
habe geglaubt, daß es berufen sei, die erste Rolle in <strong>de</strong>r Welt zu spielen. (…)<br />
Frankreich müsse ein neues moralisches Gleichgewicht fin<strong>de</strong>n, das auf <strong>de</strong>n neuen<br />
Wirklichkeiten aufgebaut sei, um dadurch wie<strong>de</strong>r zu einer zusammenhängen<strong>de</strong>n Nation zu<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Situation sei heute besser als früher. Es bestehe heute in Frankreich ein guter<br />
Wille, eine Aufrichtigkeit im Hinblick auf sich selbst und die an<strong>de</strong>ren. Sehr interessant fand<br />
ich in diesem Zusammenhang folgen<strong>de</strong> Bemerkung <strong>de</strong> <strong><strong>Gaulle</strong>s</strong>: Die schwerste Aufgabe, [429]<br />
die vor ihm liege, sei, die nationalistischen Franzosen aus ihrem nationalistischen Himmel<br />
herunter auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Wirklichkeit zu ziehen.<br />
In seiner Ansicht über die Weltlage stimme er mit mir überein. Er stimme mir vor allem auch<br />
darin zu, daß <strong>Deutschland</strong> und Frankreich in enger Freundschaft verbun<strong>de</strong>n sein müßten. Nur<br />
durch diese Freundschaft zwischen <strong>Deutschland</strong> und Frankreich wer<strong>de</strong> es möglich sein,<br />
Westeuropa zu retten. (…)<br />
De <strong>Gaulle</strong> fuhr dann wörtlich fort: „Das französische Volk hat hinsichtlich <strong>de</strong>s Wohlwollens<br />
und <strong>de</strong>s guten Willens <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren keine Illusionen, insbeson<strong>de</strong>re nicht, was <strong>de</strong>n Sowjetblock<br />
anbetrifft, obwohl es Rußland nicht abgeschrieben hat. Es hat auch keine Illusionen über das<br />
Wohlwollen und die Fähigkeit und Geschicklichkeit <strong>de</strong>r Amerikaner. Die Amerikaner bleiben<br />
Amerikaner. Ich spreche nicht von England, das ein zweitrangiges Problem darstellt und eine<br />
Insel bleibt. Es gibt in Europa für Frankreich nur einen möglichen Partner, ja sogar<br />
wünschenswerten Partner, und das ist <strong>Deutschland</strong>, das <strong>Deutschland</strong> von heute. Dies ist ein<br />
historisches Wun<strong>de</strong>r, aber nicht weniger eine Tatsache. (…)<br />
[431] Wir müssen zusammenarbeiten, ohne das Instrument Amerikas zu wer<strong>de</strong>n, und wir<br />
müssen es in einem größeren Rahmen tun als <strong>de</strong>mjenigen, <strong>de</strong>r uns nur mit Italien und <strong>de</strong>n<br />
Benelux-Län<strong>de</strong>rn verbin<strong>de</strong>t. Wir müssen an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r an uns heranziehen. Ich wünsche, mit<br />
<strong>Deutschland</strong> ständige Kontakte zu errichten. Ich wer<strong>de</strong> hierzu bereit sein, <strong>de</strong>r Zukunft<br />
Europas wegen, also für die Ihrige wie für die unsrige. Es han<strong>de</strong>lt sich jetzt darum, ganz<br />
Europa zu gestalten, o<strong>de</strong>r es wird kein Europa geben."<br />
Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Notwendigkeit zur Einigung Europas sagte <strong>de</strong> <strong>Gaulle</strong> zur NATO:<br />
„Sie haben von <strong>de</strong>r NATO gesprochen, und Sie haben mir gesagt, daß Sie darüber nicht<br />
befriedigt seien. Es ist in <strong>de</strong>r Tat nicht möglich, befriedigt zu sein. Denn es besteht in <strong>de</strong>r<br />
NATO keine politische Einheit. Wenn ein Problem aufkommt, <strong>zum</strong> Beispiel im Nahen Osten<br />
(…), gibt es keine gemeinsame Politik <strong>de</strong>r Mächte, die <strong>de</strong>r NATO angehören. Man kann sehr<br />
wohl innerhalb <strong>de</strong>r NATO einige Waffen verteilen, aber die Einheit wird nur möglich sein,<br />
wenn Amerika an Europa gebun<strong>de</strong>n ist. Dieses Band besteht gegenwärtig nicht, mit<br />
Ausnahme <strong>de</strong>s Kriegsfalles, in welchem wir uns gemeinsam verteidigen wür<strong>de</strong>n.<br />
Ich begrüße also, daß Europa sich gestaltet. Beginnen wir darum durch einen engen Kontakt<br />
zwischen unseren bei<strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn.“<br />
Konrad A<strong>de</strong>nauer, Erinnerungen 1955‐1959, Stuttgart ²1972, S.424 ff.