FRS-13014_Systembiologie_8_2014
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spielen. Ich bin skeptisch, ein neues Zeitalter wissenschaftlicher<br />
Schwarmintelligenz, eine Art Wikipedia-Struktur der Forschung,<br />
auszurufen; aber es lohnt sich, aufmerksam zu beobachten, inwieweit<br />
sich die Struktur der Forschungsinstitutionen tatsächlich<br />
erweitert oder verschiebt. Denn daran unter anderem hängt<br />
es, ob die Öffentlichkeit Vertrauen in die wissenschaftlichen Akteure<br />
findet und sich das Missbrauchspotential der synthetischen<br />
Biologie eindämmen lässt.<br />
Wer denkt mit?<br />
Wenn sich zum einen die kommenden heiklen Aspekte der synthetischen<br />
Biologie erst im Laufe der Zeit abzeichnen und sich<br />
zum anderen die Wissenschaft umstrukturiert, entsteht eine<br />
weitere Frage: Gibt es in den an der synthetischen Biologie beteiligten<br />
Wissenschaften ein funktionierendes Frühwarnsystem<br />
für wichtige gesellschaftliche Fragen? Gibt es ein Bewusstsein<br />
dafür, gibt es entsprechende Orte und Institutionen, diese zu thematisieren,<br />
und gibt es – das vor allem – genug Zutrauen in die<br />
Öffentlichkeit und in die Politik, dass sich eine öffentliche Debatte<br />
auch lohnen würde? Jedenfalls bedarf die öffentliche Debatte<br />
nicht nur guter Einrichtungen der Technikfolgenabschätzung<br />
und Bioethik, sondern auch einer entwickelten ethischen Sensibilität<br />
unter den forschenden Wissenschaftlern/-innen selbst.<br />
Wer steuert?<br />
Schließlich gilt es, die Entwicklungsdynamik der synthetischen<br />
Biologie zu beobachten und zu verstehen. Diese hängt ja nicht nur<br />
an wissenschaftlicher Genialität und am Forschungserfolg, sondern<br />
auch an Förderkulissen und Forschungsmöglichkeiten. Hier gibt es<br />
wiederum viele Player: die öffentliche, visionsgetriebene Förderpolitik,<br />
insbesondere der EU; das industrielle und durchaus auch<br />
das militärische Engagement. Wenn also die synthetische Biologie<br />
nur ein wenig so chancenreich ist, wie behauptet, dann liegt es im<br />
gesellschaftlichen Interesse, zu verstehen, wer die synthetische<br />
Biologie wohin zieht. Ich will damit nicht naiven Phantasien das<br />
Wort reden, Wissenschaft ließe sich gesellschaftlich einfach auf gewünschte<br />
Ziele hinsteuern. Die Mechanismen, die die Wissenschaften<br />
lenken, sind mindestens so kompliziert wie die Signalwege in<br />
einer Zelle. Hier wie da sollten wir aber verstehen, wo die entscheidenden<br />
Stellschrauben sind; das liegt meines Erachtens im gemeinsamen<br />
Interesse von Wissenschaft und Gesellschaft.<br />
Grunwald, A. (2013). Synthetische Biologie zwischen Durchbruch<br />
und Hype. In Werkstatt Leben. Bedeutung der Synthetischen<br />
Biologie für Wissenschaft und Gesellschaft, Deutscher Ethikrat,<br />
ed. (Berlin, Germany: Deutscher Ethikrat), pp. 51-65.<br />
Köchy, K. (2012). Philosophische Implikationen der Synthetischen<br />
Biologie. In Synthetische Biologie. Entwicklung einer<br />
neuen Ingenieurbiologie?, Themenband der Interdisziplinären<br />
Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht, K. Köchy, A. Hümpel, ed.<br />
(Berlin, Germany: Forum) pp. 137-161.<br />
Rehmann-Sutter, C. (2013). Das „Leben“ synthetischer Zellen.<br />
In Werkstatt Leben. Bedeutung der Synthetischen Biologie für<br />
Wissenschaft und Gesellschaft, Deutscher Ethikrat, ed. (Berlin,<br />
Germany: Deutscher Ethikrat), pp. 75-88.<br />
Zur Person:<br />
Dr. Thorsten Moos ist Diplomphysiker und Theologe und leitet<br />
den Arbeitsbereich „Religion, Recht und Kultur“ an der Forschungsstätte<br />
der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in<br />
Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten<br />
der Bio- und Medizinethik sowie der Grundlagen theologischer<br />
Ethik. Der vorliegende Text ist ein geringfügig überarbeitetes<br />
Statement aus der Podiumsdiskussion „Konstruiertes Leben<br />
– synthetisch, praktisch, ... gut?“ anlässlich der Konferenz „Synthetic<br />
Biology – from understanding to application“, 9.-11. Dezember 2013<br />
am DKFZ in Heidelberg.<br />
Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft<br />
(FEST) ist ein außeruniversitäres, hochgradig interdisziplinär<br />
ausgerichtetes Forschungsinstitut, dessen Schwerpunkte unter<br />
anderem auf den Themenfeldern Religion im Kontext von<br />
Kultur, Ethik und Recht, Nachhaltige Entwicklung, Friedensforschung<br />
sowie Anthropologie und Naturphilosophie liegen<br />
(www.fest-heidelberg.de).<br />
Kontakt:<br />
Dr. Thorsten Moos<br />
Leiter der AG „Religion, Recht und Kultur“<br />
Forschungsstätte der Evangelischen<br />
Studiengemeinschaft (FEST)<br />
thorsten.moos@fest-heidelberg.de<br />
Referenzen:<br />
Arendt, H. (2011). Vita activa oder Vom tätigen Leben (München,<br />
Germany: Piper), pp. 161ff.<br />
Boldt, J., Müller, O., Maio, G. (ed.) (2012). Leben schaffen? Ethische<br />
Reflexionen zur synthetischen Biologie (Paderborn, Germany:<br />
Mentis).<br />
www.fest-heidelberg.de<br />
18 Forschung Künstliches Leben gibt es nicht www.systembiologie.de