27.10.2014 Aufrufe

FRS-13014_Systembiologie_8_2014

FRS-13014_Systembiologie_8_2014

FRS-13014_Systembiologie_8_2014

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

spielen. Ich bin skeptisch, ein neues Zeitalter wissenschaftlicher<br />

Schwarmintelligenz, eine Art Wikipedia-Struktur der Forschung,<br />

auszurufen; aber es lohnt sich, aufmerksam zu beobachten, inwieweit<br />

sich die Struktur der Forschungsinstitutionen tatsächlich<br />

erweitert oder verschiebt. Denn daran unter anderem hängt<br />

es, ob die Öffentlichkeit Vertrauen in die wissenschaftlichen Akteure<br />

findet und sich das Missbrauchspotential der synthetischen<br />

Biologie eindämmen lässt.<br />

Wer denkt mit?<br />

Wenn sich zum einen die kommenden heiklen Aspekte der synthetischen<br />

Biologie erst im Laufe der Zeit abzeichnen und sich<br />

zum anderen die Wissenschaft umstrukturiert, entsteht eine<br />

weitere Frage: Gibt es in den an der synthetischen Biologie beteiligten<br />

Wissenschaften ein funktionierendes Frühwarnsystem<br />

für wichtige gesellschaftliche Fragen? Gibt es ein Bewusstsein<br />

dafür, gibt es entsprechende Orte und Institutionen, diese zu thematisieren,<br />

und gibt es – das vor allem – genug Zutrauen in die<br />

Öffentlichkeit und in die Politik, dass sich eine öffentliche Debatte<br />

auch lohnen würde? Jedenfalls bedarf die öffentliche Debatte<br />

nicht nur guter Einrichtungen der Technikfolgenabschätzung<br />

und Bioethik, sondern auch einer entwickelten ethischen Sensibilität<br />

unter den forschenden Wissenschaftlern/-innen selbst.<br />

Wer steuert?<br />

Schließlich gilt es, die Entwicklungsdynamik der synthetischen<br />

Biologie zu beobachten und zu verstehen. Diese hängt ja nicht nur<br />

an wissenschaftlicher Genialität und am Forschungserfolg, sondern<br />

auch an Förderkulissen und Forschungsmöglichkeiten. Hier gibt es<br />

wiederum viele Player: die öffentliche, visionsgetriebene Förderpolitik,<br />

insbesondere der EU; das industrielle und durchaus auch<br />

das militärische Engagement. Wenn also die synthetische Biologie<br />

nur ein wenig so chancenreich ist, wie behauptet, dann liegt es im<br />

gesellschaftlichen Interesse, zu verstehen, wer die synthetische<br />

Biologie wohin zieht. Ich will damit nicht naiven Phantasien das<br />

Wort reden, Wissenschaft ließe sich gesellschaftlich einfach auf gewünschte<br />

Ziele hinsteuern. Die Mechanismen, die die Wissenschaften<br />

lenken, sind mindestens so kompliziert wie die Signalwege in<br />

einer Zelle. Hier wie da sollten wir aber verstehen, wo die entscheidenden<br />

Stellschrauben sind; das liegt meines Erachtens im gemeinsamen<br />

Interesse von Wissenschaft und Gesellschaft.<br />

Grunwald, A. (2013). Synthetische Biologie zwischen Durchbruch<br />

und Hype. In Werkstatt Leben. Bedeutung der Synthetischen<br />

Biologie für Wissenschaft und Gesellschaft, Deutscher Ethikrat,<br />

ed. (Berlin, Germany: Deutscher Ethikrat), pp. 51-65.<br />

Köchy, K. (2012). Philosophische Implikationen der Synthetischen<br />

Biologie. In Synthetische Biologie. Entwicklung einer<br />

neuen Ingenieurbiologie?, Themenband der Interdisziplinären<br />

Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht, K. Köchy, A. Hümpel, ed.<br />

(Berlin, Germany: Forum) pp. 137-161.<br />

Rehmann-Sutter, C. (2013). Das „Leben“ synthetischer Zellen.<br />

In Werkstatt Leben. Bedeutung der Synthetischen Biologie für<br />

Wissenschaft und Gesellschaft, Deutscher Ethikrat, ed. (Berlin,<br />

Germany: Deutscher Ethikrat), pp. 75-88.<br />

Zur Person:<br />

Dr. Thorsten Moos ist Diplomphysiker und Theologe und leitet<br />

den Arbeitsbereich „Religion, Recht und Kultur“ an der Forschungsstätte<br />

der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in<br />

Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten<br />

der Bio- und Medizinethik sowie der Grundlagen theologischer<br />

Ethik. Der vorliegende Text ist ein geringfügig überarbeitetes<br />

Statement aus der Podiumsdiskussion „Konstruiertes Leben<br />

– synthetisch, praktisch, ... gut?“ anlässlich der Konferenz „Synthetic<br />

Biology – from understanding to application“, 9.-11. Dezember 2013<br />

am DKFZ in Heidelberg.<br />

Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft<br />

(FEST) ist ein außeruniversitäres, hochgradig interdisziplinär<br />

ausgerichtetes Forschungsinstitut, dessen Schwerpunkte unter<br />

anderem auf den Themenfeldern Religion im Kontext von<br />

Kultur, Ethik und Recht, Nachhaltige Entwicklung, Friedensforschung<br />

sowie Anthropologie und Naturphilosophie liegen<br />

(www.fest-heidelberg.de).<br />

Kontakt:<br />

Dr. Thorsten Moos<br />

Leiter der AG „Religion, Recht und Kultur“<br />

Forschungsstätte der Evangelischen<br />

Studiengemeinschaft (FEST)<br />

thorsten.moos@fest-heidelberg.de<br />

Referenzen:<br />

Arendt, H. (2011). Vita activa oder Vom tätigen Leben (München,<br />

Germany: Piper), pp. 161ff.<br />

Boldt, J., Müller, O., Maio, G. (ed.) (2012). Leben schaffen? Ethische<br />

Reflexionen zur synthetischen Biologie (Paderborn, Germany:<br />

Mentis).<br />

www.fest-heidelberg.de<br />

18 Forschung Künstliches Leben gibt es nicht www.systembiologie.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!