P.T. MAGAZIN 02/2010
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung
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Politik<br />
Revolutionäre…<br />
…die in der Hartz-IV-Debatte keine Rolle spielen<br />
6<br />
Der Kommunist Bertolt Brecht, für<br />
Marcel Reich-Ranicki „der größte<br />
Dramatiker des 20. Jahrhunderts“,<br />
trat vorsichtshalber nie als Mitglied<br />
einer kommunistischen Partei bei. Er<br />
spürte, dass die Organisation, die sich<br />
der Befreiung der Massen verschrieben<br />
hatte, seine Freiheiten als Bürger<br />
beschneiden würde. Als er einen Tag<br />
nach dem Reichstagsbrand 1933 in<br />
die Emigration ging, setzte sich der<br />
rationale Egoist daher nicht dem<br />
stalinistischen Terror in der „geliebten<br />
Sowjetunion“ aus. Er ging nach<br />
Dänemark, Finnland und dann nach<br />
Schweden.<br />
Brecht wusste zu genau, was in der<br />
Sowjetunion passierte. Die mit ihm<br />
befreundete Schauspielerin Carola<br />
Nether wurde 1937 zu zehn Jahren<br />
Arbeitslager verurteilt und starb 1942<br />
im Gulag. Sein Freund Sergej Tretjakow<br />
wurde 1939 als angeblicher<br />
japanischer Spion im Zuge der „Säuberungen“<br />
Stalins hingerichtet.<br />
Als es auch in Nordeuropa zu gefährlich<br />
wurde, nutzte Brecht 1941 die<br />
Sowjetunion daher nur als Transitstrecke<br />
– auf dem Weg nach Amerika,<br />
nach Hollywood. Doch Amerika<br />
wurde für ihn zur Enttäuschung,<br />
er war dort „Lehrer ohne Schüler“.<br />
Hollywood kaufte seine Drehbücher<br />
nicht. Den US-amerikanischen Arbeitern<br />
war er egal. Lediglich das „Komitee<br />
für unamerikanische Umtriebe“<br />
interessierte sich 1947 für ihn, wie<br />
für Charlie Chaplin und zahlreiche<br />
andere liberale Künstler. Er exilierte<br />
erneut. Zuerst in die Schweiz und am<br />
30. Mai 1949 zurück nach Deutschland,<br />
nach Ostberlin.<br />
Hammelherde Volk<br />
DDR-Staatsbürger wurde er freilich<br />
nie. Er blieb vorsichtshalber<br />
Ausländer, seit 1950 mit einem<br />
österreichischen Pass. So ließ sich<br />
leichter lästern. Zum Beispiel am 17.<br />
Juni 1953. Für die Regierung war der<br />
Arbeiteraufstand ein faschistischer<br />
Putschversuch, auf den das Volk wie<br />
eine dumme Hammelherde hereingefallen<br />
sei. Brecht machte einen<br />
Vorschlag: „Da sich herausgestellt<br />
hat, dass unser Volk eine dumme<br />
Hammelherde ist, empfehlen wir<br />
der Regierung, sich ein anderes Volk<br />
zu wählen.“ Wäre er nicht 1956 an<br />
einem Herzinfarkt gestorben, hätte<br />
er später wohl das Schicksal Robert<br />
Havemanns oder Wolf Biermanns<br />
geteilt.<br />
Brecht wurde Marxist, als Karl<br />
Marx, der den Kapitalismus stürzen<br />
wollte, schon 40 Jahre tot war. In<br />
Marx’ Todesjahr, 15 Jahre vor Brechts<br />
Geburt, wurden zwei bedeutende<br />
BILD-Titelseite vom 17.2.<strong>2010</strong>: Die<br />
Frage dürften sich heute viele stellen.<br />
Ökonomen geboren, die den Kapitalismus<br />
retten wollten: der Österreicher<br />
Joseph Schumpeter und der<br />
Brite John Maynard Keynes.<br />
Keynesianismus<br />
Keynes war Marx näher, als er selbst<br />
glaubte. Der Staat müsse für die stabilen<br />
Bedingungen sorgen, die das<br />
„erfolgreiche Funktionieren der freien<br />
Initiative“ gewährleiste. Niedrige<br />
Zinssätze, staatliche Investitionsförderung<br />
und öffentliche Investitionen<br />
glichen die Instabilitäten des Kapitalismus<br />
aus und stärkten die Zuversicht<br />
in die Wirtschaftsentwicklung.<br />
Er ist der geistige Vater aller staatlichen<br />
Konjunkturprogramme – von<br />
der Abwrackprämie bis zur Gebäudesanierung.<br />
(Quelle: BILD)<br />
Schumpeters Unternehmer<br />
Gerd Kalbitz: Baute eine ehemalige Obst-LPG erfolgreich in den Mischkonzern<br />
Obstland Dürrweitzschen AG mit 400 Beschäftigten um.<br />
(Foto: eventDiary)<br />
Für Schumpeter dagegen war der<br />
Staat das bürokratische Monster, das<br />
dem Unternehmertum nichts als<br />
Steine in den Weg legt. Ein Unternehmer<br />
ist für ihn ein von Ehrgeiz<br />
und Gestaltungslust Getriebener,<br />
ein Querdenker, ein Provokateur. Er<br />
beschreitet neue Wege, vor denen<br />
andere zurückweichen. Er unterwirft<br />
das Unternehmen und die Wirtschaft<br />
als Ganzes dem „ewigen Sturm der<br />
schöpferischen Zerstörung“. In der<br />
Folge entsteht Neues, moderne Güter<br />
und Leistungen, breiter Wohlstand.<br />
Die Unternehmer Schumpeterschen<br />
Typs sind hunderttausendfach unter<br />
den kleinen und mittelständischen<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2010</strong>