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KoBo - Bonstetten

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Freizeit <strong>KoBo</strong><br />

Amene Hund än Chuss ufs Muul<br />

(Bild: pixelio)<br />

Kennen Sie die Kinderfrage:<br />

«Würdisch für siebe Millione,<br />

drüü Milliarde, siebezäh Föifliiber<br />

amene Hund en Chuss ufs Muul<br />

gäh?»<br />

Von Jürg Casanova<br />

Mal abgesehen davon, dass jede Kinderfrage<br />

eine philosophische Frage ist, und<br />

keinesfalls kindisch, wird diese Frage<br />

nicht nur jedes Kind, sondern auch jeder<br />

Erwachsene anders beantworten. Ob es<br />

ein Ja oder ein Nein gibt, wird sich wohl<br />

darüber entscheiden, ob der betreffende<br />

Mensch einer ist, der Hunde liebt oder<br />

eben nicht. Was der eine mit Freuden tun<br />

würde, stösst den andern masslos ab. Je<br />

nachdem, ob ich das subjektiv als angenehm<br />

oder unangenehm empfinde, würde<br />

ich etwas tun, das mir einen Haufen Geld<br />

einbringt, wobei die Grenze des Unangenehmen,<br />

das ich über mich ergehen lassen<br />

würde, sich desto weiter hinausschiebt, je<br />

höher der Betrag ist, der winkt.<br />

Was würden wir also alles mit uns<br />

machen lassen, wenn nur der Gewinn genug<br />

hoch ist? Wie gross ist die Leidensfähigkeit<br />

des Menschen, die Duldsamkeit?<br />

Unmögliche Arbeitsverhältnisse?<br />

Ruinierte Gesundheit? Kein Familienleben?<br />

Hauptsache, die Kasse stimmt.<br />

Unmittelbar verbunden mit der Frage,<br />

was wir bereit wären, uns antun zu lassen<br />

für einen bestimmten Betrag, ist die Frage,<br />

was wir andern anzutun bereit sind.<br />

Dafür, dass wir unsere Lieben piesacken,<br />

den Nachbarn ärgern, den Falschfahrer<br />

im Verkehr verfluchen, den Politiker Sowieso<br />

am liebsten ins Pfefferland schicken<br />

würden, müssten wir nicht mal was<br />

kriegen, das funktioniert von Fall zu Fall<br />

auch ohne klingende Münze. Doch die<br />

Grenzen sind fliessend. Wer das Buch<br />

von Roberto Saviano – «Gomorrha» –<br />

gelesen hat, weiss, dass das organisierte<br />

Verbrechen für vergleichsweise wenig<br />

Geld Menschen tötet, die ihnen nicht genehm<br />

sind. Man gibt Morde in Auftrag<br />

wie eine Bestellung im Supermarkt. Und<br />

für den Gegenwert eines Mopeds wird<br />

die Sache erledigt. Andernorts genügt<br />

schon eine Mahlzeit.<br />

Die Spielerei mit dem Hundekuss, den<br />

ich über mich ergehen lassen kann oder<br />

nicht, hat mit dem aktiven Töten nur<br />

oberflächlich nichts zu tun. Denn hinter<br />

beiden Handlungen lauert die Frage: Was<br />

kriege ich dafür? Und je nachdem, in<br />

welche Ecke mich der Zufall auf diesen<br />

Planeten geworfen hat, würde ich diese<br />

Frage nicht nur unterschiedlich angehen,<br />

sondern sie unter Umständen nicht einmal<br />

stellen, sondern einfach handeln.<br />

Es ist noch gar nicht so lange her, als<br />

in unserm schönen Lande im Jahre 1939<br />

Paul Irniger, der einen Taxifahrer ermordet<br />

hatte, zum Tod durch die Guillotine<br />

verurteilt wurde. Auf die Ausschreibung<br />

für den Vollzug dieses Urteils meldeten<br />

sich 114 Bewerber, die dem Mann den<br />

Kopf abschlagen wollten. Bis in die Neuzeit<br />

gab es auch bei uns das Berufsbild<br />

des Henkers, der diese unliebsame Aufgabe<br />

übernahm und dafür von seinen<br />

Mitmenschen mit sozialer Ächtung bestraft<br />

wurde. Was würden Sie also lieber<br />

tun, einem Menschen den Kopf abschlagen<br />

oder einen Hund küssen? Und wie<br />

viel verlangen Sie dafür?<br />

<strong>KoBo</strong> 01/09 27<br />

<strong>KoBo</strong>_01_2009_fb.indd 27<br />

25.2.2009 16:56:03 Uhr

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