G - St. Otger
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Es gab ein paar Geschenke, aber von der Sportausrüstung fehlte ein Teil. „Das sehen wir<br />
später“, meinte der Vater, „je nachdem.“ - Marcel wusste ja schon, was unter dem Tannenbaum<br />
liegen würde. Auf die Kerzen und die Musik achtete er nicht, die Weichnachtsgeschichte<br />
aus der Bibel ließ er über sich ergehen. Dann endlich ging es an die Geschenke.<br />
In Null-Komma-Nichts hatte er das Papier aufgerissen, achtlos warf er die kleinen<br />
Aufmerksamkeiten an die Seite, baute seinen Computer auf - und ward den ganzen<br />
Abend nicht mehr gesehen. Einmal kam er noch von seinem Zimmer herunter: „Das<br />
Handy hat keine Freisprecheinrichtung, das hatte ich euch doch extra gesagt.“ - Bei<br />
Lena und ihren Eltern lag am wenigsten auf dem Tisch. Aber sie hatten den ganzen<br />
Abend Zeit, blieben beieinander, erzählten lebhaft. Und die Eltern vergaßen für ein paar<br />
<strong>St</strong>unden ihre Sorgen. Ihre Bücher hatte Lena in der <strong>St</strong>adtbibliothek ausgeliehen, aber die<br />
waren jetzt gar nicht wichtig. Zum ersten Mal seit vielen Jahren waren sie ungehetzt<br />
zum Gottesdienst gegangen, hatten gebetet und gesungen. Und einfach gespürt, dass<br />
sie zusammen gehörten. Es war eine wunderbare Begegnung.<br />
Von Ann-Katrin, Marcel, Lena und ihren Familien erfahre ich viel über meine Wünsche an<br />
Gott, über mein Glauben und Beten. Gott stellt keine Bedingungen, er liebt ohne Vorleistung.<br />
Er sagt nicht „wenn - dann“ und nicht „je nachdem“; er macht mir keine Angst<br />
und setzt mich nicht unter Druck. Ann-Katrins Eltern hatten sie ja nur erpresst, hatten<br />
Weihnachten zur erzieherischen Maßnahme gemacht. Wie oft werden Glaube und christliches<br />
Brauchtum nur benutzt, wenn man selber nicht mehr weiter weiß! Dann müssen<br />
Nikoläuse und Christkindchen herhalten für den Mangel an Konsequenz und Courage.<br />
Kein Wunder, dass sich viele später von einer Religion befreien wollen, die, erzieherisch<br />
missbraucht, nur wenig Freiheit ausstrahlt und über eine primitive Lohnmoral nicht hinauskommt.<br />
- Gott erfüllt auch nicht bloß unsere Wünsche. Die Eltern von Marcel haben<br />
nur auf seine maßlosen Ansprüche reagiert; sie haben ihren Sohn undankbar und gierig<br />
gemacht, weil sie selber nicht wussten, was sie für wichtig und wertvoll hielten. Würde<br />
auch Gott auf unsere Bitten immer mit genauer Erfüllung antworten, so könnte man ihn<br />
nicht mehr ernst nehmen; er wäre nur ein Automat und die Menschheit bald am Ende. -<br />
Viel eher handelt Gott wie die Eltern von Lena. Sie haben keine Bedingungen gestellt,<br />
nicht auf Ansprüche reagiert, sondern Liebe und Beziehung geschenkt. So hört auch Gott<br />
alle unsere Wünsche gern; sie sind ein Zeichen kindlichen Vertrauens. Doch das, was er<br />
dann gibt, ist viel mehr: Beziehung und Liebe. Gott antwortet auf unsere Wünsche mit<br />
seiner Nähe, mit seinem Heiligen Geist. „Nicht alle unsere Wünsche erfüllt Gott“, meint<br />
Dietrich Bonhoeffer, „aber alle seine Verheißungen“. Und Jesus sagt: „Wenn nun schon<br />
ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im<br />
Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lukas 11,13). Das eigentliche<br />
Geschenk ist die Begegnung - miteinander und mit Gott. Frohe Weihnachten!<br />
Pfarrer <strong>St</strong>efan Jürgens<br />
PFARRBRIEF ST. OTGER<br />
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