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DIE ENTFALTUNG DES BEWUSSTSEINS ALS EIN WEG ZUR ...

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schlägt von selbst zu, wie es Boris Becker ausdrückt. Noch deutlicher wird das Einssein mit einem<br />

anderen Lebewesen. Der Reiter und Pferdekenner Sladko Solinski (1983) schreibt, daß der Lohn<br />

des Reiters, dem es mehr um das Pferd geht als um sich selbst, darin besteht, daß er 'im<br />

vollkommenen Sichverste- [35] hen mit dem Pferd, die Welt nur noch durch Pferdeaugen, über<br />

Pferdeohren und über die Witterung des Pferdes wahrzunehmen spürt' (S. 123). Es handelt sich<br />

bei diesen Vorgängen um eine wesentliche Bewußtseinserweiterung, die Solinski auch mit seinen<br />

klartraumähnlichen Erfahrungen in Verbindung bringt, worüber er mir ausführlich berichtete.<br />

Sowohl von Künstlern als auch von Spitzensportlern werden Zustände beschrieben, in denen kein<br />

Unterschied mehr zwischen Subjekt und Objekt, bzw. zwischen Ich und Gegenstand, besteht. Die<br />

Gestalttheoretiker reden von einem Verwachsen mit dem Umfeld, von gefühlsartiger<br />

Verschmelzung aller Sinneswahrnehmungen, von einem 'Verketten' mit anderen Personen und<br />

ähnlichen Erlebnissen (...).<br />

Werden blitzschnelle Reaktionen auf wechselnde Umweltsituationen gefordert, so ist man 'wach<br />

im ganzen Raum', der zugleich als 'plastisches' Kraftfeld erspürt, gefühlt, gehört und gesehen wird.<br />

Voraussetzung für solche Zustände höchster Wachheit ist das Verschwinden jeglicher<br />

Ichzentrierung. Dies betrifft Sinne, Aufmerksamkeit, Gefühls- und Willensvorgänge, die in<br />

untrennbarer Einheit erlebt werden.<br />

Mehr abstraktiv als dem konkreten Erlebniszusammenhang entsprechend, wird dies kurz erläutert.<br />

Beim Skifahren wird die Erregung der Sinnesorgane nicht als Druck auf die Fußsohlen erlebt,<br />

sondern als Erfassen der Beschaffenheit des Schnees und des Geländes über die Skier, die zu<br />

lebendigen Sinnes- und Bewegungsorganen werden, die Aufmerksamkeit wird nicht vom Ich<br />

gelenkt, sie ist beweglich und wendet sich von selbst dorthin, wo sie gebraucht wird; man erlebt<br />

ferner keine Ich-bezogenen Gefühlsbewegungen, sondern erfühlt die Mit- und Umwelt; statt in der<br />

Angst stecken zu bleiben, erspürt man jede Gefahr, statt im eigenen Seelenleben gefangen zu sein,<br />

öffnet sich einem die Seele des Gegenübers. Statt daß das Ich willentlich handelt, geschieht<br />

dasjenige selbst, was von der Gesamtlage dynamisch gefordert wird. Dies ist es, was in der<br />

Gestalttheorie als Handeln in schöpferischer Freiheit bezeichnet wird, und was die Zen-Krieger in<br />

ähnlicher Weise beschreiben, wenn sie vom 'unbewegten Begreifen' (vgl. hierzu Takuan, zit. bei<br />

Suzuki, 1941 ) oder 'unbeweglichen Prajna' (Suzuki, 1988) sprechen. Vom Standpunkt solcher<br />

Zustände aus betrachtet, ist die gewöhnliche Wachwelt im Sinne des Zen-Buddhismus bloß eine<br />

vom Ich-Wahn verzerrte Schein- oder Traumwelt (Innerhalb des Buddhismus wird diese<br />

Scheinwelt auch als 'Maya' bezeichnet). Derartige Erfahrungen können nicht nur zu einer<br />

vorübergehenden Klarsicht der Welt, sondern zu einer überdauernden Bewußtseins- und<br />

Persönlichkeitsentfaltung führen (vgl. Tiwald, 1981).<br />

Der Zustand des 'unbewegten Begreifens' ähnelt zwar der in Abschnitt 2.1 beschriebenen<br />

kosmischen Erfahrung, weil in beiden Erlebnisformen der Unterschied zwischen Ich und Gegen-<br />

Stand verschwindet; doch können kosmische Erlebnisse auch bei der Meditation oder im<br />

Klartraum auftreten, während das 'unbewegte Begreifen' ein Zustand höchster Wachheit und leibseelischer<br />

Beweglichkeit ist, die es ermöglicht, 'schneller als der Blitz' zu reagieren. Dies ist<br />

wörtlich zu nehmen; setzt aber voraus, daß die Aufmerksamkeit sich bereits auf virtuell<br />

vorweggenommenes Geschehen erstreckt, so daß die Reaktionen ohne jede Verzögerung erfolgen<br />

können.<br />

Im Gegensatz zu den eben geschilderten Erfahrungen, bei denen das Ich zurücktritt oder völlig<br />

verschwindet, werden im folgenden Erlebnisse von Sportlern geschildert, in denen das Ich seinen<br />

Ort verlagert, wie es für Außerkörperliche Erfahrungen charakteristisch ist. So fährt z. B. der

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