Download - GSG Oldenburg
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Kunstmaler Said Tiraei<br />
Malen aus Wut<br />
Exakt 132 Ölgemälde lagern in der<br />
Wohnung im Haarentor-Viertel: die<br />
kleinen ordentlich aneinandergereiht<br />
auf dem Tapeziertisch, die großen<br />
in allen Zimmern – überall, wo eine<br />
Wand oder Tischkante Halt gibt. Der<br />
aus Afghanistan stammende Kunstmaler<br />
Said Tiraei hat endlich Platz<br />
genug, sich zu entfalten.<br />
Vor mehr als einem Jahr, im April<br />
2006, zog Tiraei in die 53 Quadratmeter<br />
große Drei-Zimmer-Wohnung.<br />
„Ein Extra-Zimmer für meine Bilder<br />
und trotzdem günstig“, war damals<br />
das Ausschlag gebende Argument.<br />
Und der kleine Wintergarten zur<br />
Rückseite hin. „Ich ziehe morgens<br />
die Gardine zur Seite und schaue ins<br />
Grüne.“ Ein stiller Garten wie ein<br />
Innenhof, begrenzt von einer pflanzenberankten<br />
Mauer, der Autobahnzufahrt.<br />
Said Tiraei lächelt, als hüte er<br />
ein Geheimnis. „Von der Autobahn<br />
merke ich nichts“, verrät er. „Hinter<br />
der Mauer fahren die Fahrzeuge<br />
langsam an; ich höre sie kaum.“<br />
Genau der richtige Ort zum Arbeiten:<br />
„Kein Lärm. Kein Fenster zur Straße.<br />
Keine Menschen, die mich ablenken.“<br />
Denn: „Vor allem beim Zeichnen<br />
muss man sich sehr konzentrieren“,<br />
weiß der 32-Jährige.<br />
Als Zeichner begann Said Tiraei<br />
schon während der Flucht aus Kabul.<br />
In Pakistan nahm er Unterricht bei<br />
dem Kunstmaler Nassir Amidi – ein<br />
Glücksfall, denn über lange Jahre<br />
sollte das Zeichnen für den jungen<br />
Afghanen zu einem Ventil werden,<br />
um Schrecken und Ängste zu verarbeiten.<br />
Nachdem die Russen 1979 in<br />
sein Heimatland einmarschiert waren<br />
und die Mudschahidin in einem<br />
zermürbenden Guerillakrieg gegen<br />
die Besatzer vorgingen, war der Alltag<br />
in Kabul lebensgefährlich geworden.<br />
1989 ließ Tiraeis Familie alles zurück,<br />
floh zunächst über Nepal, Pakistan<br />
und Indien nach Deutschland. Auch<br />
hier sollte der damals 17-Jährige noch<br />
lange keinen Frieden finden.<br />
In all der Zeit zeichnete er. Dann<br />
entdeckte er für sich die Ölfarbe<br />
– grell und plakativ prägt sie seither<br />
seinen ganz eigenen Malstil. In-<br />
HOMESTORy<br />
zwischen hat Said Tiraei begonnen,<br />
riesige Leinwand-Flächen zu bemalen.<br />
Damit verändern sich auch seine<br />
Themen. Von persönlicher Zerrissenheit,<br />
von Sehnsüchten und Träumen<br />
führt seine Malerei weg, hin zu<br />
politischen Botschaften und Appellen.<br />
„Es macht mich wütend, dass kaum<br />
jemand eingreift bei Ungerechtigkeit<br />
und Gewalt“, sagt er. Tun will ich –<br />
Gebrauchsanweisung fürs Hinsehen<br />
heißt deshalb eine Ausstellung,<br />
die noch bis Ende Juli im Hörsaal-<br />
Zentrum der Carl-von-Ossietzky-<br />
Universität zu sehen ist.<br />
Wort-Installationen der freien Redakteurin,<br />
Texterin und Autorin Laelia<br />
Kaderas verstärken die Aussagen<br />
seiner Gemälde.<br />
Entstanden sind all diese Bilder im<br />
Wohnzimmer seiner von der <strong>GSG</strong> gemieteten<br />
Wohnung. „Das Wohnzimmer<br />
ist meine Rückzugsecke“, sagt er.<br />
Bis spät in die Nacht sitzt er hier vor<br />
der Leinwand, lässt beim Malen den<br />
Fernseher laufen oder hört Musik –<br />
Falco oder Michael Jackson oder den<br />
afghanischen Sänger Ahmad Zahir. 7<br />
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