Zum Thema Frauen - Biogena Deutschland GmbH
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Schwerpunkt_Wissen<br />
Schwerpunkt_Wissen<br />
Mag. pharm. Ursula Höller<br />
Mikronährstoffcoach<br />
VitaMia Apotheke<br />
A-5751 Maishofen<br />
Dass die Medizin immer weiblicher wird und der Anteil der <strong>Frauen</strong> in der Ärzteschaft<br />
stetig steigt, ist längst bekannt. Dass die Frau zukünftig auch stärker in puncto Therapie<br />
und Arzneimittelverträglichkeit ins Blickfeld der Forschung rücken soll, ist hingegen<br />
noch kaum bekannt. In den 1980er Jahren gab die US-amerikanische Kardiologin Marianne<br />
Legato mit ihrem Buch „Evas Rippe“ den Startschuss für die sogenannte Gendermedizin,<br />
die sich vor allem mit den biologischen und psychosozialen Unterschieden<br />
zwischen den Geschlechtern beschäftigt.<br />
<strong>Frauen</strong> als Probanden zweiter Klasse<br />
Die längste Zeit waren Probanden, die an medizinischen Studien teilnahmen, hauptsächlich<br />
männlich. <strong>Frauen</strong> wurden kaum in Untersuchungen erfasst, zum einen aufgrund<br />
hormoneller Schwankungen, die die Studienergebnisse hätten verfälschen können, zum<br />
anderen aus Angst vor Ausfällen durch eine eventuelle Schwangerschaft. Somit diente<br />
lange Zeit der Mann als Studienobjekt Nummer 1, für <strong>Frauen</strong> wurde die Medikamentendosis<br />
einfach an Größe und Gewicht angepasst. Dabei sind es nicht lediglich diese beiden<br />
Parameter, die die Arzneimittelwirkung bei <strong>Frauen</strong> anders verlaufen lässt als bei Männern.<br />
Das blieb nicht ohne Folgen für das weibliche Geschlecht, denn <strong>Frauen</strong> litten und leiden<br />
durch die einseitigen Studien unter häufigeren und schwereren Medikamentennebenwirkungen<br />
als Männer.<br />
Medikamente wirken anders<br />
Besonders deutlich erkannten Forscher den Stellenwert des Geschlechts in den<br />
1990er Jahren im Zuge der HIV-Therapie. Während ein Großteil der Männer gut auf die<br />
Therapie ansprach, kam es bei den <strong>Frauen</strong> zu teilweise schweren bis tödlichen Nebenwirkungen.<br />
Der schlechte Therapieerfolg bei <strong>Frauen</strong> lag vor allem an der Dosis - diese<br />
war viel zu hoch für das weibliche Geschlecht. <strong>Frauen</strong> haben von Natur aus einen höheren<br />
Körperfettanteil und speichern daher fettlösliche Substanzen besser. Das beeinflusst<br />
die Wirkung und den Abbau von Arzneien.<br />
Neben dem Körperfett unterscheiden sich die beiden Geschlechter auch in puncto<br />
pH-Wert, in den Enzymaktivitäten, im Stoffwechsel und den Hormonen – also in gerade<br />
jenen wichtigen Faktoren, die die Aufnahme und Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinflussen.<br />
So werden bei <strong>Frauen</strong> etwa durch aktivere Enzyme manche Arzneimittel in der<br />
Leber schneller abgebaut. Dafür verweilen Medikamente im weiblichen Magen bis zu<br />
einem Drittel länger als im männlichen.<br />
Neben den körperlichen tragen aber auch psychosoziale und gesellschaftliche Faktoren<br />
zu Genderunterschieden bei. Auch fetale Programmierungen und die Epigenetik<br />
spielen eine Rolle.<br />
Das Skelett der Männer<br />
Aber es gibt auch Bereiche, in denen die Forschung an Männern lange Zeit zu kurz<br />
kam. Die Osteoporosetherapie galt beispielsweise lange als rein weibliches <strong>Thema</strong>. Dabei<br />
sind auch viele Männer von der Knochenkrankheit betroffen, meist kommt es bei<br />
ihnen aber erst viel später zu Wirbelkörpereinbrüchen – ein spezielles Behandlungskonzept<br />
wäre notwendig. Während Therapiemöglichkeiten für <strong>Frauen</strong> gut erforscht sind,<br />
fehlen konkrete Empfehlungen für männliche Betroffene bislang. Ziel der Gendermedizin<br />
ist es daher, eine bessere Behandlungs- und Lebensqualität für beide Geschlechter zu<br />
erreichen.<br />
Herzinfarkt äußert sich anders<br />
Immer noch gelten Herzinfarkt und Schlaganfall als typisch männliche Ereignisse.<br />
Dabei sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen längst auch bei <strong>Frauen</strong> in Industrieländern die<br />
häufigste Todesursache. Der Herzinfarkt äußert sich beim weiblichen Geschlecht allerdings<br />
anders als beim männlichen. Aufgrund der weniger dramatischen Anzeichen wie<br />
Übelkeit, Kurzatmigkeit oder Schmerzen in Brust, Bauch und Schulter wird der Infarkt<br />
seltener erkannt und oftmals mit Magen-Darm-Erkrankungen verwechselt – mit verheerenden<br />
oder sogar tödlichen Folgen für die Betroffenen. Wegen der Fehleinschätzung der<br />
Symptome wird <strong>Frauen</strong> vielfach erst später als männlichen Betroffenen lebensrettende<br />
medizinische Hilfe zuteil.<br />
Beispiel Herz-Kreislauf-Medikamente<br />
Geschlechtstypische Unterschiede gibt es auch in der medikamentösen Behandlung<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Während Acetylsalicylsäure <strong>Frauen</strong> zwar vor einem<br />
Schlaganfall schützen kann, zeigt das Mittel bei der Herzinfarktprävention weit weniger<br />
Erfolg als bei Männern. Zudem wirken viele Beta-Blocker beim weiblichen Geschlecht<br />
anders. Bluthochdruckmedikamente wie ACE-Hemmer werden von <strong>Frauen</strong> nicht nur<br />
schlechter vertragen, sie bekommen diese prognoseverbessernden Medikamente nach<br />
einem Herzinfarkt auch seltener. Weiters sind der LDL-Cholesterinspiegel und der Blutdruck<br />
bei <strong>Frauen</strong> tendenziell schlechter eingestellt.<br />
Auffällig ist ebenso, dass innovative Medizintechnik und „aggressive“ Therapieformen<br />
eher bei Männern angewandt werden. Bypass-Operationen oder Stent-Implantationen<br />
bei koronarer Herzkrankheit werden internationalen Studien zufolge bei <strong>Frauen</strong><br />
seltener durchgeführt als bei Männern. Und selbst nach überstandenem Herzinfarkt sind<br />
<strong>Frauen</strong> immer noch benachteiligt, denn sogar die Rehabilitation ist stark auf den männlichen<br />
Patienten zugeschnitten.<br />
Das Knie der Frau<br />
Ähnlich wie bei Arzneimitteln wurden auch Prothesen und Implantate lange Zeit<br />
vorrangig an Männern getestet und für diese ausgerichtet. Dabei weisen gerade die<br />
Kniegelenke der beiden Geschlechter besondere anatomische Unterschiede wie etwa im<br />
Durchmesser auf. Schmerzen beim Gehen und eine eingeschränkte Beweglichkeit waren<br />
oftmals die Folge für viele weibliche Betroffene. Immerhin ist 2007 erstmals ein künstliches<br />
Kniegelenk, das speziell für <strong>Frauen</strong> konstruiert wurde, auf den Markt gekommen.<br />
Zukünftig mehr Forschung<br />
Der Genderaspekt findet in Österreich immer stärker Beachtung in der Gesundheitsthematik.<br />
Seit 2010 gibt es den ersten österreichischen Lehrstuhl für Gendermedizin an<br />
der Medizinischen Universität Wien. Seit demselben Jahr bietet die Fakultät auch einen<br />
Lehrgang zum <strong>Thema</strong> „Gendermedizin“ an. Ein großer Schritt, die geschlechtsspezifische<br />
Forschung voranzutreiben. Auch die Pharmazie sollte sich diesen Entwicklungen nicht<br />
verschließen.<br />
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