Frühlings Erwachen - Deutsch mit Herz, Hirn und Händen
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dass mir noch mal einer aufgesetzt wird.<br />
Frau Gabor kommt <strong>mit</strong> dem dampfenden Tee, den sie vor Moritz <strong>und</strong> Melchior<br />
auf den Tisch setzt.<br />
Frau Gabor Hier, Kinder, lasst es euch m<strong>und</strong>en. Guten Abend, Herr Stiefel;<br />
wie geht es Ihnen?<br />
Moritz Danke, Frau Gabor. – Ich belausche den Reigen dort unten.<br />
Frau Gabor Sie sehen aber gar nicht gut aus. – Fühlen Sie sich nicht wohl?<br />
Moritz Es hat nichts zu sagen. Ich bin die letzten Abende etwas spät zu Bett<br />
gekommen.<br />
Melchior Denke dir, er hat die ganze Nacht durchgearbeitet.<br />
Frau Gabor Sie sollten so etwas nicht tun, Herr Stiefel. Sie sollten sich<br />
schonen. Bedenken Sie Ihre Ges<strong>und</strong>heit. Die Schule ersetzt Ihnen die<br />
Ges<strong>und</strong>heit nicht. – Fleißig spazierengehn in der frischen Luft! Das ist in<br />
Ihren Jahren mehr wert als ein korrektes Mittelhochdeutsch.<br />
Moritz Ich werde fleißig spazierengehn. Sie haben recht. Man kann auch<br />
während des Spazierengehens fleißig sein. Dass ich noch selbst nicht<br />
auf den Gedanken gekommen! – Die schriftlichen Arbeiten müsste ich<br />
immerhin zu Hause machen.<br />
Melchior Das Schriftliche machst du bei mir; so wird es uns beiden leichter. –<br />
Du weißt ja, Mama, dass Max von Trenk am Nervenfieber darniederlag!<br />
– Heute Mittag kommt Hänschen Rilow von Trenks Totenbett zu Rektor<br />
Sonnenstich, um anzuzeigen, dass Trenk soeben in seiner Gegenwart<br />
gestorben sei. – »So?« sagt Sonnenstich, »hast du von letzter Woche<br />
her nicht noch zwei St<strong>und</strong>en nachzusitzen? – Hier ist der Zettel an den<br />
Pedell. Mach, dass die Sache endlich ins reine kommt! Die ganze<br />
Klasse soll an der Beerdigung teilnehmen.« – Hänschen war wie<br />
gelähmt.<br />
Frau Gabor Was hast du da für ein Buch, Melchior?<br />
Melchior »Faust«.<br />
Frau Gabor Hast du es schon gelesen?<br />
Melchior Noch nicht zu Ende.<br />
Moritz Wir sind gerade in der Walpurgisnacht.<br />
Frau Gabor Ich hätte an deiner Stelle noch ein, zwei Jahre da<strong>mit</strong> gewartet.<br />
Melchior Ich kenne kein Buch, Mama, in dem ich so viel Schönes gef<strong>und</strong>en.<br />
Warum hätte ich es nicht lesen sollen?<br />
Frau Gabor – Weil du es nicht verstehst.<br />
Melchior Das kannst du nicht wissen, Mama. Ich fühle sehr wohl, dass ich<br />
das Werk in seiner ganzen Erhabenheit zu erfassen noch nicht imstande<br />
bin...