12.11.2014 Aufrufe

Frühlings Erwachen - Deutsch mit Herz, Hirn und Händen

Frühlings Erwachen - Deutsch mit Herz, Hirn und Händen

Frühlings Erwachen - Deutsch mit Herz, Hirn und Händen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

31<br />

Moritz Er philosophiert.<br />

Ilse Wendla war derweil bei uns <strong>und</strong> hat der Mutter Eingemachtes gebracht.<br />

Ich saß den Tag bei Isidor Landauer. Er braucht mich zur heiligen Maria,<br />

Mutter Gottes, <strong>mit</strong> dem Christuskind. Er ist ein Tropf <strong>und</strong> widerlich. Hu,<br />

wie ein Wetterhahn! – Hast du Katzenjammer?<br />

Moritz Von gestern Abend! – Wir haben wie Nilpferde gezecht. Um fünf Uhr<br />

wankt' ich nach Hause.<br />

Ilse Man braucht dich nur anzusehen. – Waren auch Mädchen dabei?<br />

Moritz Arabella, die Biernymphe, Andalusierin! – Der Wirt ließ uns alle die<br />

ganze Nacht durch <strong>mit</strong> ihr allein...<br />

Ilse Man braucht dich nur anzusehen, Moritz! – Ich kenne keinen<br />

Katzenjammer. Vergangenen Karneval kam ich drei Tage <strong>und</strong> drei<br />

Nächte in kein Bett <strong>und</strong> nicht aus den Kleidern. Von der Redoute ins<br />

Café, <strong>mit</strong>tags in Bellavista, abends Tingl-Tangl, nachts zur Redoute.<br />

Lena war dabei <strong>und</strong> die dicke Viola. – In der dritten Nacht fand mich<br />

Heinrich.<br />

Moritz Hatte er dich denn gesucht?<br />

Ilse Er war über meinen Arm gestolpert. Ich lag bewusstlos im<br />

Straßenschnee. – Darauf kam ich zu ihm. Vierzehn Tage verließ ich<br />

seine Behausung nicht – ein greuliche Zeit! – Morgens musste ich<br />

seinen persischen Schlafrock überwerfen <strong>und</strong> abends in schwarzem<br />

Pagenkostüm durchs Zimmer gehn; an Hals, an Knien <strong>und</strong> Ärmeln<br />

weiße Spitzenaufschläge. Täglich fotografierte er mich in anderem<br />

Arrangement – einmal auf der Sofalehne als Ariadne, einmal als Leda,<br />

einmal als Ganymed, einmal auf allen vieren als weiblichen Nebuchod-<br />

Nosor. Dabei schwärmte er von Umbringen, von Erschießen,<br />

Selbstmord <strong>und</strong> Kohlendampf. Frühmorgens nahm er eine Pistole ins<br />

Bett, lud sie voll Spitzkugeln <strong>und</strong> setzte sie mir auf die Brust: Ein<br />

Zwinkern, so drück' ich! – Oh, er hätte gedrückt, Moritz, er hätte<br />

gedrückt! – Dann nahm er das Dings in den M<strong>und</strong> wie ein Pustrohr. Das<br />

wecke den Selbsterhaltungstrieb. Und dann – brrr – die Kugel wäre mir<br />

durchs Rückgrat gegangen.<br />

Moritz Lebt Heinrich noch?<br />

Ilse Was weiß ich! – über dem Bett war ein Deckenspiegel im Plafond<br />

eingelassen. Das Kabinett schien turmhoch <strong>und</strong> hell wie ein Opernhaus.<br />

Man sah sich leibhaftig vom Himmel herunterhängen. Grauenvoll habe<br />

ich die Nächte geträumt. – Gott, o Gott, wenn es erst wieder Tag würde!<br />

– Gute Nacht, Ilse. Wenn du schläfst, bist du zum Morden schön!<br />

Moritz Lebt dieser Heinrich noch?<br />

Ilse So Gott will, nicht! – Wie er eines Tages Absinth holt, werfe ich den<br />

Mantel um <strong>und</strong> schleiche mich auf die Straße. Der Fasching war aus; die<br />

Polizei fängt mich ab; was ich in Mannskleidern wolle? – Sie brachten<br />

mich zur Hauptwache. Da kamen Nohl, Fehrendorf, Padinsky, Spühler,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!