Frühlings Erwachen - Deutsch mit Herz, Hirn und Händen
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Moritz Er philosophiert.<br />
Ilse Wendla war derweil bei uns <strong>und</strong> hat der Mutter Eingemachtes gebracht.<br />
Ich saß den Tag bei Isidor Landauer. Er braucht mich zur heiligen Maria,<br />
Mutter Gottes, <strong>mit</strong> dem Christuskind. Er ist ein Tropf <strong>und</strong> widerlich. Hu,<br />
wie ein Wetterhahn! – Hast du Katzenjammer?<br />
Moritz Von gestern Abend! – Wir haben wie Nilpferde gezecht. Um fünf Uhr<br />
wankt' ich nach Hause.<br />
Ilse Man braucht dich nur anzusehen. – Waren auch Mädchen dabei?<br />
Moritz Arabella, die Biernymphe, Andalusierin! – Der Wirt ließ uns alle die<br />
ganze Nacht durch <strong>mit</strong> ihr allein...<br />
Ilse Man braucht dich nur anzusehen, Moritz! – Ich kenne keinen<br />
Katzenjammer. Vergangenen Karneval kam ich drei Tage <strong>und</strong> drei<br />
Nächte in kein Bett <strong>und</strong> nicht aus den Kleidern. Von der Redoute ins<br />
Café, <strong>mit</strong>tags in Bellavista, abends Tingl-Tangl, nachts zur Redoute.<br />
Lena war dabei <strong>und</strong> die dicke Viola. – In der dritten Nacht fand mich<br />
Heinrich.<br />
Moritz Hatte er dich denn gesucht?<br />
Ilse Er war über meinen Arm gestolpert. Ich lag bewusstlos im<br />
Straßenschnee. – Darauf kam ich zu ihm. Vierzehn Tage verließ ich<br />
seine Behausung nicht – ein greuliche Zeit! – Morgens musste ich<br />
seinen persischen Schlafrock überwerfen <strong>und</strong> abends in schwarzem<br />
Pagenkostüm durchs Zimmer gehn; an Hals, an Knien <strong>und</strong> Ärmeln<br />
weiße Spitzenaufschläge. Täglich fotografierte er mich in anderem<br />
Arrangement – einmal auf der Sofalehne als Ariadne, einmal als Leda,<br />
einmal als Ganymed, einmal auf allen vieren als weiblichen Nebuchod-<br />
Nosor. Dabei schwärmte er von Umbringen, von Erschießen,<br />
Selbstmord <strong>und</strong> Kohlendampf. Frühmorgens nahm er eine Pistole ins<br />
Bett, lud sie voll Spitzkugeln <strong>und</strong> setzte sie mir auf die Brust: Ein<br />
Zwinkern, so drück' ich! – Oh, er hätte gedrückt, Moritz, er hätte<br />
gedrückt! – Dann nahm er das Dings in den M<strong>und</strong> wie ein Pustrohr. Das<br />
wecke den Selbsterhaltungstrieb. Und dann – brrr – die Kugel wäre mir<br />
durchs Rückgrat gegangen.<br />
Moritz Lebt Heinrich noch?<br />
Ilse Was weiß ich! – über dem Bett war ein Deckenspiegel im Plafond<br />
eingelassen. Das Kabinett schien turmhoch <strong>und</strong> hell wie ein Opernhaus.<br />
Man sah sich leibhaftig vom Himmel herunterhängen. Grauenvoll habe<br />
ich die Nächte geträumt. – Gott, o Gott, wenn es erst wieder Tag würde!<br />
– Gute Nacht, Ilse. Wenn du schläfst, bist du zum Morden schön!<br />
Moritz Lebt dieser Heinrich noch?<br />
Ilse So Gott will, nicht! – Wie er eines Tages Absinth holt, werfe ich den<br />
Mantel um <strong>und</strong> schleiche mich auf die Straße. Der Fasching war aus; die<br />
Polizei fängt mich ab; was ich in Mannskleidern wolle? – Sie brachten<br />
mich zur Hauptwache. Da kamen Nohl, Fehrendorf, Padinsky, Spühler,