Download (pdf) - Institut für Psychoanalyse der DPG Stuttgart
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„Vor allem Freuds Warnungen vor den Gefahren von Gegenübertragungsliebe<br />
scheinen seinen Gefühlen Frau Hirschfeld gegenüber beeinflusst zu<br />
sein. Anhand ihres Falles kann man sehen, dass er mit diesem Phänomen<br />
nicht nur als Anfänger (wie er an mehreren Stellen andeutete) und durch<br />
Erfahrungen seiner engsten Freunde und Schüler konfrontiert war, son<strong>der</strong>n<br />
noch relativ spät in seiner eigenen Praxis“ (Falze<strong>der</strong> 1995, S. 91),<br />
o<strong>der</strong> aber Freud selbst in einem Brief an Ferenczi zur Behandlung von Loe<br />
Kann:<br />
„Ich habe diese Loe außerordentlich lieb gewonnen und bei ihr ein sehr<br />
warmes Gefühl mit voller Sexualhemmung wie selten vorher (dank dem<br />
Alter wahrscheinlich) zustande gebracht“ (Freud/Ferenczi Briefwechsel<br />
1/2, S. 235f.).<br />
Der Fund <strong>der</strong> Tagebuchaufzeichnungen <strong>der</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>der</strong> Schweizer<br />
Ärztin Anna G. bei Freud im Jahre 1921, herausgegeben von Anna Koellreuter<br />
(2009) aus Zürich unter dem Titel: „Wie benimmt sich <strong>der</strong> Prof.<br />
Freud eigentlich?“, ist ein Lehrstück <strong>der</strong> „klassischen Technik“ Freuds, die<br />
Übertragungsliebe – vergeblich – in den Deutungsgriff zu bekommen. Für<br />
André Haynal ist diese Analyse ein „Meilenstein einer Epoche, die später<br />
als klassisch galt. Durch sie können wir die Grundideen und Beschränkungen<br />
dieser Epoche studieren und klar erkennen“ (A. Haynal 2009, S.<br />
242).<br />
Ohne seine Analysandin gesehen, gesprochen zu haben und zu kennen, ist<br />
die Behandlung vom 1. April 1921 an mit 6 Sitzungen pro Woche bis exakt<br />
14. Juli festgelegt, da er am nächsten Tag in Urlaub fährt. Er hält sich an<br />
die von Anna Freud ihrem Vater verordnete neurosefreie Ruhepause.<br />
Ich zitiere Anna Freud: „Lass Dich nicht von Patienten quälen und lass nur<br />
alle Millionärinnen ruhig verrückt bleiben, sie haben doch sonst keine<br />
Beschäftigung“ (P. Gay 1987, S. 492).<br />
Freud for<strong>der</strong>t seine Analysandin im Laufe <strong>der</strong> Stunden auf, sich außerhalb<br />
<strong>der</strong> therapeutischen Beziehung zu ihm abstinent zu verhalten: „Dulden<br />
und entbehren Sie, so dass alles desto deutlicher in <strong>der</strong> Stunde zum Vorschein<br />
kommt“ (A. Koellreuter 2009, S. 45). Er schürt die Übertragungsliebe<br />
seiner Patientin und es kommt, wie es kommen muß: Sie gesteht<br />
Freud „ich habe Sie schon sehr gern“ (ebd.) und kann sich vorstellen, dass<br />
eine junge Frau „jemanden älteren heiraten kann“ (ebd.), was Freud<br />
veranlasst zu entgegnen:<br />
„Das ist nun die Übertragung <strong>der</strong> alten Liebe und Verliebtheit, die Sie zum<br />
Vater hatten, auf mich. Auch alle die schmerzl. Enttäuschungen, Eifersucht<br />
etc. wird dann kommen“ (ebd.).<br />
Er weist durch seine rein rekonstruktive Übertragungsintervention, instrumentell,<br />
automatisiert und direktiv, wie sie ist, das, was er selbst provoziert,<br />
das Liebesrezidiv seiner Patientin, zurück und lenkt mit dieser Übertragungsabwehr<br />
die ihm geltenden Liebesgefühle auf eine Person <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
um, im Sinne von: Die Rede ist zwar an mich gerichtet, aber<br />
nicht an mich adressiert!<br />
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