Download (pdf) - Institut für Psychoanalyse der DPG Stuttgart
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Gefahr erkannt, Gesetz erlassen, Gefahr gebannt?<br />
Keineswegs! Die "Bemerkungen über die Übertragungsliebe“ werden<br />
Jahrzehnte we<strong>der</strong> aufgegriffen noch diskutiert. Einerseits geraten Freuds<br />
Ratschläge für eine Spiegel-Chirurgen-Neutralitäts-Anonymitäts-Technik,<br />
die Ferenczi als Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Analytiker vor <strong>der</strong> eigenen Übertragung<br />
versteht, zur psychoanalytischen Standardnorm. Die institutionalisierte<br />
wissenschaftliche <strong>Psychoanalyse</strong> vermeidet geradezu die Bearbeitung des<br />
sich gegenseitig bedingenden Wi<strong>der</strong>spruchsverhältnisses von Übertragung<br />
und Gegenübertragung. Das theoretische Interesse verlagert sich für<br />
lange Zeit auf die negative Übertragung als eine Form <strong>der</strong> Abwehr <strong>der</strong><br />
Übertragungsliebe, allerdings ohne dies diskursorisch aufzunehmen.<br />
Und so führt eine kollektive Angstabwehr dessen, was es vor und hinter<br />
<strong>der</strong> Couch zu befreien gilt, zu einem absurden Unternehmen: Verdrängte<br />
Liebe soll befreit werden, indem ein schafsgesichtiger Blechaffe Liebe um<br />
sich selbst kreisen lässt; <strong>der</strong> Analytiker streift morgens vor Praxisbeginn<br />
seinen Trauring (J. Cremerius 1984, S. 777) ab, zieht einen weißen Kittel<br />
über, bevor er sich in seine bewusst kahl und unpersönlich gehaltenen<br />
Behandlungsräume begibt, empfängt dort mit <strong>der</strong> Mimik eines Blechaffen<br />
(Stone 1973, S. 47) seine Patienten, unsicher, ob er ihnen die Hand zur<br />
Begrüßung reichen darf, beschränkt seinen Sprechkontakt auf ein Minimum<br />
und enthält sich guter Wünsche für eine erfolgreiche Operation<br />
seines Patienten, da dies als un-analytisch deklariert wird.<br />
Richard Sterba, <strong>der</strong> unter dem Eindruck heftiger Liebesgefühle <strong>der</strong> Patienten<br />
sein defensives technisches Konzept <strong>der</strong> „therapeutischen Ich-Spaltung“<br />
entwickelt, das von Helene Deutsch und Paul Fe<strong>der</strong>n massiv kritisiert<br />
wird, sich aber dennoch durchsetzt, bietet ein repräsentatives Beispiel<br />
<strong>der</strong> libidophobischen Haltung <strong>der</strong> Analytiker jener Jahre:<br />
Ein junger Patient kommt zu ihm, da er unter einer „Befangenheitsneurose“,<br />
einer Erythrophobie, leidet. Es „war unschwer ein starker homosexueller<br />
Triebdrang hinter dem manifesten Benehmen zu erkennen (R.<br />
Sterba 1982, S. 36), <strong>der</strong> zu Beginn des zweiten Monats <strong>der</strong> Behandlung<br />
als „homosexuelle Übertragung in fast explosiver Weise manifest“ (ebd.,<br />
S. 37) wird. Die „Explosion“ geht folgen<strong>der</strong>maßen von statten: Der junge<br />
Mann übergibt Sterba ein Geschenk, ein „Ölgemälde, das einen nackten<br />
Satyr darstellte, <strong>der</strong> eine fliehende nackte Nymphe verfolgte“ (ebd.).<br />
Darüber wird in <strong>der</strong> Behandlungsstunde selbst kein Wort gesprochen;<br />
danach allerdings ruft Sterba sofort seinen Kontrollanalytiker Jokl an und<br />
bittet ihn um Rat.<br />
Dessen Antwort lautet: „Rücksichtslos analysieren“ (ebd.), was Sterba<br />
befolgt: „Als <strong>der</strong> Patient das nächste Mal kam, begann ich ihm die homosexuelle<br />
Bedeutung des Geschehens zu erklären. Der Patient hörte eine<br />
Weile schweigend zu, dann stand er auf, nahm das Bild, das noch dort<br />
stand, wo er es hingestellt hatte, und verließ wortlos das Zimmer. Ich<br />
habe nie wie<strong>der</strong> von ihm gehört. Ich musste erkennen, dass die Befolgung<br />
des technischen Rates meines Kontrolleurs, meinen ersten analytischen<br />
Versuch zu einem schmählichen Ende verurteilt hatte“ (ebd.).<br />
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