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Journal 2013.2014Die jährliche Hauszeitschrift der Konzertdirektion

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Wenn <strong>der</strong> Tenor Klaus Florian Vogt auf seiner Harley Davidson zur Preisverleihung des<br />

ECHO Klassik düst o<strong>der</strong> die Pianistin Hélène Grimaud von ihrem Zusammenleben mit<br />

Wölfen erzählt, kann man sich fragen, inwiefern ihre Kunst hiervon profitiert. Und wenn<br />

in Interviews ein Künstler gefragt wird, welche Hobbys er neben <strong>der</strong> Musik pflegt und wo<br />

er am liebsten die Seele baumeln lässt, kommt schnell <strong>der</strong> Verdacht auf, dass hier ein<br />

findiger PR-Agent am Werke war. Was hat dies alles also mit Musik zu tun? Nichts, und<br />

doch sehr viel.<br />

funktion – überspitzt: Was nicht in den Medien ist, existiert nicht – und schafft Anknüpfungspunkte<br />

für die öffentliche Wahrnehmung. Das kann bedeuten, sich einem Künstler<br />

über sein Hobby zu nähern und ihn ins Kochstudio zu begleiten. Die Themen sind vielfältig.<br />

Sie mit Substanz zu füllen obliegt damals wie heute dem Künstler selbst.<br />

Die Wahrnehmung des Künstlers und des Klassikbetriebs in <strong>der</strong> heutigen, von digitalen<br />

Medien geprägten Welt hat sich verän<strong>der</strong>t. Eine Reihe neuer Klassikstars generiert eine<br />

hohe mediale Aufmerksamkeit, die weit über das Erlebnis im Konzert hinausreicht. Dies<br />

wie<strong>der</strong>um erzeugt auch einen zunehmenden Druck auf die „alte Garde“, die immer häufiger<br />

in sozialen Medien wie Facebook und Twitter vertreten sein muss. Dass hierbei<br />

nicht allein die musikalische Leistung, son<strong>der</strong>n auch die Persönlichkeit des Künstlers in<br />

den Vor<strong>der</strong>grund rückt, liegt auf <strong>der</strong> Hand.<br />

Doch ist das wirklich neu? Schon Franz Liszt o<strong>der</strong> Paganini können als erste Popstars<br />

im mo<strong>der</strong>nen Sinne betrachtet werden; skandalöse Frauengeschichten, Alkoholexzesse<br />

und hysterisches Publikum inklusive. O<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geigenvirtuose Joseph Joachim, <strong>der</strong> wie<br />

selbstverständlich gleichzeitig komponierte, die erste Akademische Hochschule für<br />

Musik in dieser Form in Berlin gründete, 400 Schüler unterrichtete, Werke in Auftrag gab<br />

und einzigartige Programme schuf, lange bevor dies als innovativ bezeichnet wurde.<br />

Auch neuere Beispiele zeigen, dass <strong>der</strong> Starkult so mo<strong>der</strong>n nicht ist: Wenn sich Karajan<br />

in Salzburg 1957 aus einem Porsche schwang, klickten die Kameras – beim bie<strong>der</strong>en<br />

Auftreten eines Eugen Jochum klickten sie nicht. Als Karl Böhm Proben noch mit Anzug<br />

und Krawatte dirigierte, spielte Solti Wagners „Ring“ 1958 bereits im Polohemd ein. Die<br />

genannten Künstler eint ihr unkonventionelles Auftreten, das Überschreiten <strong>der</strong> gewohnten<br />

Grenzen des Klassikbetriebs, und die Faszination, die dies beim Publikum auslöst.<br />

Neu sind hingegen die immer stärker spürbaren Verän<strong>der</strong>ungen im Klassikbetrieb. Die<br />

ehemals etablierte Rolle <strong>der</strong> klassischen Musik wird nicht mehr als selbstverständlich<br />

hingenommen und das traditionelle Bürgertum, das diese Form <strong>der</strong> Musikdarbietung als<br />

Repräsentation seiner selbst nutzte, existiert so nicht mehr. Das klassische Konzert spielt<br />

somit neben vielfältigen kulturellen Angeboten nur noch eine, aber nicht die entscheidende<br />

Rolle. Um dem eigenen Bedeutungsverlust entgegenzuwirken und das Publikum<br />

weiterhin für klassische Musik zu begeistern, entwickeln die Konzerthäuser zunehmend<br />

individuelle Profile, denn die Konkurrenz untereinan<strong>der</strong> und darüber hinaus ist groß. Das<br />

dargebotene Programm umfasst somit nicht mehr nur das klassische Konzert, son<strong>der</strong>n<br />

auch Spezialprogramme für Kin<strong>der</strong>, Bildungsprogramme für Schüler, Partyformate für<br />

Jugendliche und Konzerte für Senioren.<br />

Dies lässt sich wie<strong>der</strong>um auf die mediale Vermittlung des Künstlers in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

übertragen. Nicht nur seine musikalische Leistung, son<strong>der</strong>n auch seine Persönlichkeit<br />

geraten in zunehmendem Maße in den Blickpunkt des Interesses: Was steckt hinter<br />

einer Aufführung, wie lebt <strong>der</strong> Künstler privat und was passiert backstage beim Konzert?<br />

Die sozialen Medien erfüllen hierbei eine doppelte Funktion, indem sie die Nähe zum<br />

Künstler gleichsam ermöglichen und erzwingen. In <strong>der</strong> übersättigten Medienlandschaft<br />

wird es damit zunehmend wichtig, ein klares Image eines Künstlers zu vermitteln, das<br />

über die Musik hinaus seine Einzigartigkeit hervorhebt und somit seine Sichtbarkeit<br />

erhöht. Dies zu nutzen, also die öffentliche Aufmerksamkeit über gezielt ausgewählte<br />

Themen zu lenken, ist Aufgabe <strong>der</strong> PR. Sie übernimmt eine notwendige Vermittlungs-

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