10:00 abraxas - a-guide.
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23<br />
titelthema<br />
nur manchmal droht man mir mit Schlägen<br />
Für eine Hauptstadt wie Berlin sind Offenheit und Multikulturalität selbstverständlich<br />
Pflicht wie Kür. In Augsburg ist Oberhausen derjenige Stadtteil<br />
mit dem höchsten Anteil an Bewohnern mit Zuwanderungsgeschichte.<br />
Schon an der Vielfalt und der großen Anzahl kleiner Geschäfte kann man<br />
sehen, dass Oberhausen mehr als manch anderer Stadtteil einen eigenen<br />
sozialen Kosmos bildet. Oberhausen ist damit erster Augsburger Anwärter<br />
auf den Ehrentitel »Kiez«. Ab und zu arbeite ich dort in Nachtschicht an<br />
einer Tankstelle. Dazu gehört auch, die Ausweise der Jugendlichen zu<br />
kontrollieren, die Alkohol oder Zigaretten kaufen wollen. Nie zuvor habe<br />
ich in so kurzer Zeit Ausweise aus so vielen verschiedenen Ländern gesehen.<br />
Eine Nacht in Oberhausen ist auf den ersten Blick so ruhig wie anderswo<br />
in Augsburg. Es sind nicht viele Leute unterwegs. An Knotenpunkten wie<br />
der Tankstelle aber sind neun Stunden der Oberhauser Nacht konkret<br />
gewordene Globalisierung und Individualisierung. Ich treffe einen Koreaner<br />
mit einem Eimer Tofu, den er sich jeden Monat bei einem Tschechen um die<br />
Ecke besorgt. Ein Russe kauft wie jedes Mal eine Flasche billigen Weißwein<br />
und erzählt, dass er nicht schlafen kann, weil er eben erfahren hat, dass<br />
seine Schwester in Russland erschossen worden ist. Der Taxifahrer, der sich<br />
zwei belegte Semmeln holt, trägt auffällig hohe Absätze und hat seine<br />
Fingernägel rot lackiert. Nur manchmal droht man mir mit Schlägen.<br />
Wenn von Berlin die Rede ist, muss man auch über freie Räume für Kunst<br />
und Kultur sprechen. Die allermeisten Städte leiden ja unter andauerndem<br />
und akutem Platzmangel und die weniger gut verdienenden, aber<br />
kreativen Bewohner werden allzu oft von Viertel zu Viertel gescheucht.<br />
Zwar ist auch Berlin nicht verschont von diesem Problem, aber doch dafür<br />
berühmt, über mehr freien Raum zu verfügen als andere Großstädte. In<br />
Augsburg bemüht sich der Kulturpark West, günstigen Raum für Künstler<br />
und Kreative freizuhalten.<br />
in was für einer Stadt wollen wir leben?<br />
An dem Tag, an dem ich über das Gelände des Kulturparks laufe, ist der<br />
Himmel blau und die Luft eiskalt. Viel ist nicht los an diesem frühen<br />
Nachmittag, aber man merkt, dass hier gearbeitet und gelebt wird. In den<br />
großen Gebäuden der ehemaligen Reesekaserne sind neben Ateliers von<br />
Musikern und Künstlern das Jungen Theater, der Stadtjugendring, ein Musikprojekt<br />
des Stadttheaters und eine private Kinderbetreuung beheimatet.<br />
Das Gelände hat den sympathischen Charme des Umfunktionierten: ein<br />
wenig verlassen und verfallen, aber lebendig und in Bewegung. Während<br />
ich mich umsehe und Fotos mache, lehnt ein Jugendlicher mit Kapuze an<br />
einem kleinen Auto und schaut mich grimmig an. Ich lächle, aber er<br />
lächelt nicht zurück. Als ich mich wegdrehe, zieht er das Mädchen, das<br />
neben ihm steht, zu sich und umarmt es. Aus einem der Fenster höre ich<br />
dumpf ein Schlagzeug.<br />
Es gibt sie also auch in Augsburg: Orte, wie sie einer Großstadt würdig<br />
sind. Orte, die zwiespältig sind und ein bisschen hässlich, vor allem aber<br />
interessant. Orte, die unfreiwillige und unkontrollierbare Qualitäten<br />
haben. An solchen Orten merkt man, ob eine Stadt in Bewegung ist. Und<br />
das Beste: Diese Bewegung können wir mitgestalten. Jedenfalls stellen<br />
solche Orte eine gute Frage: In was für einer Stadt wollen wir leben?<br />
PREMIEREN IM FEBRUAR<br />
STRAWINSKY TRILOGIE<br />
Ballettabend von Gaerano Posterini<br />
6. Februar 20<strong>10</strong> | Komödie<br />
HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER<br />
Peter Lund<br />
6. Februar 20<strong>10</strong> | Foyer Großes Haus<br />
FERNE KLÄNGE UND EIN LEICHTFÜSSIGER TITAN<br />
5. Sinfoniekonzert<br />
8. | 9. Februar 20<strong>10</strong> | Kongresshalle<br />
DER FERNE KLANG<br />
Franz Schreker<br />
28. Februar 20<strong>10</strong> | Großes Haus<br />
Besucherservice 0821. 324 49<strong>00</strong> | www.theater.augsburg.de<br />
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