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Traum als Methode - Rote Fabrik

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<strong>Traum</strong> <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />

Die Zeitung der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> — Modes of Practice #3<br />

Mit Texten von André Breton, Elisabeth Bronfen, Anna K. Becker,<br />

Geneviève Morel, Etrit Hasler und Esther Becker<br />

Ausgabe Nr. 271, Mai 2011<br />

P.P./Journal CH - 8038 Zürich


[...] Wir leben noch unter der Herrschaft der Logik. Der absolute Rationalismus, der noch in Gebrauch<br />

ist, erlaubt lediglich die Berücksichtigung von Fakten, die eng mit unserer Erfahrung verknüpft sind.<br />

Die logischen Zwecke hingegen entgehen uns. Unnötig hinzuzufügen, daß auch der Erfahrung Grenzen<br />

gesteckt wurden. Sie windet sich in einem Käfig, aus dem sie entweichen zu lassen immer schwieriger<br />

wird. Auch sie stützt sich auf die unmittelbare Nützlichkeit, auch sie wird vom gesunden Menschenverstand<br />

bewacht. Unter dem Vorwand der Zivilisation, des Fortschritts, gelang es schließlich,<br />

alles aus dem Geist zu verbannen, was mit Recht oder Unrecht <strong>als</strong> Aberglaube, <strong>als</strong> Hirngespinst gilt,<br />

jede Art der Wahrheitssuche zu verurteilen, die nicht der herkömmlichen entspricht. Vor kurzem ist —<br />

scheinbar durch den größten aller Zufälle — ein Teil der geistigen Welt wieder ans Licht gehoben worden,<br />

meines Erachtens der weitaus wichtigste, um den sich zu bekümmern man nicht mehr für nötig<br />

befand. Freuds Entdeckungen gebührt unser Dank. Auf Grund dieser Entdeckungen bildet sich endlich<br />

eine neue geistige Richtung heraus, die es begünstigt, daß der Erforscher des Menschlichen seine<br />

Untersuchungen weiter vorantreiben kann, ihn bevollmächtigt, nicht mehr nur summarische Erfahrungen<br />

zu berücksichtigen. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre Rechte einzutreten.<br />

Wenn die Tiefen unseres Geistes seltsame Kräfte bergen, befähigt, diejenigen der Oberfläche zu mehren<br />

oder sie siegreich zu bekämpfen, so haben wir allen Grund, sie aufzufangen, sie zuerst aufzufangen<br />

und danach, wenn nötig, der Kontrolle unserer Vernunft zu unterwerfen. Selbst die Analytiker<br />

können dabei nur gewinnen. Wichtig ist jedoch zu bemerken, daß keine <strong>Methode</strong> a priori zur Verwirklichung<br />

dieser Unternehmung bestimmt ist; daß diese bis auf weiteres ebenso <strong>als</strong> der Domäne der<br />

Dichter zugehörig gelten kann <strong>als</strong> der der Gelehrten; und daß ihr Erfolg nicht abhängt von den mehr<br />

oder weniger gewundenen Wegen, die man wählen wird. Mit vollem Recht hat Freud seine Kritik auf<br />

das Gebiet des <strong>Traum</strong>s gerichtet. Es ist in der Tat ganz unzulässig, daß dessen beträchtlicher Anteil an<br />

der psychischen Tätigkeit (erfährt doch — zumindest von der Geburt bis zum Tode — die geistige Tätigkeit<br />

des Menschen keinerlei Unterbrechung, und ist doch die Summe der <strong>Traum</strong>-Momente, selbst<br />

wenn man nur den reinen <strong>Traum</strong>, den des Schlafs, in Betracht zieht, nicht geringer <strong>als</strong> die Summe der<br />

Wirklichkeits-Momente, sagen wir einfach: der Wachseins- Momente), daß dieser beträchtliche Anteil<br />

des <strong>Traum</strong>s, sage ich, noch so wenig Aufmerksamkeit hat erlangen können. Die Tatsache, daß die Ereignisse<br />

des Wachseins und die des Schlafes dem gewöhnlichen Beobachter von so äußerst verschiedener<br />

Wichtigkeit und Bedeutung erscheinen, hat mich schon immer in Erstaunen gesetzt. Der Mensch<br />

ist eben, wenn er nicht mehr schläft, vor allem ein Opfer seines Gedächtnisses, welches sich darin<br />

gefällt, ihm im Normalzustand die <strong>Traum</strong>ereignisse nur schwach nachzuzeichnen — dem <strong>Traum</strong> jedoch<br />

all seine Folgenschwere zu benehmen und <strong>als</strong> einzige Determinante den Zeitpunkt zu sehen, wo<br />

der Mensch glaubt, sie vor einigen Stunden zurückgelassen zu haben: jene Hoffnung, jene Sorge. Der<br />

<strong>Traum</strong> sieht sich auf diese Weise, auf eine Einklammerung reduziert, wie die Nacht. Und nicht mehr <strong>als</strong><br />

sie bringt er gemeinhin Rat. Diese merkwürdige Sachlage scheint mir zu einigen Überlegungen aufzufordern:<br />

1. Innerhalb der Grenzen, in denen er sich produziert (zu produzieren scheint), erscheint der<br />

<strong>Traum</strong> durchaus <strong>als</strong> kontinuierlich, zeigt er eine gewisse Organisation. Das Gedächtnis nur maßt sich<br />

das Recht an, ihn zu beschneiden, Übergänge nicht zu beachten und uns eher eine Reihe von Träumen<br />

vorzuführen <strong>als</strong> den <strong>Traum</strong>. Desgleichen haben wir von den Realitäten nur im einzelnen Augenblick<br />

eine deutlich unterschiedliche Vorstellung, und ihre Koordination ist Sache des Willens. Und es drängt<br />

sich hier die wichtige Beobachtung auf, daß nichts uns ermächtigt, auf eine größere Auflösung bei den<br />

<strong>Traum</strong>- Elementen zu schließen. Ich bedaure, darüber in Formeln zu sprechen, die eigentlich den <strong>Traum</strong><br />

ausschließen. Wann werden wir schlafende Logiker, schlafende Philosophen, haben? Ich möchte<br />

schlafen, um mich den Schlafenden hingeben zu können, wie ich mich denen hingebe, welche mich mit<br />

offenen Augen lesen, um bei diesem Thema nicht mehr den bewußten Rhythmus meines Denkens<br />

überwiegen zu lassen. Mein <strong>Traum</strong> der letzten Nacht setzt vielleicht den der vorhergehenden Nacht<br />

fort, und vielleicht erfährt er in der kommenden Nacht seine Fortsetzung in löblicher Folgerichtigkeit.<br />

Das ist wohl möglich, heißt es. Und da es keineswegs erwiesen ist, daß auf diese Weise die «Wirklichkeit»,<br />

die mich beschäftigt, im <strong>Traum</strong>e weiterbesteht, daß sie nicht ins Unerinnerliche versinkt — warum<br />

sollte ich dem <strong>Traum</strong> nicht zugestehen, was ich zuweilen der Wirklichkeit verweigere, jenen Wert<br />

der eigenen Gewißheit nämlich, der während der <strong>Traum</strong>spanne ganz und gar nicht von mir geleugnet<br />

wird? Warum sollte ich vom Exponenten des <strong>Traum</strong>s nicht noch mehr erwarten <strong>als</strong> ich von einem täglich<br />

höheren Bewußtseinsgrad erwarte? Kann nicht auch der <strong>Traum</strong> zur Lösung grundlegender Lebensfragen<br />

dienen? Und diese Fragen, sind es die gleichen in beiden Fällen und sind sie im <strong>Traum</strong>e<br />

bereits? Enthält der <strong>Traum</strong> weniger Gesetzeskraft <strong>als</strong> das übrige Leben? Ich altere, und vielleicht ist es<br />

— mehr noch <strong>als</strong> diese Wirklichkeit, der ich mich unterworfen glaube — der <strong>Traum</strong>, meine Gleichgültigkeit<br />

ihm gegenüber, welche mich altern läßt. [...] — André Breton: Manifeste du Surréalisme (1924)


WITH YOU<br />

I WALK<br />

IN DREAMS


Um den dynamischen Aspekt unbewusster Phantasiebildungen<br />

hervorzuheben, entwirft Freud<br />

eine szenische Darstellung ihres Schicks<strong>als</strong>, die den<br />

seelischen Apparat <strong>als</strong> Bühnenraum konzipiert.<br />

In seiner Vorlesung über “Widerstand und Verdrängung”<br />

setzt er das Unbewusste einem grossen<br />

Vorraum gleich “in dem sich die seelischen<br />

Regungen wie Einzelwesen tummeln.” An diesem<br />

Vorraum schliesst sich “ein zweiter, engerer,<br />

eine Art Salon, in welchem auch das Bewusstsein<br />

verweilt.” An der Schwelle zwischen beiden<br />

Räumlichkeiten waltet aber ein Wächter seines<br />

Amtes, “der die einzelnen Seelenregungen mustert,<br />

zensuriert und sie nicht in den Salon einlässt,<br />

wenn sie sein Missfallen erregen”. Die Gestaltung<br />

dieses Raumbildes erlaubt Freud eine Ausbild-<br />

ung seiner Nomenklatur: “Die Regungen im Vor-<br />

raum des Unbewussten sind dem Blick des Bewusstseins,<br />

das sich ja im anderen Raum befindet,<br />

entzogen; sie müssen zunächst unbewusst bleiben.<br />

Wenn sie sich bereits zur Schwelle vorgedrängt<br />

haben und vom Wächter zurückgewiesen worden<br />

sind, dann sind sie bewusstseinsunfähig; wir heissen<br />

sie verdrängt. Aber die Regungen, welche der<br />

Wächter über die Schwelle gelassen, sind darum<br />

nicht notwendig auch bewusst geworden; sie können<br />

es bloss werden, wenn es ihnen gelingt, die Blicke<br />

des Bewusstseins auf sich zu ziehen”.<br />

Erst die Arbeit des Wächters <strong>als</strong>o schafft die Unterscheidung<br />

zwischen Triebvorstellungen, die zu-<br />

lässig sind, und solchen, die <strong>als</strong> bösartig befunden<br />

vom Blick des Bewusstseins verdrängt werden.<br />

Entscheidend <strong>als</strong> seiner Topologie des psychischen<br />

Apparates ist folgendes: Triebe, Affekte, Fanta-<br />

sien müssen im Unbewussten immer schon <strong>als</strong> potentiell<br />

vorstellbar vorhanden sein. Deshalb denkt<br />

Freud sie stets an eine Repräsentanz geknüpft,<br />

auch wenn diese noch nicht bewusst geworden ist.<br />

Zugleich setzt der von ihm konzipierte Wächter<br />

auch jenen Umwandlungsprozess in Gang, der aus<br />

jeglichen zurückgedrängten Regungen Wünsche,<br />

Träume und Symptome erzeugt, deren Verkleidung<br />

es ihnen ermöglichen wird, die Schwelle der Zen-<br />

sur doch zu passieren, und so nachträglich – <strong>als</strong> Spur<br />

– jenen dem Bewusstsein nicht zugänglichen Vor-<br />

raum erfahrbar zu machen. Doch erst wenn es ihnen<br />

gelingt, die Aufmerksamkeit des Bewussten auf<br />

sich zu ziehen, haben diese Fantasien ihr Ziel wirk-<br />

lich erreicht. Sie benötigen den Blick dieses<br />

Anderen, um eine bewusste Vorstellung zu werden.<br />

So tritt das Unbewusste zwar vornehmlich durch<br />

seine Abkömmlinge, durch deren affektive Kraft<br />

und deren gestalterische List in Erscheinung.<br />

Dem Nachdrängen dieser Phantasien wohnt aber<br />

ebenso untilgbar die Geste der Nachträglichkeit<br />

inne. Das Unbewusste <strong>als</strong> psychischer Raum, in dem<br />

ein Denken sich entfalten kann, das der Zensur<br />

der Vernunft vorgängig ist und diese trügen muss,<br />

um bewusst zu werden, diese schillernde Bühne<br />

unendlicher Möglichkeiten der Gestaltung lässt sich<br />

nur an den von ihr produzierten Präsenzeffekten<br />

begreifen: An neurotischen Symptomen, die ihr entstammen,<br />

sowie den Fehlleistungen im Alltag,<br />

am Witz, aber auch an jeglichen Wunschträumen.<br />

Denn dieser Raum, zu dem die Vernunft direkt<br />

keinen Zugang hat, ist zugleich nur in der Sprache<br />

des Bewussten erfahrbar. Entscheidend für den<br />

räumlichen Entwurf der Seele, den Freud anbietet ist<br />

nämlich, dass die verdrängten Wunschregungen<br />

zwar mit der Zensur des Bewussten nicht verträglich<br />

sind. Dennoch haben sie bereits Teil am Prozess<br />

psychischer Gestaltung, sind nicht gänzlich formlos.<br />

In seinem Aufsatz „Die Verdrängung“ hält Freud<br />

fest, „wir haben <strong>als</strong>o Grund eine Urverdrängung anzunehmen.“<br />

Diese erste Trennung zwischen Vorstellungen,<br />

die zutage treten und solchen, die im<br />

Dunklen bleiben müssen, stellt die Matrix dar für<br />

alle späteren psychischen Bildungen. Dieser Akt<br />

schafft den Nährboden für jenes dynamische Rückdrängen<br />

abgewiesener Triebvorstellungen, das<br />

das psychische Leben im Zeichen kultureller Beschränkungen<br />

reguliert. „Die zweite Stufe der<br />

Verdrängung, die eigentliche Verdrängung, betrifft<br />

psychische Abkömmlinge der verdrängten Repräsentanz.“<br />

„Wegen dieser Beziehung,“ fährt Freud fort, „erfahren<br />

diese Vorstellungen dasselbe Schicksal wie das Urverdrängte.<br />

Die eigentliche Verdrängung ist <strong>als</strong>o ein<br />

Nachdrängen“. Die Geste der Anziehung, die das<br />

Urverdrängte wie ein Magnet ausübt, ist dabei eben<br />

so wichtig wie die der Abstossung, denn die Verdrängung<br />

kann nur dadurch gewährleistet werden,<br />

dass es bereits vorgängig verdrängtes Material<br />

gibt, welches das vom bewussten Abgestossene aufzunehmen<br />

bereit ist. Die durch eine ursprüng-<br />

liche Verdrängung festgelegte Scheidung zwischen<br />

Bewusstem und Unbewussten unterliegt in der<br />

von Freud entworfenen Topologie des seelischen<br />

Apparats zudem einem Glauben an die Unsterblichkeit<br />

jeglicher Wunschregungen. Diese können<br />

grundsätzlich nicht absterben, sondern nur eine<br />

Umgestaltung erfahren. Die Verdrängung hindert<br />

die Treibrepräsentanz nicht daran, “im Unbewus-<br />

sten fortzubestehen, sich weiter zu organisieren,<br />

Abkömmlinge zu bilden und Verbindungen anzuknüpfen.<br />

Die Verdrängung stört wirklich nur die<br />

Beziehung zu einem psychischen System, dem<br />

des Bewussten”. Somit erweist sich der unbewusste<br />

Bereich der Seele <strong>als</strong> umtriebiger Umschlagplatz,<br />

der weitaus gestalterischer ist <strong>als</strong> die tägliche Ver-<br />

nunft. Jede Triebvorstellung kann sich “ungestörter<br />

und reichhaltiger” entwickeln, “wenn sie durch<br />

die Verdrängung dem bewussten Einfluss entzogen<br />

ist. Sie wuchert dann sozusagen im Dunklen und<br />

findet extreme Ausdrucksformen”, welche dem Men-<br />

schen, dem sie in übersetzter Gestalt vorgehalten<br />

werden, “nicht nur fremd erscheinen müssen, son-<br />

dern ihn auch durch die Vorspiegelung einer<br />

ausserordentlichen und gefährlichen Triebstärke<br />

schrecken“.<br />

Diese täuschende Triebstärke ist wiederum lediglich<br />

„das Ergebnis einer ungehemmten Entfaltung in<br />

der Phantasie und der Aufstauung infolge versagter<br />

Befriedigung”. Auf der Bühne des Unbewussten,<br />

vor der Zensur alltäglicher Verhaltenskodes, symbolischer<br />

Verbote und kollektiver Einschrän-<br />

kungen geschützt, können die Wunschregungen des<br />

Menschen sich absolut frei entfalten. Das Unbewusste<br />

fördert regelrecht das Spiel mannigfaltiger<br />

Phantasmagorien, und stellt in seiner unbeschränk-<br />

ten Kreativität zugleich sicher, dass es in der Welt<br />

des alltäglich vernünftigen Blickes zu seinem<br />

Recht kommen wird. Denn laut Freud stellt das Unbewusste<br />

auch eine Bühne dar, auf der sich jene<br />

Entstellungen erzeugen lassen, die den Wunschregungen,<br />

wenn sie sich “weit genug von der<br />

verdrängten Repräsentanz entfernt haben”, den<br />

Zugang zum Bewussten ohne weiteres freistellen.<br />

Vom Unbewussten <strong>als</strong>o geht sowohl jenes<br />

Nachdrängung aus, die das Bewusste stets an seine<br />

verdrängten, vergessenen oder verworfenen<br />

Wunschregungen erinnert, sowie die Erstellung<br />

einer Distanz zur Urverdrängung. An diesem<br />

Ort im seelischen Apparat entscheidet sich, ob die<br />

Abkömmlinge des Verdrängten endgültig im<br />

Dunkeln verschwinden oder ob sie mit Hilfe einer<br />

Umgestaltung ihrer Erscheinung den bislang<br />

ihnen versagten Gang ans Licht des Bewussten<br />

erneut anstreben dürfen. Jede Triebvorstellung<br />

hat laut Freud sein besonderes Schicksal; “ein wenig<br />

mehr oder weniger von Entstellung macht dass<br />

der ganze Erfolg umschlägt”. Aus denselben Wahrnehmungen<br />

und Erlebnissen können sowohl<br />

Ideale entstammen, wie Abscheu erregende Phantasien.<br />

Ausschlaggebend ist lediglich die Verklei-<br />

dung, die sie im Unbewussten erfahren, um ihre<br />

gemeinsame Abstammung von der Urverdrängung<br />

zu tarnen.<br />

Zugleich bleibt das Unbewusste ein in hohem Grade<br />

dynamischer Ort, weil in der Regel die Aufhebung<br />

der Verdrängung nur eine vorübergehende ist. Man<br />

darf sich die Verdrängung “nicht wie ein einmali-<br />

ges Geschehen mit Dauererfolg vorstellen.” Sie erfordert<br />

vielmehr “einen anhaltenden Kraftaufwand,<br />

mit dessen Unterlassung ihr Erfolg in frage gestellt<br />

wäre, so dass ein neuerlicher Verdrängungsakt<br />

notwendig würde. Wir dürfen uns vorstellen, dass<br />

das Verdrängte einen kontinuierlichen Druck in<br />

der Richtung zum Bewussten hin ausübt, dem durch<br />

unausgesetzten Gegendruck das Gleichgewicht<br />

gehalten werden muss. Die Erhaltung einer Verdrängung<br />

setzt <strong>als</strong>o eine beständige Kraftausgabe<br />

voraus”. Im Widerstreit zwischen dem Wächter des<br />

Bewussten und dem Widerstand der zurückgewiesenen<br />

Vorstellungen wird die Verdrängung stets neu<br />

erzeugt, und mit ihr das Phantasieleben. Entscheidend<br />

an dessen Schicksal ist lediglich, wie weit das<br />

Bewusstsein die Spur der Urverdrängung, die<br />

ihm <strong>als</strong> Erbschaft anhängt, ertragen kann. Nochm<strong>als</strong><br />

greift Freud auf seine szenische Darstellung zurück:<br />

“es kommt etwa darauf hinaus, ob ich einen unliebsamen<br />

Gast aus meinem Salon hinausbefördere<br />

oder aus meinem Vorzimmer oder ihn, nachdem<br />

ich ihn erkannt habe, überhaupt nicht über die<br />

Schwelle der Wohnungstür treten lasse”. Doch auch<br />

die Wiederherstellung der Verdrängung ist kein<br />

einmaliges Geschehen; der unliebsame Gast kann<br />

ebenso wenig endgültig aus dem Salon entfernt<br />

werden, wie es der Entstellung nicht gelingt, ihn<br />

dort auf ewig zu tarnen. Es bleibt nur jener Widerstreit,<br />

der auf die Rückkehr der Abkömmlinge<br />

der Urverdrängung beständig mit einem Gegendruck<br />

durch das Bewusste antwortet, und, sollte<br />

dieser Gelingen, einen neuen Widerstand erzeugt.<br />

Charles Laughtons noir Märchen Night of the<br />

Hunter (1955) bietet eine griffige und zugleich ergreifende<br />

kinematische Inszenierung dieser psy-<br />

choanalytischen Denkfigur. Die Häuser, die meist<br />

von harten Schatten konturiert und somit <strong>als</strong> chiaroscuro<br />

Bilder auf der Leinwand auftauchen, entsprechen<br />

einem psychischen Apparat, den die<br />

Filmgestalten gemeinsam bewohnen. In diesen<br />

Räumen wird das Nachdrängen verbotener Wunschregungen<br />

unentwegt durchgespielt, vermittels des-<br />

sen eine vererbte Schuld anerkannt und zugleich<br />

entschärft wird, und zwar <strong>als</strong> Transformation altvertrauter<br />

Geschichten, die somit ebenfalls, nun<br />

aber im Sinne eines kulturellen Erbes, nachdrängen.<br />

Während im Vorspann die Titel vor einem Sternenhimmel<br />

ablaufen, hören wir die ominösen Klänge<br />

einer Orchestermusik, die zuerst eine Stimmung<br />

der Bedrohung, der Jagd und der Flucht assoziieren<br />

lässt. Sogleich wandeln sich diese in die Stimmen<br />

eines Chors, der nur noch zaghaft von Violinen begleitet<br />

ein Wiegenlied singt. „Träum, Kleines<br />

träum,“ versichern einlullende Stimmen. „Ob-<br />

gleich der Jäger in der Nacht dein kindliches Herz<br />

mit Schreck erfasst, er ist nur ein <strong>Traum</strong>.“<br />

Die Filmgeschichte, die mit diesem Lied eingeleitet<br />

wird, ruft die alttradierte Figur des Teufels auf,<br />

um eine Hollywood Umschrift jener biblischen Geschichten<br />

anzubieten, die davon erzählen, wie man<br />

sich am besten vor diesem nächtlichen Widersacher<br />

schützen kann. Denn vor dem Sternenhimmel<br />

taucht plötzlich der alte Stummfilmstar Lilian Gish<br />

auf. In der Rolle der Rachel Cooper liesst sie<br />

ihren Ziehkindern <strong>als</strong> Bett-Geschichte aus dem<br />

Neuen Testament vor. Wir sehen – ebenfalls <strong>als</strong><br />

Collage auf den Sternenhimmel aufgetragen –<br />

die Gesichter dieser Kinder, die im Halbkreis vor ihr<br />

stehend andächtig lauschen, während ihre Stimme<br />

verkündet: „Beware of f<strong>als</strong>e prophets, which come<br />

to you in sheep‘s clothing, but inwardly they are<br />

ravening wolves. Ye shall know them by their fruits“<br />

(Matteus 7.15). Im Gegenschnitt zeigt Laughton<br />

uns wie spielende Kinder die Leiche einer Frau in<br />

einer dunklen Scheune finden. Diese böse Frucht,<br />

an der man den f<strong>als</strong>chen Propheten erkennen wird,<br />

führt Laughtons Kamera in der nächsten Einstellung<br />

zugleich zu dem fahrenden Prediger Harry Powell<br />

(Robert Mitchum), der in seinem Auto sitzend in<br />

eine Rede mit Gott verwickelt ist. Von diesem glaubt<br />

er den Auftrag erhalten zu haben, weiterhin Witwen<br />

zu töten, um mit Hilfe deren Geldes das Wort Gottes<br />

zu predigen. Der nächste Schnitt führt schliesslich<br />

zum Schaffen jenes Nährbodens, auf den die Saat des<br />

f<strong>als</strong>chen Propheten überhaupt nur fallen kann, weil<br />

die Schuld dort bereits schon angelegt worden ist:<br />

wie die Verdrängung nur nachträglich wirksam wird<br />

vor dem Hintergrund einer Urverdrängung wirkt.<br />

Am helllichten Tag stürzt Ben Harper zu seinen<br />

beiden Kindern John und Pearl. Bei einem Banküber-<br />

fall hat er zwei Menschen getötet, deshalb ist die<br />

Polizei ihm dicht auf den Fersen. Kurz bevor sie erscheint<br />

und ihn verhaftet gelingt es ihm jedoch,<br />

die gestohlenen $10‘000 in der Puppe seiner Tochter<br />

zu verstecken. Seinen Sohn lässt er sowohl schwö-<br />

ren, dass er seine Schwester immer beschützen wird<br />

wie auch, dass er niemandem sagt wo das Geld<br />

versteckt ist. Er wird die Todesstrafe erhalten, seine<br />

Tat jedoch nicht bereuen, hat er doch aus Fürsorge<br />

gehandelt. Denn in dieser Zeit wirtschaftlicher<br />

Depression, die die 30er Jahre in den USA kennzeichnet,<br />

musste auch er befürchten, seine Kinder<br />

würden, sollte er seine Arbeit verlieren, wie so viele<br />

andere zu Vagabunden werden. Ben Harper wird<br />

sich aber auch nicht von der f<strong>als</strong>chen Erlösung verführen<br />

lassen, die der Prediger Powell, der zufällig<br />

mit ihm die Gefängniszelle teilt, ihm vorgaukelt.<br />

Er stirbt ohne das Versteck des gestohlenen Geldes<br />

preiszugeben. In der Nacht der Hinrichtung sehen<br />

wir hingegen Powell, der am Gefängnisfenster<br />

stehend ein Gespräch mit seinem halluzinierten Gott<br />

führt und sich entschliesst, in dessen Auftrag nach<br />

seiner Entlassung die Witwe des Hingerichteten aufzusuchen,<br />

um an das gestohlene Gelt zu kommen.<br />

Eines Nachts taucht er vor dem Haus der Harpers<br />

auf. Pearl hat sich gerade von ihrem Bruder eine<br />

Bett-Geschichte erbeten und dieser hat deshalb begonnen,<br />

den Verlust ihres Vaters <strong>als</strong> Märchenstoff<br />

zu verarbeiten. Ein reicher König, der mit seinen<br />

beiden Kindern in einem Schloss in Afrika lebt, wird<br />

eines Tages von bösen Männern abgeholt. Bevor er<br />

seinen Sohn verlässt, hatte er diesem jedoch gesagt,<br />

er müsse jeden töten, der sein Gold zu stehlen ver-<br />

sucht. Zuerst hört Pearl begeistert zu. In dem Augen-<br />

blick, in dem John erzählt, dass nach kurzer Zeit<br />

der böse Mann zurück gekommen sei, blickt sie je-<br />

doch erschrocken ihren Bruder an und zeigt mit<br />

ihrem Finger auf das Fenster, vor dem er die ganze<br />

Zeit gestanden hatte. Dort hat sie nämlich auf dem<br />

hellen Vorhang - <strong>als</strong> wäre er eine Kinoleinwand -<br />

plötzlich den überdimensionalen dunklen Schatten<br />

eines Männerkopfes erblickt. John geht zum Fenster<br />

und sieht, das vor dem Zaun ein Prediger steht,<br />

dessen Abbild das Licht der Laterne auf den Vor-<br />

hang geworfen hatte. Seiner Schwester versichert er,<br />

es sei nur ein Mann. Seine Geschichte erzählt er<br />

jedoch nicht weiter, sondern legt sich neben Pearl<br />

ins Bett. Der böse Mann hingegen, der in seiner<br />

Darbietung an die Stelle des Polizisten getreten ist,<br />

wird am nächsten Tag eine konkrete Gestalt<br />

einnehmen. Es ist <strong>als</strong> hätte der Sohn im nächtlichen<br />

Licht des Schlafzimmers, mit Hilfe seiner entstel-<br />

lten Erinnerung an die Verhaftung seines Vaters,<br />

dieses Phantom zu sich und seiner Schwester<br />

gerufen, damit es, aus der Verdrängung zurück<br />

gekehrt, Gestalt annehmen kann. In diesem<br />

magischen Augenblick kehrt zweierlei zurück: Die<br />

partikulare Figur des verzweifelten Bankräubers in<br />

der Rolle eines kaltblütigen Witwenmörders, und die<br />

mythische Figur eines entmachteten Märchenkönigs.<br />

Laughtons nächtlicher Jäger veräussert nämlich jene<br />

Triebrepräsentanz, die von John nach der Verhaftung<br />

seines Vaters verdrängt ihn insgeheim auch plagt<br />

und nun endlich dank dieser Verkleidung ans Licht<br />

treten kann. Er mag <strong>als</strong> eine <strong>Traum</strong>gestalt in Erschei-<br />

nung treten, die John sich ausgedacht hat, um<br />

seiner Schwester beim Einschlafen zu helfen. Zugleich<br />

weckt er in dem Sohn jedoch auch jene Schuld, die<br />

im doppelten Sinn seit dem Tod des Vaters auf ihm<br />

lastet: Die Verpflichtung, die er Ben Harper gegenüber<br />

eingegangen ist, <strong>als</strong> er geschworen hat, niemandem<br />

von dem gestohlenen Geld zu erzählen, und<br />

das schlechte Gewissen, das er hat, weil er sich damit<br />

an dessen Verbrechen mitschuldig machte. In der<br />

Eisdiele, in der seine Mutter (Shelley Winters)<br />

arbeitet, wird Harry Powell der Witwe vorgaukeln,<br />

er hätte im Gefängnis <strong>als</strong> Geistlicher gearbeitet<br />

und deshalb von dem verstorbenem eine Nachricht<br />

für seine Hinterbliebenen. Weil er zufällig die Puppe<br />

Pearls in der Hand hält, während dieser Wolf in<br />

seiner Lämmergestalt seine böse Frucht austeilt,<br />

starrt John auf die Hände des Predigers. Dies bietet<br />

Robert Mitchum wiederum eine Gelegenheit zu<br />

erklären, was die beiden Worte Hass und Liebe,<br />

deren Buchstaben seine Finger schmücken, zu<br />

bedeuten haben. In der berühmtesten Szene aus<br />

Night of the Hunter führt er nun seinerseits die<br />

Transformation einer altvertrauten biblischen Geschichte<br />

<strong>als</strong> Faustkampf vor. Seit dem Höllensturz<br />

Luzifers ringt das Böse mit dem Guten, scheint<br />

zuerst zu siegen, um schliesslich doch dem Guten<br />

zu unterliegen. Unwissend nimmt er mit dieser<br />

Darbietung auch den Ausgang seiner eigenen Geschichte<br />

vorweg.<br />

Wenn <strong>als</strong>o Harry Powell für den Sohn Ben Harpers<br />

fantomatisch dessen Mitschuld verkörpert, zieht<br />

er die Aufmerksamkeit der Mutter, die von dem verborgenen<br />

Geld nichts weiss, aus einem anderen<br />

Grund auf sich. Für sie verkörpert er die Möglichkeit<br />

jener moralischen Reinigung, nach der sie sich seit<br />

der Verhaftung und Hinrichtung ihres Gatten sehnt.<br />

Nicht wie ihr Sohn erschrocken, sondern vielmehr<br />

beglückt vernimmt Willa von ihm die Botschaft, ihr<br />

Gatte hätte kurz vor seinem Tod gebeichtet, das<br />

gestohlene Geld am Boden des Flusses versenkt zu<br />

haben. Will John in dem Fremden eine Gestaltung<br />

des Bösen sehen, um auf ihn die Schuld seines Vaters<br />

zu übertragen, will Willa nur einen Retter erkennen.<br />

Sie ist bereit, sich verblenden zu lassen, um sich ihrer-<br />

seits psychisch von ihrer Schuld zu entlasten. Sie<br />

wird in eine Ehe mit Henry Powell einwilligen, um<br />

eines nachts von ihrem Gatten ermordet, am Bo-<br />

den jenes Sees zu landen, in den ihr Gatte das Geld<br />

in Wahrheit nicht versenkt hat. Ihren Kindern<br />

hingegen wird nur die Flucht vor dem nächtlichen<br />

Jäger bleiben. Im Schutz der Finsternis besteigt John<br />

mit seiner Schwester ein Ruderboot und lässt sich<br />

von der Strömung den Fluss hinab treiben, bis die<br />

beiden in der dritten Nacht dann endlich, wie von<br />

einer mütterlichen Hand sachte in einen sicheren Ha-<br />

fen geleitet werden; dem Schilfufer vor Rachel<br />

Coopers Haus. Dort liegen die Kinder zuerst in ihren<br />

ruhevollen Schlaf versenkt. Dann gleitet Laughtons<br />

Kamera nach oben und zeigt uns, wie aus dem friedlichen<br />

Sternenhimmel, der sie bewacht, in der<br />

Überblendung der Morgen entsteht und beim Schrei<br />

der Hähne die ersten Morgenstrahlen hinter den<br />

dunklen Wolken hervor dringen.<br />

Die alte Dame, die schon drei fremden Kindern in<br />

diesen schweren Zeiten den Schutz ihres Heims<br />

anbietet, nimmt Pearl und John ebenfalls bei sich auf.<br />

Auch sie nutzt ihr Haus <strong>als</strong> Bühne, um alltägliches<br />

Leid in den Stoff biblischer Geschichte umzuwandeln.<br />

Wie jeden Abend trägt Rachel in der anbrechenden<br />

Dunkelheit ihre eigenwillige Umdeutung der Heili-<br />

gen Schrift vor, wählt aber bewusst die Ankunft<br />

Moses bei der Tochter des Pharaonen, um für das<br />

Schicksal der beiden Neuankömmlinge eine passende<br />

Formel zu finden. Nachdem die anderen Kinder<br />

sich bereits in ihre Zimmer zurückgezogen haben,<br />

bleibt John bei seiner neuen Beschützerin. Er kann<br />

ihr sein Geheimnis noch nicht offenbaren, bittet<br />

sie aber, ihre Geschichte nochm<strong>als</strong> zu erzählen, denn<br />

in der mythischen Gestalt des Moses hat er jene<br />

Gestalt des Widerstandes entdeckt, die er benötigt,<br />

um gegen seinen persönlichen Tyrann anzutreten.<br />

Powell, der heraus gefunden hat, wo die beiden<br />

Kinder sich aufhalten, holt seine Schützlinge bald<br />

ein, doch Rachel ist längst vorgewarnt und verscheucht<br />

ihn von ihrem Grundstück. Bibelfest hat<br />

sie in ihm sofort den f<strong>als</strong>chen Propheten erkennt, vor<br />

dem der Apostel Matteus warnt, und bereitet sich<br />

deshalb auf seine Rückkehr vor. In der Perepeteia<br />

von Night of the Hunter sitzt Lilian Gish deshalb auf<br />

ihrem Schaukelstuhl in dem knapp beleuchteten<br />

Vorraum ihres Hauses und blickt durch das Fenster<br />

auf den nächtlichen Garten.<br />

Aus diesem wird, wie aus dem Unbewussten, jene<br />

Gestalt in Erscheinung treten, über die verdrängte<br />

Schuld und klandestines Wissen ins Bewusstsein vor<br />

zu drängen suchen. Sie muss die schlafenden<br />

Kinder vor dem nächtlichen Jäger schützen, doch<br />

der Umstand, dass sie in dieser entscheidenden<br />

Nacht Wache hält, wird diese dämonische Triebrepräsentanz<br />

auch ins Tageslicht rücken und somit<br />

seine Gefahr tilgen. Ihre Funktion besteht demnach<br />

nicht darin, die von Powell verkörperte Wunschregung,<br />

das Gesetz zu brechen, die Ben Harper an<br />

seinen Sohn vererbt hat, gänzlich zu verdrängen.<br />

Sie verleiht dieser Fantasie vermittels einer dramaturgischen<br />

Umgestaltung vielmehr eine Gestalt,<br />

die mit dem System des Bewussten verträglich ist,<br />

damit es am Ende dieser Nacht für sie und ihre<br />

Ziehkinder einen neuen Tag geben kann. Sie hat<br />

Nächtliches Jagen<br />

—<br />

Elisabeth Bronfen<br />

Häufig geht es in der Auseinandersetzung mit <strong>Traum</strong><br />

in erster Linie um dessen Ausdrucksform und Darstellungsmöglichkeiten<br />

bezüglich psychoanalytischer<br />

Deutungsversuche. Aber <strong>Traum</strong> kann auch in Be-<br />

zug auf seine ästhetischen Aspekte untersucht werden.<br />

In der «unbewussten Gesellschaft» wird <strong>Traum</strong><br />

von Elisabeth Lenk <strong>als</strong> eigenständiger Ausdrucksakt<br />

ohne Deutungsaspekte einer Formanalyse unterzogen.<br />

In seiner unauflösbaren Andersheit führt<br />

der <strong>Traum</strong> die Vorstellung von Identität und eindeutiger<br />

Wahrheit ebenso ad Absurdum, wie es die<br />

ästhetische Sprache der Kunst vermag. Die Vorstellungen<br />

von Subjektivität und Repräsentationsstrukturen<br />

des Bewusstseins hinterfragend, knüpft<br />

Lenk schliesslich Bezüge zwischen den Ausdruckformen<br />

in <strong>Traum</strong> und Theater. Diese mögliche<br />

Verbindung von <strong>Traum</strong> und Theater möchte Ich<br />

nachvollziehen, um mögliche ästhetische Formen für<br />

ein «<strong>Traum</strong>-Theater» festzuhalten. Denn, wo die<br />

bildende Kunst beispielhaft mit den Surrealisten den<br />

<strong>Traum</strong> explizit Einzug erhalten lässt, und auch die<br />

Filmästhetik eines David Lynch sich offensichtlich<br />

der Sprache des <strong>Traum</strong>s bedient, stellt sich die<br />

Frage, was eine verstärkte Orientierung am <strong>Traum</strong><br />

für das Theater bedeuten kann.<br />

Emanzipation von der Nachahmung<br />

In der Welt des <strong>Traum</strong>s haben wir es mit Wahrnehmungsformen<br />

zu tun, die sich rational-logischen<br />

Prinzipien entziehen und durch Überdeterminierung<br />

eine Mehrdeutigkeit anbieten, die ein Verstehen<br />

und Lesen jenseits der rationalen Bedeutungserzeugung<br />

ermöglichen, sogar fordern. Die Produktion<br />

heterogener und doch gleichermassen gültiger Informationen,<br />

die man nur gleichwertig nebeneinander<br />

betrachten kann, bestimmt den <strong>Traum</strong><br />

ebenso wie seine Analyse. Auch das zeitgenössische<br />

Theater emanzipiert sich von der «reinen Nachahmung»<br />

von Gegebenheiten auf der Bühne, hin<br />

zur Miteinbringung des Zuschauers in den mimetischen<br />

Vorgang und zu einer gemeinsamen Hervorbringung<br />

von etwas Unbekanntem, Neuem.<br />

Lenk formuliert ein poetisches Potential im Überschuss<br />

an Bedeutung, das im <strong>Traum</strong> entsteht. Der<br />

<strong>Traum</strong> greift das «verdrängte Heterogene» des<br />

Tages auf und ermöglicht einen Einbruch des «Sich-<br />

Gehen-Lassens», einen Augenblick der Unaufmerksamkeit<br />

und ein Zerreissen aller Gewissheit.<br />

Es gibt einen Überschuss an Ausdruck noch in den alltäglichsten<br />

Dingen: Diesen Überschuss spürt der Träumende auf:<br />

Die <strong>Traum</strong>form entspricht einem fundamentalen Bedürfnis<br />

der Formlosigkeit, denn aus den perfekten, wiederholbaren<br />

Formen des Tages bleibt die subjektive Existenz <strong>als</strong> unzulänglich<br />

ausgeschlossen. In der Formlosigkeit des <strong>Traum</strong>es fin-<br />

det sie sich wieder. Der <strong>Traum</strong> ist daher immer auch Korrektur<br />

der «guten Gestalten», der Schemata der Vollendung, des<br />

klassischen Ide<strong>als</strong>. Verglichen mit der Solidität der etablierten<br />

Formen, ist er eine Leere, die sich plötzlich inmitten der<br />

bekannten Welt auftut. (Lenk, S. 14)<br />

Durch die Verweigerung von den Repräsentationsnormen<br />

und der Ordnung der Tagwelt tritt dieser<br />

Überschuss an Ausdruck hervor. Dem fundament-<br />

alen Bedürfnis nach Formlosigkeit wird stattgegeben,<br />

da <strong>Traum</strong>arbeit nicht denkt, rechnet oder<br />

urteilt, sondern sich darauf beschränkt, umzuformen<br />

in einer zeitgleichen Bildung und Entstellung, die<br />

den Verlust von Form bedeutet. Entgegen dem<br />

Bedürfnis nach Sicherheit, Berechenbarkeit, unzweideutiger<br />

Faktizität und Zurechnungsfähigkeit wird<br />

dort all dem Ausdruck verschafft, was in der Aussenwelt<br />

keine Spuren hinterlassen hat. Im <strong>Traum</strong><br />

gibt es kein Subjekt, weil die Subjektivität überall ist.<br />

Das Ich ist aufgelöst und an seiner Stelle bewegt<br />

sich eine mimetische Vielheit. Es gibt nicht das eine<br />

Ich, sondern allen Personen und sogar den Dingen<br />

wird Subjektivität geliehen. Im <strong>Traum</strong> findet eine<br />

Depersonalisation statt, in der das Ich-Gefühl des<br />

Träumenden unsicher und diffus ist, ununterbrochen<br />

in wandelnder Abfolge in verschiedene Einzel-Ichs<br />

zerfällt oder sich mit anderen Personen zu einer<br />

Misch-Identität verbinden kann. Im <strong>Traum</strong> gibt es<br />

keine einheitlichen, konstituierten, verantwortlichen<br />

Personen. Die Repräsentation von Identität und<br />

die Illusion eines autonomen, abgeschlossenen Sub-<br />

jekts, welche bei Tage aufrecht zu halten versucht<br />

wird, zerfällt. Die Unmöglichkeit des Ausdrucks<br />

von Einheit ermöglicht die Begegnung mit den<br />

«Nicht-Identischen».<br />

Als «phantasmatischer Ort des Unbewussten» wird<br />

der <strong>Traum</strong> häufig mit dem Dispositiv des Theaters<br />

verglichen. Der <strong>Traum</strong> ereignet sich «eingerahmt<br />

wie der Schauplatz einer Theateraufführung,<br />

während die Welt den realen Raum darstellt. Und<br />

<strong>als</strong> solcher ist der Ort des Phantasmas dem faszinierten<br />

Subjekt präsentiert, ein Schauplatz, auf<br />

dem in Erscheinung treten kann, was sich in der<br />

Welt nicht sagen lässt, ein Ort des Wissens, das sich<br />

nicht weiss.» (Pabst, S. 94) Das Theater erscheint<br />

hier <strong>als</strong> ein «fiktiver Nicht-Ort», an dem Abwesendes<br />

ansichtig wird und Nicht-Verfügbares vergegenwärtigt<br />

wird. In den Darstellungsstrategien der<br />

<strong>Traum</strong>arbeit wie in den Möglichkeiten der darstellenden<br />

Kunst lässt sich ein Vermögen mimetischer<br />

Prozesse betrachten, dem Nicht-Identischen,<br />

dem verdrängten Heterogenen und symptomatischen<br />

Ausdruck zu verleihen. Der Ereignischarakter<br />

und die Instabilität dieser Darstellungsform,<br />

ebenso wie die unvermeidliche wie konst-<br />

itutive Produktion von Bedeutungsüberschuss er-<br />

scheinen <strong>als</strong> Eigenschaften der <strong>Traum</strong>sprache, die<br />

auch dem Theater nicht fremd sind.<br />

Zitate und Anleihen<br />

Offensichtlich bedient sich der <strong>Traum</strong> Szenen aus<br />

dem Leben, Gelesenem und Filmen und baut diese<br />

in seine fiktive Handlung ein. Mimetisches Material<br />

wird geliehen und zitiert. Ebenso wie die handelnden<br />

Personen im <strong>Traum</strong> mimen. Gesten und Verhaltensweisen<br />

von real existierenden Personen werden<br />

geliehen: das Material des <strong>Traum</strong>es bezieht sich auf<br />

die Zeichenwelt der Realität und repräsentiert diese<br />

in uneindeutiger Form. Das Schauspielerische ist die<br />

Nichtübereinstimmung der Personen mit ihren Rol-<br />

len. Es besteht eine beschränkte Anzahl von Rollen,<br />

die jedoch von einer unbeschränkten Anzahl von<br />

Personen verkörpert werden können. Der Träumen-<br />

de spielt wechselnde Rollen, sieht sich <strong>als</strong> Teil der<br />

Figurenkonstellation aber auch <strong>als</strong> Aussenstehender,<br />

Betrachter oder Stellvertreter. Um stellvertretend<br />

in einer Situation alle Situationen – auch die zukünftigen<br />

– zum Ausdruck zu bringen, benutzt der<br />

<strong>Traum</strong> die Stilmittel der fortsetzenden Darstellung<br />

des Gleichen, des Aneinanderhängens und Überlagerns.<br />

Der <strong>Traum</strong> versucht zu stilisieren und zu<br />

typisieren. «Alltägliche Gesten und Dinge werden<br />

zu Metaphern für etwas nahe liegendes, Namenloses,<br />

das aber zugleich sehr fern ist. Die Worte des Postboten<br />

hallen wieder wie die Worte des Propheten.»<br />

(Lenk, S. 358) Während die Dinge im <strong>Traum</strong> einerseits<br />

in überzeichneter Deutlichkeit erscheinen,<br />

unterliegen sie doch der ständigen Verzerrung<br />

und Veränderung. Doppelgänger erscheinen, Orte<br />

geraten ins Wanken, Räume und Landschaften gehen<br />

ineinander über und man kann das Gefühl haben,<br />

innen und aussen gleichzeitig zu sein. Die Verwandtschaft<br />

vom <strong>Traum</strong> und Kunst könnte gerade<br />

auf dem Theater seine volle Entfaltung finden.<br />

In seiner Unmittelbarkeit wird im Austausch mit<br />

dem Publikum eine eigene Realität geschaffen<br />

die einen reinen Gegenwartscharakter hat. Ein mögliches<br />

«<strong>Traum</strong>-Theater» kann jedoch – entgegen<br />

dem klassischen Anspruch an das Theater – nur<br />

jenseits von der ästhetischen Vermittlung von<br />

Wahrheiten oder Bildungsgegenständen stattfinden.<br />

Jenseits von identischen Figuren, Original und<br />

Kopie. Jenseits von EINER Wahrheit, einer Geschichte,<br />

einer Story <strong>als</strong> Bezugspunkt, entgegen dem<br />

Verlangen nach Eindeutigkeit.<br />

Das Unsagbare erzählen<br />

<strong>Traum</strong>-Theater ist selbstreflexiv, es zeigt die Herstellung<br />

von Bedeutung und die Mechanismen<br />

von Sinnbildung und will darüber (hinaus) etwas<br />

erzählen. Durch die Mitarbeit der Zuschauenden<br />

kann auf dem <strong>Traum</strong>-Theater Unsagbares erzählt<br />

und nicht Repräsentierbares materialisiert werden.<br />

Vergleichbar mit den Versuchen der Erinnerung,<br />

Protokollierung und Deutung von Träumen bleibt<br />

eine eindeutige Benennung des Erlebten jedoch<br />

unmöglich. Die Nachahmung der Zeichenwelt der<br />

Realität passiert in undenkbaren Arten und Weisen:<br />

befreit von Glauben an die Repräsentation von<br />

«Originalen» Zeichen, Orten oder Situationen ist<br />

sie entstellende, verfremdende, überladene<br />

Heraufbeschwörung. Mehrdeutigkeit bedeutet<br />

die Zerstreuung des Inhalts, Freisetzung von Sinnassoziationen<br />

und die Verunmöglichung eindeutige<br />

Sinnbildung und Verortung des Abgebildeten.<br />

Jedes einzelne bekannte Zeichen wird mit anderen in<br />

Bezug gesetzt; neben und übereinandergestellt<br />

erzeugen sie etwas Neuerfundenes das Chronologie<br />

und Realität verlässt. Vergleichbar mit der «erweiterten<br />

Darstellbarkeit» des <strong>Traum</strong>s, wird die Repräsentation<br />

an einen Ort gebracht, «wo Tatsachen<br />

nicht mehr von Fiktionen unterschieden werden<br />

können, wo die Tatsachen ihrem Wesen nach fiktiv<br />

und die Fiktionen wirksam sind.» (Lenk, S. 156f )<br />

Figuren erscheinen <strong>als</strong> «nicht-identisch»: Darsteller<br />

wechseln unentwegt zwischen Rollenidentitäten<br />

und Haltungen // Kontinuitätsbrüche und Widersprüche<br />

werden zulässig: Szenen, Schilderungen<br />

die einander nicht entsprechen werden gleichwertig<br />

nebeneinandergestellt // Wiederholungen und<br />

Überlagerungen von Erzählebenen, Gleichzeitigkeit:<br />

Überforderung der Sinne durch Überlagerung<br />

auf allen Zeichenebenen // Scheinbar gleichartige<br />

Bilder, Bewegungsabläufe oder Erzählungen weisen<br />

Abweichungen auf // Stilisierung scheinbarer<br />

Nichtigkeiten, Herabwürdigung scheinbarer Wichtigkeiten...<br />

In solchen Szenarien werden überdeterminierte<br />

Zeichen und gleichzeitig Lücken, hergestellt, die den<br />

Zuschauern die selbständige Verknüpfung und die<br />

Imagination von Zusammenhängen ermöglichen.<br />

Die Bewegung der Repräsentation auf dem <strong>Traum</strong>-<br />

Theater kennzeichnen Brüche, Verdichtungen,<br />

Verschiebungen und Leerstellen, in denen es kein<br />

Subjekt und keine Eigenschaften gibt; sie münden<br />

in paradoxen Konstellationen, in denen Widersprüchliches<br />

miteinander gezeigt wird. Durch das<br />

aufgreifen, wiederholen, verfremden, ins Gegenteil<br />

verkehren von Zeichen entsteht ein Spiel zwischen<br />

Anwesenheit und Abwesenheit und Bedeutungsverschiebungen.<br />

Im Wechsel von Ähnlichkeit und<br />

Differenz entstehen Neukonstruktionen aus bisher<br />

nie in Zusammenhang gedachten Elementen.<br />

Gewissheit, Wahrheit und Anspruch auf Enthüllung<br />

fallen dem gemeinsam hergestellten Neuen allerdings<br />

gänzlich zum Opfer: Wenn man nämlich<br />

Theateraufführungen <strong>als</strong> «offener ästhetischer<br />

Systeme» begreift, bedeutet dies, sie nicht mehr im<br />

Wesen oder <strong>als</strong> Ganzes zu begreifen, das entschlüsselt<br />

werden kann, sondern <strong>als</strong> Materialangebot<br />

für den Zuschauenden. Die Arbeit der Bedeutungserzeugung<br />

wird über die Aufführung hinaus in<br />

den Kopf des Zuschauers verlängert, wo dann verschiedenste<br />

individuelle Interpretationen zulässig<br />

sind. Der Sicherheit einer klaren Erzählung be-<br />

raubt, tritt der Zuschauer aus seinen Konventionen<br />

hinaus und wird zugleich berührt und alleingelassen.<br />

Mehr einem <strong>Traum</strong> <strong>als</strong> einer Geschichte gegenübergestellt,<br />

bleibt es dem Zuschauer überlassen,<br />

die Lücken im Stück zu schliessen und sich selber<br />

eine Wirklichkeit zur <strong>Traum</strong>arbeit zu denken.<br />

Literatur:<br />

Lenk, Elisabeth, Die unbewusste Gesellschaft: über die<br />

mimetische Grundstruktur in der Literatur und im <strong>Traum</strong>,<br />

München, 1983<br />

Pabst, Manfred, «Der <strong>Traum</strong> <strong>als</strong> Text und Spielraum<br />

rhetorischer Figuren», in: ders., Bild – Sprache Subjekt:<br />

<strong>Traum</strong>texte und Diskurseffekte bei Freud, Lacan,<br />

Derrida, Beckett und Deleuze/Guattari, Würzburg,<br />

2004, S. 84-95<br />

<strong>Traum</strong> Theater<br />

—<br />

Anna K. Becker<br />

<strong>als</strong>o ebenfalls an dem umtriebigen Umschlagplatz, an<br />

dem Triebrepräsentanzen valable Verkleidungen<br />

suchen, teil. Nur steht sie gerade nicht für jene Subversion<br />

symbolischer Gesetze, die Ben Harper<br />

und seinen Sohn mit dem f<strong>als</strong>chen Prediger verbindet,<br />

sondern für einen entschiedenen Widerstand gegen<br />

die Verführung zum Gesetzesbruch. Zugleich folgt<br />

sie jener barmherzigen Empathie, die das harte<br />

Gesetz der symbolischen Ordnung mildert, in dem<br />

sie Grosszügigkeit, Hilfsbereitschaft und Gnade<br />

diesem entgegenhält. Vor allem fungiert sie <strong>als</strong> Vermittlerin<br />

zwischen jenem verdrängtem Wissen,<br />

das nach Ausdruck drängt, und dessen Transformation<br />

in lebbare, zukunftsträchtige Bildformeln,<br />

auf die der bewusste Blick der Alltagswelt seine<br />

Aufmerksamkeit ungeschont lenken darf.<br />

Wie der Wächter, der in Freuds Dramaturgie an der<br />

Schwelle zwischen dem Vorraum und dem Salon<br />

des Bewussten wacht, hält sie ihr Gewehr schussbereit<br />

auf ihrem Schoss und blickt auf ihren Kontrahenten.<br />

Dieser ist bereits über den Zaun geklettert<br />

und wartet vom Schein der Laterne erhellt darauf, in<br />

das Haus einzudringen. Auch diesmal wird das Erscheinen<br />

des nächtlichen Jägers von Charles Laughton<br />

inszeniert <strong>als</strong> wäre er auf einer inneren Leinwand<br />

aufgetaucht; nun aber auf der dieser nächtlichen<br />

Wächterin, die vor jeglichen Triebrepräsentanzen,<br />

die in f<strong>als</strong>cher Verkleidung in ihrem Blickfeld<br />

auftauchen, auf der Hut ist. Dem Lied, das Robert<br />

Mitchum zu singen begonnen hat, hört sie zuerst<br />

stillschweigend zu, während Laughton seine Kamera<br />

nahtlos an der fast regungslos verharrenden Lilian<br />

Gish vorbei fahren und über den Fensterrahmen<br />

gleiten lässt, <strong>als</strong> wäre das Glas eine durchlässige<br />

Grenze. Die Wächterin sehen wir im Profil.<br />

Ihr Oberkörper liegt ganz im Schatten, während das<br />

Licht ihren Schoss und die Waffe, die auf diesem<br />

ruht, beleuchtet. Den Jäger hingegen sehen wir fron-<br />

tal, konfrontiert er sie doch direkt mit seinem Ge-<br />

sicht. Im Stil des chiaroscuro beleuchtet Laughton es<br />

so, dass die linke Hälfte ganz im Licht, die rechte<br />

ganz im Dunklen liegt. Entscheidend ist, dass Rachel<br />

sowohl in eine intime Nähe zum Widersacher ein-<br />

willigt und zugleich eine Distanz entstehen lässt.<br />

Während der ersten Strophe von Powells Lied, sitzt<br />

sie ganz in ihrem Glauben versunken, <strong>als</strong> würde sie<br />

einem inneren Licht folgen. Dann erwidert sie in<br />

der zweiten Strophe seiner tiefen Stimme, indem sie<br />

seinem „leaning, leaning, leaning, on the Everlasting<br />

Arms“ mit ihrer helle Gegenstimme den Zusatz<br />

hinzufügt: „leaning on Jesus“.<br />

Zwischen den Harpers, die sich auf die Verführungen<br />

des Bösen einlassen, und dem nächtlichen Jäger,<br />

der ihre Schuld ausnutzt, um sein Unheil zu treiben,<br />

entpuppt der singende Stummfilmstar Lilian Gish<br />

sich somit <strong>als</strong> eine Figur des Dritten. Wachsam tritt<br />

sie mit der Figur des Bösen in Dialog, jedoch um<br />

diesen erfolgreich auszuschalten. Sie kann die Kinder<br />

nur vor weiteren Versuchungen schützen, indem sie<br />

deren Schuldfähigkeit weder verleugnet noch bestraft,<br />

sondern ihren Glauben an ein Licht am Ende<br />

der Nacht <strong>als</strong> Licht in der Nacht einsetzt. Dort<br />

kämpf sie resolut, zuerst mit ihrem Gesang und dann<br />

ihrem Gewehr, für eine Einsicht in die Realität<br />

innerer Dämonen, die, indem sie ans Licht gebracht<br />

auch verworfen werden können. Sie braucht die<br />

fantasmatische Erscheinung Powells, um jenes<br />

verborgene Wissen zu Tage treten zu lassen, das<br />

dessen ganzen Spuk ausgelöst hatte. In dem Augenblick,<br />

in dem eines der Mädchen mit ihrer Kerze<br />

zu Lilian Gish tritt und ihr Licht die Fensterscheibe<br />

von innen ausleuchtet, löst sich die Gestalt des nächt-<br />

lichen Jägers auf. Sofort bläst die Wächterin die<br />

Kerze aus, doch der Eindringling ist aus ihrem Blickfeld<br />

verschwunden; die kurzlebige Magie dieses<br />

Austausches erloschen. Wenige Minuten später wird<br />

der unliebsame Gast vor ihrer Küchentüre wieder<br />

auftauchen, die Phantasmagorie seiner Bedrohung<br />

in Realität zu überführen suchen und, von der<br />

Wächterin des Hauses angeschossen, in die Scheune<br />

flüchten, wo die Polizei ihn am nächsten Tag<br />

festnimmt.<br />

Diese unheimliche Figur, die aus der Nacht gekom-<br />

men war, wird darauf hin nach einer turbulenten<br />

Gerichtsverhandlung hingerichtet und der schillernde<br />

Spuk, mit dem diese dämonische Gestalt die Träume<br />

seiner Beute besetzt hat, ein Ende finden. Doch mit<br />

dieser Enthüllung ist Laughton‘s Night of the<br />

Hunter noch nicht an ihrem Ende angelangt. Es<br />

braucht, weil es um die produktive Transformation<br />

jener Denkbilder geht, die uns aus unserer kulturellen<br />

Vergangenheit ebenso heimsuchen wie die<br />

Schuld unserer Eltern, eine letzte Einstellung.<br />

In dieser hält Lilian Gish dem noir Märchen vom<br />

Kampf zwischen Gut und Böse, der sich auf der<br />

Kinoleinwand abgespielt hat, ihren <strong>Traum</strong> einer realisierten<br />

Demokratie entgegen; einer Welt der Ge-<br />

rechtigkeit, die erst noch im Sinne Jacques Derridas<br />

kommen wird. Hat sie mit ihrer Wache den nächtlichen<br />

Verführer ins Tagelicht überführt und seine<br />

Gefahr getilgt, hofft sie weiterhin auf eine zukünftige<br />

Erlösung von Leid. Diese kann jedoch nur kommen,<br />

wenn die Bedingungen dafür in einem steten Wettkampf<br />

gegen dämonische Versuchungen ausgehandelt<br />

werden. Dieser Prozess ist, wie das<br />

Nachdrängen des Unbewussten und seine Zurückdrängung<br />

aus dem Bewussten unaufhaltsam<br />

und stellt zugleich das Versprechen eines ebenso<br />

unabschliessbaren kulturellen Prozesses dar.<br />

Am Weihnachtsmorgen steht Lilian Gish in ihrer<br />

Küche, die an den Vorraum angrenzt. Sentimental<br />

und weise zugleich, blickt sie von ihrem Kochtopf<br />

auf, um dem Leid, das mit der Erbsünde in die<br />

Welt gekommen ist, ihr Vertrauen auf eine Gnade,<br />

die kommen wird, entgegen zu halten. Hatte sie<br />

am Anfang des Films <strong>als</strong> Nachtgeschichte von<br />

f<strong>als</strong>chen Propheten erzählt, vor denen man sich in<br />

Acht nehmen sollte, spricht sie nun nicht ihre<br />

Zöglingen an, sondern wendet sich direkt an uns.<br />

Nicht vor einer Versuchung will sie warnen, sondern<br />

der Widerstandskraft jener Abkömmlinge geden-<br />

ken, um deren Schutz sie ihren Herrn anruft: „God<br />

bless little children. You‘ld think the world would<br />

be ashamed to name such a day as Christmas for one<br />

of them and then go on in the same old way.“<br />

Dann blickt sie uns verklärt an und zieht uns in ihren<br />

Bann. „The wind blows, and the rains are cold,“<br />

versichert sie uns, „yet they abide and they endure.“<br />

Das stimmt auch für die Bilder, die auf eine Zukunft<br />

gerichtet aus der Vergangenheit in der Gegenwart<br />

stets neue Realisierungen erfahren.<br />

Ausschnitt aus: Elisabeth Bronfen: Kulturelle Effekte —<br />

Das Nachdrängen unserer Fantasiebilder<br />

Erschienen in: Muriel Gerstners Zu Bösen<br />

Häusern Gehen, 2007.


IN DREAMS<br />

WITH YOU<br />

I WALK<br />

IN DREAMS


«This is the Girl»<br />

Bemerkungen zu David Lynch’s<br />

«Mulholland Drive»<br />

—<br />

Geneviève Morel<br />

«Er träumte vom Mädchen mit den Goldaugen, wie die jungen,<br />

leidenschaftlichen Leute eben träumen. Das waren monströse<br />

Bilder, ungreifbare Bizarrheiten voller Licht, die unsichtbare<br />

Welten enthüllen, aber in immer unvollständiger Weise, weil<br />

ein dazwischen gehängter Schleier die Bedingungen des Sehens<br />

verändert.» Das Mädchen mit den Goldaugen,<br />

Honoré de Balzac (1835) 1<br />

«Während Sie träumen, kontrollieren Sie Ihren <strong>Traum</strong> nicht.<br />

Ich hingegen ziehe es vor, in eine von mir fabrizierte<br />

<strong>Traum</strong>welt einzutauchen, die ich gewählt habe und über die<br />

ich jegliche Kontrolle besitze…» David Lynch 2<br />

«This is the girl.» Welches Mädchen? Und wo ist es?<br />

«The girl is still missing». – «Cherchez la femme»,<br />

möchte man <strong>als</strong> Echo antworten auf diese Sätze, die<br />

im Film von verschiedenen, eher unheimlichen<br />

Figuren wiederholt werden, wie ein Schlüssel, der<br />

das Rätsel, das er lösen sollte, nur noch vertieft.<br />

David Lynchs letzter Film kommt zunächst daher<br />

<strong>als</strong> schöne Liebesgeschichte zwischen zwei<br />

Frauen, Betty (Naomi Watts) und Rita (Laura Elena<br />

Harring), wobei die Identität der letzteren von<br />

Anfang eine problematische ist. Betty kommt nach<br />

Hollywood, um ihr Glück zu versuchen, während<br />

Rita nach einem Autounfall, der sie vor einem mysteriösen<br />

Attentat rettete, das Gedächtnis verloren<br />

hat. Die eine sucht eine Identität <strong>als</strong> Schauspielerin,<br />

die andere hat die ihre von einem Plakat des Films<br />

Gilda entlehnt. Die erste, die Blondine, ist strahlend<br />

und der Zukunft zugewendet, die zweite, die<br />

Brünette, hat eine undurchsichtige Vergangenheit<br />

und sucht herauszufinden, wer sie ist. Als sie sich<br />

lieben, fragt die Blonde die Braune, ob sie «es» schon<br />

früher gemacht habe. «Ich weiss es nicht», antwortet<br />

die amnestische Rita. Als einziges könnte demnach<br />

die Liebe auf Gedächtnis und Identität verzichten,<br />

aber ist das wirklich so? Beunruhigende Zeichen<br />

mehren sich, <strong>als</strong> ob die wunderbare Oberfläche des<br />

hollywoodschen <strong>Traum</strong>es unzählige und unvorhersehbare<br />

Risse bekäme. So finden die beiden Spurensucherinnen<br />

z.B. bei einer gewissen Diane Selwyn<br />

die grausig verweste Leiche einer Frau in einem<br />

schwarzen Unterrock. Sie fragen sich, ob die mysteriöse<br />

und zerbrechliche Rita nicht vielleicht die Erinnerung<br />

an einen Mord verloren hat…<br />

The Straight Story<br />

Es geht H<strong>als</strong> über Kopf zu in der letzten halben<br />

Stunde des Films. Fassen wir zusammen: Ohne dass<br />

wir es wussten und sogar vor dem Filmtitel<br />

tauchen wir mit der Kamera und an der Stelle von<br />

Dianes Blick hinunter auf ein rotes Kopfkissen.<br />

Mit ihr haben wir lange geschlafen und geträumt.<br />

Der Zeitpunkt ihres Erwachens ist präzise festgehalten:<br />

ein insistierendes Klopfen an der Türe,<br />

und ein Cowboy, der zur Schlafenden im schwarzen<br />

Unterrock ironisch sagt: «Zeit, aufzuwachen,<br />

meine Schöne!» Und der Körper auf dem Bett<br />

verwandelt sich in einen Leichnam in Verwesung,<br />

denselben, den Betty und Rita gefunden hatten…<br />

Der <strong>Traum</strong> geht <strong>als</strong>o weiter. Aber das Klopfen wird<br />

immer lauter, und wir wachen mit der im Nachthemd<br />

auf dem roten Kopfkissen schlafenden Diane<br />

auf, genau dort, wo der geträumte Leichnam<br />

gelegen hatte.<br />

Der Alptraum der nun erwachten Diane geht<br />

weiter und steigert sich. Wie wir in der traumatischsten<br />

Szene des Films erfahren, ist die aus Deep<br />

River, Ontario stammende Diane Selwyn mit<br />

Hilfe der Erbschaft ihrer Tante Ruth nach Hollywood<br />

gekommen, die beim Film gearbeitet hatte.<br />

Den heissen Wunsch, Schauspielerin zu werden,<br />

hatte ein Jitterbug-Wettbewerb (akrobatischer<br />

Rock) geweckt, den sie gewonnen hatte (vergleiche<br />

die erste Einstellung mit den wild durcheinander<br />

wirbelnden und verdoppelten Tanzpaaren). Sie<br />

durfte für die Hauptrolle in The Silvia North Story<br />

vorsprechen, war aber nicht sehr gut, und Camilla<br />

Rhodes (die Rita des <strong>Traum</strong>s) bekam die Rolle –<br />

nicht ohne die Unterstützung der Mafia… Eine<br />

Romanze blühte zwischen den beiden Frauen auf,<br />

und es gelingt Camilla <strong>als</strong> dem Star, Diane kleine<br />

Rollen in den Filmen, in denen sie selbst spielt, zuzuschanzen.<br />

Aber die schöne Camilla ist unstet.<br />

Adam Kesher (Justin Theroux), ein junger geschiedener<br />

Regisseur, dessen luxuriöse Villa am<br />

Mulholland Drive auf Hollywood hinabblickt,<br />

verliebt sich in sie. Camilla bricht mit Diane. Sie lädt<br />

sie zum Verlobungsbankett ein (während dem<br />

Diane der Mutter von Adam (Ann Miller) ihre Lebensgeschichte<br />

erzählt) und macht sie nicht ohne<br />

einen gewissen Sadismus zur Zeugin ihrer neuen<br />

Liebe. Fast alle Figuren des Films sind an dem<br />

Fest anwesend, und diese traumatische Szene liefert<br />

die meisten Schlüssel für das Verständnis des<br />

Films. Trunken vor eifersüchtiger Wut und Rachgier<br />

heuert Diane in einem Winkie‘s einen Killer für<br />

den Mord an Camilla an: Die Übergabe eines<br />

flachen, blauen Schlüssels wird den Tod von Camilla<br />

signalisieren. Eben dieser Schlüssel liegt auf dem<br />

Tisch in jenem Zimmer, in dem Diane, im Morgenmantel<br />

und mit erloschenem Gesicht, eine Tasse<br />

Kaffee trinkt, um ihrem Alptraum zu entfliehen.<br />

Wir verstehen erst jetzt, dass der geheimnisvolle<br />

verweste Leichnam, den wir zweimal zu Gesicht<br />

bekamen, der von Rita-Camilla war, der die Verbrecherin<br />

im <strong>Traum</strong> heimsuchte. Camilla erscheint,<br />

aber es ist ihr stummer Geist, der die Mörderin<br />

besucht, deren Gesicht angesichts der Erscheinung<br />

die Fassung verliert. Dann erinnert sie sich an<br />

rezente Ereignisse: den Verrat, die Weigerung<br />

Camillas mit ihr zu schlafen, eine verzweifelte Masturbationsszene,<br />

das traumatische Verlobungsbankett,<br />

den Mordauftrag. Jetzt hebt das Klopfen an<br />

der Tür wieder an, und wir verstehen, dass es die<br />

Polizei ist, die sie sucht. Unter der Türe schlüpfen<br />

zwei kleine Gestalten durch: das charmante amerikanische<br />

«ödipale» Paar, die alten Leute vom Beginn<br />

des Films, die allerdings in recht bizarrer Weise<br />

lachten, nachdem sie im <strong>Traum</strong> Betty mit deren<br />

Hollywood-Träumen ermutigt hatten. Inzwischen<br />

haben sie sich in Erynnien der Tragödie verwandelt,<br />

die die blonde Verbrecherin wie die Vögel im<br />

gleichnamigen Film von Hitchcock attackieren.<br />

Diane tötet sich mit einer Revolverkugel auf ihrem<br />

roten Kopfkissen, am selben Ort, an dem ihr <strong>Traum</strong><br />

den Leichnam der toten Geliebten platziert hatte.<br />

Die Kehrseite des <strong>Traum</strong>s von Hollywood<br />

Der wunderbare <strong>Traum</strong>, in den wir vom Anfang des<br />

Films an bis zum Erwachen Dianes eingetaucht<br />

sind, wird vom Realen eingeholt, das ihn an zahlreichen<br />

Stellen löchert und ihn zunehmend überwältigt:<br />

Auch der Hollywood-<strong>Traum</strong> ist in seiner<br />

Kehrseite ein Alptraum. Das zweimalige, identische<br />

Erscheinen des Leichnams der jungen Frau in<br />

schwarzem Unterrock zeigt es direkt an. Überdies<br />

zieht das Tempo des Films nach der ersten Begegnung<br />

mit der Leiche stark an. Die zweite Begegnung<br />

liefert das letzte <strong>Traum</strong>bild vor dem Erwachen.<br />

Aber Lynch benützt andere Techniken seines Repertoires,<br />

um den Zuschauer in Angst zu versetzen,<br />

den er, ohne dass dieser es merkt, an die Stelle der<br />

verbrecherischen Diane gestellt hat, ähnlich wie<br />

in Lost Highway, welcher Film aus dem Blickwinkel<br />

eines schizophrenen Mörders gezeigt wurde.<br />

Wie ist nun dieser <strong>Traum</strong> verfertigt? Nach den<br />

besten freudschen Regeln. Er stellt einen Wunsch<br />

der Träumerin gemäss den klassischen Mechanismen<br />

der <strong>Traum</strong>arbeit, z. B. der Umkehrung ins Gegenteil,<br />

<strong>als</strong> erfüllt dar. Diane, die Mörderin, wird Betty,<br />

die die arme Rita-Camilla rettet, zuerst indem sie<br />

dank eines Verkehrsunfalls den geplanten Mordanschlag<br />

scheitern lässt, dann, indem sie die arme<br />

Rita in die Wohnung ihrer Tante – die sie im <strong>Traum</strong><br />

wieder belebt, aber auf Reisen geschickt hat – aufnimmt,<br />

schliesslich, indem sie Camilla zuliebe in<br />

gewisser Weise auf ihre Karriere verzichtet.<br />

Überdies ist Betty die begabte Schauspielerin (und<br />

nicht Camilla, die in der Wirklichkeit ein Star ist),<br />

Betty, welche die Hauptrolle bekommen hätte, wenn<br />

sich nicht die Mafia der Filmwelt eingemischt und<br />

sie selbst sich nicht für ihre Schöne geopfert hätte.<br />

Ihr hat Adam einen feurigen Blick zugeworfen kurz<br />

vor jenem Augenblick, in dem er Camilla begegnete.<br />

Adam, der in der Wirklichkeit über Diane triumphiert<br />

hat, wird im <strong>Traum</strong> besonders übel mitgespielt:<br />

Er wird in obszöner Weise durch seine Frau<br />

und einen «Putzer» zum Hahnrei gemacht, nachdem<br />

er ruiniert wurde und seinen eigenen Film verloren<br />

hatte. Dianes gequältes Gesicht ist im <strong>Traum</strong><br />

heiter und strahlend, während aus der zweideutigen<br />

Koketterie Camillas die rührende Verzweiflung<br />

der armen Rita wird. Vielleicht ist sie es ja, die Diane<br />

getötet hat, während es in Wirklichkeit umgekehrt<br />

ist. Und so weiter.<br />

Der <strong>Traum</strong> verwendet zahlreiche Verschiebungen<br />

und Verdichtungen. Wie im berühmten <strong>Traum</strong>beispiel<br />

des «Wolfsmannes» bei Freud bricht er die<br />

Elemente einer traumatischen Szene auf, verformt<br />

sie und verteilt sie neu auf ein engmaschiges Verweisgitter<br />

– eine Szene, die ihm vorausgeht und<br />

ihn determiniert, hier diejenige der Verlobung. Aus<br />

dem flachen blauen Schlüssel des Todes wird ein<br />

dreieckiger blauer Schlüssel, der Ritas Geheimnis<br />

birgt (aber der an das Mordgeld geknüpft bleibt,<br />

nur dass man im <strong>Traum</strong> nie erfährt, wozu dieses<br />

Geld diente). Adams Mutter wird zu Bettys Vermieterin;<br />

der Mordanschlag (der im <strong>Traum</strong> fehlschlägt)<br />

findet auf derselben Strasse, Mulholland<br />

Drive, statt, an der Camilla Diane eine Falle stellte,<br />

indem sie sie mit zärtlichen Worten glauben machte,<br />

sie habe eine Überraschung für sie, während sie<br />

Diane tatsächlich zur Zeugin ihrer Verlobung machen<br />

wollte; die Szene im Auto nimmt Wort für<br />

Wort, Bild für Bild jene von Diane, die zum Verlobungsbankett<br />

unterwegs ist, auf. Fast alle Figuren<br />

des vorangegangenen <strong>Traum</strong>s sind in der Bankettszene<br />

oder in der folgenden (derjenigen des Mordauftrags)<br />

in den Hintergrund verschoben: der<br />

Cowboy, der Adam bedroht, der italienische Mafioso;<br />

man hört Camillas Stimme, die Spanisch spricht<br />

und versteht, dass Camilla tatsächlich dank der Mafia<br />

die Rolle bekam; man sieht eine andere Geliebte<br />

von Camilla, die zur «Camilla» des <strong>Traum</strong>s wird;<br />

Diane tauscht im <strong>Traum</strong> ihren Vornamen mit der<br />

Kellnerin im Winkie‘s, usw.<br />

So entsteht für den Zuschauer der Eindruck<br />

eines kontinuierlichen «déjà vu» und «déjà entendu»,<br />

was das Rätsel verstärkt, da man den Schlüssel zu<br />

dessen Lösung noch nicht besitzt. Das andauernde<br />

detailreiche Verweisen der Bedeutung eines Begriffs<br />

auf einen anderen erzeugt eine besondere Form<br />

des Sinnversagens. Der Sinn ist da, entgleitet uns<br />

aber ständig durch sein Anspielen auf eine Wahrheit,<br />

die sich metonymisch 3 entzieht. Jede Szene steckt<br />

voller Bedeutungen, und man langweilt sich nicht<br />

eine Sekunde, weil man sie lokal versteht in einem<br />

autonomen Verweissystem, aber das Mosaik der<br />

Szenen löst sich nachträglich auf, um sich neu<br />

zusammenzusetzen, sodass ein neuer, umfassender<br />

Sinn entsteht: das Schwindel erregende Produkt<br />

der Entzifferung, zu der dieser Film zwingt.<br />

Nun können wir das beinah perfekte Ineinanderpassen<br />

aller Details, das auf ein bewusstes Kalkül<br />

des Regisseurs zurückzugehen scheint, überprüfen.<br />

Zu mindest hat er diesen Eindruck erzielt, indem er<br />

zehn zentrale Fragen stellt, die sich auf anscheinend<br />

beiläufige Objekte und Details beziehen: die<br />

Kaffeetasse, den Aschenbecher, die Jalousie, den<br />

Filmtitel, den Vorspann usw. Das eindrückliche Einpassen<br />

dieser signifikanten Details ist es, das zugleich<br />

das Gefühl einer äusserst bewussten Kohärenz<br />

und das hartnäckige Gefühl eines Rätsels vermittelt,<br />

denn wenn man den Film nur einmal betrachtet ist<br />

es schwierig, all den Verschiebungen zu folgen. Wie<br />

es David Lynch ausdrückt: «Wenn man nur einen<br />

Teil sieht, ist das häufig schlimmer <strong>als</strong> wenn man das<br />

Ganze sieht. Das Ganze hat vielleicht eine Logik,<br />

aber ausserhalb seines Kontextes erhält das Fragment<br />

einen schrecklichen, abstrakten Wert. Das kann zur<br />

Obsession werden.»<br />

Nach dem, was man von der Geschichte des Films<br />

weiss, wurde er zuerst <strong>als</strong> eine vieldeutige Fernsehserie<br />

wie Twin Peaks konzipiert für den Sender<br />

ABC, der dann die Zustimmung zur Ausstrahlung<br />

verweigerte. (Dürfen wir ein Echo darauf in den komischen<br />

Auseinandersetzungen Adams mit der Hollywood-Mafia<br />

sehen?) Der Film wurde von CanalPlus<br />

angekauft, und Lynch musste einen neuen Schluss<br />

erfinden. Es ist <strong>als</strong>o wahrscheinlich, dass der gedrängte<br />

Teil, der auf Dianes Erwachen folgt und der<br />

es erlaubt, ihren <strong>Traum</strong> zu «analysieren», in Tat<br />

und Wahrheit nachträglich konstruiert wurde, so wie<br />

jemand einen <strong>Traum</strong> in einer Analysesitzung nachträglich<br />

deutet.<br />

Das Seltsame und das Unheimliche<br />

Das Unheimliche im <strong>Traum</strong> [des Films] beruht<br />

zunächst auf einer leichten Akzentuierung einzelner<br />

Situationen, die uns ohne momentan ersichtlichen<br />

Grund beunruhigen. So kippt das Lachen des freundlichen<br />

amerikanischen Paares, das sich die Hände<br />

reibt und sich auf die Knie klopft, kaum wahrnehmbar<br />

ins Zynische. Die beiden werden in Dianes<br />

halluzinatorische Wirklichkeit zurückkehren und<br />

die ob ihrer Tat in eine Melancholie Gefallene<br />

schliesslich in den Suizid treiben. Vorher sah man<br />

sie flüchtig an der Seite des Mannes hinter dem<br />

Winkie‘s im Augenblick, <strong>als</strong> Diane den Mord an<br />

ihrer Geliebten in Auftrag gab. Die Szene, die Betty<br />

anlässlich ihres Vorsprechens spielt, eine Liebesszene<br />

mit einer Todesdrohung, ist allzu gut gespielt.<br />

Wie Michel Chion 4 bemerkt hat, wird sie mit einem<br />

rätselhaften Satz des Regisseurs eingeführt, der<br />

uns lächert: «Don’t play it for real, until it gets real».<br />

(Spiel es nicht <strong>als</strong> wirklich, bevor es nicht wirklich<br />

wird.) Und der Satz ist tatsächlich Programm für<br />

den Film, in dem die Grenze zwischen Schein<br />

und Wirklichkeit sich unablässig manifestiert und<br />

den Träumer zu neuen Bedeutungsanpassungen<br />

auffordert, wenn er weiterschlafen will. Das Reale<br />

wird deshalb im Text durch seine «Tock»-artige<br />

Seite [Klopfgeräusch] wie farbig markiert und gegenüber<br />

dem <strong>Traum</strong>bild, das die Banalität der<br />

Wirklichkeit imitiert, durch seine vergrösserten<br />

Lettern enthüllt.<br />

Beunruhigend wirkt auch, dass Szenen wie eigenständige<br />

Sketches dazwischen geschoben sind,<br />

die im Augenblick, in dem wir sie sehen, in keiner<br />

nachvollziehbaren Weise verbunden scheinen. Sie<br />

wirken fantastisch, weil wir nicht wissen, dass wir<br />

träumen. Manchmal handelt es sich um Seitenbemerkungen<br />

zwischen Nebenfiguren, die sich nur<br />

schwer in den Erzählfaden des Films einordnen<br />

lassen. So bei der ersten Szene im Winkie ’s-Restaurant.<br />

Ein Mann nimmt einen Freund dorthin mit,<br />

um ihm einen <strong>Traum</strong> zu erzählen, der ihn dort<br />

zweimal mit einem schrecklichen Bild konfrontierte.<br />

Er will eine Art kathartische Therapie unternehmen.<br />

Als die beiden den erwähnten Ort aufsuchen, taucht<br />

das erschreckende Gesicht in der Wirklichkeit auf<br />

und der Mann stirbt, oder wird zumindest ohnmächtig.<br />

Diese Szene kündigt an, was im Film geschehen<br />

wird: Betty stösst zwei Mal im <strong>Traum</strong><br />

auf die unkenntliche Leiche Camillas, bevor sie sich<br />

an eben der Stelle den Tod gibt, an der sie sie<br />

gesehen hat – in ihrem Bett. Andererseits ist diese<br />

erste Winkie’s-Szene eine Umsetzung jener Szene,<br />

in der der Mord in Auftrag gegeben wird und in der<br />

Diane ganz zufällig mit eben jenem Mann im Restaurant<br />

einen Blick gewechselt hat. Der Blick des<br />

Todes war <strong>als</strong>o tatsächlich da, anwesend im Realen<br />

und verkörpert im schwarzen und unkenntlichen Gesicht<br />

des Clochards (dem Abfall von Hollywood?),<br />

den man nach dem Tode Dianes flüchtig durch die<br />

Leinwand hindurch erblickt.<br />

Ein weiteres Beispiel: der Cowboy. Die lächerliche<br />

Westernfigur, an deren Existenz Adam in<br />

Dianes <strong>Traum</strong> kaum glauben mag, ist eine Art<br />

Häscher oder Bote der Filmwelt-Mafia 5 , die Adam<br />

drängt, ihr «in seinem eigenen Interesse» zu<br />

gehorchen. Und er warnt ihn: «Wenn du richtig<br />

handelst (indem du Camilla für deinen Film<br />

wählst), wirst du mich noch einmal sehen, im andern<br />

Fall zwei mal.» Nun ist der Cowboy am Verlobungsbankett<br />

anwesend. Aus der Sicht der Träumerin<br />

(oder des Zuschauers) hätte Adam, der sich<br />

«gut» verhalten hat indem er Camilla <strong>als</strong> Schauspielerin<br />

und <strong>als</strong> Frau gewählt hat, den Cowboy ein<br />

einziges Mal gesehen. Dann erscheint der Cowboy<br />

ein zweites Mal (wenn man der wirklichen chronologischen<br />

Ordnung folgt, nach der das Bankett vor<br />

den <strong>Traum</strong> fällt) am Ende des <strong>Traum</strong>s, <strong>als</strong> er die tote<br />

Rita-Camilla ironisch weckt, wie wenn er von der<br />

Leiche sagen würde «This is the girl» (und das hast<br />

du aus ihr gemacht). Es ging <strong>als</strong>o um eine Warnung<br />

an die Adresse der Träumerin via der von ihr am<br />

meisten gehassten Person!<br />

All diese Punkte beunruhigen uns und weben<br />

ein Rätsel, das nur im Nachhinein gelöst werden<br />

kann. Dann «hebt sich fast aller Unsinn auf», um die<br />

berühmte Formulierung des Präsidenten Schreber<br />

abzuwandeln. Aber es existiert in diesem Film auch<br />

ein Jenseits-des-Sinns oder vielmehr ein anderes,<br />

nicht-semantisches Register: das des Triebs.<br />

Liebe und Todestrieb<br />

Tatsächlich ist ja der freudsche Trieb (pulsion) vom<br />

tierischen Instinkt (instinct) zu trennen, welch letzterer<br />

auf die Erhaltung der Art und die Fortpflanzung<br />

zielt. Sein Ziel ist eine an seine Quelle, die erogene<br />

Zone geknüpfte partielle Befriedigung, und nur dadurch<br />

hat er mit der Sexualität zu tun. Das auswechselbare<br />

Objekt des Triebs entlehnt seinen Namen von<br />

dieser Quelle: orales, anales Objekt, Stimme, Blick.<br />

Es wird in verschiedenen phantasmatischen Drehbüchern<br />

in Szene gesetzt, die unser Begehren verursachen,<br />

und dieses Objekt ist es, das wir – in<br />

unserem Sexualpartner und in mehr <strong>als</strong> ihm 6 –<br />

lieben. Man sieht es im Gebrauch verschiedener<br />

Metaphern der Liebesverzückung – «Ich fress dich<br />

auf» – oder in den Abgründen der Eifersucht –<br />

«Ich werde ihr die Augen auskratzen.» Es kann sogar<br />

geschehen, dass man das geliebte Objekt tötet,<br />

um ihm das Objekt des Geniessens zu entnehmen.<br />

Das geschieht etwa in den grossen psychotischen<br />

Verbrechen, in denen die erwähnten Metaphern Wirklichkeit<br />

werden. Eine der Funktionen des Phantasmas<br />

ist es, unsere Triebaktivität zu verschleiern, indem<br />

es unserem Geniessen einen Sinn verleiht. Wenn<br />

aber dieser Schleier zerreisst, taucht das Objekt im<br />

Realen auf <strong>als</strong> ein ausser-sinnliches Überbleibsel<br />

(un résidu hors-sens).<br />

Werfen wir einen Blick auf die Szene im Club<br />

Silencio, in welcher der <strong>Traum</strong> ins Fantastische<br />

kippt und die das Aufwachen auslöst. Der <strong>Traum</strong><br />

versucht, wie wir gesehen haben, die Träumerin<br />

ständig vom unerträglichen Realen abzulenken, indem<br />

er die Wirklichkeit mit einem idealisierenden<br />

Schleier zudeckt. Aber das Reale insistiert, und die<br />

beiden Heldinnen finden den verwesten Leichnam.<br />

Unmittelbar danach – und nicht zufälligerweise<br />

dann – findet die wunderbare Liebesszene zwischen<br />

den beiden Frauen statt, durch die das Reale erneut<br />

mit einem phantasmatischen Schleier zugedeckt<br />

wird. Wir dürfen den sexuellen Akt, zart, lustvoll<br />

und sentimental wie er ist, <strong>als</strong> den Gipfel des Phantasmas<br />

im <strong>Traum</strong> sehen. Und was stellt dieses<br />

Phantasma dar? Den vollkommenen Bezug (le<br />

rapport parfait) zwischen der Heldin Betty-Diane<br />

und ihrem Idealich, dem Hollywood-Star Rita-<br />

Gilda. Und was geschieht unmittelbar danach im<br />

Club Silencio? Da diese Szene ihrerseits auf die Liebesszene<br />

folgt, darf man logischerweise eine<br />

Wiederkehr des Realen erwarten. Und tatsächlich<br />

beginnt Rita unmittelbar nach dem Liebesakt<br />

das Gedächtnis wieder zu finden in einer andern<br />

Sprache, dem Spanischen. Würde sie es gänzlich<br />

wiederfinden, wüsste sie, dass sie tot ist, und würde<br />

das Reale unabwendbar existieren. So versucht<br />

denn der <strong>Traum</strong> noch einen letzten Umweg: silencio<br />

– ist das nicht in Tat und Wahrheit das Schweigen<br />

des Todes? Aber es ist auch ein Club, in dem<br />

ein schönes Liebeslied gesungen wird, «llorando»<br />

(«Weinend»), bei welchem eine Frau auf der Bühne<br />

aus Liebe stirbt. Es ist der Ort, an dem man, wie<br />

in anderen Filmen von David Lynch, die Musik und<br />

dann die Stimme vom Körper, der sie verursacht,<br />

sich lösen sieht. Ein beunruhigender Effekt, der uns<br />

zeigt, dass alles ohne uns weitergehen kann, <strong>als</strong><br />

Aufzeichnung, auch wenn wir tot sind (wie Camilla-<br />

Rita, die in der Erinnerung der Träumerin schemenhaft<br />

fortlebt). Ist es das, was einen «materialistischen»<br />

Glauben an ein Fortleben nach dem Tod<br />

stützt? Wie weit geht übrigens dieser Glaube bei<br />

Lynch, der uns am Ende dieses Films, wie auch in<br />

Fire Walk With Me, das Aufsteigen der engelhaften


Gesichter der Toten zeigt, <strong>als</strong> ob er die Himmelfahrt<br />

ihrer entrückten Seelen darstellte? Als ob das Reale<br />

des Todes letztlich undarstellbar bliebe und nur<br />

durch halluzinatorische Visionen eines Jenseits<br />

evoziert werden könnte.<br />

Und ist es in diesem Auseinandernehmen von<br />

Stimme und Leib im Club Silencio nicht der Trieb,<br />

der freigelegt wird? Der Trieb, der letztendlich<br />

die Körper animierte, die sich in einem Liebesakt<br />

umarmten, der sie mit Hilfe der Leidenschaft<br />

zum Tode führen wird? Die tödliche Stütze des<br />

Triebs wird im Club Silencio in Szene gesetzt,<br />

Freuds Todestrieb, hier durch eines der Objekte a<br />

umhüllt, die Stimme. Auch der Blick ist involviert,<br />

<strong>als</strong> Betty von heftigen Schluchzern geschüttelt<br />

wird. Sie ist so ausser sich, wie sie es nach ihrem<br />

Erwachen sein wird, im Augenblick in dem sie die<br />

halluzinierte Vision von Camilla haben wird, die<br />

sie schweigend betrachtet. Geschüttelt von Kummer,<br />

Reue, Schuldgefühlen – das Gespenst wird sie nie<br />

mehr verlassen. Im Club Silencio kann man <strong>als</strong>o von<br />

einem Auftauchen des Realen des Triebs sprechen,<br />

durch das Phantasma der Träumerin hindurch,<br />

während der imaginäre Schleier bis zum Zerreissen<br />

aufgespannt wird in der idealen Liebesszene mit<br />

Rita. Sicher nicht zufällig zeigt uns Lynch ein Verletztwerden<br />

des Phantasmas durch eben den Blick<br />

und die Stimme: Sind nicht sie jene Triebobjekte,<br />

die der Filmemacher zu bändigen sucht, auf dass er<br />

nicht ihre Beute werde?<br />

Der heterosexuelle Tanz und<br />

die weibliche Liebe ohne Schein<br />

Von da an lässt das Reale die Träumerin nicht mehr<br />

los. Die imaginäre Betty verschwindet in jenem<br />

Augenblick, in dem die leere blaue Box mit dem dreieckigen<br />

blauen Schlüssel geöffnet wird – unnützer<br />

Weise, da das Reale schon lange da ist und der <strong>Traum</strong><br />

uns nicht mehr länger mit solchen Kunstgriffen<br />

ködern kann. Wir sind dank der Schachtel, die uns<br />

mit einem heftigen Wind ansaugt, dabei, auf jenen<br />

anderen Schauplatz hinüberzukippen, an dem der<br />

Tod nicht nur ein Schein ist. 7 Diese leere Box ist der<br />

Rahmen des Phantasmas, den man üblicherweise<br />

nicht sieht, obwohl man in ihn eingeschlossen ist und<br />

unser Leben sich darin abspielt, ohne unser Wissen.<br />

Das leere Bett vor dem Vorspann, das die ganze<br />

Geschichte umrahmt, ist eine andere Darstellung<br />

davon: Diane schläft dort, träumt dort, liebt dort,<br />

sieht dort die Leiche und nimmt sich dort das Leben.<br />

Raum und Zeit verformen sich, und es bleibt nur<br />

der Kadaver einer Frau im Bett, an jener Stelle, an<br />

der Diane aus ihrem <strong>Traum</strong> erwachen muss, um<br />

«wahrhaftig» zu sterben.<br />

Die Durchquerung des Phantasmas, das heisst<br />

das Zerreissen des imaginären Schleiers des Phantasmas<br />

durch das Reale des Geschlechts und des<br />

Todes – was, wie wir gesehen haben, schon während<br />

des <strong>Traum</strong>s, im Club Silencio beginnt –, setzt sich<br />

nach dem Erwachen unaufhaltsam fort. Diese Durchquerung<br />

wird durch verschiedene Kontraste dargestellt.<br />

Zuerst im Erscheinen des stummen Geistes<br />

der schönen und unverletzten Camilla, <strong>als</strong> Gegenüberstellung<br />

zum verwesten Leichnam. Dann durch<br />

den Kontrast zwischen dem bescheidenen Studio,<br />

in dem die Mörderin untertaucht und der luxuriösen<br />

Wohnung der Tante. Wir nehmen auch die Veränderung<br />

der Erscheinung von Diane wahr, die hässlicher<br />

wirkt und deren Gesicht hart und vor Angst<br />

verzerrt ist, ganz anders <strong>als</strong> die strahlende Betty.<br />

Der wichtigste Kontrast schliesslich ist der Stimmungswechsel<br />

in den Liebesszenen zwischen den<br />

Frauen. Im <strong>Traum</strong> prägen Zärtlichkeit und Lust die<br />

Liebesszene zwischen den beiden Frauen, während<br />

nach dem Erwachen die Szenen roh, krud sexuell<br />

und gewalttätig wirken – sowohl die Szene, in der<br />

Camilla Diane zurückweist, die beinah versuchte, sie<br />

zu vergewaltigen <strong>als</strong> auch die Szene, in der die<br />

verlassene Diane verzweifelt zu masturbieren versucht,<br />

angesichts ihres neuen Partners: der Cheminéewand,<br />

die pulsiert und uns unverstellt das Unmenschliche<br />

des Geniessens (jouissance) vor Augen<br />

führt. Eine These Lacans 8 besagt, dass die Schönheit<br />

der letzte Schleier vor dem Schrecken «des Dings»<br />

ist, in diesem Fall der Tod oder das Geschlecht.<br />

Dieser Schleier wurde zerrissen, <strong>als</strong> Rita nach dem<br />

Liebesakt im Schlaf (tot?) mit ihrer wiedergefundenen<br />

Stimme (aus dem Grab?) etwas sagte:<br />

«silencio». Von da an bricht der Schrecken des an<br />

den Tod geknüpften Geschlechts in die Szene ein.<br />

Im Film sind die Beziehungen zwischen<br />

Männern und Frauen immer von der Art der Inszenierung.<br />

Entweder werden sie an einem Drehort<br />

gefilmt, oder es handelt sich um Scheinhaftes, das<br />

Reales produziert: so die Szene zwischen Adam und<br />

Camilla, die ihrer Folgen wegen ins Reale kippt<br />

und die auf die andere «allzu gut gespielte Szene»<br />

verweist («don’t play it for real…» ), in der Betty<br />

vom alten Schauspieler umarmt wird. Oder man<br />

sieht sie «in der Wirklichkeit», wie in der Bankettszene,<br />

in der Camilla <strong>als</strong> echter Blickfang mit<br />

Adam wie ein Star posiert, unter den erst verzweifelten,<br />

dann mörderischen Blicken Dianes <strong>als</strong><br />

dem Äquivalent der Kamera. In beiden Fällen haben<br />

sie nichts Intimes und werden von Schauspielern<br />

gespielt, die gesehen werden wollen. Ein Schein der<br />

durch den gesellschaftlichen Code festgelegten Beziehungen<br />

zwischen Männern und Frauen, deren<br />

Symbol der akrobatische Tanz ist, in dem sich Diane<br />

<strong>als</strong> lächerliche Siegerin erwiesen hat, der aber<br />

zwischen Frauen nicht existiert.<br />

Denn was läuft ab zwischen Diane und Camilla?<br />

Die beiden weiblichen Figuren, auch wenn sie oft<br />

den Eindruck erwecken, die Plätze zu tauschen oder<br />

sich im <strong>Traum</strong> spiegelbildartig miteinander zu identifizieren<br />

9 haben keineswegs die selbe Position in diesem<br />

Film, der – das muss man hervorheben –<br />

alles andere <strong>als</strong> ein psychologischer Film ist, trotz<br />

der Anspielung auf Sunset Boulevard, der jenem<br />

psychologischen Hollywoodgenre zuzurechnen ist.<br />

Wenn Diane ein Subjekt ist, ist Camilla-Rita-<br />

Gilda ein schwer zu benennendes Objekt. Von ihr<br />

wissen wir nichts, ausser dass von ihr ein verwirrender<br />

Reiz ausgeht, der den Blick anzieht («she<br />

is trouble», wird David Lynch sagen 10 ). Jedenfalls<br />

wird nichts von dem, was eine reale Person ausmacht<br />

– Geschichte, Vergangenheit – sie je zu belasten<br />

wagen. Unveränderliches Bild eines unmenschlichen<br />

Stars mit explosivem Leihnamen – Gilda, die<br />

(sexuelle und nukleare) Bombe –, verkörpert sie für<br />

die adoleszente Diane Hollywoods stereotypen<br />

<strong>Traum</strong>. Noch <strong>als</strong> Geist bewahrt sie ihre erstarrte<br />

phantasmatische Schönheit – sie ist Dianes Idealich.<br />

Diane dagegen, an deren Stelle wir versetzt werden<br />

(nicht auf dem Weg einer Identifizierung, sondern<br />

durch rein technische Mittel, wie dort, wo wir mit<br />

der Kamera dem Kopfkissen entgegenstürzen), ist ein<br />

Subjekt, das eine Vergangenheit und eine (wenn<br />

auch summarische) Geschichte besitzt, das Fehler<br />

begeht, träumt, deliriert, leidet, mordet und sich<br />

tötet. Sie ist es, deren Schönheit zwischen ihrem Verbrechen<br />

und ihrem Selbstmord sich zersetzt und<br />

die von Reue zernagt wird.<br />

Aus der Sicht Lacans können wir hier die beiden<br />

Terme des Phantasmas situieren 11 : Diane ist das gespaltene<br />

Subjekt, während Camilla das das Begehren<br />

verursachende Objekt ist, «imaginisiert» durch die<br />

Schönheit ihres Starseins. Ihre verweste Leiche steht<br />

für das Objekt a <strong>als</strong> reales. Die Beziehung zwischen<br />

den beiden entspricht einem vereinfachten balzacschen<br />

Erzählmuster, wie in Das Mädchen mit den<br />

Goldaugen, wo die Eifersucht, die der Leidenschaft<br />

einer Frau für eine andere entspringt, durch keinen<br />

sozialen Schein gedämpft wird, der sonst die normierte<br />

Liebe zwischen Mann und Frau regelt.<br />

In jenem Roman erzeugt die gesellschaftlich nicht zu<br />

vermittelnde Beziehung zwischen den Frauen eine<br />

Gewalt ausserhalb jeglichen Gesetzes 12 , die zu einer<br />

brutalen und darüber hinaus ungestraften Opferung<br />

des Objekts führt. Lynch, darin moralischer, fügt die<br />

Polizei bei und ein melancholisches Ende. In diesem<br />

opfert sich das Subjekt selbst, verfolgt von einem<br />

grausamen und rachsüchtigen Überich, nach dem<br />

Verlust des Objekts, mit dem es sich identifiziert 13 .<br />

Der Film illustriert diese narzisstische Identifizierung<br />

im wichtigen Augenblick des Erwachens, den<br />

wir bereits kommentierten, dadurch, dass er die<br />

Leiche ihres Opfers, die sich immer weiter zersetzt,<br />

mit der in ihrem Bett schlafenden Diane ersetzt.<br />

Lynch spielt mit den Zeiten (vor dem Titel zeigte<br />

uns in einem Bild das zerwühlte Bett, in dem Diane<br />

sich töten wird, und nach dem Suizid sieht man in<br />

einem Kurzschliessen mit dem Anfang des Films,<br />

wie sich idealisierte Abbildungen der beiden Frauen<br />

formen, <strong>als</strong> ob diese nicht wirklich tot oder aber in<br />

einem Jenseits gewesen wären); er spielt mit den<br />

Räumen, zwischen denen Brücken existieren, die uns<br />

von einem zum andern geleiten; er spielt <strong>als</strong> Logiker<br />

mit möglichen Welten und parallelen Identitäten<br />

(da man sich auch nach all diesen Erklärungen immer<br />

noch fragen mag, wo nun das Reale und wo<br />

das Fiktive sei; wobei wir uns hier für die Lösung<br />

entschieden haben, das Reale auf Seiten des Unerträglichen,<br />

des Schlimmstmöglichen zu situieren, das<br />

<strong>Traum</strong> und Phantasma vergeblich zu maskieren<br />

versuchen). Lynch spielt mit den Zeichen und erzeugt<br />

Rätsel, zu denen er uns «Schlüssel» in die<br />

Hand gibt im buchstäblichen und im figürlichen Sinn<br />

des Wortes, um uns zum Deuten anzuregen und<br />

um den Zuschauer in einen Suchenden im gnostischhermetischen<br />

Sinne zu verwandeln. (Vgl. die verschiedenen<br />

blauen Schlüssel und all die Interpretationen<br />

die man über diesen Film anstellt, ähnlich<br />

wie über den Ulysses von Joyce). Lynch spielt mit<br />

dem Rahmen (und wenn die ganze Geschichte<br />

nur ein Film wäre, den ein geheimnisvoller «grosser<br />

Manitou», der Produzent, der Camilla fördern<br />

will, in Auftrag gegeben hätte?). Die Ränder des<br />

Rahmens – und das ist eine Konstante im Film – sind<br />

gleichzeitig präzise umrissen und können in unterschiedlichster<br />

Weise verschachtelt werden, was den<br />

Sinn in anscheinend widersprüchliche Richtungen<br />

auseinander laufen lässt, bevor man erkennt, dass<br />

diese Fäden sich zu einem präzisen Gewebe knüpfen<br />

lassen, das aber (wie im richtigen Leben) sehr<br />

lange offen bleibt. Michel Chion nennt «ciné-symphonique»<br />

dieses Genre, das Lynch in seinen letzten<br />

Filmen anstrebt 14 . David Lynch – und das hat<br />

Slavoj Žižek bemerkt 15 – ist ein Realist im Sinne<br />

Lacans: Er weiss, dass das Phantasma nicht<br />

die Macht besitzt, uns wirksam vor dem Realen in<br />

Schutz zu nehmen, aber dass seine schillernden<br />

Szenarien uns anzeigen, wo es zu finden sei: hinter<br />

einer Schranke, deren Schönheit den Schrecken<br />

nie vollkommen zu verschleiern vermag:<br />

«Just beneath the surface there’s another world, and<br />

still different worlds as you dig deeper. I knew it<br />

as a kid, but I couldn’t find the proof. It was just a<br />

feeling. There is goodness in blue skies and<br />

flowers, but another force – a wild pain and decay –<br />

<strong>als</strong>o accompanies everything.» 16<br />

Übersetzung von Dr. Dieter Sträuli,<br />

Psychologisches Institut, Universität Zürich<br />

Original: Geneviève Morel Morel: «This is the girl.» Note sur Mulholland<br />

Drive, de David Lynch (2001). In: Savoirs et clinique, Revue de Psychanalyse,<br />

2003/1 (Nr. 2: «Premiers amours»), Paris: Éditions érès, S. 79-87.<br />

www.cairn.info/revue-savoirs-et-cliniques-2003-1-page-79.htm<br />

Alle Rechte an der Übersetzung bleiben bei der<br />

Verfasserin Geneviève Morel.<br />

(1) Balzac H. de. (1996). Das Mädchen mit den Goldaugen,<br />

in: Geschichte der Dreizehn. Frankfurt: Insel.<br />

(2) Zitiert nach Michel Chion, David Lynch, Cahiers du<br />

cinéma, Collection auteurs, Paris, 1992, S. 229.<br />

(3) [Anm. des Übers.: metonymisch: d.h. entlang der<br />

Assoziationsketten]<br />

(4) »Mulholland Drive, Play it for real”, Positif Nr. 490,<br />

Dezember 2001, S. 80-82.<br />

(5) Der Cowboy, der die Befehle der die Filmwelt dominierenden<br />

Mafia ausführt, steht der Polizei gegenüber, die eine<br />

andere, gesetzliche Ordnung darstellt: die der Gesellschaft.<br />

Im Augenblick von Dianes Erwachen sieht man, dass sie parallel<br />

geschaltet sind wie Doppelgänger: Die Polizei löst in<br />

der Wirklichkeit mit ihrem Klopfen an der Tür den Cowboy<br />

ab, der im <strong>Traum</strong> klopfte. Die Mafia dagegen existiert nicht<br />

nur im <strong>Traum</strong>. Camillas in Spanisch gesprochener Satz am<br />

Bankett deutet es an, in dem sie protestiert, weil sie nicht mit<br />

Luigi (einem der Mafiosi) eine Reise nach Casablanca machen<br />

konnte, <strong>als</strong> gerade die Rede ist vom Film «The Sylvia North<br />

Story» und <strong>als</strong> zwischen Diane und ihr alles aus ist. Mit seiner<br />

Art eines lächerlichen Rächers im Dienste eines parallelen<br />

Gesetzes, das im Unbewussten von Diane den Ton angibt,<br />

könnte der Cowboy eine Darstellung des Überichs sein.<br />

(6) «Ich liebe Dich, weil aber, unerklärlich, ich in Dir etwas<br />

liebe, das mehr <strong>als</strong> Du – das Objekt klein a – muss ich Dich<br />

verstümmeln.» Lacan, Jacques. (1978). Das Seminar, Buch XI,<br />

Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Olten: Walter, S. 282.<br />

(7) Folgendermassen erklärt David Lynch sein Wechseln von<br />

der Malerei zum «Filme malen»: «Was mir fehlte wenn ich<br />

diese Bilder betrachtete, das war der Ton; ich erwartete, dass<br />

ein Geräusch, eine Art Wind vielleicht aus ihnen käme.<br />

Ich wolle auch, dass ihre Ränder verschwanden, ich wollte ihr<br />

Inneres betreten. Es war räumlich…» Und: «Wenn ich ansah,<br />

was ich gemacht hatte, hörte ich Geräusche. Wie das Blasen<br />

eines Windes. Und plötzlich sah ich es. Ich stellte mir eine<br />

Welt vor, in der die Gemälde in ständiger Bewegung waren<br />

[…]». Zitiert nach Michel Chion, op. cit., S. 19.<br />

(8) «[…] die Funktion der Schönheit […]: äusserste Schranke<br />

[zu sein], die den Zutritt zu einem Bezirk fundamentalen<br />

Schreckens versperrt….» Lacan, J., «Kant avec Sade», Écrits,<br />

Paris, Seuil, 1966, S. 776.<br />

(9) Zum Beispiel erkennt Rita in der Szene des Telefonanrufs<br />

an Diane Selwyn Bettys Stimme, ohne sie identifizieren zu<br />

können, und Betty scherzt über den Umstand, sich selber anzurufen.<br />

Dann ist da die Szene mit der blonden Perücke vor<br />

dem Spiegel. Schliesslich, düsterer, die Abfolge der wie tot in<br />

Dianes Bett schlafenden Camilla, der toten und verwesten<br />

Camilla und schliesslich sie selbst schlafend vor ihrem<br />

Erwachen.<br />

(10) «She’s not just in trouble – she is trouble.» Zitiert in<br />

Hughes D., The complete David Lynch, Virgin, London, 2001,<br />

S. 237.<br />

(11) Lacan schreibt sie <strong>als</strong> Beziehung des Subjekts<br />

(gebarrtes $) zum Objekt a.<br />

(12) In Das Mädchen mit den Goldaugen wird diese Verknüpfung<br />

der lesbischen Liebe mit dem Aussergesetzlichen<br />

von Balzac überschrieben durch die Nähe dieser Liebe zu<br />

einem Schwesterninzest, illegitimen Geburten und dem<br />

Verkauf der Tochter <strong>als</strong> Sklavin durch die Mutter. Daneben<br />

liegt in den sonnenhaften Augen der Paquita Valdès, dem<br />

Mädchen mit den Goldaugen, ein sowohl unendliches <strong>als</strong><br />

auch tödliches Geniessen.<br />

(13) Freud, S. (1916 -17 g). Trauer und Melancholie. G. W. 10,<br />

S. 428-446; Stud. 3, 193-212<br />

(14) Er charakterisiert es so: «Der Gebrauch von Kontrasten,<br />

die alles übertreffen, was bisher erlaubt war; ein Hervorheben<br />

von Brüchen in der generellen Struktur, statt diese zu<br />

übertuschen; ein Aufdrehen des Dolby-Sounds und seiner<br />

Kontrastmöglichkeiten; räumliche und akustische Kraft; und<br />

eine kühne Mischung der Töne und Atmosphären. Es bleibt<br />

natürlich sein Ehrgeiz, ein ausdrucksstarkes und wohl organisiertes<br />

Ganzes zu schaffen aus Elementen, die ihre Verstreutheit<br />

nicht verbergen. op. cit., p. 147.<br />

(15) Žižek, S., The art of the ridiculous sublime. On David<br />

Lynch’s Lost Highway, Walter Chapin Simpson Center for the<br />

Humanities, Seattle, 2000, S. 13.<br />

(16) «Gerade unter der Oberfläche liegt eine andere Welt, und<br />

immer weitere Welten, wenn man tiefer gräbt. Ich wusste es<br />

<strong>als</strong> Kind, konnte aber keinen Beweis dafür finden. Es war nur<br />

ein Gefühl. Im blauen Himmel und in Blumen liegt viel Gutes,<br />

aber auch eine andere Kraft – ein wilder Schmerz, Verwesung<br />

– begleitet alles.» Vgl. Hugues D., op. cit.<br />

Wake up<br />

—<br />

Etrit Hasler<br />

«Am Ende, sobald sich die Wörter erschöpft<br />

haben, werden wir sehen, was wirklich<br />

und nicht nur menschenmöglich ist.»<br />

(Günter Grass)<br />

Und du wachst auf, schweissgebadet, in ihren<br />

Armen und alles ist in Ordnung. Sie ist da.<br />

Du riechst ihre Haare, ihre Arme, ihren H<strong>als</strong>,<br />

um sicher zu gehen, aber sie ist da, sie wird<br />

nicht weggehen, das hat sie dir doch versprochen,<br />

auch wenn sie dich dann doch nicht<br />

ihren Eltern vorstellen wollte, das hat doch<br />

noch Zeit, sagte sie, und du hast immer gewusst,<br />

das ist nur eine billige Ausrede. Jeden Moment<br />

wirst du erwachen und dann ist das alles vorbei<br />

und deine Laken feucht so wie die Sintflut<br />

und deine Fantasie.<br />

Seit Jahren erwache ich wieder in einem komplett<br />

weissen Raum. «Ich finde mein Haus: leer.<br />

(…) Weiss in Weiss.» (Paul Klee) Die Wände<br />

sind kahl und leer, es ist kein freundliches Weiss.<br />

Ein schwarzer Adler tritt zu mir und hält mir<br />

einen Topf mit roter Farbe hin – es könnte Blut<br />

sein. Ich blicke ihn fragend an, denn ich weiss<br />

nicht, was ich mit der Farbe soll. Er sagt nur:<br />

«Dies ist die Halle deiner Vorfahren. Nimm<br />

dir was du brauchen kannst und lass verrotten,<br />

was nichts nützt.»<br />

Und draussen nebelt die Welt vor sich hin und<br />

geht den Bach runter - «Es ist immer derselbe<br />

<strong>Traum</strong>.» (Hermann Hesse) -, und du liegst auf<br />

deinem Sofa und rauchst dich zu Tode und<br />

starrst den Fensterrahmen an, weil du dich nicht<br />

mehr traust nach draussen zu blicken und da<br />

kleben noch die Briefmarken von dem Tag, <strong>als</strong><br />

du dich und deine Wohnung in die Karibik verschicken<br />

wolltest. Als dir der freundliche Postbeamte<br />

erklärte, wieviel dich dieses Paket kosten<br />

würde, bist du nach Hause gegangen und auf<br />

dein Sofa gelegen und hast dich in den Schlaf<br />

geweint.<br />

Mann, so einen Schlag hättest du dem magersüchtigen<br />

Ding nicht zugetraut, aber mit dem<br />

Gleichgewicht war das schon immer so eine<br />

Sache, sonst wärst du nicht hier, <strong>als</strong>o raffst du<br />

dich wieder auf und <strong>als</strong> du deinen Kopf wieder<br />

über die Theke hochgezogen hast, schaut<br />

sie dich tief an mit diesen grossen, verheulten<br />

Kuhaugen und sagt: «Na was ist, Ficker?<br />

Spendierst du mir nen Drink?» (Gwyneth<br />

Paltrow)<br />

Ich weiss, dass es einen Ort gibt, an dem alle<br />

Menschen wohnen, die mir je etwas bedeutet<br />

haben. Die ich je geliebt habe. «Die Nacht wächst<br />

wie eine schwarze Stadt» (Rilke). Es ist ein<br />

Hotel, ein riesiges Gebäude, das in seiner Form<br />

irgendwie an einen Lego-Achter erinnert, auf<br />

einem grünen Hügel, der sich Richtung Westen<br />

zu einem Strand schwingt. Ich liebe diesen Ort<br />

und wenn ich eine Weile nicht von ihm träume,<br />

werde ich von einer unvorstellbaren Melancholie<br />

erfasst. «I have seen the mermaids<br />

singing each to each – I do not think that they<br />

will sing to me.» (TS Eliot)<br />

Du steigst in eine Seifenkiste und fliegst durch<br />

die Bibliothek von Alexandria, zeigst mit<br />

dem Finger nach Leviathan und Tsunamiwellen,<br />

bis deinem bester Freund von einem Tyrannosaurus<br />

Rex der Arm abgerissen wird. Naja,<br />

nur halb so wild, hast du dir gedacht. Auch<br />

mit nur einer Hand bleibt er ein Wichser. Aus<br />

dem Grab hebt deine tote, verrottete, vergessene<br />

Mutter ihren Mahnfinger, «ich habs dir<br />

schon immer gesagt», und plötzlich fallen dir<br />

die Haare aus und dein Kreuz bricht entzwei.<br />

Das kommt vom vielen aufrecht gehen.<br />

Und du wachst auf und alles ist, wie es sein<br />

sollte, deine Augen brennen und das Radio<br />

dröhnt irgendwas von Baby und wenn du noch<br />

eine Arbeit hättest, wärst du schon wieder zu<br />

spät, aber du hast keine Arbeit mehr, du hast<br />

nur noch Träume und auch die sterben langsam<br />

aus. Das kommt vom Kiffen, hat dein Arzt gesagt<br />

- «Scheiss auf Ärzte», denkst du, während<br />

du dich an diesen unheimlichen <strong>Traum</strong><br />

erinnerst, auch wenn da nur noch ein paar<br />

Fetzen blond und Blowjobs übrig sind und aus<br />

purer Gewohnheit wandern deine Finger<br />

unter die Decke zu deinem Bauch und weiter -<br />

aber da ist nichts mehr, da ist nur noch ein<br />

Loch, und dann kommt es plötzlich alles zurück:<br />

Die Erinnerung...<br />

...dass es einen Moment gäbe, kurz vor dem<br />

Erwachen, in dem wir alles wüssten. Dieses<br />

Gefühl der Klarheit, das Gegenteil des<br />

Brechtschen «Der Vorhang zu und alle Fragen<br />

offen», hat jeder von uns schon erlebt – im<br />

<strong>Traum</strong> taucht es mit einer Regelmässigkeit auf,<br />

die beängstigend wirken kann: Was soll ich<br />

in der echten Welt, wo ich unwissend bin und<br />

unvollkommen? Ich schrieb mir Fragen auf,<br />

auf die ich dringend Antworten wollte. Dinge<br />

wie: Gibt es einen Gott? Was sind die Lottozahlen<br />

in der nächsten Ziehung? Wie kriege<br />

ich (...) ins Bett? Ich bin mir bis heute sicher,<br />

dass ich die Antworten darauf erhielt. Nur fand<br />

ich nie einen Weg, die Antworten mit mir zurückzubringen.<br />

Ausser diejenige, dass... «Das<br />

einzig Gute am Erinnern ist die Wundergabe,<br />

die Träume zu erwecken.» (Antonio Machado)<br />

bevor<br />

bevor<br />

Als ich heute die Augen öffnete, wollte ich dir<br />

von diesem <strong>Traum</strong> erzählen, den ich hatte.<br />

«...Und sie sagen, das Leben sein ein <strong>Traum</strong>: das<br />

nicht;» (Rilke) In dem wir zusammen alt<br />

geworden waren und auf einer Terasse, vielleicht<br />

der eines Hotels, Hand in Hand den Sonnenuntergang<br />

betrachteten. «Dann starben<br />

wir» (Douglas Coupland), zutiefst eins mit uns<br />

und der Welt. Dann fiel mir ein, dass du vor<br />

über einem Jahr ausgezogen bist.<br />

«Wer wirst du diese Nacht sein im dunklen<br />

<strong>Traum</strong>, auf der andern Seite der Wand?»<br />

(Jorge Luis Borges)<br />

Dreams are my<br />

reality<br />

—<br />

Esther Becker<br />

Dass Träume mehr sind <strong>als</strong> Schäume, dessen waren sich schon<br />

die alten Griechen sicher. In der Antike ging man davon<br />

aus, dass eine göttliche oder dämonische Quelle den Menschen<br />

die Träume schickten, <strong>als</strong> Botschaft, oder um sie in<br />

Versuchung zu führen. In der Psychoanalyse gelten Träume<br />

auf gewisse Art ebenfalls <strong>als</strong> Botschaft, allerdings nicht<br />

von einer Gottheit sondern vom eigenen Unterbewusstsein,<br />

salopp formuliert.<br />

Heutzutage bedarf es allerdings nicht zwangsläufig der<br />

Aufsuchung eines Heilers, noch der Aufsuchung einer<br />

Couch, um seine Träume deuten zu lassen: Ein paar Klicks<br />

genügen, um anhand des Geträumten mehr über sich<br />

oder sein Schicksal herauszufinden. Diverse <strong>Traum</strong>deutungswebsites<br />

bieten mittels online Lexikon eine schnelle Interpretation.<br />

Bis zu 9‘000 Begriffe können gesucht werden.<br />

Gibt man bei einer Seite sein Suchwort ein, erscheinen schön<br />

säuberlich sortiert die verschiedenen Bedeutungen: Assoziation<br />

und Fragestellung, Medizinrad, Allgemein, Psychologisch,<br />

Spirituell oder Volkstümlich (arabisch oder<br />

europäisch). Es gibt aber nicht zu allen Begriffen die<br />

Deutungen aus allen Quellen, nur den Popstars unter den<br />

Symbolen, wie z.B. der Schlange gebührt das ganze<br />

Spektrum. Das Haarshampoo zum Beispiel muss auf Assoziation<br />

und Fragestellung verzichten und wird nur<br />

psychologisch und europäisch volkstümlich gedeutet.<br />

«Deutung Starten» per Knopfdruck<br />

Bei einer anderen Seite kann man sogar seinen gesamten<br />

<strong>Traum</strong> <strong>als</strong> Fliesstext eingeben. Das Geschlecht des<br />

Träumenden muss angegeben werden, das Alter in dem<br />

geträumt wurde, sowie eine Kategorie, wie z.B. die Klassiker:<br />

Albtraum und erotischer <strong>Traum</strong>. Und auch spezifischer:<br />

Kollektiver <strong>Traum</strong>, Todesträume, Fallträume, Zahnträume<br />

und Schlangenträume. Wow, die Schlange hat es <strong>als</strong>o sogar<br />

zu einer eigenen Kategorie gebracht, die Arme wird ihr<br />

phallisches Image wohl nie abstreifen können (egal, wie oft<br />

sie sich häutet). Ich (weiblich) wage mich an einen Versuch<br />

und tippe einen alten (7-14 Jahre), <strong>Traum</strong> (Albtraum)<br />

ein, einen der wenigen an den ich mich immer noch gut<br />

erinnern kann: «Meine Schwester und ich sind allein zu<br />

Hause. Es gewittert. Wir schauen verbotenerweise Fernsehen,<br />

<strong>als</strong> ein Blitz einschlägt, und der Fernseher explodiert<br />

und das Haus in Brand setzt. Wir versuchen zu fliehen,<br />

doch vor jeder Tür oder jedem Fenster sind Monster.»<br />

Ich bin aufgefordert dem <strong>Traum</strong> einen Titel zu geben, mir<br />

fällt aber keiner ein. Und optional kann ich auch meine<br />

Emailadresse angeben. Mache ich aus Prinzip nicht. Ich<br />

klicke auf den «Deutung starten»-Button. Das Ergebnis lässt<br />

noch mehr sehr zu wünschen übrig, <strong>als</strong> erwartet. Ich zitiere:<br />

Einfache Deutung:<br />

Meine «Schwester = Eigenschaften, die einem verwandt sind,<br />

aber nicht voll akzepti» und ich sind «allein = sich abgespalten<br />

fühlen» zu Hause. Es «gewittert = unerwartete<br />

Veränderungen». Wir schauen verbotenerweise «Fernsehen<br />

= Angst vor dem Alleinsein», <strong>als</strong> ein «Blitz = unkontrollierbare<br />

Kräfte beeinflussen das Seelenleben» einschlägt, und<br />

der «Fernseher = Angst vor dem Alleinsein» «explodiert =<br />

hohe innere Spannung, Gereiztheit, Unruhe und Nervosität»<br />

und das «Haus = fleischlicher Körper» in «Brand = deutet oft<br />

eine geistig-seelische Krankheit» «setzt = Ruhe und Besonnenheit<br />

ist angesagt». Wir versuchen zu «fliehen = sich in<br />

eine Opferhaltung begeben», doch vor jeder «Tür = sich<br />

Zugang zu bestimmten Orten oder Räumen schaffen» oder<br />

jedem «Fenster = Einstellungen zum Leben und zu anderen<br />

Menschen» sind «Monster = animalischer Instinkt, die ungezügelte<br />

Triebhaftigkeit».<br />

Tja, was soll man dazu sagen? Ich frage mich, um welche<br />

geistig-seelische Krankheit es sich bei mir handeln mag, die<br />

mir prophezeit wird? Ok, das mit dem Fernsehen lasse ich<br />

gelten, aber sonst? Fehlt meiner Einstellung zum Leben die<br />

ungezügelte Triebhaftigkeit? Ach, hätte ich doch von einer<br />

Schlange geträumt! Mein <strong>Traum</strong> mitsamt Deutung ist übrigens<br />

auch für andere Besucher der Seite sichtbar. Genauso wie<br />

ich die Träume anderer lesen kann. Mal sehen... Es gibt Titel<br />

wie «Seele», «Berg hinauf», «Ex-Ehemann», «Kriechtiere»,<br />

«Busfahrt» oder «Mund voll mit Kaugummi». Tönt alles<br />

nicht sehr spektakulär, aber gut, meiner war ja auch nicht<br />

grad ein Knüller...<br />

PS: Das Symbol iPad wurde nicht gefunden<br />

Quellen: www.joakirsoft.de, www.traumdeuter.ch


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

Der Verein <strong>als</strong> Fiktion<br />

Alle wollen FIFA-Präsident Sepp Blatter an den Kragen:<br />

Seinen Job droht er in der Kampfwahl gegen den Katarer<br />

Mohammed bin Hammam zu verlieren – und jetzt droht<br />

ihm auch noch Unbill seitens der Stadt Zürich. Ein Postulat<br />

der AL verlangt, den (fast) steuerfreien Status des Millionenkonzerns<br />

zu verändern.<br />

Einsamkeit ist die beste Freundin der Macht.<br />

Joseph Blatter weiss das. Er hat es in den letzten<br />

36 Jahren, die er bei der Fifa verbrachte,<br />

lernen müssen: erst <strong>als</strong> Direktor, dann <strong>als</strong> Gener<strong>als</strong>ekretär<br />

und nun – seit zwölf Jahren –<br />

<strong>als</strong> Präsident des Weltfussballverbands.<br />

Je höher Blatter aufstieg, je mächtiger er wurde,<br />

desto kleiner wurde sein Kreis an echten<br />

Freunden. Zuletzt kehrte ihm ein langjähriger,<br />

enger Vertrauter den Rücken: Mohammed<br />

bin Hammam – Katarer, 61 Jahre alt, Präsident<br />

des asiatischen Fussballverbands. 1998 hatte<br />

er Blatter noch zur Wahl verholfen, indem<br />

er ihm wichtige Stimmen sicherte. Im Wahlkampf<br />

stellte bin Hammam seinem Freund<br />

sogar einen Privatjet zur Verfügung. Jetzt will<br />

der Katarer selber an die Macht: Mitte März<br />

kündigte Mohammed bin Hammam seine<br />

Kandidatur zur Wahl des Fifa-Präsidenten an.<br />

Blatter will aber selber noch eine letzte Amtszeit.<br />

«Gebt mir noch vier Jahre», hat er gesagt.<br />

Soviel Zeit brauche er noch, um seine<br />

Mission zu vollenden. Doch sein alter Weggefährte<br />

bin Hammam will davon nichts wissen.<br />

Blatter habe das schon 2002 gesagt; seither<br />

sind zwei Amtszeiten vergangen. «Es braucht<br />

den Wechsel, jetzt ist die Zeit reif», sagte bin<br />

Hammam kürzlich der «Süddeutschen Zeitung».<br />

Das vielsagende Interview machte klar,<br />

wie sehr die Freundschaft zwischen bin Hammam<br />

und König Sepp mittlerweile abgekühlt<br />

ist. Ein Tag bevor bin Hammam im März in<br />

Malaysia seine Kandidatur ankündigte, hatte<br />

Joseph Blatter um ein Gespräch gebeten.<br />

Wollte er ihn umstimmen? Ihm einen Kompromiss<br />

vorschlagen? Ich brauche noch vier<br />

Jahre, dann mache ich dich zum Präsidenten?<br />

Man weiss es nicht. Bin Hammam mochte sich<br />

die Zeit für ein Gespräch nicht nehmen. Er<br />

schüttelte Blatter ab wie einen lästigen Verkäufer.<br />

Der Terminvorschlag, so bin Hammam<br />

trocken, habe zeitlich einfach nicht gepasst.<br />

Ein fast gewöhnlicher<br />

Verein aus Zürich<br />

Blatter ist angeschlagen, sagen Insider. Einsam.<br />

Über dem Zenit. Bin Hammam hingegen<br />

träte nicht an, wüsste er nicht um seine Chancen.<br />

Die ständigen Korruptionsvorwürfe – zu-<br />

letzt Ende des vergangenen Jahres, kurz vor<br />

der Vergabe der Weltmeist erschaften 2018 und<br />

2022 nach Russland und Katar – kratzen am<br />

sauberen Image des Weltfussballverbands.<br />

Auf nationaler Ebene sind mehrere politische<br />

Vorstösse hängig, die der Korruption im Weltfussball<br />

ein Ende setzen wollen. Und jetzt wird<br />

Blatter auch noch in Zürich angegriffen, in seiner<br />

Wahlheimat, wo die Fifa ihren Hauptsitz<br />

hat: Die Zürcher Alternative Liste (AL) fordert,<br />

dass die Fifa mehr Steuern zahlt. Mitte<br />

April hat der Gemeinderat mit 75 zu 46 Stimmen<br />

ein Postulat der AL überwiesen, das vom<br />

Stadtrat Massnahmen verlangt, die Steuern<br />

des Weltfussballverbands «auf ein Niveau zu<br />

heben, das der Fifa <strong>als</strong> faktisch kommerzieller<br />

Grossorganisation entspricht».<br />

Die Fifa – ein fast gewöhnlicher Verein aus<br />

Zürich, von der Rechtsform nicht anders organisiert<br />

<strong>als</strong> ein Hasenzüchterverein aus Hintertuggen:<br />

Gemeinnützig, mit ideellem Wert,<br />

nicht gewinnorientiert. Allerdings unterscheidet<br />

sich die Fifa in einigen wenigen Punkten<br />

von anderen Vereinen: Zwischen 2007 und<br />

2010 erwirtschaftete die Fifa rund vier Milliarden<br />

US-Dollar, zahlte im vergangenen Jahr<br />

Boni in der Höhe von 32 Millionen US-Dollar<br />

und verfügt über ein Eigenkapital von über einer<br />

Milliarde. Wie der «Tages-Anzeiger» berechnete,<br />

müsste die Fifa über 40 Millionen<br />

Franken an Steuern zahlen. Tatsächlich zahlt<br />

sie nur knapp eine Million Franken.<br />

AL-Gemeinderat Niklaus Scherr: «Die Fifa<br />

weist nur gerade 4 Millionen Franken <strong>als</strong> Eigenkapital<br />

aus, die sie versteuert. Die restlichen<br />

1,2 Milliarden gelten <strong>als</strong> Rückstellungen<br />

– und sind damit steuerfrei.» Nach den Terroranschlägen<br />

vom 11. September 2001 hätten<br />

die Versicherungen, die Weltmeisterschaften<br />

nicht mehr versichern wollen. Deshalb mache<br />

die Fifa Rückstellungen, für den Fall, dass<br />

eine Weltmeisterschaft ausfalle. «Die Fifa gelangte<br />

daraufhin an die Zürcher Steuerbehörden<br />

und handelte eine Vereinbarung aus, so<br />

dass sie die Rückstellungen nicht versteuern<br />

muss.» Der Stadtrat prüft nun, ob man unter<br />

geltendem Recht die Summe der steuerfreien<br />

Rückstellungen neu verhandeln soll. Ein<br />

andere Möglichkeit wäre, die kommerziellen<br />

Teile der Fifa (Marketing, TV-Rechte, etc.) auszugliedern<br />

und regulär zu besteuern. «Die<br />

Fifa wurde 1932 zu Recht <strong>als</strong> Verein gegründet»,<br />

sagt Niklaus Scherr. «Aber heute ist das<br />

höchstens eine Fiktion. Sie ein internationales<br />

Grossunternehmen, das mit der Vermarktung<br />

von Rechten Millionen verdient. Wenigstens<br />

auf diesen Teil müsste die Fifa Steuern zahlen.»<br />

Die Lobby-Rechnung<br />

Die Fifa stellt das freilich etwas anders dar. Anfang<br />

Januar beschloss der Weltfussballverband<br />

angesichts der verschiedenen politischen Vorstösse,<br />

die Politiker in Bundesbern einzuseifen.<br />

Sie verschickte Einladungen für einen sogenannten<br />

«Informations-Kick-Off» an alle Parlamentarier:<br />

«Im Sport liegt die Wahrheit auf<br />

dem Platz», schrieb Joseph Blatter. «Im übertragenen<br />

Sinne bedeutet das für die Fifa: Es<br />

gibt kaum authentischere Informationen <strong>als</strong><br />

diejenigen aus erster Hand.» Mitte März kamen<br />

von den 246 angeschriebenen und 18 an-<br />

gemeldeten dann lediglich elf Politiker in den<br />

konspirativ-abgeschiedenen Salon Münz des<br />

Hotels Bellevue Palace in Bern. Die zwei Journalisten,<br />

die sich ungebeten unter die Politiker<br />

mischen wollten (allerdings etwas zu früh<br />

auftauchten und darum entdeckt wurden) bat<br />

man höflich, aber bestimmt, den Salon wieder<br />

zu verlassen und Fragen an die Fifa in Zukunft<br />

doch bitte an Pressekonferenzen zu stellen.<br />

Marco Villiger, der Direktor des Fifa-Rechtsdienstes,<br />

erklärte den Politikern, dass die Fifa<br />

dem Gemeinwesen weit mehr zukommen lasse<br />

<strong>als</strong> die eine Million an Steuern. Insgesamt fördere<br />

der Weltfussballverband die Wirtschaft im<br />

Kanton Zürich mit einem Beitrag von rund 35<br />

Millionen Franken.<br />

Die Lobby-Rechnung geht so: Die Fifa beschäftige<br />

(inklusive Partnerfirmen) 460 Mitarbeiter,<br />

die alle Steuern bezahlten. Zudem fördere<br />

der Weltfussballverband die Wirtschaft<br />

mit Hotelübernachtungen (6 Millionen Franken<br />

jährlich), Flügen (7,9 Millionen), persönlichen<br />

Ausgaben (1 Million), Lehrstellenverband<br />

(0,1 Million), dem Zoofest (0,1 Million)<br />

und dem Restaurantumsatz (0,4 Millionen).<br />

Ausserdem bezahle die Fifa 20 Millionen Franken<br />

für die Namensrechte des geplanten Fussballstadions<br />

in Zürich. Dazu Niklaus Scherr:<br />

«Wenn die Fifa 20 Millionen für Namensrechte<br />

aufwenden kann, wäre es nicht zu viel<br />

verlangt, wenn sie auch angemessen Steuern<br />

zahlen würde.»<br />

Text: Carlos Hanimann


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

Kaufen sie diese CD oder fahren<br />

sie allein zur Hölle!<br />

iWall<br />

Eine schon fast hauseigene Band hat ihr neustes Album<br />

vorgelegt – und mit ihm den Soundtrack, den anbrechenden<br />

Sommer zu verdüstern.<br />

Es ist ein seltenes Vergnügen, aber dafür ein<br />

umso heftigeres, wenn man von jemandem,<br />

der sich regelmässig auf dem Areal der <strong>Rote</strong>n<br />

<strong>Fabrik</strong> bewegt, eine neue CD in die Hand gedrückt<br />

bekommt. Nun, das ist in diesen Tagen<br />

gerade wieder einmal geschehen, <strong>als</strong> Son ov<br />

David, Sänger der Zürcher Gothic-Kultband<br />

Jesus and the Gurus [Anm. d. Red. Seinen richtigen<br />

Namen, so heisst es, dürften wir euch zwar<br />

schon verraten, nur dann müsste er uns töten<br />

– die Redaktion erfreut sich derzeit zu sehr an<br />

einem tollen Sommer, <strong>als</strong> dass sie dieses Risiko<br />

eingehen wollte] uns deren neustes Machwerk<br />

«Wut + Zorn = Revolution» überreichte.<br />

Nun, dass SoD Musiker war, dessen waren wir<br />

uns schon länger bewusst, das sieht man ihm ja<br />

auch schon von weitem an – wo genau wir den<br />

illustren Vogel jedoch zu verorten hätten, war<br />

uns weniger bewusst (Wer uns jetzt für zurückgebliebene<br />

Landeier hält, der soll das halt tun).<br />

Nun wissen wir es: Er ist ganz offensichtlich<br />

das uneheliche Kind von Stefan Ackermann<br />

(Das Ich) und Milan Fras (Laibach). Wem nun<br />

auch diese beiden Namen nichts sagen, der darf<br />

wahrscheinlich getrost darauf verzichten, sich<br />

«Wut + Zorn = Revolution» reinzuziehen –<br />

einfach auf das Risiko hin, dass er auf seinem<br />

Weg zur Hölle immer noch von ACDC begleitet<br />

wird.<br />

Bibelverbrennung und SM-Transen<br />

Jesus and the Gurus, die Kopfgeburt des Elektrokünstlers<br />

Gabriell M.M. aka Feldmarschall,<br />

tummeln sich schon seit den neunziger Jahren<br />

auf diversen Bühnen im In- und Ausland,<br />

von Spanien über Leipzig bis nach Polen, ihre<br />

Auftritte – sei das nun an der lokalen Fetischparty<br />

oder am WGT in Leipzig - meist eine<br />

wilde Theatershow aus Bibelverbrennungen,<br />

Transen- SM-Sex und Ritualen der Church of<br />

Satan, das ganze untermalt von ihren ganz eigenen<br />

Elektrometal-Klängen – die Qualität<br />

dieser Kombination, kombiniert mit ihrer martialischen<br />

Sprache (<strong>als</strong>o deutsch – das klingt<br />

fast immer nach Krieg) hat ihnen auch schon,<br />

ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Laibach,<br />

alle möglichen Vorwürfe der Boulevardpresse<br />

eingebracht, unter anderem, sie seien verkappte<br />

Nazis, Satanisten oder doch einfach V-Leute<br />

des Schweizer Geheimdienstes, unterwegs, die<br />

Subkultur Europas zu infiltrieren.<br />

Ihre neue Platte, erschienen letzten Monat auf<br />

dem deutschen Gothic-Label Black Rain, setzt<br />

sich da perfekt in die Reihe. Mit Sätzen wie<br />

«Geht die Wirtschaft in den Arsch/blasen wir zu<br />

Krieg und Marsch» oder ««Wir sind hier die Königsklasse/die<br />

gottverdammte Herrenrasse»<br />

haut das Trio mit der groben Kelle sehr viel<br />

konkreter nach politischen Themen, <strong>als</strong> man<br />

sich sonst aus der Gothic-Szene gewohnt ist,<br />

die meist mehr damit beschäftigt ist, wie ihren<br />

weissen Handschuhe und das Make-Up sitzen<br />

<strong>als</strong> politische Parolen zu schwingen.<br />

Natürlich bleibt das immer noch mehr impressionistisches<br />

Gemälde <strong>als</strong> konkreter Polit-<br />

Rock. Da passt die Coverversion des DDR-<br />

Oktoberklubsongs «Sag mir, wo du stehst» auch<br />

ganz gut ins Bild (ein echter Gassenhauer, übrigens).<br />

Aber es macht verdammt viel Spass, dazu<br />

seinen Kopf zu schütteln und seinen Körper<br />

ekstatisch in den des Nebenmanns zu schmeissen<br />

– garantiert.<br />

Jesus and the Gurus, «Wut + Zorn = Revolution»<br />

Black Rain Records, 2011<br />

Text: Etrit Hasler<br />

Anlässlich der neuen Verkaufszahlen denkt die Musikbranche<br />

wieder einmal laut über das Aussterben der CD nach. Und die<br />

FaZ macht sich darüber Gedanken, was deren Aussterben für<br />

unsere Innenarchitektur bedeuten könnte.<br />

Vor ziemlich genau 30 Jahren, am 15. April<br />

1981, präsentierte der Dirigient Herbert von<br />

Karajan anlässlich der Salzburger Festspiele<br />

der Weltöffentlichkeit das CD-System – dam<strong>als</strong><br />

eine kleine Sensation und seither aus unseren<br />

Leben kaum mehr wegzudenken. Heute<br />

verliert der Silberling gemäss aktuellen Statistiken<br />

immer mehr an Bedeutung und wird<br />

wohl in nicht allzu ferner Zukunft grösstenteils<br />

vom Musikmarkt verschwunden sein. Das<br />

ist nichts Neues - «Die Welt» veröffentlichte<br />

schon vor vier Jahren einen Nachruf anlässlich<br />

eines Prince-Konzertes, bei dem der Musiker<br />

seine CD den Besuchern schlicht verschenkte.<br />

Intimer <strong>als</strong> ein USB-Anschluss<br />

Nun ja, eine innige Liebesbeziehung hatten die<br />

CD und ich nie. Sie ist ein praktisches Medium<br />

für Musik, sie tönt ok und ist einigermassen<br />

haltbar. Sie lässt sich gut verstauen<br />

und braucht keine grosse Pflege. Doch richtig<br />

vermissen werde ich sie nicht. Genau so wenig<br />

wie ich den klobigen VHS-Kassetten oder den<br />

Laserdiscs oder dem Sony Walkman nachtraure.<br />

Positiv in Erinnerung bleiben wird mir<br />

die CD unter anderem, weil es eine Zeit gab,<br />

in der das Draufpacken von teils höchst skurrilen<br />

«Ghost Tracks» auf CDs ziemlich in Mode<br />

war. Auch <strong>als</strong> Geschenk machte sie sich ganz<br />

gut – sie jemandem in die Hand zu drücken<br />

mit einem freundlichen Lächeln ist doch etwas<br />

intimer <strong>als</strong> der Satz: «reich mir mal deinen<br />

USB-Eingang rüber, ich hab da was für dich».<br />

Bald gibt es Musik <strong>als</strong>o nur noch über Downloads.<br />

Oder Youtube. Ist halt so. Persönlich bevorzuge<br />

ich es zwar, Musik in irgend einer Form<br />

physisch zu besitzen, anderseits verfluche ich<br />

bei jeder Zügelaktion die Wand voller CDs, verstaut<br />

in «IKEA»-Ständern (was denn sonst),<br />

sieben an der Zahl sowie der Kisten voller<br />

Schallplatten. Ich bin eigentlich zu unsportlich,<br />

um Vinyl zu besitzen. Aber ich zügle doch bedeutend<br />

weniger, <strong>als</strong> dass ich Musik höre. Irgendwann<br />

läuft unser Musikkonsum wohl auf<br />

so ein unsägliches «Media-Center» hinaus. Es<br />

ist ja zwar nicht so, dass sich all meine bestehenden<br />

CDs, Schallplatten und Bücher auf<br />

einmal in Luft auflösen werden, nur werden<br />

wohl immer weniger neue in physischer Form<br />

dazukommen.<br />

Wohin mit all dem Platz?<br />

Aber immerhin spart man so Platz. Das klingt<br />

zwar toll. Aber: was sollen wir eigentlich mit<br />

dem ganzen Platz anstellen? Kommt die Renaissance<br />

der Wohnwand? Darf ich Sie bitten,<br />

mich dann zu erschiessen? Ein neuer Boom<br />

für Aquarien? Bitte ersäufen Sie mich darin.<br />

Noch grössere Fernseher? Irgendwann werden<br />

dann wohl die Türöffnungen das Limit für<br />

die Grösse sein. Oder werden die Wohnungen<br />

immer minimalistischer bestückt sein? Das<br />

würde mich etwas nervös machen. Wenn ich zu<br />

Besuch in einer fremden Wohnung bin, sind<br />

Musik-, Bücher- oder Filmsammlungen durchaus<br />

keine schlechten Indikatoren für den kulturellen<br />

Horizont der Bewohner dieser Räume<br />

und auch ein guter Ausgangspunkt für eine<br />

Gesprächseröffnung (oder eine schnelle Flucht).<br />

Natürlich kann man hier auch gut schummeln,<br />

so hat zum Beispiel der Chefredaktor dieser<br />

Zeitung nach eigener Aussage quasi ein offizielles,<br />

gut zugängliches und ein inoffizielles,<br />

verstecktes Bücherarchiv.<br />

Meine «Milli Vanilli»-Platten werden sie auch<br />

nicht so ohne weiteres finden. Nur, ein spartanisch<br />

dekorierter Raum mit irgendeinem<br />

«Touchscreen»-Dings gibt ihnen ja schon gar<br />

keine Anhaltspunkte. Plus bleibt der Charme<br />

allenfalls schon etwas auf der Strecke. Man<br />

stelle sich folgenden Dialog vor:<br />

«Darf ich deine Musiksammlung sehen?»<br />

«Moment, ich starte das «Media-Center».<br />

«Was liest du denn gerade so im Moment?»<br />

«Moment, ich starte das «Media-Center»<br />

«Irgendwelche guten Filme gesehen in letzter<br />

Zeit?»<br />

«Ein paar Urlaubsfotos?»<br />

«Klar, im «Media-Center.».<br />

Aber vermutlich denke ich hier wieder einmal<br />

in viel zu engen und konservativen Mustern.<br />

Ich bin ein einfaches Gemüt, ich mache<br />

Musik. Aber Apple wird es schon richten. Mit<br />

dem «iWall». Anstatt dieser kleinen popligen<br />

Bilderrahmen für Diashows werden dann die<br />

ganzen Wände einfach eine Projektionsfläche<br />

sein. Natürlich in 3D. Sie können dann aus verschiedensten<br />

Voreinstellungen wählen. Klicken<br />

sie auf «Musikliebhaber» und schon erscheinen<br />

wieder die schönen alten Gestelle, gefüllt<br />

mit den Schallplatten, die man <strong>als</strong> Musikkenner<br />

halt so hat. Zusammengestellt aufgrund der<br />

Daten, die Apple während der letzten Jahre<br />

halt so «gesammelt» hat.<br />

«Bücherrate»: Schwups, sind die Klassiker in<br />

ihren virtuellen Regalen.<br />

«Romantiker»: Und schon brennen die Kerzen<br />

und ein Chopin-Walzer rieselt auf sie<br />

nieder.<br />

«Künstler»: Ok, genug, Sie haben sicherlich<br />

schon längst eine Vorstellung bekommen.<br />

Und Sie können nebenbei jederzeit eine neue,<br />

der persönlichen Stimmung oder der angemessenen<br />

Selbstdarstellung entsprechenden<br />

Innenausrichtung wählen. Anfassen können<br />

Sie diese zwar nicht, aber abstauben müssen<br />

Sie dafür auch nicht mehr. Sie können natürlich<br />

auch einfach Ihr bestehendes Zeugs behalten,<br />

sie Technikverweigerer. Sie müssen dann<br />

auch solch komplizierte Wörter wie Komptabilitätsprobleme<br />

nicht weiter beachten. Wie Sie<br />

in ein paar Jahren allerdings zu neuen physischen<br />

Produkten kommen werden, darauf<br />

habe ich auch keine Antwort. Vielleicht ist die<br />

CD ja doch ganz ok. Und die Schallplatte lässt<br />

sich ja auch nicht totkriegen, warum sollte es<br />

mit der CD anders sein.<br />

Text: Silvan Lassauer<br />

[Anmerkung der Redaktionsleitung: Wir distanzieren<br />

uns zutiefst von der in diesem Text<br />

implizierten Aussage, wir hätten nicht das<br />

komplette Werk von Jacques Derrida, Noam<br />

Chomsky, die gesammelten Norton Anthologies<br />

of English & American Literature sowie<br />

sämtliche erhältlichen deutschen Lyrikanthologien,<br />

die etwas wert sind, gelesen und jederzeit<br />

zitierbar im Hinterkopf. Sowieso ist die Behauptung,<br />

in einer Wohnung mit einem solchen<br />

Saupuff könne ein einzelnes Büchergestell<br />

den ersten Schrecken der potentiellen BesucherInnen<br />

wieder wegbeeindrucken, offensichtlich<br />

Humbug. Ebenfalls distanziert sich<br />

die Redaktionsleitung natürlich von der soeben<br />

gemachten Aussage, in ihrer Wohnung<br />

herrsche ein Saupuff.]


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

hangman<br />

Tobias Hoffmann ist vielleicht der meistzitierte Poet<br />

der deutschsprachigen Slamszene. Kaum ein Slam<br />

im deutschsprachigen Raum geht über die Bühne,<br />

ohne dass irgendwo eine Zeile auftaucht, die auf ihn<br />

zurück geht. Also ist er vielleicht so etwas wie das<br />

Kontinentale Gegenstück zu Saul Williams. Auch<br />

wenn er ihm Unterschied zu diesem nie das Gefühl<br />

hatte, er müsse sich aktiv von der Szene lossagen,<br />

da dies schlecht für sein Image sein könnte. Und<br />

gut, im Unterschied zu Williams war er nie einer der<br />

grossen Abräumer, der Titel und Auszeichnungen<br />

gewann – vielleicht ist das auch der Grund, dass er<br />

so schön unprätentiös geblieben ist, auf und neben<br />

der Bühne.<br />

Doch genau wie Williams ist Hoffmann ein Autor,<br />

dessen Texte in einer Dichte daherkommen, dass<br />

man das Gefühl bekommt, wenn man ein Stück<br />

Kohle zwischen die Zeilen legen könnte, es wäre<br />

schon nach nur wenigen Stunden ein Diamant. So<br />

dicht, dass er es im Unterschied zu den meisten<br />

Slam Poeten nicht nötig hat, mithilfe eines aufgeregten<br />

Vortrags dieses Gefühl künstliche herzustellen.<br />

Ganz im Gegenteil: Seine bassige, fast abgelöschte<br />

Stimme trägt dem Zuhörer diese Wände<br />

an Sinn so angenehm langsam zu, <strong>als</strong> ob er sie<br />

überzeugen müssten, dass ihnen beim Aufprall<br />

nichts geschehen könnte.<br />

Von wegen. Mit «Hunger» legt Hoffmann eine der<br />

wenigen Spoken Word CDs im deutschsprachigen<br />

Raum vor, welche diesen Namen verdient – eine<br />

Versammlung von Hoffmanns besten Vortragstexten,<br />

unterlegt mit Musik. Wo sonst reine Hörbücher<br />

den Markt dominieren, wagt Hoffmann den Versuch,<br />

ein echt musikalisches Produkt in die Welt zu<br />

werfen – und im Unterschied zu all den gescheiterten<br />

Abstract HipHop-Produktionen oder Pianofahrstulrezitationen<br />

gelingt der Versuch. Natürlich hilft<br />

es, dass Hoffmann selbst auch Musiker ist – seine<br />

Band IRA ist in dem, was von Indie-Kreisen übrig<br />

geblieben ist, ein Geheimtipp –, so dass er zwischendurch<br />

nahtlos den Übergang von gesprochenem<br />

Wort zu Gesang findet, ohne dass den Zuhörer<br />

das Gefühl beschleicht, dass hier etwas erzwungen<br />

wurde.<br />

Gewöhnungsbedürftig mag das über weite Strecken<br />

immer noch sein. Doch in den intensivsten Momenten<br />

– wie z.B. bei Hoffmanns bestem Text «Geschichte<br />

wird gemacht» – entwickelt «Hunger» eine Kraft,<br />

die an die Einstürzenden Neubauten in ihren besten<br />

Zeiten erinnert – wäre Charles Bukowksi ihr Fronmann<br />

gewesen: «Der verwesende Charles Bronson<br />

flext Bob Marley den Schädel auf, pisst auf sein zugekifftes<br />

Hirn - Babylon liegt nicht in Jamaica, du<br />

naives Voodooarschloch!»<br />

Tobias Hoffmann, «Hunger»; Sprechstation Verlag<br />

IMpressum<br />

Katis welt<br />

<strong>Fabrik</strong>zeitung<br />

Seestrasse 395<br />

Postfach 1073<br />

8038 Zürich<br />

zeitung@rotefabrik.ch<br />

Tel. 044/ 485 58 08<br />

Herausgeberin:<br />

IG <strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong><br />

Seestrasse 395,<br />

8038 Zürich<br />

www.rotefabrik.ch<br />

Redaktion:<br />

Etrit Hasler<br />

Konzept & Gestaltung:<br />

Gregor Huber & Ivan Sterzinger in<br />

Zusammenarbeit mit Adam Thompson<br />

Artwork (2. / 3. Bund):<br />

Anne Harild (www.anneharild.com)<br />

Mit Beiträgen von:<br />

Carlos Haniman, Etrit Hasler,<br />

Druck:<br />

Ropress Genossenschaft<br />

Baslerstrasse 106<br />

8048 Zürich<br />

Website:<br />

www.rotefabrik.ch/fabrikzeitung<br />

Auflage:<br />

3’500 Exemplare<br />

Erscheinungsweise:<br />

monatlich<br />

Abonnemente:<br />

35 Fr. pro Jahr/10 Ausgaben<br />

60 Fr. Soliabonnement<br />

zeitung@rotefabrik.ch


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

Benefiz<br />

Musikbüro<br />

Konzept<br />

Konzept<br />

Festiv<strong>als</strong><br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Es ist uns natürlich immer eine Ehre, wenn uns<br />

«der Winkelried der freien Szene» Samuel<br />

Schwarz und 400asa mit einem neuen Stück beglücken.<br />

Das neue Stück verspricht eine psychedelische<br />

Zeitreise ins Jahr 1990, ausgetüftelt<br />

von Schwarz, «Osama Sisters»-Gitarrist Paolo<br />

Fusi, Autorin Claudia Basrawi und nicht zuletzt<br />

«Goldene Zitronen»-Mitbegründer Ted Gaier.<br />

Muss man gesehen haben!<br />

Dienstag 10. Mai – Dienstag 17. Mai / 19:30 Uhr<br />

// Open Air<br />

Da Cruz<br />

Dass die beste Schweizer Musik von Eingewanderten<br />

gemacht wird, wussten wir natürlich schon<br />

lange. Aber dass es ein paar von denen dann<br />

auch wieder schaffen, im Ausland erfolgreich zu<br />

sein, ist da schon wieder die Ausnahme. Die<br />

Berner Gruppe Da Cruz um die brasilianische<br />

Sängerin Mariana Da Cruz hat genau das geschafft,<br />

mit Hit-Status in den USA, Frankreich<br />

und Italien. Ein Chart-Act in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong>?<br />

Ja, aber eben ein ganz besonderer.<br />

Samstag 14. Mai / 21 Uhr<br />

// Clubraum<br />

Kuttner erklärt die Welt<br />

Nicht, dass man den Dauergast seit Februar 2008<br />

noch speziell vorstellen müsste – aber wir haben<br />

gerade gemerkt, dass wir viel zu selten sagen,<br />

wie toll der Mann eigentlich ist. Mit seiner eigenwilligen<br />

Mash-Up-Videoschnipselshow ist<br />

der Ex-DDR-Radiomacher und taz-Journalist<br />

nicht mehr aus dem Programm der <strong>Rote</strong>n<br />

<strong>Fabrik</strong> wegzudenken – und das ist gut so. Wenn<br />

sie ihn bisher noch nie gesehen haben, hopphopp,<br />

auf in den Clubraum!<br />

Donnerstag 19. Mai / 20 Uhr<br />

// Clubraum<br />

<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />

Die Literatur hat sich schon seit einiger Zeit<br />

wieder in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> zurückgemeldet –<br />

jetzt endlich hat sie auch einen Namen bekommen.<br />

Unter «<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee» erwartet das<br />

Publikum von nun an alles, was nicht nur gelesen,<br />

sondern auch live erlebt werden kann.<br />

Poetry is back!<br />

Samstag 7. Mai - Dichtungsring Poetry Slam<br />

Mittwoch 11. Mai - Rocko Schamoni<br />

Donnerstag 26. Mai – Tino Hahnekamp<br />

Okkupation!<br />

taktlos 11<br />

Der Sommer geht am See schon früher los – mit<br />

zwei zurückkehrenden Festiv<strong>als</strong> gehen wir in<br />

die beste der Jahreszeiten. Einerseits beglückt<br />

uns das taktlos Festival für grenzüberschreitende<br />

Musik bereits zum 28. Mal, andererseits freuen<br />

wir uns auch ganz besonders auf die dritte<br />

Ausgabe der okkupation!, welche uns auch in<br />

diesem Jahr wieder mit furiosen Grenzüberschreitungen<br />

und nicht zuletzt auch wieder einem<br />

Konzert der Tiger Lillies lustvoll überfordern<br />

wird.<br />

taktlos 11 - 27. – 29. Mai<br />

Okkupation! – 18. – 28. Mai<br />

(Programm auf den nächsten zwei Seiten)


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

OKKUPATION!<br />

Internationales Theaterfestival Zürich<br />

18. — 28. Mai 2011<br />

Ich ist ein Anderer! Das Theaterfestival<br />

OKKUPATION! beschäftigt sich in seiner dritten<br />

Ausgabe mit der Frage, was unsere Identität<br />

definiert und was andere Menschen <strong>als</strong> andersartig<br />

ausgrenzt. Welche Normen bestimmen unser<br />

Verhalten? Wer muss authentisch sein, wer<br />

darf eine Rolle spielen? Ist es normal, verschieden<br />

zu sein? Und was ist eigentlich schön? Veranstaltet<br />

von Theater HORA Züriwerk, befassen<br />

sich mehr <strong>als</strong> 250 behinderte und nicht behinderte<br />

Künstler/innen aus aller Welt mit dem<br />

zum Glück immer noch imperfekten Menschen<br />

– und okkupieren dabei zentrale Spielstätten<br />

der Hochkultur mit ungewöhnlichen Arbeiten<br />

von den Rändern der Gesellschaft und jenseits<br />

üblicher Weltwahrnehmung.<br />

Do 19. Mai / 19 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

Das Prinzip<br />

StruWWelpeter<br />

erster Tag<br />

«Das Prinzip Struwwelpeter» ist das aussergewöhnliche<br />

dreitägige Zusammentreffen von elf<br />

Theaterkollektiven und Performern, die sich unter<br />

Zuhilfenahme ihrer sehr persönlichen Obsessionen<br />

an den elf Struwwelpeter-Episoden<br />

abarbeiten.<br />

19 Uhr<br />

Oper Dynamo West —<br />

Vorrede zum «Struwwelpeter»<br />

Oder: Die Kunst-Axt. Ein Film über die 81jährige<br />

Marion Herzog-Hoinkis, die ab 1976 mit<br />

ihrem Mann die Frankfurter Hoffmann-Renaissance<br />

eingeleitet hat, ihre Liebe zu den Tiger<br />

Lillies und darüber, dass unartige Kinder vom<br />

Leben mehr bekommen können <strong>als</strong> ein schönes<br />

Bilderbuch. Für uns gefilmt von Oper Dynamo<br />

West aus Berlin, die seit 2006 ausgehend von<br />

Menschen und Schauplätzen das Musiktheater-<br />

Potenzial abseitiger zeitgenössischer Realitäten<br />

erforscht.<br />

19:45 Uhr<br />

Theater Thikwa —<br />

Der Struwwelpeter<br />

Die Titelepisode <strong>als</strong> surreales (anti-) pädagogisches<br />

Lehrstück – ein Loblied auf das Ungepflegtsein<br />

<strong>als</strong> Rebellion gegen ein Zuviel an Betreuung.<br />

Für uns erzählt von Theater Thikwa,<br />

einem künstlerischen und sozialen Experiment<br />

mit behinderten und nicht behinderten Künstler/innen,<br />

das seit bald 20 Jahren einen festen<br />

und weithin anerkannten Platz in der Berliner<br />

Theaterszene hat.<br />

20:30 Uhr<br />

Berman/Depri/Dörr —<br />

Die Geschichte vom Zappelphillip<br />

Oder: Der Phillip zappelt. Eine ivorisch-deutschrussische<br />

Bewegungsanalyse, in der der Strassentanz<br />

Logobi auf Gaga und Dada stößt und sie<br />

fragt, warum sie immer mit dem Hinterkopf<br />

durch die Wand wollen, aber nie seinem Rhythmus<br />

folgen. Für uns zusammengeführt von Cornelia<br />

Dörr und Gotta Depri von der Elfenbeinküste,<br />

beide Mitglieder bei Gintersdorfer/Klaßen, in<br />

Zusammenarbeit mit dem russischen Theatermusiker<br />

Anton Berman.<br />

21:10 Uhr, Foyer<br />

Kunstaktion<br />

zu «Bastian der Faulpelz»<br />

21:30 Uhr<br />

Das Helmi —<br />

Die Geschichte vom<br />

Hans Guck-in-die-Luft<br />

Ein geradezu klassisches Künstlerdrama, in dem<br />

der 19-jährige Hans, weltfremd und unbeholfen,<br />

aber ein begnadeter Zeichner und Vogelstimmenimitator,<br />

den Konflikt zwischen Künstlertum<br />

und Realität a) sexuell, b) physisch, c) psychisch<br />

durchlebt. Für uns aufbereitet von Das<br />

Helmi, vor rund 10 Jahren <strong>als</strong> Performance- und<br />

Puppentheater am Berliner Helmholtzplatz gegründet,<br />

längst berühmt-berüchtigt und trotzdem<br />

weiter mit lustiger Armut der Mittel an<br />

immer neuen Stoffen arbeitend.<br />

Fr 20. Mai / 19 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

Das Prinzip<br />

StruWWelpeter<br />

ZWeiter Tag<br />

19 Uhr<br />

Theater RambaZamba —<br />

Die Geschichte vom bösen Friedrich<br />

Oder: Etwas über die Heiterkeit an trüben Tagen...<br />

Eine bitterböse Kurzkomödie über die vielleicht<br />

gefährlichste Spezies der Welt – pubertierende<br />

Jünglinge. Mit freier Bahn auf allen Etagen,<br />

in Küche, Bad und Schlafzimmer, für uns ins<br />

Rennen geschickt von Theater RambaZamba<br />

aus Berlin – unter dem Motto «Behinderte und<br />

ihr total verrücktes Theater» Deutschlands erfolgreichstes<br />

Ensemble.<br />

19:40 Uhr, Foyer<br />

Happening zu «König Nussknacker<br />

oder der arme Reinhold»<br />

20 Uhr<br />

Praxis Dr. Zander —<br />

Die Geschichte vom wilden Jäger<br />

Oder: Salut ma bibiche! Eine Auseinandersetzung<br />

mit den Strategien des täglichen Überlebenskampfes<br />

<strong>als</strong> psychedelisches Experiment eines<br />

Hasen. In dem das Jägerseinwollen ein Symptom<br />

der ödipalen Phase ist und Kaffee auf der<br />

Nase Pollution, ein Jäger ein Adliger im deutschen<br />

Vormärz, ein Hase ein Proletarier, ein Brunnen<br />

ein Ort der Schöpfung und das Eintauchen in diesen<br />

eine sexuelle Beziehung. Für uns noch einmal<br />

durchlebt von Praxis Dr. Zander, einem Berliner<br />

Zufallskollektiv, das sich zusammensetzt aus<br />

einer Modedesignerin, einer Performerin, einer<br />

Architektin und einem leibhaftigen Arzt.<br />

20:45 Uhr<br />

Mezzanin Theater & KumEina —<br />

Die Geschichte vom Daumenlutscher<br />

Ein Arztroman für die Bühne, ausgehend von autobiografischen<br />

Erinnerungen an das Daumenlutschen<br />

– an Spass, Häme, Erotik, Ekel, Lust am<br />

Grauen und Angst – zum Beispiel der Angst einzuschlafen<br />

und dabei aus Versehen am Daumen<br />

zu lutschen – weil dann ja der Schneider kommt.<br />

Für uns auf den Punkt gebracht vom Mezzanin<br />

Theater aus Graz, das seit vielen Jahren in unterschiedlichsten<br />

Formationen und Projekten arbeitet,<br />

vom Slapstick über Strassentheater bis zu<br />

literarischen Bearbeitungen für Kinder und Erwachsene.<br />

www.mezzanintheater.at<br />

21:30 Uhr<br />

Monster Truck —<br />

Die Geschichte vom Suppenkaspar<br />

Eine bestechend einfache und fatal folgerichtige<br />

Performance über das Hungern <strong>als</strong> Kunstform<br />

und die Kunst des Sterbens. Für uns durchgeführt<br />

von der Berliner Performancegruppe Monster<br />

Truck, die sich <strong>als</strong> Kollektiv versteht und thematisch<br />

meist um zukünftige, apokalyptische Utopien<br />

kreist, wenn nach dem absoluten Endszenario<br />

die Show weitergehen muss.<br />

Sa 21. Mai / 19 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

Das Prinzip<br />

StruWWelpeter<br />

Dritter Tag<br />

19 Uhr<br />

Professor Helmut Siefert (Vortrag) —<br />

Heinrich Hoffmann <strong>als</strong> Psychiater<br />

Eher zufällig und nebenbei wurde der Arzt Dr.<br />

Heinrich Hoffmann <strong>als</strong> Autor des «Struwwelpeter»<br />

weltberühmt. Sein eigentliches Lebenswerk<br />

aber war die Reform der Frankfurter «Anstalt für<br />

Irre und Epileptische», für deren Insassen er sich<br />

37 Jahre unermüdlich einsetzte. Der Medizinhistoriker<br />

Prof. Dr. med. Helmut Siefert aus Wiesbaden<br />

hat zusammen mit Marion Herzog-Hoinkis<br />

und ihrem Mann G.H. Herzog u.a. das Struwwelpeter-Museum<br />

in Frankfurt am Main gegründet<br />

und gestaltet und zahlreiche Werke von<br />

und über Heinrich Hoffmann herausgegeben.<br />

19:45 Uhr<br />

ratten 07<br />

Die gar traurige Geschichte mit dem<br />

Feuerzeug<br />

Oder: Feuer! Feuer! Feuer! Eine Liebeserklärung<br />

an den Pyromanen in uns, an das Feuer <strong>als</strong><br />

Zeichen von Wohlstand und Vernichtung, und<br />

an die Freiwillige Feuerwehr, die das alles in den<br />

Griff zu bekommen versucht. Für uns angefacht<br />

von den RATTEN 07, gegründet 1993 <strong>als</strong> «erstes<br />

Berliner Obdachlosentheater» im Anschluss<br />

an eine Inszenierung von Jeremy Weller, mehr<br />

<strong>als</strong> zehn Jahre lang Teil der Berliner Volksbühne,<br />

seitdem unabhängig, Kunstpreisträger und schon<br />

immer gern gesehener Gast bei unzähligen Theatern<br />

und Theaterfestiv<strong>als</strong>.<br />

20:30 Uhr<br />

Anne Tismer —<br />

Die Geschichte vom fliegenden Robert<br />

Eine Kunstaktion ausgehend von der berühmten<br />

Abschlusserzählung aus dem «Struwwelpeter»,<br />

in der eine gewisse Roberta Wind und Wetter<br />

nicht scheut und zur Belohnung mit einem Schirm<br />

durch Luft und Wolken getragen wird. Für uns<br />

durchgeführt von Anne Tismer, in Berlin lebende<br />

Mitbegründerin des Kollektivs gutestun, international<br />

tätige und bekannte Performancekünstlerin.<br />

So 22. Mai / 14 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Tarte au Chocolat<br />

Ein Kindersonntag von Mezzanin Theater<br />

& KumEina (Österreich) im Rahmen von<br />

OKKUPATION!<br />

Theater für Menschen ab 5 Jahren, bei dem nach<br />

chaotischer Staubsauger-Rallye und turbulenter<br />

Eierschlacht am Ende der Schokokuchen doch<br />

noch auf den Tisch kommt. Eine Schokotorte<br />

ist rund, schokoladig und gut. Aber was passiert,<br />

wenn bei Meisterkoch Jean-Paul und seinem<br />

Neffen Erwin das Ei nicht so will, wie die Köche<br />

es wollen? Wenn der Teig davon rennt und der<br />

Zucker spinnt? Zwei Köche auf der Suche nach<br />

dem richtigen Rezept backen im Duett und liefern<br />

in dieser preisgekrönten Inszenierung ein<br />

durch und durch komisches Slapstick-Stück.<br />

So 22. Mai / 16 Uhr<br />

// Clubraum<br />

Die sieben Todsünden<br />

«Die Sieben Todsünden» Geiz, Neid, Zorn,<br />

Hochmut, Trägheit, Wollust und Völlerei <strong>als</strong><br />

Episodentheaterprojekt über sehr menschliche<br />

Lüste und Leidenschaften. Mit behinderten und<br />

nicht behinderten Akteuren, entstanden im Rahmen<br />

von «SwissAbility – ein Schweizer Förderprojekt<br />

für aussergewöhnliche Bühnenkunst».<br />

Das mittelalterliche Konzept der Sieben Todsünden<br />

zeichnet nach, wozu Menschen neigen, wenn<br />

sie spontanen Regungen nachgehen und versuchen,<br />

ein schönes Leben zu leben. Siebeneinhalb<br />

Schweizer Tanz-, Theater- und Performancegruppen<br />

mit behinderten und nicht behinderten<br />

Akteuren überprüfen diese Sieben Todsünden<br />

jetzt auf ihre Gegenwartstauglichkeit.<br />

So 22. Mai / 20 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

The Tiger Lillies<br />

(Grossbritannien) - Shockheaded Peter and<br />

other nasty Songs<br />

Zum Abschluss von «Das Prinzip Struwwelpeter»<br />

spielen die Tiger Lillies – nach wie vor das<br />

Schrägste und Schärfste, was die englische Musikszene<br />

zu bieten hat, und auch in der dritten<br />

Ausgabe bei OKKUPATION! wieder mit dabei<br />

– ausnahmsweise alle Songs aus ihrem mit<br />

dem Laurence Olivier Award ausgezeichneten<br />

Theaterwelthit «Shockheaded Peter», von «The<br />

Struwwelpeter Overture» über den Daumenlutscher-Kultsong<br />

«Snip Snap» bis zu «Flying<br />

Robert». Über jahrmarktartige Musik legt sich<br />

unerwartet die F<strong>als</strong>ettstimme von Martyn Jacques,<br />

die die Fantasie der Zuhörer in die Welt<br />

des Vaudeville zaubert, wo der Struwwelpeter<br />

und seine Gefährten zu neuem Leben erwachen.<br />

Di 24. Mai / 19:30 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Kafka am Sprachrand<br />

«Kafka am Sprachrand» ist ein Experiment für<br />

vier überforderte Clowns, ist Bildertheater aus<br />

Worten, unberechenbar, poetisch und herzerfrischend<br />

anarchisch: bekannte und weniger bekannte<br />

Prosaminiaturen und Textfragmente von<br />

Franz Kafka, auf die Bühne gebracht, ins Sichtund<br />

Hörbare übersetzt vom Theater zum Westlichen<br />

Stadthirschen, auf subtil-subversive Weise<br />

kommentiert, auseinander genommen, neu wieder<br />

zusammengesetzt und eben an den Sprachrand<br />

geführt von den Schauspielern des Theaters<br />

Thikwa, deren Behinderung nicht sentimental<br />

thematisiert, sondern <strong>als</strong> Stärke mit ins<br />

Spiel gebracht wird. Ein Experiment im Sprachlabyrinth,<br />

frei von überkandidelten Interpretationszwängen,<br />

auf einer zunehmend von weißen<br />

Mäusen bevölkerten Bühne.<br />

Di 24. Mai / 21 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Kafka Witwen im<br />

Gespräch<br />

Wer bzw. wie war Kafka wirklich? Ein Kamingespräch<br />

der besonderen Art, ohne Kamin und<br />

vor Publikum, mit zwei der grössten Kafka-<br />

Experten aller Zeiten. Mit Stegreifdialogen und<br />

Textbeispielen zu Risiken und Nebenwirkungen<br />

ihrer Kafka-Obsession, über kafkaeske Kafka-<br />

Kongresse, das Gesellschaftsleben Prager Junggesellen<br />

um 1912, Affen in der Akademie, Slapstick<br />

<strong>als</strong> literarisches Verfahren, Besuche beim<br />

Landarzt, in FKK-Camps und Naturheilsanatorien,<br />

die Erotik von Dienstmädchen, die runde<br />

Sicherheitshobelwelle, Nüsse, Fleischberge und<br />

Hungerkünstler. Mit Klaus Wagenbach, meistvorbestrafter<br />

deutscher Verleger, nach eigenem<br />

Bekunden die dienstälteste aller Kafka-Witwen<br />

und mit Büchern wie «Franz Kafka – Eine Biografie<br />

seiner Jugend» und «Franz Kafka – Bilder<br />

aus seinem Leben» längst selber Teil der Kafka-<br />

Legende, und Hans-Gerd Koch, Redaktor der<br />

kritischen Kafka-Ausgabe, Autor von «Kafka in<br />

Berlin» und <strong>als</strong> wohlinformierter Herausgeber<br />

von «Als Kafka mir entgegenkam» fast schon<br />

selber Augenzeuge.<br />

Do 26. Mai / 19:30 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Won Kinny White<br />

Ausstellung, Film und Konzert <strong>als</strong> Theater: Richard<br />

Bawin sieht aus wie Serge Gainsbourg<br />

mit Down-Syndrom und ist in der Bildenden<br />

Kunst ebenso umtriebig wie <strong>als</strong> Trickfilmer und<br />

Singer-Songwriter. In knapp anderthalb Stunden<br />

versuchen wir eine Mini-Retrospektive<br />

dieses Ausnahmekünstlers. Auf der Bühne des<br />

<strong>Fabrik</strong>theaters zeigen wir ihn in seinem Atelier<br />

in den belgischen Ardennen und <strong>als</strong> Schauspieler<br />

in einer filmischen Hommage an den Italo-<br />

Western, zeigen eine Auswahl seiner Bilder<br />

und seinen Trickfilm über die wahre Geschichte<br />

des Riesenaffen King Kong. Im Mittelpunkt<br />

des Abends aber soll sein Musikprojekt «Won<br />

Kinny White» stehen, in dem er mit unnachahmlicher<br />

Ausstrahlung und selbst betitelten<br />

Songs wie «Super Belgium» und «What’s the<br />

Kawa» <strong>als</strong> prophetischer Wiedergänger von<br />

James Brown agiert und auf sehr eigene Weise<br />

Mythen der Populärkultur bearbeitet, die er in<br />

Form von Videokassetten und Vinyl gesammelt<br />

und archiviert hat.<br />

Do 26. Mai / 21 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Woyzickine<br />

«Woyzickine» statt «Woyzeck» – eine angeeignete<br />

Männerfigur dient der Aktionskünstlerin<br />

Anne Tismer <strong>als</strong> Ausgangspunkt für eine Installation<br />

mit Text über Erfahrungen von Liebe.<br />

Mit «Woyzickine» setzt die Aktionskünstlerin<br />

Anne Tismer ihre Serie der angeeigneten Männerfiguren<br />

fort. Nach der Hitlerine und der fliegenden<br />

Roberta ist jetzt die Woyzickine dran.<br />

Auf was für Schweinereien stößt man <strong>als</strong> Woyzickine?<br />

Wovon ist man Teil? Und wie überlebt<br />

man? Eine Installation mit Text <strong>als</strong> Versuch,<br />

über Erfahrungen von Liebe zu sprechen und<br />

wie sie praktiziert wird. Und <strong>als</strong> Versuch, die<br />

Geister zu vertreiben.<br />

Fr 27. Mai / 19:30 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Ibsen, die Sau<br />

Wahnsinn <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />

Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />

«Ibsen, die Sau» ist Herbert Fritschs extatisches<br />

Produkt aus einer Woche Workshop mit ZHdK-Studierenden,<br />

ein bewusst mit der heissen<br />

Nadel gestricktes, grob zusammengetackertes<br />

Medley von Lieblingsszenen aus den Ibsen-<br />

Dramen «Die Frau vom Meer», «Die Wildente»<br />

und «Hedda Gabler». No props war die<br />

Grundverabredung, das kleinste Requisit und<br />

das grösste Möbel mussten von den Spielern<br />

irgendwie selbst dargestellt werden. Und bitte<br />

keine Zwischentöne – die kleinste Seelenregung<br />

einfach sofort nach aussen stülpen, ja<br />

gross machen bis zur Groteske, und dann sehen,<br />

was passiert! Ein radikales, energie- und<br />

risikoreiches Theaterexperiment, das den Meister<br />

des psychologischen Kammerspiels mit sich<br />

selbst konfrontiert – <strong>als</strong> latent exzessverliebten<br />

und sexistischen Zeitgenossen...<br />

Fr 27. Mai / 21 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Sprachlöchersterne<br />

Wahnsinn <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />

Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />

Aberwitzige, anrührende und zum Schreien komische<br />

Texte, die der Arzt und Kunsthistoriker<br />

Hans Prinzhorn von 1880 bis 1933 in psychiatrischen<br />

Kliniken zusammentrug, fand Herbert<br />

Fritsch viele Jahre später in den Archiven und<br />

liess sie für seine Leseperformance «Sprachlöchersterne»<br />

transkribieren. Doch wenn Fritsch<br />

liest, dann liest er nicht. Wenn Fritsch spielt,<br />

dann spielt er nicht, oder er tut es, aber tut noch<br />

viel mehr oder etwas ganz anderes. Zwei Stapel<br />

Papier liegen auf der Bühne, eine Wasserflasche<br />

steht daneben und ein Glas. Herein kommt<br />

Fritsch im Smoking und in Lackschuhen, oder<br />

in Jeans und Turnschuhen, grinst vermeintlich<br />

verlegen ins Publikum und beginnt ohne Umschweife<br />

die Texte, die da stapelweise auf ihn<br />

warten, einem Transformationsprozess zu unterziehen.<br />

Ein Erlebnis jenseits aller Worte.<br />

Fr 27. Mai / 22 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Nora<br />

oder ein Puppenhaus<br />

Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />

Die Oberhausener Inszenierung von «Nora oder<br />

Ein Puppenhaus» ist eine der beiden Arbeiten,<br />

mit denen Herbert Fritsch zum diesjährigen<br />

Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Im<br />

wie immer selbst entworfenen Bühnenbild erzählt<br />

Fritsch Henrik Ibsens 1879 uraufgeführtes<br />

Schauspiel <strong>als</strong> groteske Horrorkomödie auf den<br />

Spuren von Alfred Hitchcock und Rainer Werner<br />

Fassbinder. In der eigenwilligen Fernsehfassung<br />

für zdf.kultur/3sat, die im Mai ihre Premiere<br />

haben wird und die wir exklusiv in HD und auf<br />

grosser Leinwand präsentieren dürfen, kommt<br />

der Theaterregisseur Herbert Fritsch mit dem<br />

Experimentalfilmer zusammen.<br />

volles Programm unter:<br />

www.hora-okkupation.ch


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

monatsprogramm<br />

<strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong> Mai 2011<br />

Musikbüro<br />

Konzept<br />

Sa 14. Mai / 21 Uhr<br />

// Clubraum / JackSoul<br />

DA Cruz<br />

Talen DJ Set<br />

www.dacruzmusic.com<br />

Nennen wir es Sub-Urban Brazilian Music, Indie-<br />

Ragga oder Sub-Bass-Afrofunk, was die Berner<br />

Gruppe Da Cruz in die Musikwelt wuchtet. Für<br />

ihr drittes Album hat die Band um die brasilianische<br />

Sängerin Mariana Da Cruz soeben <strong>als</strong><br />

erster Schweizer Act einen Plattenvertrag mit<br />

dem US-Label Six Degrees Records abgeschlossen.<br />

Es wird anfangs Mai 2011 weltweit<br />

erscheinen. Das Label aus San Francisco hat<br />

Künstlerinnen wie Bebel Gilberto oder CéU in<br />

den USA zu Superstars gemacht und ist die USl-<br />

Heimat von Bands wie The Dø, Michael Franti<br />

oder The Orb. Die Musik von Da Cruz kann im<br />

selbstbewussten Umgang mit ihrer kulturellen<br />

Andersartigkeit am ehesten im Dunstkreis von<br />

Acts wie M.I.A. oder Ebony Bones angesiedelt<br />

werden. Und das Interesse an den Bernern ist<br />

gross: Da Cruz spielen mittlerweile in den angesagtesten<br />

Clubs und an Festiv<strong>als</strong> zwischen London<br />

und São Paulo, Paris und Berlin.<br />

Aktuelles Album: «Sistema Subversiva»<br />

Mariana Da Cruz<br />

Do 26. Mai / 20:30 Uhr<br />

// Clubraum / A Thousand Leaves<br />

TORO Y moi<br />

Cloud Nothings<br />

www.myspace.com/toroymoi<br />

Chazwick Bundick tut keiner Fliege was zuleide.<br />

Der junge Musiker und Sänger aus Columbia<br />

in South Carolina hat eine sehr gemässigte, entspannt-melancholische<br />

Seite. Toro Y Moi nennt<br />

er sich, wenn diese Seite mal wieder Überhand<br />

gewinnt und er dafür die Verschmelzung von<br />

Dance und Indie unter dem Pseudonym Les Sins<br />

hintanstellt. Klingen tut das dann, wie wenn<br />

eine Indieband hinter Milchglas musiziert. Träumerisch,<br />

weit, sanft, groovy. Wie ein neuzeitlicher<br />

Hippie schlurft Bundick durch seine Songs<br />

und scheint ganz für sich alleine in die hohen<br />

Regionen der Kopfstimme abzudriften. «Chillwave»<br />

nennt sich das Genre, das er mit seinem<br />

Debütalbum vor zwei Jahren irgendwie mitbegründete.<br />

Auf seinem Ende Februar erschienen<br />

Zweitling «Underneath The Pine» hat er nun<br />

mehr Fahrt aufgenommen – ohne die Verträumtheit<br />

abzulegen.<br />

Aktuelles Album: «Underneath The Pine»<br />

Mi 01. Juni / 20:30 Uhr<br />

// Clubraum / Sugarshit Sharp<br />

The Jon Spencer<br />

Blues Explosion<br />

www.thejonspencerbluesexplosion.com<br />

Wer hinter dem Namen dieser amerikanischen<br />

Band eine Truppe von alternden Bierbaeuchen<br />

vermutet, die sich an den Werken von B.B. King<br />

und seiner heiligen Saitendame Lucille versuchen,<br />

liegt f<strong>als</strong>ch. Um nicht zu sagen, völlig<br />

f<strong>als</strong>ch. Hier rinnt Schweiss aus den Poren, hier<br />

wird dem Blues alles Staubige ausgetrieben,<br />

hier wird gerne mal übersteuert und rückgekoppelt.<br />

Auch das in New York ansässige Trio<br />

selbst beschreibt seine Musik gerne <strong>als</strong> infernale<br />

Vermählung von rebellischem Rock, Punk,<br />

Boogie und feurigem Blues. Ein Sperrfeuer aus<br />

zwei Gitarren und einem mit seinem engagierten<br />

Spiel locker den Bass ersetzenden Schlagzeug.<br />

Und vorne führt Sänger Jon Spencer mit<br />

einer an Elvis zu seinen besten Zeiten erinnernden<br />

Stimme die Band seit bald 18 Jahren<br />

und sieben Alben durch das Feuer und zurück.<br />

That’s Rock ’n Roll!<br />

Vorschau:<br />

Fr 24.06.11 – A Thousand Leaves:<br />

DESTROYER<br />

Do 30.06.11 – Sugarshit Sharp:<br />

BORIS / RUSSIAN CIRCLES<br />

Sa 09.07.11 – Enter The Dancehall:<br />

JOHN HOLT & FRANKIE PAUL<br />

<strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />

Die neue Reihe der roten <strong>Fabrik</strong> für<br />

Lesungen, Poesie, Bühnenvorträge<br />

und Satire.<br />

Nachdem das Literarische, Poetische und Satirische<br />

im vergangenen Jahrzehnt für eine Weile<br />

aus dem Programm der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> verschwunden<br />

war, hat sich das Konzeptbüro seit<br />

mittlerweile fast zwei Jahren wieder verstärkt<br />

um das gedichtete, geschriebene, vorgetragene,<br />

ironische, unterhaltsame und verstörende Wort<br />

bemüht.<br />

In diesem Zeitraum hatten wir grandiose Satiriker<br />

zu Gast wie z.B. die Titanic Ex-Chef-Redakteure<br />

Oliver-Maria Schmitt, Thomas Gsella<br />

oder Martin Sonneborn, sowohl witzige wie auch<br />

spannende Literaten wie Christian Y. Schmidt,<br />

Jürgen Teipel und Jochen Schmidt, Punk-Poeten<br />

wie Jan Off und Frank Apunkt Schneider, begnadete<br />

Vortragskünstler wie Harry Rowohlt,<br />

Fil und Jürgen Kuttner (Kuttner mit einem regel-<br />

mässigen Programm in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong>) und<br />

sogar den doppelten Ingeborg-Bachmann-Preisträger<br />

Peter Wawerzinek. Ausserdem ist mit dem<br />

Dichtungsring während dieser Zeit wieder der<br />

Poetry-Slam lustvoll und erfolgreich in das Kulturzentrum<br />

zurückgekehrt.<br />

Da dies wortlastige Treiben auch in Zukunft munter<br />

weiter gehen soll, haben wir beschlossen, daraus<br />

eine eigene Reihe zu machen und sie mit<br />

dem wunderbaren Titel <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See zu<br />

versehen. Denn ob Poetryslam, ob Lesung, satirischer<br />

Vortrag, geniale Rezitation oder sprachgewaltige<br />

Unterhaltungskunst, das Spiel mit dem<br />

Wort und der lustvolle, zwerchfellreizende und<br />

faszinierende Umgang mit Literatur, Sprache und<br />

Dichtung ist in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> wieder zu Hause.<br />

Do 26. Mai / 20:30 Uhr<br />

// Aktionshalle / <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />

Tino Hahnekamp –<br />

So was von da<br />

Der musikalischste und schnellste Bildungsroman<br />

aller Zeiten: Hamburg, St. Pauli, 31.12. Auf dem<br />

Kiez beginnt die irrste Nacht des Jahres. Nur<br />

Oskar Wrobel würde lieber liegen bleiben. Geht<br />

aber nicht. Weil ihm gleich sein Leben um die<br />

Ohren fliegt. Doch es kommt noch schlimmer...<br />

Der Autor hält eine Aktionslesung im Sitzen,<br />

Gehen und Stehen, unter Zuhilfenahme diverser<br />

Hilfsutensilien wie Bilder, Filme, Musik und<br />

Menschen. Die Lesungen werden unterhaltsam<br />

und amüsant bis an die Grenze des Erträglichen,<br />

gleichzeitig aber auch enorm lehrreich sein.<br />

Mi 11. Mai / 20:30 Uhr<br />

// Aktionshalle / <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />

Rocko sChamoni<br />

Tag der geschlossenen Tür<br />

Neues vom Fürsten der Sinnlosigkeit: Seit seinen<br />

so originellen wie erfolgreichen «Sternstunden<br />

der Bedeutungslosigkeit» kennen wir<br />

Rocko Schamonis Helden Michael Sonntag.<br />

Nun lässt er ihn noch einmal ins Gruselkabinett<br />

des Lebens treten, in dem er nichts verloren<br />

hat und schon gar nichts zu finden glaubt.<br />

Unbeirrt treibt Michael Sonntag durch seine<br />

Tage, sein Körper zeigt erste Gebrauchsspuren,<br />

und die großen Gedanken machen gewöhnlich<br />

einen Bogen um ihn. Entgegen der Erwartungen,<br />

die seine Umwelt an ihn stellt, verweigert<br />

Sonntag gern jede daseinserhaltende<br />

Tätigkeit. Nur seinem Freund Novak gelingt es<br />

hin und wieder, ihn mit hirnrissigen Geschäftsideen<br />

aus der Reserve zu locken. Und natürlich<br />

Marion Vossreuther, der Servicekraft aus dem<br />

Handy-Laden, die einen ganz eigenen Reiz auf<br />

ihn ausübt.<br />

Rocko Schamoni<br />

Ziischtigmusig Taktlos <strong>Fabrik</strong>jazz<br />

Konzept<br />

Di 10. Mai / 21:30 Uhr<br />

// Ziegel oh Lac<br />

Vessels & Support<br />

www.myspace.com/vesselsband<br />

Intelligenz ist keine notwendige Voraussetzung<br />

für gute Musik. Manchmal hilft sie aber. Zum<br />

Beispiel bei Vessels, einem Quintett aus Leeds.<br />

Ihre Stücke vereinen Intuition und Intellekt,<br />

sind abstrakt und doch eingängig. Und vor allem<br />

sind sie offen nach allen Seiten. Hier pluckern<br />

die Synthies durchs Ambiente, dort post-rocken<br />

die Gitarren, dann federn die Rhythmen leichtfüssig<br />

wie in der Lounge und zwischendurch<br />

gibt’s Exkursionen ins Krautland. Ziemlich eigen,<br />

auch wenn eine vorsichtige Verortung zwischen<br />

Mogwai und Radiohead nicht völlig f<strong>als</strong>ch<br />

wäre. Beim Debüt hätten sie prüfend einen Zeh<br />

ins Wasser gehalten, erklärt die Band, der Nachfolger<br />

«Helioscape» sei nun ein Tauchgang in<br />

die Tiefe. Wir sagen: Willkommen am Zürisee.<br />

Aktuelles Album: «Helioscope»<br />

Di 17. Mai / 21:30 Uhr<br />

// Ziegel oh Lac<br />

Crippled Black<br />

Phoenix<br />

www.crippledblackphoenix.com<br />

Mit Schlagworte und Schubladen kann man<br />

Crippled Black Phoenix ganz schön auf die Palme<br />

treiben. Bristol, Kollektiv, Post-Rock, Mogwaiund<br />

Portishead-Ableger – all das wollen man<br />

weder lesen noch hören, lässt das siebenköpfige<br />

Ensemble wissen. Ein paar andere Referenzen<br />

können wir uns aber doch nicht verklemmen:<br />

Pink Floyd, weil ein Song wie «Burnt Reynolds»<br />

hymnisch gen Space rockt. Silver Mt. Zion, weil<br />

die Lieder gern in orchestralen Arrangements<br />

wuchtig wogen. Kiffersound, weil die Stücke so<br />

lang sind, dass die Zeit nicht nur zum rollen, sondern<br />

auch zum aufrauchen reicht. Eine gewisse<br />

Neigung zu ambitioniertem 70-Rock hilft beim<br />

Zugang, doch wer einmal drin ist, wird von den<br />

epischen Melodiebögen in ein Land über den<br />

Wolken entrückt.<br />

Aktuelles Album: «I, Vigilante»<br />

Taktlos 11<br />

Festival für Grenzüberschreitende Musik - Seit 1984<br />

www.taktlos.com<br />

Fr 27. Mai / 20 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

20 Uhr Jacques Demierre & Urs Leimgruber 6ix:<br />

Jacques Demierre, piano; Urs Leimgruber, soprano-/tenorsax;<br />

Dorothea Schürch, voice/singende<br />

säge; Okkyung Lee; cello; Thomas Lehn, analog<br />

synthesizer; Roger Turner, drums/percussion<br />

CH/KOR/DE/GB<br />

21:30 Uhr Angelika Niescier Sublim III: Angelika<br />

Niescier, alto-/sopranosax; Florian Weber, piano;<br />

Sebastian Räther, bass; Christoph Hillmann,<br />

drums/percussion DE<br />

23 Uhr Hélène Labarrière Quartet: Hélène<br />

Labarrière, bass; François Corneloup, baritonesax;<br />

Hasse Poulsen, guitar; Christophe Marguet,<br />

drums/percussion FR/DK<br />

Sa, 28. Mai / 20 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

21: 30 Uhr Jürg Wickihalder European Quartet,<br />

feat. Irène Schweizer: Jürg Wickihalder, soprano-/altosax;<br />

Irène Schweizer, piano; Fabian<br />

Gisler, bass; Michael Griener, drums CH/DE<br />

23 Uhr Emile Parisien Quartet: Emile Parisien,<br />

sopranosax; Julien Touéry, piano/objects; Ivan<br />

Gélugne, bass; Sylvain Darrifourcq, drums/percussion<br />

FR<br />

So, 29. Mai / 20 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

20 Uhr Benjamin Herman Quartet: Benjamin<br />

Herman, altosax; Anton Goudsmit, guitar;<br />

Ernst Glerum, bass; Joost Patocka, drums /<br />

percussion NL<br />

21:30 Uhr Nik Bärtsch Ronin: Nik Bärtsch,<br />

piano; Sha, altosax/bass-clarinet; Björn Meyer,<br />

bass; Andi Pupato, percussion; Kaspar Rast,<br />

drums CH<br />

Mi 18. Mai / 20:30 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

Comicoperando<br />

The Music of Robert Wyatt<br />

www.strongcomet.com/wyatt<br />

Robert Wyatt, der Mitgründer der legendären<br />

Soft Machine und inzwischen selbst zur Legende<br />

gewordene Komponist und Sänger mit unverwechselbarer<br />

Stimme, hat vor drei Jahren die CD<br />

«Comicopera» veröffentlicht. Die sechs MusikerInnen<br />

von Comicoperando haben sich nun<br />

der Musik von Wyatt angenommen und zollen<br />

ihm ihren Tribut. Comicoperando präsentiert<br />

eine abwechslungsreiche Reise von Independent-Pop<br />

bis Jazz und zurück.<br />

Aktuelles Album: Robert Wyatt: «Comicopera».<br />

Do 5. Mai / 20 Uhr<br />

// Aktionshalle<br />

Offene Leinwand<br />

Die Offene Leinwand hat in den letzten Jahren<br />

einen festen Platz im Programm der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong><br />

gefunden. Ganz gleich ob Experimentalfilm,<br />

Trickfilm, Splatterfilm oder Homemovie<br />

– im Rahmen der offenen Leinwand können<br />

Produktionen gezeigt werden, die sich durch<br />

die Begeisterung am Filmen, fehlenden Zwang<br />

zum kommerziellen Erfolg und eine Einfachheit<br />

an technischen Mitteln auszeichnen. Der<br />

Grundgedanke der offenen Leinwand ist dabei,<br />

nichtprofessionellen NachwuchsfilmerInnen<br />

ein Forum anzubieten, welches über den<br />

Videoabend im Freundeskreis hinausgeht. Die<br />

Filme können ab 18:00 vorbeigebracht werden,<br />

die FilmemacherInnen müssen bei der Vorführung<br />

anwesend sein. <strong>Fabrik</strong>video spendet einen<br />

Preis für den besten Film (vom Publikum<br />

gewählt). Gezeigt werden können Filme in den<br />

Formaten DVD, Mini DV, VHS, S-VHS, S-8<br />

und 16mm.<br />

Sa 7.Mai / 20:30 Uhr<br />

// <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Dichtungsring<br />

Poetry Slam #13<br />

Nach dem grandiosen und ausverkauften Slam-<br />

Jahresauftakt im März, erwartet uns auch dieses<br />

mal wiederum ein atemberaubendes Line-Up,<br />

mit Gästen aus dem ganzen deutschsprachigen<br />

Raum. Man darf sich freuen auf grossartige Texte,<br />

wundervolle Stimmung, einen Slam Altmeister<br />

<strong>als</strong> Special Guest, einen DJ vor und nach dem<br />

Slam und natürlich eine Flasche Hochprozentiges<br />

für den Gewinner. U.a. mit Harry Kienzler,<br />

Gabriel Vetter und Laurin Buser, moderiert von<br />

Phibi Reichling und Etrit Hasler. Special Guest:<br />

Toby Hoffmann.<br />

Gabriel Vetter<br />

Do 12. Mai / 20:30 Uhr<br />

// Aktionshalle / Zürcher Filmpremiere<br />

«Leben in Seifenblasen»<br />

von Nadine<br />

Lüchinger<br />

Dokumentarfilm, Argentinien/Schweiz<br />

2009, 50 min.<br />

Country Clubs sind geschlossene, private Wohnquartiere<br />

im urbanen Raum Lateinamerikas. Sie<br />

werden rund um die Uhr von Sicherheitspersonal<br />

bewacht und gelten <strong>als</strong> Rückzugsoasen der<br />

vermögenden Schichten. Die Anlagen verfügen<br />

über eine gut ausgebaute Infrastruktur. Dazu<br />

gehören auch Tennis- und Fußballplätze, Golfoder<br />

Polo-Anlagen, Clubhouse mit Restaurant<br />

und Pool, Einkaufsmöglichkeiten und in einigen<br />

Fällen bis hin zu privaten Schulen für die Kinder.<br />

Das Leben in Country Clubs scheint idyllisch und<br />

sicher zu sein - ein Leben wie in einer Seifenblase,<br />

fern der Realität. Dieser Film zeigt das Dilemma<br />

und die innere Zerrissenheit von Menschen,<br />

die privilegiert geboren sind, in einem Staat, der<br />

angesichts der sozialen Sicherheit versagt hat.<br />

Do 19. Mai / 20 Uhr<br />

// Clubraum<br />

Kuttner erklärt<br />

die Welt<br />

Jürgen Kuttner versteht sich <strong>als</strong> Videoschnipsel-<br />

Kabarettist und handelt nach dem Motto: «Heute<br />

mache ich mir mal kein Abendbrot, heute mache<br />

ich mir mal Gedanken». Jürgen Kuttner erklärt<br />

<strong>als</strong>o die Welt. Dazu benutzt er Videoschnipsel<br />

aus der Fernseh-Ära der 70er und 80er Jahre und<br />

erklärt detailreich und umfassend, was man<br />

gleich zu sehen bekommen wird. Das Betrachten<br />

der Ausschnitte wird umso intensiver wahrgenommen,<br />

je eindringlicher Kuttner mimisch,<br />

gestisch und berlinerisch den bevorstehenden<br />

Schnipsel analysiert, tanzt, pantomimisch darstellt<br />

und Bilder im Kopf erzeugt, mit denen man<br />

dem folgenden Videoprojektorenbild fast überlegen<br />

zu sein scheint.<br />

20 Uhr Koboku Senjû: Tetuzi Akiyama, guitar;<br />

Martin Taxt, tuba; Eivind Lønning, trumpet;<br />

Espen Reinertsen, tenorsax/flute; Toshimaru<br />

Nakamura, no-input mixing board JAP/NO<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

Di 10., Do 12., Fr 13., Sa 14., So 15., Mo 16.,<br />

Di 17. Mai<br />

19:30 Uhr // Open Air<br />

Der Sumpf. Europa<br />

Stunde Null<br />

Ein Ausflug mit 400asa Sektion Nord<br />

www.400asa.ch<br />

Der Sumpf. Europa Stunde Null ist ein Projekt<br />

über «The Wall» von Pink Floyd und über die<br />

Ereignisse von 1990 – ein Trip durch Erinnerungen<br />

und Wurmlöcher. Wo standen wir im<br />

Sommer 1990, <strong>als</strong> die Mauer bereits Geschichte<br />

war? Auf einem Brachland ohne Ideologien<br />

und Orientierung? Oder am Beginn einer neuen<br />

Weltordnung mit neuen Feindbildern und<br />

neuen Kriegen? Roger Waters jedenfalls stand<br />

in Berlin auf dem Potsdamer Platz, dort, wo<br />

die «echte Mauer» gestanden hatte, und brachte<br />

eine Styropor-Attrappe zu Fall. Ausgehend von<br />

«The Wall», dem bislang grössten Konzert in<br />

der Geschichte der Rockmusik, begeben wir<br />

uns auf eine psychedelische Busfahrt an unbekannte<br />

Orte, sehen in die Zukunft und erkunden<br />

das feinmaschige Netz aus Erinnern,<br />

Vergessen und Verdrängen.<br />

Do 12., Fr 13., Sa 14., Mo 16. Mai<br />

20 Uhr // <strong>Fabrik</strong>theater<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

Ein Sprachkonzert von Laura de Weck<br />

Politik und Kunst ist ein Pärchen, das sich liebt<br />

und hasst. Die Kunst will Ruhe von der Politik,<br />

aber die Politik nicht in Ruhe lassen. Die Politik<br />

gibt Geld und wünscht Anerkennung, aber die<br />

Kunst lässt sich nicht kaufen. Politiker-Reden,<br />

misslungene Künstler-Selbsterklärungen, Begegnungen<br />

auf Vernissagen oder höfliche Danksagungen<br />

sind das Material aus Mit freundlicher<br />

Unterstützung von. Vor dem Hintergrund dieser<br />

ambivalenten Kampfzone schreibt und inszeniert<br />

die junge Zürcher Schauspielerin und<br />

Erfolgsautorin, Laura de Weck, ein Sprachkonzert,<br />

in dem sich ein Musiker und zwei Schauspieler<br />

um Kopf und Kunst reden.<br />

Sa 28. Mai / 19 Uhr<br />

Mo 30., Di 31. Mai / 10 Uhr (Schulvorstellungen)<br />

// Innenhof<br />

Ali - sChlegle<br />

mit Regle<br />

Ein Theaterstück über mehrere Runden<br />

für Jugendliche ab 13 Jahren<br />

„float like a butterfly, sting like a bee“<br />

www.gmbh-produktion.ch<br />

Sonny, Mike und Georg steigen in den Boxring,<br />

um die Geschichte des Jahrhundertboxers Muhammad<br />

Ali zu erzählen. Dabei will jeder der<br />

Grösste sein und die Zuschauer für sich gewinnen.<br />

Wie Ali seine Gegner dam<strong>als</strong> mit Spottgedichten<br />

provozierte, verpassen sich auch Sonny,<br />

Mike und Georg verbale Tiefschläge – bis einer<br />

unvermittelt dreinhaut. Eine Grenze ist überschritten,<br />

der Stolz verletzt, die Regeln gebrochen,<br />

die Situation eskaliert... Mit dieser neusten<br />

Produktion ist GMBH ein musikalisch angeheiztes<br />

Stück über Gewalt und die Faszination<br />

des Boxens gelungen – ein Stück über Ideale,<br />

Respekt und Stolz.<br />

Ausstellung<br />

Mo 23. Mai / 19 Uhr<br />

// Ziegel oh Lac<br />

Stéphanie Cousin,<br />

Foto-Collagen<br />

www.stephaniecousin.com<br />

1969 in Lausanne geboren, absolvierte Stéphanie<br />

Cousin eine Berufslehre <strong>als</strong> Fotografin und lebte<br />

unter anderem in Zürich und Hamburg. Seit<br />

einigen Jahren arbeitet sie <strong>als</strong> Bildredaktorin in<br />

Lausanne und wohnt in Genf. Stéphanie Cousins<br />

Collagen sind neu konstruierte Bilder, die sie aus<br />

eigenem Fotomaterial und gefundenen Bildern<br />

zusammengesetzt und neu bearbeitet hat. Schon<br />

immer stark von Bild-Modifikations-Prozessen<br />

angezogen, begann die Künstlerin 2003 damit,<br />

ihre ersten Collagen zu realisieren. Dadaismus,<br />

speziell die Arbeiten von Hannah Höch und jene<br />

von Max Ernst gehören zu ihren wichtigsten Inspirationsquellen.<br />

Seit anfangs der Neunziger<br />

Jahre hat Stéphanie Cousin diverse Photos publiziert<br />

und gut ein Dutzend Ausstellungen in der<br />

deutschen und der französischen Schweiz realisiert.<br />

Ihre Bilder werden zwischen dem 23. Mai<br />

und dem 3. Juli im Ziegel Oh Lac zu sehen sein.<br />

Dock 18<br />

Disco Impossible<br />

Eine Veranstaltungsserie im Dock18 für fortgeschrittene<br />

Clubbenutzer. Die Frühjahr/Sommer<br />

Kollektion des Dock18 Raum für Medienkulturen<br />

der Welt. Das Dock18 Programm in diesem<br />

Frühjahr/Sommer orientiert sich an den Bedingungen<br />

der unmöglichen Disco natürlich mit<br />

viel Medienkultur.<br />

So 1. Mai<br />

Grafiklabor<br />

Fr 6. Mai<br />

Hörspiel<br />

Hörspielnacht und Erzählungen<br />

Sa/So 7./8. Mai<br />

Das kollaborative Hörspiel<br />

Text & Musik Produktion mit kollaborative<br />

Inseln in 12 Episoden<br />

Fr 13. Mai<br />

18Hoch3<br />

Fotografiepräsentationen<br />

Fr 20. Mai<br />

Serverperformance<br />

Networked Media mit Eva Ursprung live<br />

aus Austria /Australia/Switzerland<br />

Fr 27.Mai<br />

Forum innovativ<br />

eine Vortragsreihe zu später Stunde mit<br />

Bar Beta<br />

Video<br />

- Schnittplätze<br />

- Begleitete videowerkstatt<br />

- Videokurse<br />

- Projektbegleitung<br />

Flashanimation<br />

In diesem Kurs lernst du einige grundlegende<br />

Aspekte des Programms kennen.<br />

1. Einführung in die Grundlagen<br />

2. Zeichnen mit Flash<br />

3. Formtweening, Morphing<br />

4. Animation<br />

5. Exportieren in diversen Formaten<br />

Kurszeit: Samstag, 6x Dienstagabend von<br />

17 - 20 Uhr (7.6 / 14.6 / 21.6 / 28.6 / 5.7 / 12.7)<br />

Kurskosten: Fr. 390.-<br />

Anmeldeschluss: 12. Mai 2011<br />

Einführungskurs ins After Effects<br />

After Effects wird für die professionelle Gestaltung<br />

animierter Grafiken und visueller Effekte<br />

in den Bereichen Film, Video, Multimedia und<br />

Internet eingesetzt. Der Kurs soll die Philosophie<br />

von AfterEffects erläutern. Es kommen folgende<br />

Themen zur Sprache: Adjustment, Layers,<br />

Motion Path, Animating Layers, Plugins, Masking,<br />

Grundlagen der verschiedenen Videocodecs<br />

und settings im Rendermanager.<br />

Kurszeit: Samstag/Sonntag, 9./10. Juli 2011,<br />

10-17 Uhr<br />

Kurskosten: Fr. 270.-<br />

Anmeldeschluss: 10. Juni 2011<br />

Bürozeiten:<br />

Dienstags 10 – 13 Uhr<br />

Donnerstags 17 – 20 Uhr<br />

Telefon: 044 485 58 78<br />

video@rotefabrik.ch<br />

www.fabrikvideo.ch


<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />

<strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong><br />

Mai 2011<br />

1<br />

So<br />

2<br />

Mo<br />

3<br />

Di<br />

4<br />

Mi<br />

5<br />

Do<br />

FilmAktionshalle<br />

20 Uhr<br />

6<br />

Fr<br />

Show<br />

Disco Impossible<br />

Dock 18<br />

20 Uhr<br />

Party<br />

Mind Thing<br />

Clubraum<br />

22 Uhr<br />

7<br />

Sa<br />

Poetry Slam<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

20 Uhr<br />

8<br />

So<br />

9<br />

Mo<br />

10<br />

Di<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

11<br />

Mi<br />

<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />

Rocko Schamoni<br />

Aktionshalle<br />

20:30 Uhr<br />

12<br />

Do<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

Ziischtigmusig<br />

Vessels<br />

Ziegel Oh Lac<br />

21:30 Uhr<br />

Theater<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

20 Uhr<br />

Film<br />

Leben in Seifenblasen<br />

Aktionshalle<br />

20:30 Uhr<br />

13<br />

Fr<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

Theater<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

20 Uhr<br />

Show<br />

Disco Impossible<br />

Dock 18<br />

20 Uhr<br />

14<br />

Sa<br />

JackSoul<br />

Da Cruz<br />

Clubraum<br />

21 Uhr<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

Theater<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

20 Uhr<br />

15<br />

So<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

16<br />

Mo<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

Theater<br />

Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

20 Uhr<br />

17<br />

Di<br />

Theater<br />

Der Sumpf.<br />

Europa Stunde Null<br />

Open Air<br />

19:30 Uhr<br />

Ziischtigmusig<br />

Crippled Black Phoenix<br />

Ziegel Oh Lac<br />

21:30 Uhr<br />

18<br />

Mi<br />

<strong>Fabrik</strong>jazz<br />

Comicoperando<br />

Aktionshalle<br />

20:30 Uhr<br />

19<br />

Do<br />

Okkupation<br />

Das Prinzip Struwwelpeter<br />

– Erster Tag<br />

Aktionshalle<br />

19 Uhr<br />

<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />

Kuttner erklärt die Welt<br />

Clubraum<br />

20 Uhr<br />

20<br />

Fr<br />

Okkupation<br />

Das Prinzip Struwwelpeter<br />

– Zweiter Tag<br />

Aktionshalle<br />

19 Uhr<br />

Show<br />

Disco Impossible<br />

Dock 18<br />

20 Uhr<br />

21<br />

Sa<br />

Okkupation<br />

Aktionshalle<br />

19 Uhr<br />

22<br />

So<br />

Kindertheater<br />

Tarte au Chocolat<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

14 Uhr<br />

Okkupation<br />

Die sieben Todsünden<br />

Clubraum<br />

16 Uhr<br />

Okkupation<br />

The Tiger Lillies<br />

Aktionshalle<br />

20 Uhr<br />

23<br />

Mo<br />

Okkupation<br />

Kafka am Sprachrand<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

19:30 Uhr<br />

Okkupation<br />

Kafka Witwen im<br />

Gespräch<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

21 Uhr<br />

25<br />

Mi<br />

26<br />

Do<br />

Okkupation<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

19:30 Uhr<br />

Okkupation<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

21 Uhr<br />

<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />

Clubraum<br />

20:30 Uhr<br />

A Thousand Leaves<br />

Aktionshalle<br />

20:30 Uhr<br />

27<br />

Fr<br />

Okkupation<br />

Drei Theaterarbeiten<br />

von Herbert Fritsch<br />

<strong>Fabrik</strong>theater<br />

19:30 Uhr<br />

<strong>Fabrik</strong>jazz<br />

Taktlos 11<br />

Aktionshalle<br />

21 Uhr<br />

Show<br />

Disco Impossible<br />

Dock 18<br />

20 Uhr<br />

28<br />

Sa<br />

Kindertheater<br />

im Hof<br />

19 Uhr<br />

<strong>Fabrik</strong>jazz<br />

Aktionshalle<br />

21 Uhr<br />

29<br />

So<br />

<strong>Fabrik</strong>jazz<br />

Taktlos 11<br />

Aktionshalle<br />

21 Uhr<br />

30<br />

Mo<br />

Juni 2011<br />

1<br />

Di<br />

Sugarshit Sharp<br />

The Jon Spencer<br />

Blues Explosion<br />

Clubraum<br />

20:30 Uhr<br />

2<br />

Mi<br />

3<br />

Do<br />

4<br />

Fr<br />

5<br />

Sa<br />

6<br />

So

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