Traum als Methode - Rote Fabrik
Traum als Methode - Rote Fabrik
Traum als Methode - Rote Fabrik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Traum</strong> <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />
Die Zeitung der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> — Modes of Practice #3<br />
Mit Texten von André Breton, Elisabeth Bronfen, Anna K. Becker,<br />
Geneviève Morel, Etrit Hasler und Esther Becker<br />
Ausgabe Nr. 271, Mai 2011<br />
P.P./Journal CH - 8038 Zürich
[...] Wir leben noch unter der Herrschaft der Logik. Der absolute Rationalismus, der noch in Gebrauch<br />
ist, erlaubt lediglich die Berücksichtigung von Fakten, die eng mit unserer Erfahrung verknüpft sind.<br />
Die logischen Zwecke hingegen entgehen uns. Unnötig hinzuzufügen, daß auch der Erfahrung Grenzen<br />
gesteckt wurden. Sie windet sich in einem Käfig, aus dem sie entweichen zu lassen immer schwieriger<br />
wird. Auch sie stützt sich auf die unmittelbare Nützlichkeit, auch sie wird vom gesunden Menschenverstand<br />
bewacht. Unter dem Vorwand der Zivilisation, des Fortschritts, gelang es schließlich,<br />
alles aus dem Geist zu verbannen, was mit Recht oder Unrecht <strong>als</strong> Aberglaube, <strong>als</strong> Hirngespinst gilt,<br />
jede Art der Wahrheitssuche zu verurteilen, die nicht der herkömmlichen entspricht. Vor kurzem ist —<br />
scheinbar durch den größten aller Zufälle — ein Teil der geistigen Welt wieder ans Licht gehoben worden,<br />
meines Erachtens der weitaus wichtigste, um den sich zu bekümmern man nicht mehr für nötig<br />
befand. Freuds Entdeckungen gebührt unser Dank. Auf Grund dieser Entdeckungen bildet sich endlich<br />
eine neue geistige Richtung heraus, die es begünstigt, daß der Erforscher des Menschlichen seine<br />
Untersuchungen weiter vorantreiben kann, ihn bevollmächtigt, nicht mehr nur summarische Erfahrungen<br />
zu berücksichtigen. Die Imagination ist vielleicht im Begriff, wieder in ihre Rechte einzutreten.<br />
Wenn die Tiefen unseres Geistes seltsame Kräfte bergen, befähigt, diejenigen der Oberfläche zu mehren<br />
oder sie siegreich zu bekämpfen, so haben wir allen Grund, sie aufzufangen, sie zuerst aufzufangen<br />
und danach, wenn nötig, der Kontrolle unserer Vernunft zu unterwerfen. Selbst die Analytiker<br />
können dabei nur gewinnen. Wichtig ist jedoch zu bemerken, daß keine <strong>Methode</strong> a priori zur Verwirklichung<br />
dieser Unternehmung bestimmt ist; daß diese bis auf weiteres ebenso <strong>als</strong> der Domäne der<br />
Dichter zugehörig gelten kann <strong>als</strong> der der Gelehrten; und daß ihr Erfolg nicht abhängt von den mehr<br />
oder weniger gewundenen Wegen, die man wählen wird. Mit vollem Recht hat Freud seine Kritik auf<br />
das Gebiet des <strong>Traum</strong>s gerichtet. Es ist in der Tat ganz unzulässig, daß dessen beträchtlicher Anteil an<br />
der psychischen Tätigkeit (erfährt doch — zumindest von der Geburt bis zum Tode — die geistige Tätigkeit<br />
des Menschen keinerlei Unterbrechung, und ist doch die Summe der <strong>Traum</strong>-Momente, selbst<br />
wenn man nur den reinen <strong>Traum</strong>, den des Schlafs, in Betracht zieht, nicht geringer <strong>als</strong> die Summe der<br />
Wirklichkeits-Momente, sagen wir einfach: der Wachseins- Momente), daß dieser beträchtliche Anteil<br />
des <strong>Traum</strong>s, sage ich, noch so wenig Aufmerksamkeit hat erlangen können. Die Tatsache, daß die Ereignisse<br />
des Wachseins und die des Schlafes dem gewöhnlichen Beobachter von so äußerst verschiedener<br />
Wichtigkeit und Bedeutung erscheinen, hat mich schon immer in Erstaunen gesetzt. Der Mensch<br />
ist eben, wenn er nicht mehr schläft, vor allem ein Opfer seines Gedächtnisses, welches sich darin<br />
gefällt, ihm im Normalzustand die <strong>Traum</strong>ereignisse nur schwach nachzuzeichnen — dem <strong>Traum</strong> jedoch<br />
all seine Folgenschwere zu benehmen und <strong>als</strong> einzige Determinante den Zeitpunkt zu sehen, wo<br />
der Mensch glaubt, sie vor einigen Stunden zurückgelassen zu haben: jene Hoffnung, jene Sorge. Der<br />
<strong>Traum</strong> sieht sich auf diese Weise, auf eine Einklammerung reduziert, wie die Nacht. Und nicht mehr <strong>als</strong><br />
sie bringt er gemeinhin Rat. Diese merkwürdige Sachlage scheint mir zu einigen Überlegungen aufzufordern:<br />
1. Innerhalb der Grenzen, in denen er sich produziert (zu produzieren scheint), erscheint der<br />
<strong>Traum</strong> durchaus <strong>als</strong> kontinuierlich, zeigt er eine gewisse Organisation. Das Gedächtnis nur maßt sich<br />
das Recht an, ihn zu beschneiden, Übergänge nicht zu beachten und uns eher eine Reihe von Träumen<br />
vorzuführen <strong>als</strong> den <strong>Traum</strong>. Desgleichen haben wir von den Realitäten nur im einzelnen Augenblick<br />
eine deutlich unterschiedliche Vorstellung, und ihre Koordination ist Sache des Willens. Und es drängt<br />
sich hier die wichtige Beobachtung auf, daß nichts uns ermächtigt, auf eine größere Auflösung bei den<br />
<strong>Traum</strong>- Elementen zu schließen. Ich bedaure, darüber in Formeln zu sprechen, die eigentlich den <strong>Traum</strong><br />
ausschließen. Wann werden wir schlafende Logiker, schlafende Philosophen, haben? Ich möchte<br />
schlafen, um mich den Schlafenden hingeben zu können, wie ich mich denen hingebe, welche mich mit<br />
offenen Augen lesen, um bei diesem Thema nicht mehr den bewußten Rhythmus meines Denkens<br />
überwiegen zu lassen. Mein <strong>Traum</strong> der letzten Nacht setzt vielleicht den der vorhergehenden Nacht<br />
fort, und vielleicht erfährt er in der kommenden Nacht seine Fortsetzung in löblicher Folgerichtigkeit.<br />
Das ist wohl möglich, heißt es. Und da es keineswegs erwiesen ist, daß auf diese Weise die «Wirklichkeit»,<br />
die mich beschäftigt, im <strong>Traum</strong>e weiterbesteht, daß sie nicht ins Unerinnerliche versinkt — warum<br />
sollte ich dem <strong>Traum</strong> nicht zugestehen, was ich zuweilen der Wirklichkeit verweigere, jenen Wert<br />
der eigenen Gewißheit nämlich, der während der <strong>Traum</strong>spanne ganz und gar nicht von mir geleugnet<br />
wird? Warum sollte ich vom Exponenten des <strong>Traum</strong>s nicht noch mehr erwarten <strong>als</strong> ich von einem täglich<br />
höheren Bewußtseinsgrad erwarte? Kann nicht auch der <strong>Traum</strong> zur Lösung grundlegender Lebensfragen<br />
dienen? Und diese Fragen, sind es die gleichen in beiden Fällen und sind sie im <strong>Traum</strong>e<br />
bereits? Enthält der <strong>Traum</strong> weniger Gesetzeskraft <strong>als</strong> das übrige Leben? Ich altere, und vielleicht ist es<br />
— mehr noch <strong>als</strong> diese Wirklichkeit, der ich mich unterworfen glaube — der <strong>Traum</strong>, meine Gleichgültigkeit<br />
ihm gegenüber, welche mich altern läßt. [...] — André Breton: Manifeste du Surréalisme (1924)
WITH YOU<br />
I WALK<br />
IN DREAMS
Um den dynamischen Aspekt unbewusster Phantasiebildungen<br />
hervorzuheben, entwirft Freud<br />
eine szenische Darstellung ihres Schicks<strong>als</strong>, die den<br />
seelischen Apparat <strong>als</strong> Bühnenraum konzipiert.<br />
In seiner Vorlesung über “Widerstand und Verdrängung”<br />
setzt er das Unbewusste einem grossen<br />
Vorraum gleich “in dem sich die seelischen<br />
Regungen wie Einzelwesen tummeln.” An diesem<br />
Vorraum schliesst sich “ein zweiter, engerer,<br />
eine Art Salon, in welchem auch das Bewusstsein<br />
verweilt.” An der Schwelle zwischen beiden<br />
Räumlichkeiten waltet aber ein Wächter seines<br />
Amtes, “der die einzelnen Seelenregungen mustert,<br />
zensuriert und sie nicht in den Salon einlässt,<br />
wenn sie sein Missfallen erregen”. Die Gestaltung<br />
dieses Raumbildes erlaubt Freud eine Ausbild-<br />
ung seiner Nomenklatur: “Die Regungen im Vor-<br />
raum des Unbewussten sind dem Blick des Bewusstseins,<br />
das sich ja im anderen Raum befindet,<br />
entzogen; sie müssen zunächst unbewusst bleiben.<br />
Wenn sie sich bereits zur Schwelle vorgedrängt<br />
haben und vom Wächter zurückgewiesen worden<br />
sind, dann sind sie bewusstseinsunfähig; wir heissen<br />
sie verdrängt. Aber die Regungen, welche der<br />
Wächter über die Schwelle gelassen, sind darum<br />
nicht notwendig auch bewusst geworden; sie können<br />
es bloss werden, wenn es ihnen gelingt, die Blicke<br />
des Bewusstseins auf sich zu ziehen”.<br />
Erst die Arbeit des Wächters <strong>als</strong>o schafft die Unterscheidung<br />
zwischen Triebvorstellungen, die zu-<br />
lässig sind, und solchen, die <strong>als</strong> bösartig befunden<br />
vom Blick des Bewusstseins verdrängt werden.<br />
Entscheidend <strong>als</strong> seiner Topologie des psychischen<br />
Apparates ist folgendes: Triebe, Affekte, Fanta-<br />
sien müssen im Unbewussten immer schon <strong>als</strong> potentiell<br />
vorstellbar vorhanden sein. Deshalb denkt<br />
Freud sie stets an eine Repräsentanz geknüpft,<br />
auch wenn diese noch nicht bewusst geworden ist.<br />
Zugleich setzt der von ihm konzipierte Wächter<br />
auch jenen Umwandlungsprozess in Gang, der aus<br />
jeglichen zurückgedrängten Regungen Wünsche,<br />
Träume und Symptome erzeugt, deren Verkleidung<br />
es ihnen ermöglichen wird, die Schwelle der Zen-<br />
sur doch zu passieren, und so nachträglich – <strong>als</strong> Spur<br />
– jenen dem Bewusstsein nicht zugänglichen Vor-<br />
raum erfahrbar zu machen. Doch erst wenn es ihnen<br />
gelingt, die Aufmerksamkeit des Bewussten auf<br />
sich zu ziehen, haben diese Fantasien ihr Ziel wirk-<br />
lich erreicht. Sie benötigen den Blick dieses<br />
Anderen, um eine bewusste Vorstellung zu werden.<br />
So tritt das Unbewusste zwar vornehmlich durch<br />
seine Abkömmlinge, durch deren affektive Kraft<br />
und deren gestalterische List in Erscheinung.<br />
Dem Nachdrängen dieser Phantasien wohnt aber<br />
ebenso untilgbar die Geste der Nachträglichkeit<br />
inne. Das Unbewusste <strong>als</strong> psychischer Raum, in dem<br />
ein Denken sich entfalten kann, das der Zensur<br />
der Vernunft vorgängig ist und diese trügen muss,<br />
um bewusst zu werden, diese schillernde Bühne<br />
unendlicher Möglichkeiten der Gestaltung lässt sich<br />
nur an den von ihr produzierten Präsenzeffekten<br />
begreifen: An neurotischen Symptomen, die ihr entstammen,<br />
sowie den Fehlleistungen im Alltag,<br />
am Witz, aber auch an jeglichen Wunschträumen.<br />
Denn dieser Raum, zu dem die Vernunft direkt<br />
keinen Zugang hat, ist zugleich nur in der Sprache<br />
des Bewussten erfahrbar. Entscheidend für den<br />
räumlichen Entwurf der Seele, den Freud anbietet ist<br />
nämlich, dass die verdrängten Wunschregungen<br />
zwar mit der Zensur des Bewussten nicht verträglich<br />
sind. Dennoch haben sie bereits Teil am Prozess<br />
psychischer Gestaltung, sind nicht gänzlich formlos.<br />
In seinem Aufsatz „Die Verdrängung“ hält Freud<br />
fest, „wir haben <strong>als</strong>o Grund eine Urverdrängung anzunehmen.“<br />
Diese erste Trennung zwischen Vorstellungen,<br />
die zutage treten und solchen, die im<br />
Dunklen bleiben müssen, stellt die Matrix dar für<br />
alle späteren psychischen Bildungen. Dieser Akt<br />
schafft den Nährboden für jenes dynamische Rückdrängen<br />
abgewiesener Triebvorstellungen, das<br />
das psychische Leben im Zeichen kultureller Beschränkungen<br />
reguliert. „Die zweite Stufe der<br />
Verdrängung, die eigentliche Verdrängung, betrifft<br />
psychische Abkömmlinge der verdrängten Repräsentanz.“<br />
„Wegen dieser Beziehung,“ fährt Freud fort, „erfahren<br />
diese Vorstellungen dasselbe Schicksal wie das Urverdrängte.<br />
Die eigentliche Verdrängung ist <strong>als</strong>o ein<br />
Nachdrängen“. Die Geste der Anziehung, die das<br />
Urverdrängte wie ein Magnet ausübt, ist dabei eben<br />
so wichtig wie die der Abstossung, denn die Verdrängung<br />
kann nur dadurch gewährleistet werden,<br />
dass es bereits vorgängig verdrängtes Material<br />
gibt, welches das vom bewussten Abgestossene aufzunehmen<br />
bereit ist. Die durch eine ursprüng-<br />
liche Verdrängung festgelegte Scheidung zwischen<br />
Bewusstem und Unbewussten unterliegt in der<br />
von Freud entworfenen Topologie des seelischen<br />
Apparats zudem einem Glauben an die Unsterblichkeit<br />
jeglicher Wunschregungen. Diese können<br />
grundsätzlich nicht absterben, sondern nur eine<br />
Umgestaltung erfahren. Die Verdrängung hindert<br />
die Treibrepräsentanz nicht daran, “im Unbewus-<br />
sten fortzubestehen, sich weiter zu organisieren,<br />
Abkömmlinge zu bilden und Verbindungen anzuknüpfen.<br />
Die Verdrängung stört wirklich nur die<br />
Beziehung zu einem psychischen System, dem<br />
des Bewussten”. Somit erweist sich der unbewusste<br />
Bereich der Seele <strong>als</strong> umtriebiger Umschlagplatz,<br />
der weitaus gestalterischer ist <strong>als</strong> die tägliche Ver-<br />
nunft. Jede Triebvorstellung kann sich “ungestörter<br />
und reichhaltiger” entwickeln, “wenn sie durch<br />
die Verdrängung dem bewussten Einfluss entzogen<br />
ist. Sie wuchert dann sozusagen im Dunklen und<br />
findet extreme Ausdrucksformen”, welche dem Men-<br />
schen, dem sie in übersetzter Gestalt vorgehalten<br />
werden, “nicht nur fremd erscheinen müssen, son-<br />
dern ihn auch durch die Vorspiegelung einer<br />
ausserordentlichen und gefährlichen Triebstärke<br />
schrecken“.<br />
Diese täuschende Triebstärke ist wiederum lediglich<br />
„das Ergebnis einer ungehemmten Entfaltung in<br />
der Phantasie und der Aufstauung infolge versagter<br />
Befriedigung”. Auf der Bühne des Unbewussten,<br />
vor der Zensur alltäglicher Verhaltenskodes, symbolischer<br />
Verbote und kollektiver Einschrän-<br />
kungen geschützt, können die Wunschregungen des<br />
Menschen sich absolut frei entfalten. Das Unbewusste<br />
fördert regelrecht das Spiel mannigfaltiger<br />
Phantasmagorien, und stellt in seiner unbeschränk-<br />
ten Kreativität zugleich sicher, dass es in der Welt<br />
des alltäglich vernünftigen Blickes zu seinem<br />
Recht kommen wird. Denn laut Freud stellt das Unbewusste<br />
auch eine Bühne dar, auf der sich jene<br />
Entstellungen erzeugen lassen, die den Wunschregungen,<br />
wenn sie sich “weit genug von der<br />
verdrängten Repräsentanz entfernt haben”, den<br />
Zugang zum Bewussten ohne weiteres freistellen.<br />
Vom Unbewussten <strong>als</strong>o geht sowohl jenes<br />
Nachdrängung aus, die das Bewusste stets an seine<br />
verdrängten, vergessenen oder verworfenen<br />
Wunschregungen erinnert, sowie die Erstellung<br />
einer Distanz zur Urverdrängung. An diesem<br />
Ort im seelischen Apparat entscheidet sich, ob die<br />
Abkömmlinge des Verdrängten endgültig im<br />
Dunkeln verschwinden oder ob sie mit Hilfe einer<br />
Umgestaltung ihrer Erscheinung den bislang<br />
ihnen versagten Gang ans Licht des Bewussten<br />
erneut anstreben dürfen. Jede Triebvorstellung<br />
hat laut Freud sein besonderes Schicksal; “ein wenig<br />
mehr oder weniger von Entstellung macht dass<br />
der ganze Erfolg umschlägt”. Aus denselben Wahrnehmungen<br />
und Erlebnissen können sowohl<br />
Ideale entstammen, wie Abscheu erregende Phantasien.<br />
Ausschlaggebend ist lediglich die Verklei-<br />
dung, die sie im Unbewussten erfahren, um ihre<br />
gemeinsame Abstammung von der Urverdrängung<br />
zu tarnen.<br />
Zugleich bleibt das Unbewusste ein in hohem Grade<br />
dynamischer Ort, weil in der Regel die Aufhebung<br />
der Verdrängung nur eine vorübergehende ist. Man<br />
darf sich die Verdrängung “nicht wie ein einmali-<br />
ges Geschehen mit Dauererfolg vorstellen.” Sie erfordert<br />
vielmehr “einen anhaltenden Kraftaufwand,<br />
mit dessen Unterlassung ihr Erfolg in frage gestellt<br />
wäre, so dass ein neuerlicher Verdrängungsakt<br />
notwendig würde. Wir dürfen uns vorstellen, dass<br />
das Verdrängte einen kontinuierlichen Druck in<br />
der Richtung zum Bewussten hin ausübt, dem durch<br />
unausgesetzten Gegendruck das Gleichgewicht<br />
gehalten werden muss. Die Erhaltung einer Verdrängung<br />
setzt <strong>als</strong>o eine beständige Kraftausgabe<br />
voraus”. Im Widerstreit zwischen dem Wächter des<br />
Bewussten und dem Widerstand der zurückgewiesenen<br />
Vorstellungen wird die Verdrängung stets neu<br />
erzeugt, und mit ihr das Phantasieleben. Entscheidend<br />
an dessen Schicksal ist lediglich, wie weit das<br />
Bewusstsein die Spur der Urverdrängung, die<br />
ihm <strong>als</strong> Erbschaft anhängt, ertragen kann. Nochm<strong>als</strong><br />
greift Freud auf seine szenische Darstellung zurück:<br />
“es kommt etwa darauf hinaus, ob ich einen unliebsamen<br />
Gast aus meinem Salon hinausbefördere<br />
oder aus meinem Vorzimmer oder ihn, nachdem<br />
ich ihn erkannt habe, überhaupt nicht über die<br />
Schwelle der Wohnungstür treten lasse”. Doch auch<br />
die Wiederherstellung der Verdrängung ist kein<br />
einmaliges Geschehen; der unliebsame Gast kann<br />
ebenso wenig endgültig aus dem Salon entfernt<br />
werden, wie es der Entstellung nicht gelingt, ihn<br />
dort auf ewig zu tarnen. Es bleibt nur jener Widerstreit,<br />
der auf die Rückkehr der Abkömmlinge<br />
der Urverdrängung beständig mit einem Gegendruck<br />
durch das Bewusste antwortet, und, sollte<br />
dieser Gelingen, einen neuen Widerstand erzeugt.<br />
Charles Laughtons noir Märchen Night of the<br />
Hunter (1955) bietet eine griffige und zugleich ergreifende<br />
kinematische Inszenierung dieser psy-<br />
choanalytischen Denkfigur. Die Häuser, die meist<br />
von harten Schatten konturiert und somit <strong>als</strong> chiaroscuro<br />
Bilder auf der Leinwand auftauchen, entsprechen<br />
einem psychischen Apparat, den die<br />
Filmgestalten gemeinsam bewohnen. In diesen<br />
Räumen wird das Nachdrängen verbotener Wunschregungen<br />
unentwegt durchgespielt, vermittels des-<br />
sen eine vererbte Schuld anerkannt und zugleich<br />
entschärft wird, und zwar <strong>als</strong> Transformation altvertrauter<br />
Geschichten, die somit ebenfalls, nun<br />
aber im Sinne eines kulturellen Erbes, nachdrängen.<br />
Während im Vorspann die Titel vor einem Sternenhimmel<br />
ablaufen, hören wir die ominösen Klänge<br />
einer Orchestermusik, die zuerst eine Stimmung<br />
der Bedrohung, der Jagd und der Flucht assoziieren<br />
lässt. Sogleich wandeln sich diese in die Stimmen<br />
eines Chors, der nur noch zaghaft von Violinen begleitet<br />
ein Wiegenlied singt. „Träum, Kleines<br />
träum,“ versichern einlullende Stimmen. „Ob-<br />
gleich der Jäger in der Nacht dein kindliches Herz<br />
mit Schreck erfasst, er ist nur ein <strong>Traum</strong>.“<br />
Die Filmgeschichte, die mit diesem Lied eingeleitet<br />
wird, ruft die alttradierte Figur des Teufels auf,<br />
um eine Hollywood Umschrift jener biblischen Geschichten<br />
anzubieten, die davon erzählen, wie man<br />
sich am besten vor diesem nächtlichen Widersacher<br />
schützen kann. Denn vor dem Sternenhimmel<br />
taucht plötzlich der alte Stummfilmstar Lilian Gish<br />
auf. In der Rolle der Rachel Cooper liesst sie<br />
ihren Ziehkindern <strong>als</strong> Bett-Geschichte aus dem<br />
Neuen Testament vor. Wir sehen – ebenfalls <strong>als</strong><br />
Collage auf den Sternenhimmel aufgetragen –<br />
die Gesichter dieser Kinder, die im Halbkreis vor ihr<br />
stehend andächtig lauschen, während ihre Stimme<br />
verkündet: „Beware of f<strong>als</strong>e prophets, which come<br />
to you in sheep‘s clothing, but inwardly they are<br />
ravening wolves. Ye shall know them by their fruits“<br />
(Matteus 7.15). Im Gegenschnitt zeigt Laughton<br />
uns wie spielende Kinder die Leiche einer Frau in<br />
einer dunklen Scheune finden. Diese böse Frucht,<br />
an der man den f<strong>als</strong>chen Propheten erkennen wird,<br />
führt Laughtons Kamera in der nächsten Einstellung<br />
zugleich zu dem fahrenden Prediger Harry Powell<br />
(Robert Mitchum), der in seinem Auto sitzend in<br />
eine Rede mit Gott verwickelt ist. Von diesem glaubt<br />
er den Auftrag erhalten zu haben, weiterhin Witwen<br />
zu töten, um mit Hilfe deren Geldes das Wort Gottes<br />
zu predigen. Der nächste Schnitt führt schliesslich<br />
zum Schaffen jenes Nährbodens, auf den die Saat des<br />
f<strong>als</strong>chen Propheten überhaupt nur fallen kann, weil<br />
die Schuld dort bereits schon angelegt worden ist:<br />
wie die Verdrängung nur nachträglich wirksam wird<br />
vor dem Hintergrund einer Urverdrängung wirkt.<br />
Am helllichten Tag stürzt Ben Harper zu seinen<br />
beiden Kindern John und Pearl. Bei einem Banküber-<br />
fall hat er zwei Menschen getötet, deshalb ist die<br />
Polizei ihm dicht auf den Fersen. Kurz bevor sie erscheint<br />
und ihn verhaftet gelingt es ihm jedoch,<br />
die gestohlenen $10‘000 in der Puppe seiner Tochter<br />
zu verstecken. Seinen Sohn lässt er sowohl schwö-<br />
ren, dass er seine Schwester immer beschützen wird<br />
wie auch, dass er niemandem sagt wo das Geld<br />
versteckt ist. Er wird die Todesstrafe erhalten, seine<br />
Tat jedoch nicht bereuen, hat er doch aus Fürsorge<br />
gehandelt. Denn in dieser Zeit wirtschaftlicher<br />
Depression, die die 30er Jahre in den USA kennzeichnet,<br />
musste auch er befürchten, seine Kinder<br />
würden, sollte er seine Arbeit verlieren, wie so viele<br />
andere zu Vagabunden werden. Ben Harper wird<br />
sich aber auch nicht von der f<strong>als</strong>chen Erlösung verführen<br />
lassen, die der Prediger Powell, der zufällig<br />
mit ihm die Gefängniszelle teilt, ihm vorgaukelt.<br />
Er stirbt ohne das Versteck des gestohlenen Geldes<br />
preiszugeben. In der Nacht der Hinrichtung sehen<br />
wir hingegen Powell, der am Gefängnisfenster<br />
stehend ein Gespräch mit seinem halluzinierten Gott<br />
führt und sich entschliesst, in dessen Auftrag nach<br />
seiner Entlassung die Witwe des Hingerichteten aufzusuchen,<br />
um an das gestohlene Gelt zu kommen.<br />
Eines Nachts taucht er vor dem Haus der Harpers<br />
auf. Pearl hat sich gerade von ihrem Bruder eine<br />
Bett-Geschichte erbeten und dieser hat deshalb begonnen,<br />
den Verlust ihres Vaters <strong>als</strong> Märchenstoff<br />
zu verarbeiten. Ein reicher König, der mit seinen<br />
beiden Kindern in einem Schloss in Afrika lebt, wird<br />
eines Tages von bösen Männern abgeholt. Bevor er<br />
seinen Sohn verlässt, hatte er diesem jedoch gesagt,<br />
er müsse jeden töten, der sein Gold zu stehlen ver-<br />
sucht. Zuerst hört Pearl begeistert zu. In dem Augen-<br />
blick, in dem John erzählt, dass nach kurzer Zeit<br />
der böse Mann zurück gekommen sei, blickt sie je-<br />
doch erschrocken ihren Bruder an und zeigt mit<br />
ihrem Finger auf das Fenster, vor dem er die ganze<br />
Zeit gestanden hatte. Dort hat sie nämlich auf dem<br />
hellen Vorhang - <strong>als</strong> wäre er eine Kinoleinwand -<br />
plötzlich den überdimensionalen dunklen Schatten<br />
eines Männerkopfes erblickt. John geht zum Fenster<br />
und sieht, das vor dem Zaun ein Prediger steht,<br />
dessen Abbild das Licht der Laterne auf den Vor-<br />
hang geworfen hatte. Seiner Schwester versichert er,<br />
es sei nur ein Mann. Seine Geschichte erzählt er<br />
jedoch nicht weiter, sondern legt sich neben Pearl<br />
ins Bett. Der böse Mann hingegen, der in seiner<br />
Darbietung an die Stelle des Polizisten getreten ist,<br />
wird am nächsten Tag eine konkrete Gestalt<br />
einnehmen. Es ist <strong>als</strong> hätte der Sohn im nächtlichen<br />
Licht des Schlafzimmers, mit Hilfe seiner entstel-<br />
lten Erinnerung an die Verhaftung seines Vaters,<br />
dieses Phantom zu sich und seiner Schwester<br />
gerufen, damit es, aus der Verdrängung zurück<br />
gekehrt, Gestalt annehmen kann. In diesem<br />
magischen Augenblick kehrt zweierlei zurück: Die<br />
partikulare Figur des verzweifelten Bankräubers in<br />
der Rolle eines kaltblütigen Witwenmörders, und die<br />
mythische Figur eines entmachteten Märchenkönigs.<br />
Laughtons nächtlicher Jäger veräussert nämlich jene<br />
Triebrepräsentanz, die von John nach der Verhaftung<br />
seines Vaters verdrängt ihn insgeheim auch plagt<br />
und nun endlich dank dieser Verkleidung ans Licht<br />
treten kann. Er mag <strong>als</strong> eine <strong>Traum</strong>gestalt in Erschei-<br />
nung treten, die John sich ausgedacht hat, um<br />
seiner Schwester beim Einschlafen zu helfen. Zugleich<br />
weckt er in dem Sohn jedoch auch jene Schuld, die<br />
im doppelten Sinn seit dem Tod des Vaters auf ihm<br />
lastet: Die Verpflichtung, die er Ben Harper gegenüber<br />
eingegangen ist, <strong>als</strong> er geschworen hat, niemandem<br />
von dem gestohlenen Geld zu erzählen, und<br />
das schlechte Gewissen, das er hat, weil er sich damit<br />
an dessen Verbrechen mitschuldig machte. In der<br />
Eisdiele, in der seine Mutter (Shelley Winters)<br />
arbeitet, wird Harry Powell der Witwe vorgaukeln,<br />
er hätte im Gefängnis <strong>als</strong> Geistlicher gearbeitet<br />
und deshalb von dem verstorbenem eine Nachricht<br />
für seine Hinterbliebenen. Weil er zufällig die Puppe<br />
Pearls in der Hand hält, während dieser Wolf in<br />
seiner Lämmergestalt seine böse Frucht austeilt,<br />
starrt John auf die Hände des Predigers. Dies bietet<br />
Robert Mitchum wiederum eine Gelegenheit zu<br />
erklären, was die beiden Worte Hass und Liebe,<br />
deren Buchstaben seine Finger schmücken, zu<br />
bedeuten haben. In der berühmtesten Szene aus<br />
Night of the Hunter führt er nun seinerseits die<br />
Transformation einer altvertrauten biblischen Geschichte<br />
<strong>als</strong> Faustkampf vor. Seit dem Höllensturz<br />
Luzifers ringt das Böse mit dem Guten, scheint<br />
zuerst zu siegen, um schliesslich doch dem Guten<br />
zu unterliegen. Unwissend nimmt er mit dieser<br />
Darbietung auch den Ausgang seiner eigenen Geschichte<br />
vorweg.<br />
Wenn <strong>als</strong>o Harry Powell für den Sohn Ben Harpers<br />
fantomatisch dessen Mitschuld verkörpert, zieht<br />
er die Aufmerksamkeit der Mutter, die von dem verborgenen<br />
Geld nichts weiss, aus einem anderen<br />
Grund auf sich. Für sie verkörpert er die Möglichkeit<br />
jener moralischen Reinigung, nach der sie sich seit<br />
der Verhaftung und Hinrichtung ihres Gatten sehnt.<br />
Nicht wie ihr Sohn erschrocken, sondern vielmehr<br />
beglückt vernimmt Willa von ihm die Botschaft, ihr<br />
Gatte hätte kurz vor seinem Tod gebeichtet, das<br />
gestohlene Geld am Boden des Flusses versenkt zu<br />
haben. Will John in dem Fremden eine Gestaltung<br />
des Bösen sehen, um auf ihn die Schuld seines Vaters<br />
zu übertragen, will Willa nur einen Retter erkennen.<br />
Sie ist bereit, sich verblenden zu lassen, um sich ihrer-<br />
seits psychisch von ihrer Schuld zu entlasten. Sie<br />
wird in eine Ehe mit Henry Powell einwilligen, um<br />
eines nachts von ihrem Gatten ermordet, am Bo-<br />
den jenes Sees zu landen, in den ihr Gatte das Geld<br />
in Wahrheit nicht versenkt hat. Ihren Kindern<br />
hingegen wird nur die Flucht vor dem nächtlichen<br />
Jäger bleiben. Im Schutz der Finsternis besteigt John<br />
mit seiner Schwester ein Ruderboot und lässt sich<br />
von der Strömung den Fluss hinab treiben, bis die<br />
beiden in der dritten Nacht dann endlich, wie von<br />
einer mütterlichen Hand sachte in einen sicheren Ha-<br />
fen geleitet werden; dem Schilfufer vor Rachel<br />
Coopers Haus. Dort liegen die Kinder zuerst in ihren<br />
ruhevollen Schlaf versenkt. Dann gleitet Laughtons<br />
Kamera nach oben und zeigt uns, wie aus dem friedlichen<br />
Sternenhimmel, der sie bewacht, in der<br />
Überblendung der Morgen entsteht und beim Schrei<br />
der Hähne die ersten Morgenstrahlen hinter den<br />
dunklen Wolken hervor dringen.<br />
Die alte Dame, die schon drei fremden Kindern in<br />
diesen schweren Zeiten den Schutz ihres Heims<br />
anbietet, nimmt Pearl und John ebenfalls bei sich auf.<br />
Auch sie nutzt ihr Haus <strong>als</strong> Bühne, um alltägliches<br />
Leid in den Stoff biblischer Geschichte umzuwandeln.<br />
Wie jeden Abend trägt Rachel in der anbrechenden<br />
Dunkelheit ihre eigenwillige Umdeutung der Heili-<br />
gen Schrift vor, wählt aber bewusst die Ankunft<br />
Moses bei der Tochter des Pharaonen, um für das<br />
Schicksal der beiden Neuankömmlinge eine passende<br />
Formel zu finden. Nachdem die anderen Kinder<br />
sich bereits in ihre Zimmer zurückgezogen haben,<br />
bleibt John bei seiner neuen Beschützerin. Er kann<br />
ihr sein Geheimnis noch nicht offenbaren, bittet<br />
sie aber, ihre Geschichte nochm<strong>als</strong> zu erzählen, denn<br />
in der mythischen Gestalt des Moses hat er jene<br />
Gestalt des Widerstandes entdeckt, die er benötigt,<br />
um gegen seinen persönlichen Tyrann anzutreten.<br />
Powell, der heraus gefunden hat, wo die beiden<br />
Kinder sich aufhalten, holt seine Schützlinge bald<br />
ein, doch Rachel ist längst vorgewarnt und verscheucht<br />
ihn von ihrem Grundstück. Bibelfest hat<br />
sie in ihm sofort den f<strong>als</strong>chen Propheten erkennt, vor<br />
dem der Apostel Matteus warnt, und bereitet sich<br />
deshalb auf seine Rückkehr vor. In der Perepeteia<br />
von Night of the Hunter sitzt Lilian Gish deshalb auf<br />
ihrem Schaukelstuhl in dem knapp beleuchteten<br />
Vorraum ihres Hauses und blickt durch das Fenster<br />
auf den nächtlichen Garten.<br />
Aus diesem wird, wie aus dem Unbewussten, jene<br />
Gestalt in Erscheinung treten, über die verdrängte<br />
Schuld und klandestines Wissen ins Bewusstsein vor<br />
zu drängen suchen. Sie muss die schlafenden<br />
Kinder vor dem nächtlichen Jäger schützen, doch<br />
der Umstand, dass sie in dieser entscheidenden<br />
Nacht Wache hält, wird diese dämonische Triebrepräsentanz<br />
auch ins Tageslicht rücken und somit<br />
seine Gefahr tilgen. Ihre Funktion besteht demnach<br />
nicht darin, die von Powell verkörperte Wunschregung,<br />
das Gesetz zu brechen, die Ben Harper an<br />
seinen Sohn vererbt hat, gänzlich zu verdrängen.<br />
Sie verleiht dieser Fantasie vermittels einer dramaturgischen<br />
Umgestaltung vielmehr eine Gestalt,<br />
die mit dem System des Bewussten verträglich ist,<br />
damit es am Ende dieser Nacht für sie und ihre<br />
Ziehkinder einen neuen Tag geben kann. Sie hat<br />
Nächtliches Jagen<br />
—<br />
Elisabeth Bronfen<br />
Häufig geht es in der Auseinandersetzung mit <strong>Traum</strong><br />
in erster Linie um dessen Ausdrucksform und Darstellungsmöglichkeiten<br />
bezüglich psychoanalytischer<br />
Deutungsversuche. Aber <strong>Traum</strong> kann auch in Be-<br />
zug auf seine ästhetischen Aspekte untersucht werden.<br />
In der «unbewussten Gesellschaft» wird <strong>Traum</strong><br />
von Elisabeth Lenk <strong>als</strong> eigenständiger Ausdrucksakt<br />
ohne Deutungsaspekte einer Formanalyse unterzogen.<br />
In seiner unauflösbaren Andersheit führt<br />
der <strong>Traum</strong> die Vorstellung von Identität und eindeutiger<br />
Wahrheit ebenso ad Absurdum, wie es die<br />
ästhetische Sprache der Kunst vermag. Die Vorstellungen<br />
von Subjektivität und Repräsentationsstrukturen<br />
des Bewusstseins hinterfragend, knüpft<br />
Lenk schliesslich Bezüge zwischen den Ausdruckformen<br />
in <strong>Traum</strong> und Theater. Diese mögliche<br />
Verbindung von <strong>Traum</strong> und Theater möchte Ich<br />
nachvollziehen, um mögliche ästhetische Formen für<br />
ein «<strong>Traum</strong>-Theater» festzuhalten. Denn, wo die<br />
bildende Kunst beispielhaft mit den Surrealisten den<br />
<strong>Traum</strong> explizit Einzug erhalten lässt, und auch die<br />
Filmästhetik eines David Lynch sich offensichtlich<br />
der Sprache des <strong>Traum</strong>s bedient, stellt sich die<br />
Frage, was eine verstärkte Orientierung am <strong>Traum</strong><br />
für das Theater bedeuten kann.<br />
Emanzipation von der Nachahmung<br />
In der Welt des <strong>Traum</strong>s haben wir es mit Wahrnehmungsformen<br />
zu tun, die sich rational-logischen<br />
Prinzipien entziehen und durch Überdeterminierung<br />
eine Mehrdeutigkeit anbieten, die ein Verstehen<br />
und Lesen jenseits der rationalen Bedeutungserzeugung<br />
ermöglichen, sogar fordern. Die Produktion<br />
heterogener und doch gleichermassen gültiger Informationen,<br />
die man nur gleichwertig nebeneinander<br />
betrachten kann, bestimmt den <strong>Traum</strong><br />
ebenso wie seine Analyse. Auch das zeitgenössische<br />
Theater emanzipiert sich von der «reinen Nachahmung»<br />
von Gegebenheiten auf der Bühne, hin<br />
zur Miteinbringung des Zuschauers in den mimetischen<br />
Vorgang und zu einer gemeinsamen Hervorbringung<br />
von etwas Unbekanntem, Neuem.<br />
Lenk formuliert ein poetisches Potential im Überschuss<br />
an Bedeutung, das im <strong>Traum</strong> entsteht. Der<br />
<strong>Traum</strong> greift das «verdrängte Heterogene» des<br />
Tages auf und ermöglicht einen Einbruch des «Sich-<br />
Gehen-Lassens», einen Augenblick der Unaufmerksamkeit<br />
und ein Zerreissen aller Gewissheit.<br />
Es gibt einen Überschuss an Ausdruck noch in den alltäglichsten<br />
Dingen: Diesen Überschuss spürt der Träumende auf:<br />
Die <strong>Traum</strong>form entspricht einem fundamentalen Bedürfnis<br />
der Formlosigkeit, denn aus den perfekten, wiederholbaren<br />
Formen des Tages bleibt die subjektive Existenz <strong>als</strong> unzulänglich<br />
ausgeschlossen. In der Formlosigkeit des <strong>Traum</strong>es fin-<br />
det sie sich wieder. Der <strong>Traum</strong> ist daher immer auch Korrektur<br />
der «guten Gestalten», der Schemata der Vollendung, des<br />
klassischen Ide<strong>als</strong>. Verglichen mit der Solidität der etablierten<br />
Formen, ist er eine Leere, die sich plötzlich inmitten der<br />
bekannten Welt auftut. (Lenk, S. 14)<br />
Durch die Verweigerung von den Repräsentationsnormen<br />
und der Ordnung der Tagwelt tritt dieser<br />
Überschuss an Ausdruck hervor. Dem fundament-<br />
alen Bedürfnis nach Formlosigkeit wird stattgegeben,<br />
da <strong>Traum</strong>arbeit nicht denkt, rechnet oder<br />
urteilt, sondern sich darauf beschränkt, umzuformen<br />
in einer zeitgleichen Bildung und Entstellung, die<br />
den Verlust von Form bedeutet. Entgegen dem<br />
Bedürfnis nach Sicherheit, Berechenbarkeit, unzweideutiger<br />
Faktizität und Zurechnungsfähigkeit wird<br />
dort all dem Ausdruck verschafft, was in der Aussenwelt<br />
keine Spuren hinterlassen hat. Im <strong>Traum</strong><br />
gibt es kein Subjekt, weil die Subjektivität überall ist.<br />
Das Ich ist aufgelöst und an seiner Stelle bewegt<br />
sich eine mimetische Vielheit. Es gibt nicht das eine<br />
Ich, sondern allen Personen und sogar den Dingen<br />
wird Subjektivität geliehen. Im <strong>Traum</strong> findet eine<br />
Depersonalisation statt, in der das Ich-Gefühl des<br />
Träumenden unsicher und diffus ist, ununterbrochen<br />
in wandelnder Abfolge in verschiedene Einzel-Ichs<br />
zerfällt oder sich mit anderen Personen zu einer<br />
Misch-Identität verbinden kann. Im <strong>Traum</strong> gibt es<br />
keine einheitlichen, konstituierten, verantwortlichen<br />
Personen. Die Repräsentation von Identität und<br />
die Illusion eines autonomen, abgeschlossenen Sub-<br />
jekts, welche bei Tage aufrecht zu halten versucht<br />
wird, zerfällt. Die Unmöglichkeit des Ausdrucks<br />
von Einheit ermöglicht die Begegnung mit den<br />
«Nicht-Identischen».<br />
Als «phantasmatischer Ort des Unbewussten» wird<br />
der <strong>Traum</strong> häufig mit dem Dispositiv des Theaters<br />
verglichen. Der <strong>Traum</strong> ereignet sich «eingerahmt<br />
wie der Schauplatz einer Theateraufführung,<br />
während die Welt den realen Raum darstellt. Und<br />
<strong>als</strong> solcher ist der Ort des Phantasmas dem faszinierten<br />
Subjekt präsentiert, ein Schauplatz, auf<br />
dem in Erscheinung treten kann, was sich in der<br />
Welt nicht sagen lässt, ein Ort des Wissens, das sich<br />
nicht weiss.» (Pabst, S. 94) Das Theater erscheint<br />
hier <strong>als</strong> ein «fiktiver Nicht-Ort», an dem Abwesendes<br />
ansichtig wird und Nicht-Verfügbares vergegenwärtigt<br />
wird. In den Darstellungsstrategien der<br />
<strong>Traum</strong>arbeit wie in den Möglichkeiten der darstellenden<br />
Kunst lässt sich ein Vermögen mimetischer<br />
Prozesse betrachten, dem Nicht-Identischen,<br />
dem verdrängten Heterogenen und symptomatischen<br />
Ausdruck zu verleihen. Der Ereignischarakter<br />
und die Instabilität dieser Darstellungsform,<br />
ebenso wie die unvermeidliche wie konst-<br />
itutive Produktion von Bedeutungsüberschuss er-<br />
scheinen <strong>als</strong> Eigenschaften der <strong>Traum</strong>sprache, die<br />
auch dem Theater nicht fremd sind.<br />
Zitate und Anleihen<br />
Offensichtlich bedient sich der <strong>Traum</strong> Szenen aus<br />
dem Leben, Gelesenem und Filmen und baut diese<br />
in seine fiktive Handlung ein. Mimetisches Material<br />
wird geliehen und zitiert. Ebenso wie die handelnden<br />
Personen im <strong>Traum</strong> mimen. Gesten und Verhaltensweisen<br />
von real existierenden Personen werden<br />
geliehen: das Material des <strong>Traum</strong>es bezieht sich auf<br />
die Zeichenwelt der Realität und repräsentiert diese<br />
in uneindeutiger Form. Das Schauspielerische ist die<br />
Nichtübereinstimmung der Personen mit ihren Rol-<br />
len. Es besteht eine beschränkte Anzahl von Rollen,<br />
die jedoch von einer unbeschränkten Anzahl von<br />
Personen verkörpert werden können. Der Träumen-<br />
de spielt wechselnde Rollen, sieht sich <strong>als</strong> Teil der<br />
Figurenkonstellation aber auch <strong>als</strong> Aussenstehender,<br />
Betrachter oder Stellvertreter. Um stellvertretend<br />
in einer Situation alle Situationen – auch die zukünftigen<br />
– zum Ausdruck zu bringen, benutzt der<br />
<strong>Traum</strong> die Stilmittel der fortsetzenden Darstellung<br />
des Gleichen, des Aneinanderhängens und Überlagerns.<br />
Der <strong>Traum</strong> versucht zu stilisieren und zu<br />
typisieren. «Alltägliche Gesten und Dinge werden<br />
zu Metaphern für etwas nahe liegendes, Namenloses,<br />
das aber zugleich sehr fern ist. Die Worte des Postboten<br />
hallen wieder wie die Worte des Propheten.»<br />
(Lenk, S. 358) Während die Dinge im <strong>Traum</strong> einerseits<br />
in überzeichneter Deutlichkeit erscheinen,<br />
unterliegen sie doch der ständigen Verzerrung<br />
und Veränderung. Doppelgänger erscheinen, Orte<br />
geraten ins Wanken, Räume und Landschaften gehen<br />
ineinander über und man kann das Gefühl haben,<br />
innen und aussen gleichzeitig zu sein. Die Verwandtschaft<br />
vom <strong>Traum</strong> und Kunst könnte gerade<br />
auf dem Theater seine volle Entfaltung finden.<br />
In seiner Unmittelbarkeit wird im Austausch mit<br />
dem Publikum eine eigene Realität geschaffen<br />
die einen reinen Gegenwartscharakter hat. Ein mögliches<br />
«<strong>Traum</strong>-Theater» kann jedoch – entgegen<br />
dem klassischen Anspruch an das Theater – nur<br />
jenseits von der ästhetischen Vermittlung von<br />
Wahrheiten oder Bildungsgegenständen stattfinden.<br />
Jenseits von identischen Figuren, Original und<br />
Kopie. Jenseits von EINER Wahrheit, einer Geschichte,<br />
einer Story <strong>als</strong> Bezugspunkt, entgegen dem<br />
Verlangen nach Eindeutigkeit.<br />
Das Unsagbare erzählen<br />
<strong>Traum</strong>-Theater ist selbstreflexiv, es zeigt die Herstellung<br />
von Bedeutung und die Mechanismen<br />
von Sinnbildung und will darüber (hinaus) etwas<br />
erzählen. Durch die Mitarbeit der Zuschauenden<br />
kann auf dem <strong>Traum</strong>-Theater Unsagbares erzählt<br />
und nicht Repräsentierbares materialisiert werden.<br />
Vergleichbar mit den Versuchen der Erinnerung,<br />
Protokollierung und Deutung von Träumen bleibt<br />
eine eindeutige Benennung des Erlebten jedoch<br />
unmöglich. Die Nachahmung der Zeichenwelt der<br />
Realität passiert in undenkbaren Arten und Weisen:<br />
befreit von Glauben an die Repräsentation von<br />
«Originalen» Zeichen, Orten oder Situationen ist<br />
sie entstellende, verfremdende, überladene<br />
Heraufbeschwörung. Mehrdeutigkeit bedeutet<br />
die Zerstreuung des Inhalts, Freisetzung von Sinnassoziationen<br />
und die Verunmöglichung eindeutige<br />
Sinnbildung und Verortung des Abgebildeten.<br />
Jedes einzelne bekannte Zeichen wird mit anderen in<br />
Bezug gesetzt; neben und übereinandergestellt<br />
erzeugen sie etwas Neuerfundenes das Chronologie<br />
und Realität verlässt. Vergleichbar mit der «erweiterten<br />
Darstellbarkeit» des <strong>Traum</strong>s, wird die Repräsentation<br />
an einen Ort gebracht, «wo Tatsachen<br />
nicht mehr von Fiktionen unterschieden werden<br />
können, wo die Tatsachen ihrem Wesen nach fiktiv<br />
und die Fiktionen wirksam sind.» (Lenk, S. 156f )<br />
Figuren erscheinen <strong>als</strong> «nicht-identisch»: Darsteller<br />
wechseln unentwegt zwischen Rollenidentitäten<br />
und Haltungen // Kontinuitätsbrüche und Widersprüche<br />
werden zulässig: Szenen, Schilderungen<br />
die einander nicht entsprechen werden gleichwertig<br />
nebeneinandergestellt // Wiederholungen und<br />
Überlagerungen von Erzählebenen, Gleichzeitigkeit:<br />
Überforderung der Sinne durch Überlagerung<br />
auf allen Zeichenebenen // Scheinbar gleichartige<br />
Bilder, Bewegungsabläufe oder Erzählungen weisen<br />
Abweichungen auf // Stilisierung scheinbarer<br />
Nichtigkeiten, Herabwürdigung scheinbarer Wichtigkeiten...<br />
In solchen Szenarien werden überdeterminierte<br />
Zeichen und gleichzeitig Lücken, hergestellt, die den<br />
Zuschauern die selbständige Verknüpfung und die<br />
Imagination von Zusammenhängen ermöglichen.<br />
Die Bewegung der Repräsentation auf dem <strong>Traum</strong>-<br />
Theater kennzeichnen Brüche, Verdichtungen,<br />
Verschiebungen und Leerstellen, in denen es kein<br />
Subjekt und keine Eigenschaften gibt; sie münden<br />
in paradoxen Konstellationen, in denen Widersprüchliches<br />
miteinander gezeigt wird. Durch das<br />
aufgreifen, wiederholen, verfremden, ins Gegenteil<br />
verkehren von Zeichen entsteht ein Spiel zwischen<br />
Anwesenheit und Abwesenheit und Bedeutungsverschiebungen.<br />
Im Wechsel von Ähnlichkeit und<br />
Differenz entstehen Neukonstruktionen aus bisher<br />
nie in Zusammenhang gedachten Elementen.<br />
Gewissheit, Wahrheit und Anspruch auf Enthüllung<br />
fallen dem gemeinsam hergestellten Neuen allerdings<br />
gänzlich zum Opfer: Wenn man nämlich<br />
Theateraufführungen <strong>als</strong> «offener ästhetischer<br />
Systeme» begreift, bedeutet dies, sie nicht mehr im<br />
Wesen oder <strong>als</strong> Ganzes zu begreifen, das entschlüsselt<br />
werden kann, sondern <strong>als</strong> Materialangebot<br />
für den Zuschauenden. Die Arbeit der Bedeutungserzeugung<br />
wird über die Aufführung hinaus in<br />
den Kopf des Zuschauers verlängert, wo dann verschiedenste<br />
individuelle Interpretationen zulässig<br />
sind. Der Sicherheit einer klaren Erzählung be-<br />
raubt, tritt der Zuschauer aus seinen Konventionen<br />
hinaus und wird zugleich berührt und alleingelassen.<br />
Mehr einem <strong>Traum</strong> <strong>als</strong> einer Geschichte gegenübergestellt,<br />
bleibt es dem Zuschauer überlassen,<br />
die Lücken im Stück zu schliessen und sich selber<br />
eine Wirklichkeit zur <strong>Traum</strong>arbeit zu denken.<br />
Literatur:<br />
Lenk, Elisabeth, Die unbewusste Gesellschaft: über die<br />
mimetische Grundstruktur in der Literatur und im <strong>Traum</strong>,<br />
München, 1983<br />
Pabst, Manfred, «Der <strong>Traum</strong> <strong>als</strong> Text und Spielraum<br />
rhetorischer Figuren», in: ders., Bild – Sprache Subjekt:<br />
<strong>Traum</strong>texte und Diskurseffekte bei Freud, Lacan,<br />
Derrida, Beckett und Deleuze/Guattari, Würzburg,<br />
2004, S. 84-95<br />
<strong>Traum</strong> Theater<br />
—<br />
Anna K. Becker<br />
<strong>als</strong>o ebenfalls an dem umtriebigen Umschlagplatz, an<br />
dem Triebrepräsentanzen valable Verkleidungen<br />
suchen, teil. Nur steht sie gerade nicht für jene Subversion<br />
symbolischer Gesetze, die Ben Harper<br />
und seinen Sohn mit dem f<strong>als</strong>chen Prediger verbindet,<br />
sondern für einen entschiedenen Widerstand gegen<br />
die Verführung zum Gesetzesbruch. Zugleich folgt<br />
sie jener barmherzigen Empathie, die das harte<br />
Gesetz der symbolischen Ordnung mildert, in dem<br />
sie Grosszügigkeit, Hilfsbereitschaft und Gnade<br />
diesem entgegenhält. Vor allem fungiert sie <strong>als</strong> Vermittlerin<br />
zwischen jenem verdrängtem Wissen,<br />
das nach Ausdruck drängt, und dessen Transformation<br />
in lebbare, zukunftsträchtige Bildformeln,<br />
auf die der bewusste Blick der Alltagswelt seine<br />
Aufmerksamkeit ungeschont lenken darf.<br />
Wie der Wächter, der in Freuds Dramaturgie an der<br />
Schwelle zwischen dem Vorraum und dem Salon<br />
des Bewussten wacht, hält sie ihr Gewehr schussbereit<br />
auf ihrem Schoss und blickt auf ihren Kontrahenten.<br />
Dieser ist bereits über den Zaun geklettert<br />
und wartet vom Schein der Laterne erhellt darauf, in<br />
das Haus einzudringen. Auch diesmal wird das Erscheinen<br />
des nächtlichen Jägers von Charles Laughton<br />
inszeniert <strong>als</strong> wäre er auf einer inneren Leinwand<br />
aufgetaucht; nun aber auf der dieser nächtlichen<br />
Wächterin, die vor jeglichen Triebrepräsentanzen,<br />
die in f<strong>als</strong>cher Verkleidung in ihrem Blickfeld<br />
auftauchen, auf der Hut ist. Dem Lied, das Robert<br />
Mitchum zu singen begonnen hat, hört sie zuerst<br />
stillschweigend zu, während Laughton seine Kamera<br />
nahtlos an der fast regungslos verharrenden Lilian<br />
Gish vorbei fahren und über den Fensterrahmen<br />
gleiten lässt, <strong>als</strong> wäre das Glas eine durchlässige<br />
Grenze. Die Wächterin sehen wir im Profil.<br />
Ihr Oberkörper liegt ganz im Schatten, während das<br />
Licht ihren Schoss und die Waffe, die auf diesem<br />
ruht, beleuchtet. Den Jäger hingegen sehen wir fron-<br />
tal, konfrontiert er sie doch direkt mit seinem Ge-<br />
sicht. Im Stil des chiaroscuro beleuchtet Laughton es<br />
so, dass die linke Hälfte ganz im Licht, die rechte<br />
ganz im Dunklen liegt. Entscheidend ist, dass Rachel<br />
sowohl in eine intime Nähe zum Widersacher ein-<br />
willigt und zugleich eine Distanz entstehen lässt.<br />
Während der ersten Strophe von Powells Lied, sitzt<br />
sie ganz in ihrem Glauben versunken, <strong>als</strong> würde sie<br />
einem inneren Licht folgen. Dann erwidert sie in<br />
der zweiten Strophe seiner tiefen Stimme, indem sie<br />
seinem „leaning, leaning, leaning, on the Everlasting<br />
Arms“ mit ihrer helle Gegenstimme den Zusatz<br />
hinzufügt: „leaning on Jesus“.<br />
Zwischen den Harpers, die sich auf die Verführungen<br />
des Bösen einlassen, und dem nächtlichen Jäger,<br />
der ihre Schuld ausnutzt, um sein Unheil zu treiben,<br />
entpuppt der singende Stummfilmstar Lilian Gish<br />
sich somit <strong>als</strong> eine Figur des Dritten. Wachsam tritt<br />
sie mit der Figur des Bösen in Dialog, jedoch um<br />
diesen erfolgreich auszuschalten. Sie kann die Kinder<br />
nur vor weiteren Versuchungen schützen, indem sie<br />
deren Schuldfähigkeit weder verleugnet noch bestraft,<br />
sondern ihren Glauben an ein Licht am Ende<br />
der Nacht <strong>als</strong> Licht in der Nacht einsetzt. Dort<br />
kämpf sie resolut, zuerst mit ihrem Gesang und dann<br />
ihrem Gewehr, für eine Einsicht in die Realität<br />
innerer Dämonen, die, indem sie ans Licht gebracht<br />
auch verworfen werden können. Sie braucht die<br />
fantasmatische Erscheinung Powells, um jenes<br />
verborgene Wissen zu Tage treten zu lassen, das<br />
dessen ganzen Spuk ausgelöst hatte. In dem Augenblick,<br />
in dem eines der Mädchen mit ihrer Kerze<br />
zu Lilian Gish tritt und ihr Licht die Fensterscheibe<br />
von innen ausleuchtet, löst sich die Gestalt des nächt-<br />
lichen Jägers auf. Sofort bläst die Wächterin die<br />
Kerze aus, doch der Eindringling ist aus ihrem Blickfeld<br />
verschwunden; die kurzlebige Magie dieses<br />
Austausches erloschen. Wenige Minuten später wird<br />
der unliebsame Gast vor ihrer Küchentüre wieder<br />
auftauchen, die Phantasmagorie seiner Bedrohung<br />
in Realität zu überführen suchen und, von der<br />
Wächterin des Hauses angeschossen, in die Scheune<br />
flüchten, wo die Polizei ihn am nächsten Tag<br />
festnimmt.<br />
Diese unheimliche Figur, die aus der Nacht gekom-<br />
men war, wird darauf hin nach einer turbulenten<br />
Gerichtsverhandlung hingerichtet und der schillernde<br />
Spuk, mit dem diese dämonische Gestalt die Träume<br />
seiner Beute besetzt hat, ein Ende finden. Doch mit<br />
dieser Enthüllung ist Laughton‘s Night of the<br />
Hunter noch nicht an ihrem Ende angelangt. Es<br />
braucht, weil es um die produktive Transformation<br />
jener Denkbilder geht, die uns aus unserer kulturellen<br />
Vergangenheit ebenso heimsuchen wie die<br />
Schuld unserer Eltern, eine letzte Einstellung.<br />
In dieser hält Lilian Gish dem noir Märchen vom<br />
Kampf zwischen Gut und Böse, der sich auf der<br />
Kinoleinwand abgespielt hat, ihren <strong>Traum</strong> einer realisierten<br />
Demokratie entgegen; einer Welt der Ge-<br />
rechtigkeit, die erst noch im Sinne Jacques Derridas<br />
kommen wird. Hat sie mit ihrer Wache den nächtlichen<br />
Verführer ins Tagelicht überführt und seine<br />
Gefahr getilgt, hofft sie weiterhin auf eine zukünftige<br />
Erlösung von Leid. Diese kann jedoch nur kommen,<br />
wenn die Bedingungen dafür in einem steten Wettkampf<br />
gegen dämonische Versuchungen ausgehandelt<br />
werden. Dieser Prozess ist, wie das<br />
Nachdrängen des Unbewussten und seine Zurückdrängung<br />
aus dem Bewussten unaufhaltsam<br />
und stellt zugleich das Versprechen eines ebenso<br />
unabschliessbaren kulturellen Prozesses dar.<br />
Am Weihnachtsmorgen steht Lilian Gish in ihrer<br />
Küche, die an den Vorraum angrenzt. Sentimental<br />
und weise zugleich, blickt sie von ihrem Kochtopf<br />
auf, um dem Leid, das mit der Erbsünde in die<br />
Welt gekommen ist, ihr Vertrauen auf eine Gnade,<br />
die kommen wird, entgegen zu halten. Hatte sie<br />
am Anfang des Films <strong>als</strong> Nachtgeschichte von<br />
f<strong>als</strong>chen Propheten erzählt, vor denen man sich in<br />
Acht nehmen sollte, spricht sie nun nicht ihre<br />
Zöglingen an, sondern wendet sich direkt an uns.<br />
Nicht vor einer Versuchung will sie warnen, sondern<br />
der Widerstandskraft jener Abkömmlinge geden-<br />
ken, um deren Schutz sie ihren Herrn anruft: „God<br />
bless little children. You‘ld think the world would<br />
be ashamed to name such a day as Christmas for one<br />
of them and then go on in the same old way.“<br />
Dann blickt sie uns verklärt an und zieht uns in ihren<br />
Bann. „The wind blows, and the rains are cold,“<br />
versichert sie uns, „yet they abide and they endure.“<br />
Das stimmt auch für die Bilder, die auf eine Zukunft<br />
gerichtet aus der Vergangenheit in der Gegenwart<br />
stets neue Realisierungen erfahren.<br />
Ausschnitt aus: Elisabeth Bronfen: Kulturelle Effekte —<br />
Das Nachdrängen unserer Fantasiebilder<br />
Erschienen in: Muriel Gerstners Zu Bösen<br />
Häusern Gehen, 2007.
IN DREAMS<br />
WITH YOU<br />
I WALK<br />
IN DREAMS
«This is the Girl»<br />
Bemerkungen zu David Lynch’s<br />
«Mulholland Drive»<br />
—<br />
Geneviève Morel<br />
«Er träumte vom Mädchen mit den Goldaugen, wie die jungen,<br />
leidenschaftlichen Leute eben träumen. Das waren monströse<br />
Bilder, ungreifbare Bizarrheiten voller Licht, die unsichtbare<br />
Welten enthüllen, aber in immer unvollständiger Weise, weil<br />
ein dazwischen gehängter Schleier die Bedingungen des Sehens<br />
verändert.» Das Mädchen mit den Goldaugen,<br />
Honoré de Balzac (1835) 1<br />
«Während Sie träumen, kontrollieren Sie Ihren <strong>Traum</strong> nicht.<br />
Ich hingegen ziehe es vor, in eine von mir fabrizierte<br />
<strong>Traum</strong>welt einzutauchen, die ich gewählt habe und über die<br />
ich jegliche Kontrolle besitze…» David Lynch 2<br />
«This is the girl.» Welches Mädchen? Und wo ist es?<br />
«The girl is still missing». – «Cherchez la femme»,<br />
möchte man <strong>als</strong> Echo antworten auf diese Sätze, die<br />
im Film von verschiedenen, eher unheimlichen<br />
Figuren wiederholt werden, wie ein Schlüssel, der<br />
das Rätsel, das er lösen sollte, nur noch vertieft.<br />
David Lynchs letzter Film kommt zunächst daher<br />
<strong>als</strong> schöne Liebesgeschichte zwischen zwei<br />
Frauen, Betty (Naomi Watts) und Rita (Laura Elena<br />
Harring), wobei die Identität der letzteren von<br />
Anfang eine problematische ist. Betty kommt nach<br />
Hollywood, um ihr Glück zu versuchen, während<br />
Rita nach einem Autounfall, der sie vor einem mysteriösen<br />
Attentat rettete, das Gedächtnis verloren<br />
hat. Die eine sucht eine Identität <strong>als</strong> Schauspielerin,<br />
die andere hat die ihre von einem Plakat des Films<br />
Gilda entlehnt. Die erste, die Blondine, ist strahlend<br />
und der Zukunft zugewendet, die zweite, die<br />
Brünette, hat eine undurchsichtige Vergangenheit<br />
und sucht herauszufinden, wer sie ist. Als sie sich<br />
lieben, fragt die Blonde die Braune, ob sie «es» schon<br />
früher gemacht habe. «Ich weiss es nicht», antwortet<br />
die amnestische Rita. Als einziges könnte demnach<br />
die Liebe auf Gedächtnis und Identität verzichten,<br />
aber ist das wirklich so? Beunruhigende Zeichen<br />
mehren sich, <strong>als</strong> ob die wunderbare Oberfläche des<br />
hollywoodschen <strong>Traum</strong>es unzählige und unvorhersehbare<br />
Risse bekäme. So finden die beiden Spurensucherinnen<br />
z.B. bei einer gewissen Diane Selwyn<br />
die grausig verweste Leiche einer Frau in einem<br />
schwarzen Unterrock. Sie fragen sich, ob die mysteriöse<br />
und zerbrechliche Rita nicht vielleicht die Erinnerung<br />
an einen Mord verloren hat…<br />
The Straight Story<br />
Es geht H<strong>als</strong> über Kopf zu in der letzten halben<br />
Stunde des Films. Fassen wir zusammen: Ohne dass<br />
wir es wussten und sogar vor dem Filmtitel<br />
tauchen wir mit der Kamera und an der Stelle von<br />
Dianes Blick hinunter auf ein rotes Kopfkissen.<br />
Mit ihr haben wir lange geschlafen und geträumt.<br />
Der Zeitpunkt ihres Erwachens ist präzise festgehalten:<br />
ein insistierendes Klopfen an der Türe,<br />
und ein Cowboy, der zur Schlafenden im schwarzen<br />
Unterrock ironisch sagt: «Zeit, aufzuwachen,<br />
meine Schöne!» Und der Körper auf dem Bett<br />
verwandelt sich in einen Leichnam in Verwesung,<br />
denselben, den Betty und Rita gefunden hatten…<br />
Der <strong>Traum</strong> geht <strong>als</strong>o weiter. Aber das Klopfen wird<br />
immer lauter, und wir wachen mit der im Nachthemd<br />
auf dem roten Kopfkissen schlafenden Diane<br />
auf, genau dort, wo der geträumte Leichnam<br />
gelegen hatte.<br />
Der Alptraum der nun erwachten Diane geht<br />
weiter und steigert sich. Wie wir in der traumatischsten<br />
Szene des Films erfahren, ist die aus Deep<br />
River, Ontario stammende Diane Selwyn mit<br />
Hilfe der Erbschaft ihrer Tante Ruth nach Hollywood<br />
gekommen, die beim Film gearbeitet hatte.<br />
Den heissen Wunsch, Schauspielerin zu werden,<br />
hatte ein Jitterbug-Wettbewerb (akrobatischer<br />
Rock) geweckt, den sie gewonnen hatte (vergleiche<br />
die erste Einstellung mit den wild durcheinander<br />
wirbelnden und verdoppelten Tanzpaaren). Sie<br />
durfte für die Hauptrolle in The Silvia North Story<br />
vorsprechen, war aber nicht sehr gut, und Camilla<br />
Rhodes (die Rita des <strong>Traum</strong>s) bekam die Rolle –<br />
nicht ohne die Unterstützung der Mafia… Eine<br />
Romanze blühte zwischen den beiden Frauen auf,<br />
und es gelingt Camilla <strong>als</strong> dem Star, Diane kleine<br />
Rollen in den Filmen, in denen sie selbst spielt, zuzuschanzen.<br />
Aber die schöne Camilla ist unstet.<br />
Adam Kesher (Justin Theroux), ein junger geschiedener<br />
Regisseur, dessen luxuriöse Villa am<br />
Mulholland Drive auf Hollywood hinabblickt,<br />
verliebt sich in sie. Camilla bricht mit Diane. Sie lädt<br />
sie zum Verlobungsbankett ein (während dem<br />
Diane der Mutter von Adam (Ann Miller) ihre Lebensgeschichte<br />
erzählt) und macht sie nicht ohne<br />
einen gewissen Sadismus zur Zeugin ihrer neuen<br />
Liebe. Fast alle Figuren des Films sind an dem<br />
Fest anwesend, und diese traumatische Szene liefert<br />
die meisten Schlüssel für das Verständnis des<br />
Films. Trunken vor eifersüchtiger Wut und Rachgier<br />
heuert Diane in einem Winkie‘s einen Killer für<br />
den Mord an Camilla an: Die Übergabe eines<br />
flachen, blauen Schlüssels wird den Tod von Camilla<br />
signalisieren. Eben dieser Schlüssel liegt auf dem<br />
Tisch in jenem Zimmer, in dem Diane, im Morgenmantel<br />
und mit erloschenem Gesicht, eine Tasse<br />
Kaffee trinkt, um ihrem Alptraum zu entfliehen.<br />
Wir verstehen erst jetzt, dass der geheimnisvolle<br />
verweste Leichnam, den wir zweimal zu Gesicht<br />
bekamen, der von Rita-Camilla war, der die Verbrecherin<br />
im <strong>Traum</strong> heimsuchte. Camilla erscheint,<br />
aber es ist ihr stummer Geist, der die Mörderin<br />
besucht, deren Gesicht angesichts der Erscheinung<br />
die Fassung verliert. Dann erinnert sie sich an<br />
rezente Ereignisse: den Verrat, die Weigerung<br />
Camillas mit ihr zu schlafen, eine verzweifelte Masturbationsszene,<br />
das traumatische Verlobungsbankett,<br />
den Mordauftrag. Jetzt hebt das Klopfen an<br />
der Tür wieder an, und wir verstehen, dass es die<br />
Polizei ist, die sie sucht. Unter der Türe schlüpfen<br />
zwei kleine Gestalten durch: das charmante amerikanische<br />
«ödipale» Paar, die alten Leute vom Beginn<br />
des Films, die allerdings in recht bizarrer Weise<br />
lachten, nachdem sie im <strong>Traum</strong> Betty mit deren<br />
Hollywood-Träumen ermutigt hatten. Inzwischen<br />
haben sie sich in Erynnien der Tragödie verwandelt,<br />
die die blonde Verbrecherin wie die Vögel im<br />
gleichnamigen Film von Hitchcock attackieren.<br />
Diane tötet sich mit einer Revolverkugel auf ihrem<br />
roten Kopfkissen, am selben Ort, an dem ihr <strong>Traum</strong><br />
den Leichnam der toten Geliebten platziert hatte.<br />
Die Kehrseite des <strong>Traum</strong>s von Hollywood<br />
Der wunderbare <strong>Traum</strong>, in den wir vom Anfang des<br />
Films an bis zum Erwachen Dianes eingetaucht<br />
sind, wird vom Realen eingeholt, das ihn an zahlreichen<br />
Stellen löchert und ihn zunehmend überwältigt:<br />
Auch der Hollywood-<strong>Traum</strong> ist in seiner<br />
Kehrseite ein Alptraum. Das zweimalige, identische<br />
Erscheinen des Leichnams der jungen Frau in<br />
schwarzem Unterrock zeigt es direkt an. Überdies<br />
zieht das Tempo des Films nach der ersten Begegnung<br />
mit der Leiche stark an. Die zweite Begegnung<br />
liefert das letzte <strong>Traum</strong>bild vor dem Erwachen.<br />
Aber Lynch benützt andere Techniken seines Repertoires,<br />
um den Zuschauer in Angst zu versetzen,<br />
den er, ohne dass dieser es merkt, an die Stelle der<br />
verbrecherischen Diane gestellt hat, ähnlich wie<br />
in Lost Highway, welcher Film aus dem Blickwinkel<br />
eines schizophrenen Mörders gezeigt wurde.<br />
Wie ist nun dieser <strong>Traum</strong> verfertigt? Nach den<br />
besten freudschen Regeln. Er stellt einen Wunsch<br />
der Träumerin gemäss den klassischen Mechanismen<br />
der <strong>Traum</strong>arbeit, z. B. der Umkehrung ins Gegenteil,<br />
<strong>als</strong> erfüllt dar. Diane, die Mörderin, wird Betty,<br />
die die arme Rita-Camilla rettet, zuerst indem sie<br />
dank eines Verkehrsunfalls den geplanten Mordanschlag<br />
scheitern lässt, dann, indem sie die arme<br />
Rita in die Wohnung ihrer Tante – die sie im <strong>Traum</strong><br />
wieder belebt, aber auf Reisen geschickt hat – aufnimmt,<br />
schliesslich, indem sie Camilla zuliebe in<br />
gewisser Weise auf ihre Karriere verzichtet.<br />
Überdies ist Betty die begabte Schauspielerin (und<br />
nicht Camilla, die in der Wirklichkeit ein Star ist),<br />
Betty, welche die Hauptrolle bekommen hätte, wenn<br />
sich nicht die Mafia der Filmwelt eingemischt und<br />
sie selbst sich nicht für ihre Schöne geopfert hätte.<br />
Ihr hat Adam einen feurigen Blick zugeworfen kurz<br />
vor jenem Augenblick, in dem er Camilla begegnete.<br />
Adam, der in der Wirklichkeit über Diane triumphiert<br />
hat, wird im <strong>Traum</strong> besonders übel mitgespielt:<br />
Er wird in obszöner Weise durch seine Frau<br />
und einen «Putzer» zum Hahnrei gemacht, nachdem<br />
er ruiniert wurde und seinen eigenen Film verloren<br />
hatte. Dianes gequältes Gesicht ist im <strong>Traum</strong><br />
heiter und strahlend, während aus der zweideutigen<br />
Koketterie Camillas die rührende Verzweiflung<br />
der armen Rita wird. Vielleicht ist sie es ja, die Diane<br />
getötet hat, während es in Wirklichkeit umgekehrt<br />
ist. Und so weiter.<br />
Der <strong>Traum</strong> verwendet zahlreiche Verschiebungen<br />
und Verdichtungen. Wie im berühmten <strong>Traum</strong>beispiel<br />
des «Wolfsmannes» bei Freud bricht er die<br />
Elemente einer traumatischen Szene auf, verformt<br />
sie und verteilt sie neu auf ein engmaschiges Verweisgitter<br />
– eine Szene, die ihm vorausgeht und<br />
ihn determiniert, hier diejenige der Verlobung. Aus<br />
dem flachen blauen Schlüssel des Todes wird ein<br />
dreieckiger blauer Schlüssel, der Ritas Geheimnis<br />
birgt (aber der an das Mordgeld geknüpft bleibt,<br />
nur dass man im <strong>Traum</strong> nie erfährt, wozu dieses<br />
Geld diente). Adams Mutter wird zu Bettys Vermieterin;<br />
der Mordanschlag (der im <strong>Traum</strong> fehlschlägt)<br />
findet auf derselben Strasse, Mulholland<br />
Drive, statt, an der Camilla Diane eine Falle stellte,<br />
indem sie sie mit zärtlichen Worten glauben machte,<br />
sie habe eine Überraschung für sie, während sie<br />
Diane tatsächlich zur Zeugin ihrer Verlobung machen<br />
wollte; die Szene im Auto nimmt Wort für<br />
Wort, Bild für Bild jene von Diane, die zum Verlobungsbankett<br />
unterwegs ist, auf. Fast alle Figuren<br />
des vorangegangenen <strong>Traum</strong>s sind in der Bankettszene<br />
oder in der folgenden (derjenigen des Mordauftrags)<br />
in den Hintergrund verschoben: der<br />
Cowboy, der Adam bedroht, der italienische Mafioso;<br />
man hört Camillas Stimme, die Spanisch spricht<br />
und versteht, dass Camilla tatsächlich dank der Mafia<br />
die Rolle bekam; man sieht eine andere Geliebte<br />
von Camilla, die zur «Camilla» des <strong>Traum</strong>s wird;<br />
Diane tauscht im <strong>Traum</strong> ihren Vornamen mit der<br />
Kellnerin im Winkie‘s, usw.<br />
So entsteht für den Zuschauer der Eindruck<br />
eines kontinuierlichen «déjà vu» und «déjà entendu»,<br />
was das Rätsel verstärkt, da man den Schlüssel zu<br />
dessen Lösung noch nicht besitzt. Das andauernde<br />
detailreiche Verweisen der Bedeutung eines Begriffs<br />
auf einen anderen erzeugt eine besondere Form<br />
des Sinnversagens. Der Sinn ist da, entgleitet uns<br />
aber ständig durch sein Anspielen auf eine Wahrheit,<br />
die sich metonymisch 3 entzieht. Jede Szene steckt<br />
voller Bedeutungen, und man langweilt sich nicht<br />
eine Sekunde, weil man sie lokal versteht in einem<br />
autonomen Verweissystem, aber das Mosaik der<br />
Szenen löst sich nachträglich auf, um sich neu<br />
zusammenzusetzen, sodass ein neuer, umfassender<br />
Sinn entsteht: das Schwindel erregende Produkt<br />
der Entzifferung, zu der dieser Film zwingt.<br />
Nun können wir das beinah perfekte Ineinanderpassen<br />
aller Details, das auf ein bewusstes Kalkül<br />
des Regisseurs zurückzugehen scheint, überprüfen.<br />
Zu mindest hat er diesen Eindruck erzielt, indem er<br />
zehn zentrale Fragen stellt, die sich auf anscheinend<br />
beiläufige Objekte und Details beziehen: die<br />
Kaffeetasse, den Aschenbecher, die Jalousie, den<br />
Filmtitel, den Vorspann usw. Das eindrückliche Einpassen<br />
dieser signifikanten Details ist es, das zugleich<br />
das Gefühl einer äusserst bewussten Kohärenz<br />
und das hartnäckige Gefühl eines Rätsels vermittelt,<br />
denn wenn man den Film nur einmal betrachtet ist<br />
es schwierig, all den Verschiebungen zu folgen. Wie<br />
es David Lynch ausdrückt: «Wenn man nur einen<br />
Teil sieht, ist das häufig schlimmer <strong>als</strong> wenn man das<br />
Ganze sieht. Das Ganze hat vielleicht eine Logik,<br />
aber ausserhalb seines Kontextes erhält das Fragment<br />
einen schrecklichen, abstrakten Wert. Das kann zur<br />
Obsession werden.»<br />
Nach dem, was man von der Geschichte des Films<br />
weiss, wurde er zuerst <strong>als</strong> eine vieldeutige Fernsehserie<br />
wie Twin Peaks konzipiert für den Sender<br />
ABC, der dann die Zustimmung zur Ausstrahlung<br />
verweigerte. (Dürfen wir ein Echo darauf in den komischen<br />
Auseinandersetzungen Adams mit der Hollywood-Mafia<br />
sehen?) Der Film wurde von CanalPlus<br />
angekauft, und Lynch musste einen neuen Schluss<br />
erfinden. Es ist <strong>als</strong>o wahrscheinlich, dass der gedrängte<br />
Teil, der auf Dianes Erwachen folgt und der<br />
es erlaubt, ihren <strong>Traum</strong> zu «analysieren», in Tat<br />
und Wahrheit nachträglich konstruiert wurde, so wie<br />
jemand einen <strong>Traum</strong> in einer Analysesitzung nachträglich<br />
deutet.<br />
Das Seltsame und das Unheimliche<br />
Das Unheimliche im <strong>Traum</strong> [des Films] beruht<br />
zunächst auf einer leichten Akzentuierung einzelner<br />
Situationen, die uns ohne momentan ersichtlichen<br />
Grund beunruhigen. So kippt das Lachen des freundlichen<br />
amerikanischen Paares, das sich die Hände<br />
reibt und sich auf die Knie klopft, kaum wahrnehmbar<br />
ins Zynische. Die beiden werden in Dianes<br />
halluzinatorische Wirklichkeit zurückkehren und<br />
die ob ihrer Tat in eine Melancholie Gefallene<br />
schliesslich in den Suizid treiben. Vorher sah man<br />
sie flüchtig an der Seite des Mannes hinter dem<br />
Winkie‘s im Augenblick, <strong>als</strong> Diane den Mord an<br />
ihrer Geliebten in Auftrag gab. Die Szene, die Betty<br />
anlässlich ihres Vorsprechens spielt, eine Liebesszene<br />
mit einer Todesdrohung, ist allzu gut gespielt.<br />
Wie Michel Chion 4 bemerkt hat, wird sie mit einem<br />
rätselhaften Satz des Regisseurs eingeführt, der<br />
uns lächert: «Don’t play it for real, until it gets real».<br />
(Spiel es nicht <strong>als</strong> wirklich, bevor es nicht wirklich<br />
wird.) Und der Satz ist tatsächlich Programm für<br />
den Film, in dem die Grenze zwischen Schein<br />
und Wirklichkeit sich unablässig manifestiert und<br />
den Träumer zu neuen Bedeutungsanpassungen<br />
auffordert, wenn er weiterschlafen will. Das Reale<br />
wird deshalb im Text durch seine «Tock»-artige<br />
Seite [Klopfgeräusch] wie farbig markiert und gegenüber<br />
dem <strong>Traum</strong>bild, das die Banalität der<br />
Wirklichkeit imitiert, durch seine vergrösserten<br />
Lettern enthüllt.<br />
Beunruhigend wirkt auch, dass Szenen wie eigenständige<br />
Sketches dazwischen geschoben sind,<br />
die im Augenblick, in dem wir sie sehen, in keiner<br />
nachvollziehbaren Weise verbunden scheinen. Sie<br />
wirken fantastisch, weil wir nicht wissen, dass wir<br />
träumen. Manchmal handelt es sich um Seitenbemerkungen<br />
zwischen Nebenfiguren, die sich nur<br />
schwer in den Erzählfaden des Films einordnen<br />
lassen. So bei der ersten Szene im Winkie ’s-Restaurant.<br />
Ein Mann nimmt einen Freund dorthin mit,<br />
um ihm einen <strong>Traum</strong> zu erzählen, der ihn dort<br />
zweimal mit einem schrecklichen Bild konfrontierte.<br />
Er will eine Art kathartische Therapie unternehmen.<br />
Als die beiden den erwähnten Ort aufsuchen, taucht<br />
das erschreckende Gesicht in der Wirklichkeit auf<br />
und der Mann stirbt, oder wird zumindest ohnmächtig.<br />
Diese Szene kündigt an, was im Film geschehen<br />
wird: Betty stösst zwei Mal im <strong>Traum</strong><br />
auf die unkenntliche Leiche Camillas, bevor sie sich<br />
an eben der Stelle den Tod gibt, an der sie sie<br />
gesehen hat – in ihrem Bett. Andererseits ist diese<br />
erste Winkie’s-Szene eine Umsetzung jener Szene,<br />
in der der Mord in Auftrag gegeben wird und in der<br />
Diane ganz zufällig mit eben jenem Mann im Restaurant<br />
einen Blick gewechselt hat. Der Blick des<br />
Todes war <strong>als</strong>o tatsächlich da, anwesend im Realen<br />
und verkörpert im schwarzen und unkenntlichen Gesicht<br />
des Clochards (dem Abfall von Hollywood?),<br />
den man nach dem Tode Dianes flüchtig durch die<br />
Leinwand hindurch erblickt.<br />
Ein weiteres Beispiel: der Cowboy. Die lächerliche<br />
Westernfigur, an deren Existenz Adam in<br />
Dianes <strong>Traum</strong> kaum glauben mag, ist eine Art<br />
Häscher oder Bote der Filmwelt-Mafia 5 , die Adam<br />
drängt, ihr «in seinem eigenen Interesse» zu<br />
gehorchen. Und er warnt ihn: «Wenn du richtig<br />
handelst (indem du Camilla für deinen Film<br />
wählst), wirst du mich noch einmal sehen, im andern<br />
Fall zwei mal.» Nun ist der Cowboy am Verlobungsbankett<br />
anwesend. Aus der Sicht der Träumerin<br />
(oder des Zuschauers) hätte Adam, der sich<br />
«gut» verhalten hat indem er Camilla <strong>als</strong> Schauspielerin<br />
und <strong>als</strong> Frau gewählt hat, den Cowboy ein<br />
einziges Mal gesehen. Dann erscheint der Cowboy<br />
ein zweites Mal (wenn man der wirklichen chronologischen<br />
Ordnung folgt, nach der das Bankett vor<br />
den <strong>Traum</strong> fällt) am Ende des <strong>Traum</strong>s, <strong>als</strong> er die tote<br />
Rita-Camilla ironisch weckt, wie wenn er von der<br />
Leiche sagen würde «This is the girl» (und das hast<br />
du aus ihr gemacht). Es ging <strong>als</strong>o um eine Warnung<br />
an die Adresse der Träumerin via der von ihr am<br />
meisten gehassten Person!<br />
All diese Punkte beunruhigen uns und weben<br />
ein Rätsel, das nur im Nachhinein gelöst werden<br />
kann. Dann «hebt sich fast aller Unsinn auf», um die<br />
berühmte Formulierung des Präsidenten Schreber<br />
abzuwandeln. Aber es existiert in diesem Film auch<br />
ein Jenseits-des-Sinns oder vielmehr ein anderes,<br />
nicht-semantisches Register: das des Triebs.<br />
Liebe und Todestrieb<br />
Tatsächlich ist ja der freudsche Trieb (pulsion) vom<br />
tierischen Instinkt (instinct) zu trennen, welch letzterer<br />
auf die Erhaltung der Art und die Fortpflanzung<br />
zielt. Sein Ziel ist eine an seine Quelle, die erogene<br />
Zone geknüpfte partielle Befriedigung, und nur dadurch<br />
hat er mit der Sexualität zu tun. Das auswechselbare<br />
Objekt des Triebs entlehnt seinen Namen von<br />
dieser Quelle: orales, anales Objekt, Stimme, Blick.<br />
Es wird in verschiedenen phantasmatischen Drehbüchern<br />
in Szene gesetzt, die unser Begehren verursachen,<br />
und dieses Objekt ist es, das wir – in<br />
unserem Sexualpartner und in mehr <strong>als</strong> ihm 6 –<br />
lieben. Man sieht es im Gebrauch verschiedener<br />
Metaphern der Liebesverzückung – «Ich fress dich<br />
auf» – oder in den Abgründen der Eifersucht –<br />
«Ich werde ihr die Augen auskratzen.» Es kann sogar<br />
geschehen, dass man das geliebte Objekt tötet,<br />
um ihm das Objekt des Geniessens zu entnehmen.<br />
Das geschieht etwa in den grossen psychotischen<br />
Verbrechen, in denen die erwähnten Metaphern Wirklichkeit<br />
werden. Eine der Funktionen des Phantasmas<br />
ist es, unsere Triebaktivität zu verschleiern, indem<br />
es unserem Geniessen einen Sinn verleiht. Wenn<br />
aber dieser Schleier zerreisst, taucht das Objekt im<br />
Realen auf <strong>als</strong> ein ausser-sinnliches Überbleibsel<br />
(un résidu hors-sens).<br />
Werfen wir einen Blick auf die Szene im Club<br />
Silencio, in welcher der <strong>Traum</strong> ins Fantastische<br />
kippt und die das Aufwachen auslöst. Der <strong>Traum</strong><br />
versucht, wie wir gesehen haben, die Träumerin<br />
ständig vom unerträglichen Realen abzulenken, indem<br />
er die Wirklichkeit mit einem idealisierenden<br />
Schleier zudeckt. Aber das Reale insistiert, und die<br />
beiden Heldinnen finden den verwesten Leichnam.<br />
Unmittelbar danach – und nicht zufälligerweise<br />
dann – findet die wunderbare Liebesszene zwischen<br />
den beiden Frauen statt, durch die das Reale erneut<br />
mit einem phantasmatischen Schleier zugedeckt<br />
wird. Wir dürfen den sexuellen Akt, zart, lustvoll<br />
und sentimental wie er ist, <strong>als</strong> den Gipfel des Phantasmas<br />
im <strong>Traum</strong> sehen. Und was stellt dieses<br />
Phantasma dar? Den vollkommenen Bezug (le<br />
rapport parfait) zwischen der Heldin Betty-Diane<br />
und ihrem Idealich, dem Hollywood-Star Rita-<br />
Gilda. Und was geschieht unmittelbar danach im<br />
Club Silencio? Da diese Szene ihrerseits auf die Liebesszene<br />
folgt, darf man logischerweise eine<br />
Wiederkehr des Realen erwarten. Und tatsächlich<br />
beginnt Rita unmittelbar nach dem Liebesakt<br />
das Gedächtnis wieder zu finden in einer andern<br />
Sprache, dem Spanischen. Würde sie es gänzlich<br />
wiederfinden, wüsste sie, dass sie tot ist, und würde<br />
das Reale unabwendbar existieren. So versucht<br />
denn der <strong>Traum</strong> noch einen letzten Umweg: silencio<br />
– ist das nicht in Tat und Wahrheit das Schweigen<br />
des Todes? Aber es ist auch ein Club, in dem<br />
ein schönes Liebeslied gesungen wird, «llorando»<br />
(«Weinend»), bei welchem eine Frau auf der Bühne<br />
aus Liebe stirbt. Es ist der Ort, an dem man, wie<br />
in anderen Filmen von David Lynch, die Musik und<br />
dann die Stimme vom Körper, der sie verursacht,<br />
sich lösen sieht. Ein beunruhigender Effekt, der uns<br />
zeigt, dass alles ohne uns weitergehen kann, <strong>als</strong><br />
Aufzeichnung, auch wenn wir tot sind (wie Camilla-<br />
Rita, die in der Erinnerung der Träumerin schemenhaft<br />
fortlebt). Ist es das, was einen «materialistischen»<br />
Glauben an ein Fortleben nach dem Tod<br />
stützt? Wie weit geht übrigens dieser Glaube bei<br />
Lynch, der uns am Ende dieses Films, wie auch in<br />
Fire Walk With Me, das Aufsteigen der engelhaften
Gesichter der Toten zeigt, <strong>als</strong> ob er die Himmelfahrt<br />
ihrer entrückten Seelen darstellte? Als ob das Reale<br />
des Todes letztlich undarstellbar bliebe und nur<br />
durch halluzinatorische Visionen eines Jenseits<br />
evoziert werden könnte.<br />
Und ist es in diesem Auseinandernehmen von<br />
Stimme und Leib im Club Silencio nicht der Trieb,<br />
der freigelegt wird? Der Trieb, der letztendlich<br />
die Körper animierte, die sich in einem Liebesakt<br />
umarmten, der sie mit Hilfe der Leidenschaft<br />
zum Tode führen wird? Die tödliche Stütze des<br />
Triebs wird im Club Silencio in Szene gesetzt,<br />
Freuds Todestrieb, hier durch eines der Objekte a<br />
umhüllt, die Stimme. Auch der Blick ist involviert,<br />
<strong>als</strong> Betty von heftigen Schluchzern geschüttelt<br />
wird. Sie ist so ausser sich, wie sie es nach ihrem<br />
Erwachen sein wird, im Augenblick in dem sie die<br />
halluzinierte Vision von Camilla haben wird, die<br />
sie schweigend betrachtet. Geschüttelt von Kummer,<br />
Reue, Schuldgefühlen – das Gespenst wird sie nie<br />
mehr verlassen. Im Club Silencio kann man <strong>als</strong>o von<br />
einem Auftauchen des Realen des Triebs sprechen,<br />
durch das Phantasma der Träumerin hindurch,<br />
während der imaginäre Schleier bis zum Zerreissen<br />
aufgespannt wird in der idealen Liebesszene mit<br />
Rita. Sicher nicht zufällig zeigt uns Lynch ein Verletztwerden<br />
des Phantasmas durch eben den Blick<br />
und die Stimme: Sind nicht sie jene Triebobjekte,<br />
die der Filmemacher zu bändigen sucht, auf dass er<br />
nicht ihre Beute werde?<br />
Der heterosexuelle Tanz und<br />
die weibliche Liebe ohne Schein<br />
Von da an lässt das Reale die Träumerin nicht mehr<br />
los. Die imaginäre Betty verschwindet in jenem<br />
Augenblick, in dem die leere blaue Box mit dem dreieckigen<br />
blauen Schlüssel geöffnet wird – unnützer<br />
Weise, da das Reale schon lange da ist und der <strong>Traum</strong><br />
uns nicht mehr länger mit solchen Kunstgriffen<br />
ködern kann. Wir sind dank der Schachtel, die uns<br />
mit einem heftigen Wind ansaugt, dabei, auf jenen<br />
anderen Schauplatz hinüberzukippen, an dem der<br />
Tod nicht nur ein Schein ist. 7 Diese leere Box ist der<br />
Rahmen des Phantasmas, den man üblicherweise<br />
nicht sieht, obwohl man in ihn eingeschlossen ist und<br />
unser Leben sich darin abspielt, ohne unser Wissen.<br />
Das leere Bett vor dem Vorspann, das die ganze<br />
Geschichte umrahmt, ist eine andere Darstellung<br />
davon: Diane schläft dort, träumt dort, liebt dort,<br />
sieht dort die Leiche und nimmt sich dort das Leben.<br />
Raum und Zeit verformen sich, und es bleibt nur<br />
der Kadaver einer Frau im Bett, an jener Stelle, an<br />
der Diane aus ihrem <strong>Traum</strong> erwachen muss, um<br />
«wahrhaftig» zu sterben.<br />
Die Durchquerung des Phantasmas, das heisst<br />
das Zerreissen des imaginären Schleiers des Phantasmas<br />
durch das Reale des Geschlechts und des<br />
Todes – was, wie wir gesehen haben, schon während<br />
des <strong>Traum</strong>s, im Club Silencio beginnt –, setzt sich<br />
nach dem Erwachen unaufhaltsam fort. Diese Durchquerung<br />
wird durch verschiedene Kontraste dargestellt.<br />
Zuerst im Erscheinen des stummen Geistes<br />
der schönen und unverletzten Camilla, <strong>als</strong> Gegenüberstellung<br />
zum verwesten Leichnam. Dann durch<br />
den Kontrast zwischen dem bescheidenen Studio,<br />
in dem die Mörderin untertaucht und der luxuriösen<br />
Wohnung der Tante. Wir nehmen auch die Veränderung<br />
der Erscheinung von Diane wahr, die hässlicher<br />
wirkt und deren Gesicht hart und vor Angst<br />
verzerrt ist, ganz anders <strong>als</strong> die strahlende Betty.<br />
Der wichtigste Kontrast schliesslich ist der Stimmungswechsel<br />
in den Liebesszenen zwischen den<br />
Frauen. Im <strong>Traum</strong> prägen Zärtlichkeit und Lust die<br />
Liebesszene zwischen den beiden Frauen, während<br />
nach dem Erwachen die Szenen roh, krud sexuell<br />
und gewalttätig wirken – sowohl die Szene, in der<br />
Camilla Diane zurückweist, die beinah versuchte, sie<br />
zu vergewaltigen <strong>als</strong> auch die Szene, in der die<br />
verlassene Diane verzweifelt zu masturbieren versucht,<br />
angesichts ihres neuen Partners: der Cheminéewand,<br />
die pulsiert und uns unverstellt das Unmenschliche<br />
des Geniessens (jouissance) vor Augen<br />
führt. Eine These Lacans 8 besagt, dass die Schönheit<br />
der letzte Schleier vor dem Schrecken «des Dings»<br />
ist, in diesem Fall der Tod oder das Geschlecht.<br />
Dieser Schleier wurde zerrissen, <strong>als</strong> Rita nach dem<br />
Liebesakt im Schlaf (tot?) mit ihrer wiedergefundenen<br />
Stimme (aus dem Grab?) etwas sagte:<br />
«silencio». Von da an bricht der Schrecken des an<br />
den Tod geknüpften Geschlechts in die Szene ein.<br />
Im Film sind die Beziehungen zwischen<br />
Männern und Frauen immer von der Art der Inszenierung.<br />
Entweder werden sie an einem Drehort<br />
gefilmt, oder es handelt sich um Scheinhaftes, das<br />
Reales produziert: so die Szene zwischen Adam und<br />
Camilla, die ihrer Folgen wegen ins Reale kippt<br />
und die auf die andere «allzu gut gespielte Szene»<br />
verweist («don’t play it for real…» ), in der Betty<br />
vom alten Schauspieler umarmt wird. Oder man<br />
sieht sie «in der Wirklichkeit», wie in der Bankettszene,<br />
in der Camilla <strong>als</strong> echter Blickfang mit<br />
Adam wie ein Star posiert, unter den erst verzweifelten,<br />
dann mörderischen Blicken Dianes <strong>als</strong><br />
dem Äquivalent der Kamera. In beiden Fällen haben<br />
sie nichts Intimes und werden von Schauspielern<br />
gespielt, die gesehen werden wollen. Ein Schein der<br />
durch den gesellschaftlichen Code festgelegten Beziehungen<br />
zwischen Männern und Frauen, deren<br />
Symbol der akrobatische Tanz ist, in dem sich Diane<br />
<strong>als</strong> lächerliche Siegerin erwiesen hat, der aber<br />
zwischen Frauen nicht existiert.<br />
Denn was läuft ab zwischen Diane und Camilla?<br />
Die beiden weiblichen Figuren, auch wenn sie oft<br />
den Eindruck erwecken, die Plätze zu tauschen oder<br />
sich im <strong>Traum</strong> spiegelbildartig miteinander zu identifizieren<br />
9 haben keineswegs die selbe Position in diesem<br />
Film, der – das muss man hervorheben –<br />
alles andere <strong>als</strong> ein psychologischer Film ist, trotz<br />
der Anspielung auf Sunset Boulevard, der jenem<br />
psychologischen Hollywoodgenre zuzurechnen ist.<br />
Wenn Diane ein Subjekt ist, ist Camilla-Rita-<br />
Gilda ein schwer zu benennendes Objekt. Von ihr<br />
wissen wir nichts, ausser dass von ihr ein verwirrender<br />
Reiz ausgeht, der den Blick anzieht («she<br />
is trouble», wird David Lynch sagen 10 ). Jedenfalls<br />
wird nichts von dem, was eine reale Person ausmacht<br />
– Geschichte, Vergangenheit – sie je zu belasten<br />
wagen. Unveränderliches Bild eines unmenschlichen<br />
Stars mit explosivem Leihnamen – Gilda, die<br />
(sexuelle und nukleare) Bombe –, verkörpert sie für<br />
die adoleszente Diane Hollywoods stereotypen<br />
<strong>Traum</strong>. Noch <strong>als</strong> Geist bewahrt sie ihre erstarrte<br />
phantasmatische Schönheit – sie ist Dianes Idealich.<br />
Diane dagegen, an deren Stelle wir versetzt werden<br />
(nicht auf dem Weg einer Identifizierung, sondern<br />
durch rein technische Mittel, wie dort, wo wir mit<br />
der Kamera dem Kopfkissen entgegenstürzen), ist ein<br />
Subjekt, das eine Vergangenheit und eine (wenn<br />
auch summarische) Geschichte besitzt, das Fehler<br />
begeht, träumt, deliriert, leidet, mordet und sich<br />
tötet. Sie ist es, deren Schönheit zwischen ihrem Verbrechen<br />
und ihrem Selbstmord sich zersetzt und<br />
die von Reue zernagt wird.<br />
Aus der Sicht Lacans können wir hier die beiden<br />
Terme des Phantasmas situieren 11 : Diane ist das gespaltene<br />
Subjekt, während Camilla das das Begehren<br />
verursachende Objekt ist, «imaginisiert» durch die<br />
Schönheit ihres Starseins. Ihre verweste Leiche steht<br />
für das Objekt a <strong>als</strong> reales. Die Beziehung zwischen<br />
den beiden entspricht einem vereinfachten balzacschen<br />
Erzählmuster, wie in Das Mädchen mit den<br />
Goldaugen, wo die Eifersucht, die der Leidenschaft<br />
einer Frau für eine andere entspringt, durch keinen<br />
sozialen Schein gedämpft wird, der sonst die normierte<br />
Liebe zwischen Mann und Frau regelt.<br />
In jenem Roman erzeugt die gesellschaftlich nicht zu<br />
vermittelnde Beziehung zwischen den Frauen eine<br />
Gewalt ausserhalb jeglichen Gesetzes 12 , die zu einer<br />
brutalen und darüber hinaus ungestraften Opferung<br />
des Objekts führt. Lynch, darin moralischer, fügt die<br />
Polizei bei und ein melancholisches Ende. In diesem<br />
opfert sich das Subjekt selbst, verfolgt von einem<br />
grausamen und rachsüchtigen Überich, nach dem<br />
Verlust des Objekts, mit dem es sich identifiziert 13 .<br />
Der Film illustriert diese narzisstische Identifizierung<br />
im wichtigen Augenblick des Erwachens, den<br />
wir bereits kommentierten, dadurch, dass er die<br />
Leiche ihres Opfers, die sich immer weiter zersetzt,<br />
mit der in ihrem Bett schlafenden Diane ersetzt.<br />
Lynch spielt mit den Zeiten (vor dem Titel zeigte<br />
uns in einem Bild das zerwühlte Bett, in dem Diane<br />
sich töten wird, und nach dem Suizid sieht man in<br />
einem Kurzschliessen mit dem Anfang des Films,<br />
wie sich idealisierte Abbildungen der beiden Frauen<br />
formen, <strong>als</strong> ob diese nicht wirklich tot oder aber in<br />
einem Jenseits gewesen wären); er spielt mit den<br />
Räumen, zwischen denen Brücken existieren, die uns<br />
von einem zum andern geleiten; er spielt <strong>als</strong> Logiker<br />
mit möglichen Welten und parallelen Identitäten<br />
(da man sich auch nach all diesen Erklärungen immer<br />
noch fragen mag, wo nun das Reale und wo<br />
das Fiktive sei; wobei wir uns hier für die Lösung<br />
entschieden haben, das Reale auf Seiten des Unerträglichen,<br />
des Schlimmstmöglichen zu situieren, das<br />
<strong>Traum</strong> und Phantasma vergeblich zu maskieren<br />
versuchen). Lynch spielt mit den Zeichen und erzeugt<br />
Rätsel, zu denen er uns «Schlüssel» in die<br />
Hand gibt im buchstäblichen und im figürlichen Sinn<br />
des Wortes, um uns zum Deuten anzuregen und<br />
um den Zuschauer in einen Suchenden im gnostischhermetischen<br />
Sinne zu verwandeln. (Vgl. die verschiedenen<br />
blauen Schlüssel und all die Interpretationen<br />
die man über diesen Film anstellt, ähnlich<br />
wie über den Ulysses von Joyce). Lynch spielt mit<br />
dem Rahmen (und wenn die ganze Geschichte<br />
nur ein Film wäre, den ein geheimnisvoller «grosser<br />
Manitou», der Produzent, der Camilla fördern<br />
will, in Auftrag gegeben hätte?). Die Ränder des<br />
Rahmens – und das ist eine Konstante im Film – sind<br />
gleichzeitig präzise umrissen und können in unterschiedlichster<br />
Weise verschachtelt werden, was den<br />
Sinn in anscheinend widersprüchliche Richtungen<br />
auseinander laufen lässt, bevor man erkennt, dass<br />
diese Fäden sich zu einem präzisen Gewebe knüpfen<br />
lassen, das aber (wie im richtigen Leben) sehr<br />
lange offen bleibt. Michel Chion nennt «ciné-symphonique»<br />
dieses Genre, das Lynch in seinen letzten<br />
Filmen anstrebt 14 . David Lynch – und das hat<br />
Slavoj Žižek bemerkt 15 – ist ein Realist im Sinne<br />
Lacans: Er weiss, dass das Phantasma nicht<br />
die Macht besitzt, uns wirksam vor dem Realen in<br />
Schutz zu nehmen, aber dass seine schillernden<br />
Szenarien uns anzeigen, wo es zu finden sei: hinter<br />
einer Schranke, deren Schönheit den Schrecken<br />
nie vollkommen zu verschleiern vermag:<br />
«Just beneath the surface there’s another world, and<br />
still different worlds as you dig deeper. I knew it<br />
as a kid, but I couldn’t find the proof. It was just a<br />
feeling. There is goodness in blue skies and<br />
flowers, but another force – a wild pain and decay –<br />
<strong>als</strong>o accompanies everything.» 16<br />
Übersetzung von Dr. Dieter Sträuli,<br />
Psychologisches Institut, Universität Zürich<br />
Original: Geneviève Morel Morel: «This is the girl.» Note sur Mulholland<br />
Drive, de David Lynch (2001). In: Savoirs et clinique, Revue de Psychanalyse,<br />
2003/1 (Nr. 2: «Premiers amours»), Paris: Éditions érès, S. 79-87.<br />
www.cairn.info/revue-savoirs-et-cliniques-2003-1-page-79.htm<br />
Alle Rechte an der Übersetzung bleiben bei der<br />
Verfasserin Geneviève Morel.<br />
(1) Balzac H. de. (1996). Das Mädchen mit den Goldaugen,<br />
in: Geschichte der Dreizehn. Frankfurt: Insel.<br />
(2) Zitiert nach Michel Chion, David Lynch, Cahiers du<br />
cinéma, Collection auteurs, Paris, 1992, S. 229.<br />
(3) [Anm. des Übers.: metonymisch: d.h. entlang der<br />
Assoziationsketten]<br />
(4) »Mulholland Drive, Play it for real”, Positif Nr. 490,<br />
Dezember 2001, S. 80-82.<br />
(5) Der Cowboy, der die Befehle der die Filmwelt dominierenden<br />
Mafia ausführt, steht der Polizei gegenüber, die eine<br />
andere, gesetzliche Ordnung darstellt: die der Gesellschaft.<br />
Im Augenblick von Dianes Erwachen sieht man, dass sie parallel<br />
geschaltet sind wie Doppelgänger: Die Polizei löst in<br />
der Wirklichkeit mit ihrem Klopfen an der Tür den Cowboy<br />
ab, der im <strong>Traum</strong> klopfte. Die Mafia dagegen existiert nicht<br />
nur im <strong>Traum</strong>. Camillas in Spanisch gesprochener Satz am<br />
Bankett deutet es an, in dem sie protestiert, weil sie nicht mit<br />
Luigi (einem der Mafiosi) eine Reise nach Casablanca machen<br />
konnte, <strong>als</strong> gerade die Rede ist vom Film «The Sylvia North<br />
Story» und <strong>als</strong> zwischen Diane und ihr alles aus ist. Mit seiner<br />
Art eines lächerlichen Rächers im Dienste eines parallelen<br />
Gesetzes, das im Unbewussten von Diane den Ton angibt,<br />
könnte der Cowboy eine Darstellung des Überichs sein.<br />
(6) «Ich liebe Dich, weil aber, unerklärlich, ich in Dir etwas<br />
liebe, das mehr <strong>als</strong> Du – das Objekt klein a – muss ich Dich<br />
verstümmeln.» Lacan, Jacques. (1978). Das Seminar, Buch XI,<br />
Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse. Olten: Walter, S. 282.<br />
(7) Folgendermassen erklärt David Lynch sein Wechseln von<br />
der Malerei zum «Filme malen»: «Was mir fehlte wenn ich<br />
diese Bilder betrachtete, das war der Ton; ich erwartete, dass<br />
ein Geräusch, eine Art Wind vielleicht aus ihnen käme.<br />
Ich wolle auch, dass ihre Ränder verschwanden, ich wollte ihr<br />
Inneres betreten. Es war räumlich…» Und: «Wenn ich ansah,<br />
was ich gemacht hatte, hörte ich Geräusche. Wie das Blasen<br />
eines Windes. Und plötzlich sah ich es. Ich stellte mir eine<br />
Welt vor, in der die Gemälde in ständiger Bewegung waren<br />
[…]». Zitiert nach Michel Chion, op. cit., S. 19.<br />
(8) «[…] die Funktion der Schönheit […]: äusserste Schranke<br />
[zu sein], die den Zutritt zu einem Bezirk fundamentalen<br />
Schreckens versperrt….» Lacan, J., «Kant avec Sade», Écrits,<br />
Paris, Seuil, 1966, S. 776.<br />
(9) Zum Beispiel erkennt Rita in der Szene des Telefonanrufs<br />
an Diane Selwyn Bettys Stimme, ohne sie identifizieren zu<br />
können, und Betty scherzt über den Umstand, sich selber anzurufen.<br />
Dann ist da die Szene mit der blonden Perücke vor<br />
dem Spiegel. Schliesslich, düsterer, die Abfolge der wie tot in<br />
Dianes Bett schlafenden Camilla, der toten und verwesten<br />
Camilla und schliesslich sie selbst schlafend vor ihrem<br />
Erwachen.<br />
(10) «She’s not just in trouble – she is trouble.» Zitiert in<br />
Hughes D., The complete David Lynch, Virgin, London, 2001,<br />
S. 237.<br />
(11) Lacan schreibt sie <strong>als</strong> Beziehung des Subjekts<br />
(gebarrtes $) zum Objekt a.<br />
(12) In Das Mädchen mit den Goldaugen wird diese Verknüpfung<br />
der lesbischen Liebe mit dem Aussergesetzlichen<br />
von Balzac überschrieben durch die Nähe dieser Liebe zu<br />
einem Schwesterninzest, illegitimen Geburten und dem<br />
Verkauf der Tochter <strong>als</strong> Sklavin durch die Mutter. Daneben<br />
liegt in den sonnenhaften Augen der Paquita Valdès, dem<br />
Mädchen mit den Goldaugen, ein sowohl unendliches <strong>als</strong><br />
auch tödliches Geniessen.<br />
(13) Freud, S. (1916 -17 g). Trauer und Melancholie. G. W. 10,<br />
S. 428-446; Stud. 3, 193-212<br />
(14) Er charakterisiert es so: «Der Gebrauch von Kontrasten,<br />
die alles übertreffen, was bisher erlaubt war; ein Hervorheben<br />
von Brüchen in der generellen Struktur, statt diese zu<br />
übertuschen; ein Aufdrehen des Dolby-Sounds und seiner<br />
Kontrastmöglichkeiten; räumliche und akustische Kraft; und<br />
eine kühne Mischung der Töne und Atmosphären. Es bleibt<br />
natürlich sein Ehrgeiz, ein ausdrucksstarkes und wohl organisiertes<br />
Ganzes zu schaffen aus Elementen, die ihre Verstreutheit<br />
nicht verbergen. op. cit., p. 147.<br />
(15) Žižek, S., The art of the ridiculous sublime. On David<br />
Lynch’s Lost Highway, Walter Chapin Simpson Center for the<br />
Humanities, Seattle, 2000, S. 13.<br />
(16) «Gerade unter der Oberfläche liegt eine andere Welt, und<br />
immer weitere Welten, wenn man tiefer gräbt. Ich wusste es<br />
<strong>als</strong> Kind, konnte aber keinen Beweis dafür finden. Es war nur<br />
ein Gefühl. Im blauen Himmel und in Blumen liegt viel Gutes,<br />
aber auch eine andere Kraft – ein wilder Schmerz, Verwesung<br />
– begleitet alles.» Vgl. Hugues D., op. cit.<br />
Wake up<br />
—<br />
Etrit Hasler<br />
«Am Ende, sobald sich die Wörter erschöpft<br />
haben, werden wir sehen, was wirklich<br />
und nicht nur menschenmöglich ist.»<br />
(Günter Grass)<br />
Und du wachst auf, schweissgebadet, in ihren<br />
Armen und alles ist in Ordnung. Sie ist da.<br />
Du riechst ihre Haare, ihre Arme, ihren H<strong>als</strong>,<br />
um sicher zu gehen, aber sie ist da, sie wird<br />
nicht weggehen, das hat sie dir doch versprochen,<br />
auch wenn sie dich dann doch nicht<br />
ihren Eltern vorstellen wollte, das hat doch<br />
noch Zeit, sagte sie, und du hast immer gewusst,<br />
das ist nur eine billige Ausrede. Jeden Moment<br />
wirst du erwachen und dann ist das alles vorbei<br />
und deine Laken feucht so wie die Sintflut<br />
und deine Fantasie.<br />
Seit Jahren erwache ich wieder in einem komplett<br />
weissen Raum. «Ich finde mein Haus: leer.<br />
(…) Weiss in Weiss.» (Paul Klee) Die Wände<br />
sind kahl und leer, es ist kein freundliches Weiss.<br />
Ein schwarzer Adler tritt zu mir und hält mir<br />
einen Topf mit roter Farbe hin – es könnte Blut<br />
sein. Ich blicke ihn fragend an, denn ich weiss<br />
nicht, was ich mit der Farbe soll. Er sagt nur:<br />
«Dies ist die Halle deiner Vorfahren. Nimm<br />
dir was du brauchen kannst und lass verrotten,<br />
was nichts nützt.»<br />
Und draussen nebelt die Welt vor sich hin und<br />
geht den Bach runter - «Es ist immer derselbe<br />
<strong>Traum</strong>.» (Hermann Hesse) -, und du liegst auf<br />
deinem Sofa und rauchst dich zu Tode und<br />
starrst den Fensterrahmen an, weil du dich nicht<br />
mehr traust nach draussen zu blicken und da<br />
kleben noch die Briefmarken von dem Tag, <strong>als</strong><br />
du dich und deine Wohnung in die Karibik verschicken<br />
wolltest. Als dir der freundliche Postbeamte<br />
erklärte, wieviel dich dieses Paket kosten<br />
würde, bist du nach Hause gegangen und auf<br />
dein Sofa gelegen und hast dich in den Schlaf<br />
geweint.<br />
Mann, so einen Schlag hättest du dem magersüchtigen<br />
Ding nicht zugetraut, aber mit dem<br />
Gleichgewicht war das schon immer so eine<br />
Sache, sonst wärst du nicht hier, <strong>als</strong>o raffst du<br />
dich wieder auf und <strong>als</strong> du deinen Kopf wieder<br />
über die Theke hochgezogen hast, schaut<br />
sie dich tief an mit diesen grossen, verheulten<br />
Kuhaugen und sagt: «Na was ist, Ficker?<br />
Spendierst du mir nen Drink?» (Gwyneth<br />
Paltrow)<br />
Ich weiss, dass es einen Ort gibt, an dem alle<br />
Menschen wohnen, die mir je etwas bedeutet<br />
haben. Die ich je geliebt habe. «Die Nacht wächst<br />
wie eine schwarze Stadt» (Rilke). Es ist ein<br />
Hotel, ein riesiges Gebäude, das in seiner Form<br />
irgendwie an einen Lego-Achter erinnert, auf<br />
einem grünen Hügel, der sich Richtung Westen<br />
zu einem Strand schwingt. Ich liebe diesen Ort<br />
und wenn ich eine Weile nicht von ihm träume,<br />
werde ich von einer unvorstellbaren Melancholie<br />
erfasst. «I have seen the mermaids<br />
singing each to each – I do not think that they<br />
will sing to me.» (TS Eliot)<br />
Du steigst in eine Seifenkiste und fliegst durch<br />
die Bibliothek von Alexandria, zeigst mit<br />
dem Finger nach Leviathan und Tsunamiwellen,<br />
bis deinem bester Freund von einem Tyrannosaurus<br />
Rex der Arm abgerissen wird. Naja,<br />
nur halb so wild, hast du dir gedacht. Auch<br />
mit nur einer Hand bleibt er ein Wichser. Aus<br />
dem Grab hebt deine tote, verrottete, vergessene<br />
Mutter ihren Mahnfinger, «ich habs dir<br />
schon immer gesagt», und plötzlich fallen dir<br />
die Haare aus und dein Kreuz bricht entzwei.<br />
Das kommt vom vielen aufrecht gehen.<br />
Und du wachst auf und alles ist, wie es sein<br />
sollte, deine Augen brennen und das Radio<br />
dröhnt irgendwas von Baby und wenn du noch<br />
eine Arbeit hättest, wärst du schon wieder zu<br />
spät, aber du hast keine Arbeit mehr, du hast<br />
nur noch Träume und auch die sterben langsam<br />
aus. Das kommt vom Kiffen, hat dein Arzt gesagt<br />
- «Scheiss auf Ärzte», denkst du, während<br />
du dich an diesen unheimlichen <strong>Traum</strong><br />
erinnerst, auch wenn da nur noch ein paar<br />
Fetzen blond und Blowjobs übrig sind und aus<br />
purer Gewohnheit wandern deine Finger<br />
unter die Decke zu deinem Bauch und weiter -<br />
aber da ist nichts mehr, da ist nur noch ein<br />
Loch, und dann kommt es plötzlich alles zurück:<br />
Die Erinnerung...<br />
...dass es einen Moment gäbe, kurz vor dem<br />
Erwachen, in dem wir alles wüssten. Dieses<br />
Gefühl der Klarheit, das Gegenteil des<br />
Brechtschen «Der Vorhang zu und alle Fragen<br />
offen», hat jeder von uns schon erlebt – im<br />
<strong>Traum</strong> taucht es mit einer Regelmässigkeit auf,<br />
die beängstigend wirken kann: Was soll ich<br />
in der echten Welt, wo ich unwissend bin und<br />
unvollkommen? Ich schrieb mir Fragen auf,<br />
auf die ich dringend Antworten wollte. Dinge<br />
wie: Gibt es einen Gott? Was sind die Lottozahlen<br />
in der nächsten Ziehung? Wie kriege<br />
ich (...) ins Bett? Ich bin mir bis heute sicher,<br />
dass ich die Antworten darauf erhielt. Nur fand<br />
ich nie einen Weg, die Antworten mit mir zurückzubringen.<br />
Ausser diejenige, dass... «Das<br />
einzig Gute am Erinnern ist die Wundergabe,<br />
die Träume zu erwecken.» (Antonio Machado)<br />
bevor<br />
bevor<br />
Als ich heute die Augen öffnete, wollte ich dir<br />
von diesem <strong>Traum</strong> erzählen, den ich hatte.<br />
«...Und sie sagen, das Leben sein ein <strong>Traum</strong>: das<br />
nicht;» (Rilke) In dem wir zusammen alt<br />
geworden waren und auf einer Terasse, vielleicht<br />
der eines Hotels, Hand in Hand den Sonnenuntergang<br />
betrachteten. «Dann starben<br />
wir» (Douglas Coupland), zutiefst eins mit uns<br />
und der Welt. Dann fiel mir ein, dass du vor<br />
über einem Jahr ausgezogen bist.<br />
«Wer wirst du diese Nacht sein im dunklen<br />
<strong>Traum</strong>, auf der andern Seite der Wand?»<br />
(Jorge Luis Borges)<br />
Dreams are my<br />
reality<br />
—<br />
Esther Becker<br />
Dass Träume mehr sind <strong>als</strong> Schäume, dessen waren sich schon<br />
die alten Griechen sicher. In der Antike ging man davon<br />
aus, dass eine göttliche oder dämonische Quelle den Menschen<br />
die Träume schickten, <strong>als</strong> Botschaft, oder um sie in<br />
Versuchung zu führen. In der Psychoanalyse gelten Träume<br />
auf gewisse Art ebenfalls <strong>als</strong> Botschaft, allerdings nicht<br />
von einer Gottheit sondern vom eigenen Unterbewusstsein,<br />
salopp formuliert.<br />
Heutzutage bedarf es allerdings nicht zwangsläufig der<br />
Aufsuchung eines Heilers, noch der Aufsuchung einer<br />
Couch, um seine Träume deuten zu lassen: Ein paar Klicks<br />
genügen, um anhand des Geträumten mehr über sich<br />
oder sein Schicksal herauszufinden. Diverse <strong>Traum</strong>deutungswebsites<br />
bieten mittels online Lexikon eine schnelle Interpretation.<br />
Bis zu 9‘000 Begriffe können gesucht werden.<br />
Gibt man bei einer Seite sein Suchwort ein, erscheinen schön<br />
säuberlich sortiert die verschiedenen Bedeutungen: Assoziation<br />
und Fragestellung, Medizinrad, Allgemein, Psychologisch,<br />
Spirituell oder Volkstümlich (arabisch oder<br />
europäisch). Es gibt aber nicht zu allen Begriffen die<br />
Deutungen aus allen Quellen, nur den Popstars unter den<br />
Symbolen, wie z.B. der Schlange gebührt das ganze<br />
Spektrum. Das Haarshampoo zum Beispiel muss auf Assoziation<br />
und Fragestellung verzichten und wird nur<br />
psychologisch und europäisch volkstümlich gedeutet.<br />
«Deutung Starten» per Knopfdruck<br />
Bei einer anderen Seite kann man sogar seinen gesamten<br />
<strong>Traum</strong> <strong>als</strong> Fliesstext eingeben. Das Geschlecht des<br />
Träumenden muss angegeben werden, das Alter in dem<br />
geträumt wurde, sowie eine Kategorie, wie z.B. die Klassiker:<br />
Albtraum und erotischer <strong>Traum</strong>. Und auch spezifischer:<br />
Kollektiver <strong>Traum</strong>, Todesträume, Fallträume, Zahnträume<br />
und Schlangenträume. Wow, die Schlange hat es <strong>als</strong>o sogar<br />
zu einer eigenen Kategorie gebracht, die Arme wird ihr<br />
phallisches Image wohl nie abstreifen können (egal, wie oft<br />
sie sich häutet). Ich (weiblich) wage mich an einen Versuch<br />
und tippe einen alten (7-14 Jahre), <strong>Traum</strong> (Albtraum)<br />
ein, einen der wenigen an den ich mich immer noch gut<br />
erinnern kann: «Meine Schwester und ich sind allein zu<br />
Hause. Es gewittert. Wir schauen verbotenerweise Fernsehen,<br />
<strong>als</strong> ein Blitz einschlägt, und der Fernseher explodiert<br />
und das Haus in Brand setzt. Wir versuchen zu fliehen,<br />
doch vor jeder Tür oder jedem Fenster sind Monster.»<br />
Ich bin aufgefordert dem <strong>Traum</strong> einen Titel zu geben, mir<br />
fällt aber keiner ein. Und optional kann ich auch meine<br />
Emailadresse angeben. Mache ich aus Prinzip nicht. Ich<br />
klicke auf den «Deutung starten»-Button. Das Ergebnis lässt<br />
noch mehr sehr zu wünschen übrig, <strong>als</strong> erwartet. Ich zitiere:<br />
Einfache Deutung:<br />
Meine «Schwester = Eigenschaften, die einem verwandt sind,<br />
aber nicht voll akzepti» und ich sind «allein = sich abgespalten<br />
fühlen» zu Hause. Es «gewittert = unerwartete<br />
Veränderungen». Wir schauen verbotenerweise «Fernsehen<br />
= Angst vor dem Alleinsein», <strong>als</strong> ein «Blitz = unkontrollierbare<br />
Kräfte beeinflussen das Seelenleben» einschlägt, und<br />
der «Fernseher = Angst vor dem Alleinsein» «explodiert =<br />
hohe innere Spannung, Gereiztheit, Unruhe und Nervosität»<br />
und das «Haus = fleischlicher Körper» in «Brand = deutet oft<br />
eine geistig-seelische Krankheit» «setzt = Ruhe und Besonnenheit<br />
ist angesagt». Wir versuchen zu «fliehen = sich in<br />
eine Opferhaltung begeben», doch vor jeder «Tür = sich<br />
Zugang zu bestimmten Orten oder Räumen schaffen» oder<br />
jedem «Fenster = Einstellungen zum Leben und zu anderen<br />
Menschen» sind «Monster = animalischer Instinkt, die ungezügelte<br />
Triebhaftigkeit».<br />
Tja, was soll man dazu sagen? Ich frage mich, um welche<br />
geistig-seelische Krankheit es sich bei mir handeln mag, die<br />
mir prophezeit wird? Ok, das mit dem Fernsehen lasse ich<br />
gelten, aber sonst? Fehlt meiner Einstellung zum Leben die<br />
ungezügelte Triebhaftigkeit? Ach, hätte ich doch von einer<br />
Schlange geträumt! Mein <strong>Traum</strong> mitsamt Deutung ist übrigens<br />
auch für andere Besucher der Seite sichtbar. Genauso wie<br />
ich die Träume anderer lesen kann. Mal sehen... Es gibt Titel<br />
wie «Seele», «Berg hinauf», «Ex-Ehemann», «Kriechtiere»,<br />
«Busfahrt» oder «Mund voll mit Kaugummi». Tönt alles<br />
nicht sehr spektakulär, aber gut, meiner war ja auch nicht<br />
grad ein Knüller...<br />
PS: Das Symbol iPad wurde nicht gefunden<br />
Quellen: www.joakirsoft.de, www.traumdeuter.ch
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
Der Verein <strong>als</strong> Fiktion<br />
Alle wollen FIFA-Präsident Sepp Blatter an den Kragen:<br />
Seinen Job droht er in der Kampfwahl gegen den Katarer<br />
Mohammed bin Hammam zu verlieren – und jetzt droht<br />
ihm auch noch Unbill seitens der Stadt Zürich. Ein Postulat<br />
der AL verlangt, den (fast) steuerfreien Status des Millionenkonzerns<br />
zu verändern.<br />
Einsamkeit ist die beste Freundin der Macht.<br />
Joseph Blatter weiss das. Er hat es in den letzten<br />
36 Jahren, die er bei der Fifa verbrachte,<br />
lernen müssen: erst <strong>als</strong> Direktor, dann <strong>als</strong> Gener<strong>als</strong>ekretär<br />
und nun – seit zwölf Jahren –<br />
<strong>als</strong> Präsident des Weltfussballverbands.<br />
Je höher Blatter aufstieg, je mächtiger er wurde,<br />
desto kleiner wurde sein Kreis an echten<br />
Freunden. Zuletzt kehrte ihm ein langjähriger,<br />
enger Vertrauter den Rücken: Mohammed<br />
bin Hammam – Katarer, 61 Jahre alt, Präsident<br />
des asiatischen Fussballverbands. 1998 hatte<br />
er Blatter noch zur Wahl verholfen, indem<br />
er ihm wichtige Stimmen sicherte. Im Wahlkampf<br />
stellte bin Hammam seinem Freund<br />
sogar einen Privatjet zur Verfügung. Jetzt will<br />
der Katarer selber an die Macht: Mitte März<br />
kündigte Mohammed bin Hammam seine<br />
Kandidatur zur Wahl des Fifa-Präsidenten an.<br />
Blatter will aber selber noch eine letzte Amtszeit.<br />
«Gebt mir noch vier Jahre», hat er gesagt.<br />
Soviel Zeit brauche er noch, um seine<br />
Mission zu vollenden. Doch sein alter Weggefährte<br />
bin Hammam will davon nichts wissen.<br />
Blatter habe das schon 2002 gesagt; seither<br />
sind zwei Amtszeiten vergangen. «Es braucht<br />
den Wechsel, jetzt ist die Zeit reif», sagte bin<br />
Hammam kürzlich der «Süddeutschen Zeitung».<br />
Das vielsagende Interview machte klar,<br />
wie sehr die Freundschaft zwischen bin Hammam<br />
und König Sepp mittlerweile abgekühlt<br />
ist. Ein Tag bevor bin Hammam im März in<br />
Malaysia seine Kandidatur ankündigte, hatte<br />
Joseph Blatter um ein Gespräch gebeten.<br />
Wollte er ihn umstimmen? Ihm einen Kompromiss<br />
vorschlagen? Ich brauche noch vier<br />
Jahre, dann mache ich dich zum Präsidenten?<br />
Man weiss es nicht. Bin Hammam mochte sich<br />
die Zeit für ein Gespräch nicht nehmen. Er<br />
schüttelte Blatter ab wie einen lästigen Verkäufer.<br />
Der Terminvorschlag, so bin Hammam<br />
trocken, habe zeitlich einfach nicht gepasst.<br />
Ein fast gewöhnlicher<br />
Verein aus Zürich<br />
Blatter ist angeschlagen, sagen Insider. Einsam.<br />
Über dem Zenit. Bin Hammam hingegen<br />
träte nicht an, wüsste er nicht um seine Chancen.<br />
Die ständigen Korruptionsvorwürfe – zu-<br />
letzt Ende des vergangenen Jahres, kurz vor<br />
der Vergabe der Weltmeist erschaften 2018 und<br />
2022 nach Russland und Katar – kratzen am<br />
sauberen Image des Weltfussballverbands.<br />
Auf nationaler Ebene sind mehrere politische<br />
Vorstösse hängig, die der Korruption im Weltfussball<br />
ein Ende setzen wollen. Und jetzt wird<br />
Blatter auch noch in Zürich angegriffen, in seiner<br />
Wahlheimat, wo die Fifa ihren Hauptsitz<br />
hat: Die Zürcher Alternative Liste (AL) fordert,<br />
dass die Fifa mehr Steuern zahlt. Mitte<br />
April hat der Gemeinderat mit 75 zu 46 Stimmen<br />
ein Postulat der AL überwiesen, das vom<br />
Stadtrat Massnahmen verlangt, die Steuern<br />
des Weltfussballverbands «auf ein Niveau zu<br />
heben, das der Fifa <strong>als</strong> faktisch kommerzieller<br />
Grossorganisation entspricht».<br />
Die Fifa – ein fast gewöhnlicher Verein aus<br />
Zürich, von der Rechtsform nicht anders organisiert<br />
<strong>als</strong> ein Hasenzüchterverein aus Hintertuggen:<br />
Gemeinnützig, mit ideellem Wert,<br />
nicht gewinnorientiert. Allerdings unterscheidet<br />
sich die Fifa in einigen wenigen Punkten<br />
von anderen Vereinen: Zwischen 2007 und<br />
2010 erwirtschaftete die Fifa rund vier Milliarden<br />
US-Dollar, zahlte im vergangenen Jahr<br />
Boni in der Höhe von 32 Millionen US-Dollar<br />
und verfügt über ein Eigenkapital von über einer<br />
Milliarde. Wie der «Tages-Anzeiger» berechnete,<br />
müsste die Fifa über 40 Millionen<br />
Franken an Steuern zahlen. Tatsächlich zahlt<br />
sie nur knapp eine Million Franken.<br />
AL-Gemeinderat Niklaus Scherr: «Die Fifa<br />
weist nur gerade 4 Millionen Franken <strong>als</strong> Eigenkapital<br />
aus, die sie versteuert. Die restlichen<br />
1,2 Milliarden gelten <strong>als</strong> Rückstellungen<br />
– und sind damit steuerfrei.» Nach den Terroranschlägen<br />
vom 11. September 2001 hätten<br />
die Versicherungen, die Weltmeisterschaften<br />
nicht mehr versichern wollen. Deshalb mache<br />
die Fifa Rückstellungen, für den Fall, dass<br />
eine Weltmeisterschaft ausfalle. «Die Fifa gelangte<br />
daraufhin an die Zürcher Steuerbehörden<br />
und handelte eine Vereinbarung aus, so<br />
dass sie die Rückstellungen nicht versteuern<br />
muss.» Der Stadtrat prüft nun, ob man unter<br />
geltendem Recht die Summe der steuerfreien<br />
Rückstellungen neu verhandeln soll. Ein<br />
andere Möglichkeit wäre, die kommerziellen<br />
Teile der Fifa (Marketing, TV-Rechte, etc.) auszugliedern<br />
und regulär zu besteuern. «Die<br />
Fifa wurde 1932 zu Recht <strong>als</strong> Verein gegründet»,<br />
sagt Niklaus Scherr. «Aber heute ist das<br />
höchstens eine Fiktion. Sie ein internationales<br />
Grossunternehmen, das mit der Vermarktung<br />
von Rechten Millionen verdient. Wenigstens<br />
auf diesen Teil müsste die Fifa Steuern zahlen.»<br />
Die Lobby-Rechnung<br />
Die Fifa stellt das freilich etwas anders dar. Anfang<br />
Januar beschloss der Weltfussballverband<br />
angesichts der verschiedenen politischen Vorstösse,<br />
die Politiker in Bundesbern einzuseifen.<br />
Sie verschickte Einladungen für einen sogenannten<br />
«Informations-Kick-Off» an alle Parlamentarier:<br />
«Im Sport liegt die Wahrheit auf<br />
dem Platz», schrieb Joseph Blatter. «Im übertragenen<br />
Sinne bedeutet das für die Fifa: Es<br />
gibt kaum authentischere Informationen <strong>als</strong><br />
diejenigen aus erster Hand.» Mitte März kamen<br />
von den 246 angeschriebenen und 18 an-<br />
gemeldeten dann lediglich elf Politiker in den<br />
konspirativ-abgeschiedenen Salon Münz des<br />
Hotels Bellevue Palace in Bern. Die zwei Journalisten,<br />
die sich ungebeten unter die Politiker<br />
mischen wollten (allerdings etwas zu früh<br />
auftauchten und darum entdeckt wurden) bat<br />
man höflich, aber bestimmt, den Salon wieder<br />
zu verlassen und Fragen an die Fifa in Zukunft<br />
doch bitte an Pressekonferenzen zu stellen.<br />
Marco Villiger, der Direktor des Fifa-Rechtsdienstes,<br />
erklärte den Politikern, dass die Fifa<br />
dem Gemeinwesen weit mehr zukommen lasse<br />
<strong>als</strong> die eine Million an Steuern. Insgesamt fördere<br />
der Weltfussballverband die Wirtschaft im<br />
Kanton Zürich mit einem Beitrag von rund 35<br />
Millionen Franken.<br />
Die Lobby-Rechnung geht so: Die Fifa beschäftige<br />
(inklusive Partnerfirmen) 460 Mitarbeiter,<br />
die alle Steuern bezahlten. Zudem fördere<br />
der Weltfussballverband die Wirtschaft<br />
mit Hotelübernachtungen (6 Millionen Franken<br />
jährlich), Flügen (7,9 Millionen), persönlichen<br />
Ausgaben (1 Million), Lehrstellenverband<br />
(0,1 Million), dem Zoofest (0,1 Million)<br />
und dem Restaurantumsatz (0,4 Millionen).<br />
Ausserdem bezahle die Fifa 20 Millionen Franken<br />
für die Namensrechte des geplanten Fussballstadions<br />
in Zürich. Dazu Niklaus Scherr:<br />
«Wenn die Fifa 20 Millionen für Namensrechte<br />
aufwenden kann, wäre es nicht zu viel<br />
verlangt, wenn sie auch angemessen Steuern<br />
zahlen würde.»<br />
Text: Carlos Hanimann
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
Kaufen sie diese CD oder fahren<br />
sie allein zur Hölle!<br />
iWall<br />
Eine schon fast hauseigene Band hat ihr neustes Album<br />
vorgelegt – und mit ihm den Soundtrack, den anbrechenden<br />
Sommer zu verdüstern.<br />
Es ist ein seltenes Vergnügen, aber dafür ein<br />
umso heftigeres, wenn man von jemandem,<br />
der sich regelmässig auf dem Areal der <strong>Rote</strong>n<br />
<strong>Fabrik</strong> bewegt, eine neue CD in die Hand gedrückt<br />
bekommt. Nun, das ist in diesen Tagen<br />
gerade wieder einmal geschehen, <strong>als</strong> Son ov<br />
David, Sänger der Zürcher Gothic-Kultband<br />
Jesus and the Gurus [Anm. d. Red. Seinen richtigen<br />
Namen, so heisst es, dürften wir euch zwar<br />
schon verraten, nur dann müsste er uns töten<br />
– die Redaktion erfreut sich derzeit zu sehr an<br />
einem tollen Sommer, <strong>als</strong> dass sie dieses Risiko<br />
eingehen wollte] uns deren neustes Machwerk<br />
«Wut + Zorn = Revolution» überreichte.<br />
Nun, dass SoD Musiker war, dessen waren wir<br />
uns schon länger bewusst, das sieht man ihm ja<br />
auch schon von weitem an – wo genau wir den<br />
illustren Vogel jedoch zu verorten hätten, war<br />
uns weniger bewusst (Wer uns jetzt für zurückgebliebene<br />
Landeier hält, der soll das halt tun).<br />
Nun wissen wir es: Er ist ganz offensichtlich<br />
das uneheliche Kind von Stefan Ackermann<br />
(Das Ich) und Milan Fras (Laibach). Wem nun<br />
auch diese beiden Namen nichts sagen, der darf<br />
wahrscheinlich getrost darauf verzichten, sich<br />
«Wut + Zorn = Revolution» reinzuziehen –<br />
einfach auf das Risiko hin, dass er auf seinem<br />
Weg zur Hölle immer noch von ACDC begleitet<br />
wird.<br />
Bibelverbrennung und SM-Transen<br />
Jesus and the Gurus, die Kopfgeburt des Elektrokünstlers<br />
Gabriell M.M. aka Feldmarschall,<br />
tummeln sich schon seit den neunziger Jahren<br />
auf diversen Bühnen im In- und Ausland,<br />
von Spanien über Leipzig bis nach Polen, ihre<br />
Auftritte – sei das nun an der lokalen Fetischparty<br />
oder am WGT in Leipzig - meist eine<br />
wilde Theatershow aus Bibelverbrennungen,<br />
Transen- SM-Sex und Ritualen der Church of<br />
Satan, das ganze untermalt von ihren ganz eigenen<br />
Elektrometal-Klängen – die Qualität<br />
dieser Kombination, kombiniert mit ihrer martialischen<br />
Sprache (<strong>als</strong>o deutsch – das klingt<br />
fast immer nach Krieg) hat ihnen auch schon,<br />
ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Laibach,<br />
alle möglichen Vorwürfe der Boulevardpresse<br />
eingebracht, unter anderem, sie seien verkappte<br />
Nazis, Satanisten oder doch einfach V-Leute<br />
des Schweizer Geheimdienstes, unterwegs, die<br />
Subkultur Europas zu infiltrieren.<br />
Ihre neue Platte, erschienen letzten Monat auf<br />
dem deutschen Gothic-Label Black Rain, setzt<br />
sich da perfekt in die Reihe. Mit Sätzen wie<br />
«Geht die Wirtschaft in den Arsch/blasen wir zu<br />
Krieg und Marsch» oder ««Wir sind hier die Königsklasse/die<br />
gottverdammte Herrenrasse»<br />
haut das Trio mit der groben Kelle sehr viel<br />
konkreter nach politischen Themen, <strong>als</strong> man<br />
sich sonst aus der Gothic-Szene gewohnt ist,<br />
die meist mehr damit beschäftigt ist, wie ihren<br />
weissen Handschuhe und das Make-Up sitzen<br />
<strong>als</strong> politische Parolen zu schwingen.<br />
Natürlich bleibt das immer noch mehr impressionistisches<br />
Gemälde <strong>als</strong> konkreter Polit-<br />
Rock. Da passt die Coverversion des DDR-<br />
Oktoberklubsongs «Sag mir, wo du stehst» auch<br />
ganz gut ins Bild (ein echter Gassenhauer, übrigens).<br />
Aber es macht verdammt viel Spass, dazu<br />
seinen Kopf zu schütteln und seinen Körper<br />
ekstatisch in den des Nebenmanns zu schmeissen<br />
– garantiert.<br />
Jesus and the Gurus, «Wut + Zorn = Revolution»<br />
Black Rain Records, 2011<br />
Text: Etrit Hasler<br />
Anlässlich der neuen Verkaufszahlen denkt die Musikbranche<br />
wieder einmal laut über das Aussterben der CD nach. Und die<br />
FaZ macht sich darüber Gedanken, was deren Aussterben für<br />
unsere Innenarchitektur bedeuten könnte.<br />
Vor ziemlich genau 30 Jahren, am 15. April<br />
1981, präsentierte der Dirigient Herbert von<br />
Karajan anlässlich der Salzburger Festspiele<br />
der Weltöffentlichkeit das CD-System – dam<strong>als</strong><br />
eine kleine Sensation und seither aus unseren<br />
Leben kaum mehr wegzudenken. Heute<br />
verliert der Silberling gemäss aktuellen Statistiken<br />
immer mehr an Bedeutung und wird<br />
wohl in nicht allzu ferner Zukunft grösstenteils<br />
vom Musikmarkt verschwunden sein. Das<br />
ist nichts Neues - «Die Welt» veröffentlichte<br />
schon vor vier Jahren einen Nachruf anlässlich<br />
eines Prince-Konzertes, bei dem der Musiker<br />
seine CD den Besuchern schlicht verschenkte.<br />
Intimer <strong>als</strong> ein USB-Anschluss<br />
Nun ja, eine innige Liebesbeziehung hatten die<br />
CD und ich nie. Sie ist ein praktisches Medium<br />
für Musik, sie tönt ok und ist einigermassen<br />
haltbar. Sie lässt sich gut verstauen<br />
und braucht keine grosse Pflege. Doch richtig<br />
vermissen werde ich sie nicht. Genau so wenig<br />
wie ich den klobigen VHS-Kassetten oder den<br />
Laserdiscs oder dem Sony Walkman nachtraure.<br />
Positiv in Erinnerung bleiben wird mir<br />
die CD unter anderem, weil es eine Zeit gab,<br />
in der das Draufpacken von teils höchst skurrilen<br />
«Ghost Tracks» auf CDs ziemlich in Mode<br />
war. Auch <strong>als</strong> Geschenk machte sie sich ganz<br />
gut – sie jemandem in die Hand zu drücken<br />
mit einem freundlichen Lächeln ist doch etwas<br />
intimer <strong>als</strong> der Satz: «reich mir mal deinen<br />
USB-Eingang rüber, ich hab da was für dich».<br />
Bald gibt es Musik <strong>als</strong>o nur noch über Downloads.<br />
Oder Youtube. Ist halt so. Persönlich bevorzuge<br />
ich es zwar, Musik in irgend einer Form<br />
physisch zu besitzen, anderseits verfluche ich<br />
bei jeder Zügelaktion die Wand voller CDs, verstaut<br />
in «IKEA»-Ständern (was denn sonst),<br />
sieben an der Zahl sowie der Kisten voller<br />
Schallplatten. Ich bin eigentlich zu unsportlich,<br />
um Vinyl zu besitzen. Aber ich zügle doch bedeutend<br />
weniger, <strong>als</strong> dass ich Musik höre. Irgendwann<br />
läuft unser Musikkonsum wohl auf<br />
so ein unsägliches «Media-Center» hinaus. Es<br />
ist ja zwar nicht so, dass sich all meine bestehenden<br />
CDs, Schallplatten und Bücher auf<br />
einmal in Luft auflösen werden, nur werden<br />
wohl immer weniger neue in physischer Form<br />
dazukommen.<br />
Wohin mit all dem Platz?<br />
Aber immerhin spart man so Platz. Das klingt<br />
zwar toll. Aber: was sollen wir eigentlich mit<br />
dem ganzen Platz anstellen? Kommt die Renaissance<br />
der Wohnwand? Darf ich Sie bitten,<br />
mich dann zu erschiessen? Ein neuer Boom<br />
für Aquarien? Bitte ersäufen Sie mich darin.<br />
Noch grössere Fernseher? Irgendwann werden<br />
dann wohl die Türöffnungen das Limit für<br />
die Grösse sein. Oder werden die Wohnungen<br />
immer minimalistischer bestückt sein? Das<br />
würde mich etwas nervös machen. Wenn ich zu<br />
Besuch in einer fremden Wohnung bin, sind<br />
Musik-, Bücher- oder Filmsammlungen durchaus<br />
keine schlechten Indikatoren für den kulturellen<br />
Horizont der Bewohner dieser Räume<br />
und auch ein guter Ausgangspunkt für eine<br />
Gesprächseröffnung (oder eine schnelle Flucht).<br />
Natürlich kann man hier auch gut schummeln,<br />
so hat zum Beispiel der Chefredaktor dieser<br />
Zeitung nach eigener Aussage quasi ein offizielles,<br />
gut zugängliches und ein inoffizielles,<br />
verstecktes Bücherarchiv.<br />
Meine «Milli Vanilli»-Platten werden sie auch<br />
nicht so ohne weiteres finden. Nur, ein spartanisch<br />
dekorierter Raum mit irgendeinem<br />
«Touchscreen»-Dings gibt ihnen ja schon gar<br />
keine Anhaltspunkte. Plus bleibt der Charme<br />
allenfalls schon etwas auf der Strecke. Man<br />
stelle sich folgenden Dialog vor:<br />
«Darf ich deine Musiksammlung sehen?»<br />
«Moment, ich starte das «Media-Center».<br />
«Was liest du denn gerade so im Moment?»<br />
«Moment, ich starte das «Media-Center»<br />
«Irgendwelche guten Filme gesehen in letzter<br />
Zeit?»<br />
«Ein paar Urlaubsfotos?»<br />
«Klar, im «Media-Center.».<br />
Aber vermutlich denke ich hier wieder einmal<br />
in viel zu engen und konservativen Mustern.<br />
Ich bin ein einfaches Gemüt, ich mache<br />
Musik. Aber Apple wird es schon richten. Mit<br />
dem «iWall». Anstatt dieser kleinen popligen<br />
Bilderrahmen für Diashows werden dann die<br />
ganzen Wände einfach eine Projektionsfläche<br />
sein. Natürlich in 3D. Sie können dann aus verschiedensten<br />
Voreinstellungen wählen. Klicken<br />
sie auf «Musikliebhaber» und schon erscheinen<br />
wieder die schönen alten Gestelle, gefüllt<br />
mit den Schallplatten, die man <strong>als</strong> Musikkenner<br />
halt so hat. Zusammengestellt aufgrund der<br />
Daten, die Apple während der letzten Jahre<br />
halt so «gesammelt» hat.<br />
«Bücherrate»: Schwups, sind die Klassiker in<br />
ihren virtuellen Regalen.<br />
«Romantiker»: Und schon brennen die Kerzen<br />
und ein Chopin-Walzer rieselt auf sie<br />
nieder.<br />
«Künstler»: Ok, genug, Sie haben sicherlich<br />
schon längst eine Vorstellung bekommen.<br />
Und Sie können nebenbei jederzeit eine neue,<br />
der persönlichen Stimmung oder der angemessenen<br />
Selbstdarstellung entsprechenden<br />
Innenausrichtung wählen. Anfassen können<br />
Sie diese zwar nicht, aber abstauben müssen<br />
Sie dafür auch nicht mehr. Sie können natürlich<br />
auch einfach Ihr bestehendes Zeugs behalten,<br />
sie Technikverweigerer. Sie müssen dann<br />
auch solch komplizierte Wörter wie Komptabilitätsprobleme<br />
nicht weiter beachten. Wie Sie<br />
in ein paar Jahren allerdings zu neuen physischen<br />
Produkten kommen werden, darauf<br />
habe ich auch keine Antwort. Vielleicht ist die<br />
CD ja doch ganz ok. Und die Schallplatte lässt<br />
sich ja auch nicht totkriegen, warum sollte es<br />
mit der CD anders sein.<br />
Text: Silvan Lassauer<br />
[Anmerkung der Redaktionsleitung: Wir distanzieren<br />
uns zutiefst von der in diesem Text<br />
implizierten Aussage, wir hätten nicht das<br />
komplette Werk von Jacques Derrida, Noam<br />
Chomsky, die gesammelten Norton Anthologies<br />
of English & American Literature sowie<br />
sämtliche erhältlichen deutschen Lyrikanthologien,<br />
die etwas wert sind, gelesen und jederzeit<br />
zitierbar im Hinterkopf. Sowieso ist die Behauptung,<br />
in einer Wohnung mit einem solchen<br />
Saupuff könne ein einzelnes Büchergestell<br />
den ersten Schrecken der potentiellen BesucherInnen<br />
wieder wegbeeindrucken, offensichtlich<br />
Humbug. Ebenfalls distanziert sich<br />
die Redaktionsleitung natürlich von der soeben<br />
gemachten Aussage, in ihrer Wohnung<br />
herrsche ein Saupuff.]
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
hangman<br />
Tobias Hoffmann ist vielleicht der meistzitierte Poet<br />
der deutschsprachigen Slamszene. Kaum ein Slam<br />
im deutschsprachigen Raum geht über die Bühne,<br />
ohne dass irgendwo eine Zeile auftaucht, die auf ihn<br />
zurück geht. Also ist er vielleicht so etwas wie das<br />
Kontinentale Gegenstück zu Saul Williams. Auch<br />
wenn er ihm Unterschied zu diesem nie das Gefühl<br />
hatte, er müsse sich aktiv von der Szene lossagen,<br />
da dies schlecht für sein Image sein könnte. Und<br />
gut, im Unterschied zu Williams war er nie einer der<br />
grossen Abräumer, der Titel und Auszeichnungen<br />
gewann – vielleicht ist das auch der Grund, dass er<br />
so schön unprätentiös geblieben ist, auf und neben<br />
der Bühne.<br />
Doch genau wie Williams ist Hoffmann ein Autor,<br />
dessen Texte in einer Dichte daherkommen, dass<br />
man das Gefühl bekommt, wenn man ein Stück<br />
Kohle zwischen die Zeilen legen könnte, es wäre<br />
schon nach nur wenigen Stunden ein Diamant. So<br />
dicht, dass er es im Unterschied zu den meisten<br />
Slam Poeten nicht nötig hat, mithilfe eines aufgeregten<br />
Vortrags dieses Gefühl künstliche herzustellen.<br />
Ganz im Gegenteil: Seine bassige, fast abgelöschte<br />
Stimme trägt dem Zuhörer diese Wände<br />
an Sinn so angenehm langsam zu, <strong>als</strong> ob er sie<br />
überzeugen müssten, dass ihnen beim Aufprall<br />
nichts geschehen könnte.<br />
Von wegen. Mit «Hunger» legt Hoffmann eine der<br />
wenigen Spoken Word CDs im deutschsprachigen<br />
Raum vor, welche diesen Namen verdient – eine<br />
Versammlung von Hoffmanns besten Vortragstexten,<br />
unterlegt mit Musik. Wo sonst reine Hörbücher<br />
den Markt dominieren, wagt Hoffmann den Versuch,<br />
ein echt musikalisches Produkt in die Welt zu<br />
werfen – und im Unterschied zu all den gescheiterten<br />
Abstract HipHop-Produktionen oder Pianofahrstulrezitationen<br />
gelingt der Versuch. Natürlich hilft<br />
es, dass Hoffmann selbst auch Musiker ist – seine<br />
Band IRA ist in dem, was von Indie-Kreisen übrig<br />
geblieben ist, ein Geheimtipp –, so dass er zwischendurch<br />
nahtlos den Übergang von gesprochenem<br />
Wort zu Gesang findet, ohne dass den Zuhörer<br />
das Gefühl beschleicht, dass hier etwas erzwungen<br />
wurde.<br />
Gewöhnungsbedürftig mag das über weite Strecken<br />
immer noch sein. Doch in den intensivsten Momenten<br />
– wie z.B. bei Hoffmanns bestem Text «Geschichte<br />
wird gemacht» – entwickelt «Hunger» eine Kraft,<br />
die an die Einstürzenden Neubauten in ihren besten<br />
Zeiten erinnert – wäre Charles Bukowksi ihr Fronmann<br />
gewesen: «Der verwesende Charles Bronson<br />
flext Bob Marley den Schädel auf, pisst auf sein zugekifftes<br />
Hirn - Babylon liegt nicht in Jamaica, du<br />
naives Voodooarschloch!»<br />
Tobias Hoffmann, «Hunger»; Sprechstation Verlag<br />
IMpressum<br />
Katis welt<br />
<strong>Fabrik</strong>zeitung<br />
Seestrasse 395<br />
Postfach 1073<br />
8038 Zürich<br />
zeitung@rotefabrik.ch<br />
Tel. 044/ 485 58 08<br />
Herausgeberin:<br />
IG <strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong><br />
Seestrasse 395,<br />
8038 Zürich<br />
www.rotefabrik.ch<br />
Redaktion:<br />
Etrit Hasler<br />
Konzept & Gestaltung:<br />
Gregor Huber & Ivan Sterzinger in<br />
Zusammenarbeit mit Adam Thompson<br />
Artwork (2. / 3. Bund):<br />
Anne Harild (www.anneharild.com)<br />
Mit Beiträgen von:<br />
Carlos Haniman, Etrit Hasler,<br />
Druck:<br />
Ropress Genossenschaft<br />
Baslerstrasse 106<br />
8048 Zürich<br />
Website:<br />
www.rotefabrik.ch/fabrikzeitung<br />
Auflage:<br />
3’500 Exemplare<br />
Erscheinungsweise:<br />
monatlich<br />
Abonnemente:<br />
35 Fr. pro Jahr/10 Ausgaben<br />
60 Fr. Soliabonnement<br />
zeitung@rotefabrik.ch
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
Benefiz<br />
Musikbüro<br />
Konzept<br />
Konzept<br />
Festiv<strong>als</strong><br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Es ist uns natürlich immer eine Ehre, wenn uns<br />
«der Winkelried der freien Szene» Samuel<br />
Schwarz und 400asa mit einem neuen Stück beglücken.<br />
Das neue Stück verspricht eine psychedelische<br />
Zeitreise ins Jahr 1990, ausgetüftelt<br />
von Schwarz, «Osama Sisters»-Gitarrist Paolo<br />
Fusi, Autorin Claudia Basrawi und nicht zuletzt<br />
«Goldene Zitronen»-Mitbegründer Ted Gaier.<br />
Muss man gesehen haben!<br />
Dienstag 10. Mai – Dienstag 17. Mai / 19:30 Uhr<br />
// Open Air<br />
Da Cruz<br />
Dass die beste Schweizer Musik von Eingewanderten<br />
gemacht wird, wussten wir natürlich schon<br />
lange. Aber dass es ein paar von denen dann<br />
auch wieder schaffen, im Ausland erfolgreich zu<br />
sein, ist da schon wieder die Ausnahme. Die<br />
Berner Gruppe Da Cruz um die brasilianische<br />
Sängerin Mariana Da Cruz hat genau das geschafft,<br />
mit Hit-Status in den USA, Frankreich<br />
und Italien. Ein Chart-Act in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong>?<br />
Ja, aber eben ein ganz besonderer.<br />
Samstag 14. Mai / 21 Uhr<br />
// Clubraum<br />
Kuttner erklärt die Welt<br />
Nicht, dass man den Dauergast seit Februar 2008<br />
noch speziell vorstellen müsste – aber wir haben<br />
gerade gemerkt, dass wir viel zu selten sagen,<br />
wie toll der Mann eigentlich ist. Mit seiner eigenwilligen<br />
Mash-Up-Videoschnipselshow ist<br />
der Ex-DDR-Radiomacher und taz-Journalist<br />
nicht mehr aus dem Programm der <strong>Rote</strong>n<br />
<strong>Fabrik</strong> wegzudenken – und das ist gut so. Wenn<br />
sie ihn bisher noch nie gesehen haben, hopphopp,<br />
auf in den Clubraum!<br />
Donnerstag 19. Mai / 20 Uhr<br />
// Clubraum<br />
<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />
Die Literatur hat sich schon seit einiger Zeit<br />
wieder in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> zurückgemeldet –<br />
jetzt endlich hat sie auch einen Namen bekommen.<br />
Unter «<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee» erwartet das<br />
Publikum von nun an alles, was nicht nur gelesen,<br />
sondern auch live erlebt werden kann.<br />
Poetry is back!<br />
Samstag 7. Mai - Dichtungsring Poetry Slam<br />
Mittwoch 11. Mai - Rocko Schamoni<br />
Donnerstag 26. Mai – Tino Hahnekamp<br />
Okkupation!<br />
taktlos 11<br />
Der Sommer geht am See schon früher los – mit<br />
zwei zurückkehrenden Festiv<strong>als</strong> gehen wir in<br />
die beste der Jahreszeiten. Einerseits beglückt<br />
uns das taktlos Festival für grenzüberschreitende<br />
Musik bereits zum 28. Mal, andererseits freuen<br />
wir uns auch ganz besonders auf die dritte<br />
Ausgabe der okkupation!, welche uns auch in<br />
diesem Jahr wieder mit furiosen Grenzüberschreitungen<br />
und nicht zuletzt auch wieder einem<br />
Konzert der Tiger Lillies lustvoll überfordern<br />
wird.<br />
taktlos 11 - 27. – 29. Mai<br />
Okkupation! – 18. – 28. Mai<br />
(Programm auf den nächsten zwei Seiten)
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
OKKUPATION!<br />
Internationales Theaterfestival Zürich<br />
18. — 28. Mai 2011<br />
Ich ist ein Anderer! Das Theaterfestival<br />
OKKUPATION! beschäftigt sich in seiner dritten<br />
Ausgabe mit der Frage, was unsere Identität<br />
definiert und was andere Menschen <strong>als</strong> andersartig<br />
ausgrenzt. Welche Normen bestimmen unser<br />
Verhalten? Wer muss authentisch sein, wer<br />
darf eine Rolle spielen? Ist es normal, verschieden<br />
zu sein? Und was ist eigentlich schön? Veranstaltet<br />
von Theater HORA Züriwerk, befassen<br />
sich mehr <strong>als</strong> 250 behinderte und nicht behinderte<br />
Künstler/innen aus aller Welt mit dem<br />
zum Glück immer noch imperfekten Menschen<br />
– und okkupieren dabei zentrale Spielstätten<br />
der Hochkultur mit ungewöhnlichen Arbeiten<br />
von den Rändern der Gesellschaft und jenseits<br />
üblicher Weltwahrnehmung.<br />
Do 19. Mai / 19 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
Das Prinzip<br />
StruWWelpeter<br />
erster Tag<br />
«Das Prinzip Struwwelpeter» ist das aussergewöhnliche<br />
dreitägige Zusammentreffen von elf<br />
Theaterkollektiven und Performern, die sich unter<br />
Zuhilfenahme ihrer sehr persönlichen Obsessionen<br />
an den elf Struwwelpeter-Episoden<br />
abarbeiten.<br />
19 Uhr<br />
Oper Dynamo West —<br />
Vorrede zum «Struwwelpeter»<br />
Oder: Die Kunst-Axt. Ein Film über die 81jährige<br />
Marion Herzog-Hoinkis, die ab 1976 mit<br />
ihrem Mann die Frankfurter Hoffmann-Renaissance<br />
eingeleitet hat, ihre Liebe zu den Tiger<br />
Lillies und darüber, dass unartige Kinder vom<br />
Leben mehr bekommen können <strong>als</strong> ein schönes<br />
Bilderbuch. Für uns gefilmt von Oper Dynamo<br />
West aus Berlin, die seit 2006 ausgehend von<br />
Menschen und Schauplätzen das Musiktheater-<br />
Potenzial abseitiger zeitgenössischer Realitäten<br />
erforscht.<br />
19:45 Uhr<br />
Theater Thikwa —<br />
Der Struwwelpeter<br />
Die Titelepisode <strong>als</strong> surreales (anti-) pädagogisches<br />
Lehrstück – ein Loblied auf das Ungepflegtsein<br />
<strong>als</strong> Rebellion gegen ein Zuviel an Betreuung.<br />
Für uns erzählt von Theater Thikwa,<br />
einem künstlerischen und sozialen Experiment<br />
mit behinderten und nicht behinderten Künstler/innen,<br />
das seit bald 20 Jahren einen festen<br />
und weithin anerkannten Platz in der Berliner<br />
Theaterszene hat.<br />
20:30 Uhr<br />
Berman/Depri/Dörr —<br />
Die Geschichte vom Zappelphillip<br />
Oder: Der Phillip zappelt. Eine ivorisch-deutschrussische<br />
Bewegungsanalyse, in der der Strassentanz<br />
Logobi auf Gaga und Dada stößt und sie<br />
fragt, warum sie immer mit dem Hinterkopf<br />
durch die Wand wollen, aber nie seinem Rhythmus<br />
folgen. Für uns zusammengeführt von Cornelia<br />
Dörr und Gotta Depri von der Elfenbeinküste,<br />
beide Mitglieder bei Gintersdorfer/Klaßen, in<br />
Zusammenarbeit mit dem russischen Theatermusiker<br />
Anton Berman.<br />
21:10 Uhr, Foyer<br />
Kunstaktion<br />
zu «Bastian der Faulpelz»<br />
21:30 Uhr<br />
Das Helmi —<br />
Die Geschichte vom<br />
Hans Guck-in-die-Luft<br />
Ein geradezu klassisches Künstlerdrama, in dem<br />
der 19-jährige Hans, weltfremd und unbeholfen,<br />
aber ein begnadeter Zeichner und Vogelstimmenimitator,<br />
den Konflikt zwischen Künstlertum<br />
und Realität a) sexuell, b) physisch, c) psychisch<br />
durchlebt. Für uns aufbereitet von Das<br />
Helmi, vor rund 10 Jahren <strong>als</strong> Performance- und<br />
Puppentheater am Berliner Helmholtzplatz gegründet,<br />
längst berühmt-berüchtigt und trotzdem<br />
weiter mit lustiger Armut der Mittel an<br />
immer neuen Stoffen arbeitend.<br />
Fr 20. Mai / 19 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
Das Prinzip<br />
StruWWelpeter<br />
ZWeiter Tag<br />
19 Uhr<br />
Theater RambaZamba —<br />
Die Geschichte vom bösen Friedrich<br />
Oder: Etwas über die Heiterkeit an trüben Tagen...<br />
Eine bitterböse Kurzkomödie über die vielleicht<br />
gefährlichste Spezies der Welt – pubertierende<br />
Jünglinge. Mit freier Bahn auf allen Etagen,<br />
in Küche, Bad und Schlafzimmer, für uns ins<br />
Rennen geschickt von Theater RambaZamba<br />
aus Berlin – unter dem Motto «Behinderte und<br />
ihr total verrücktes Theater» Deutschlands erfolgreichstes<br />
Ensemble.<br />
19:40 Uhr, Foyer<br />
Happening zu «König Nussknacker<br />
oder der arme Reinhold»<br />
20 Uhr<br />
Praxis Dr. Zander —<br />
Die Geschichte vom wilden Jäger<br />
Oder: Salut ma bibiche! Eine Auseinandersetzung<br />
mit den Strategien des täglichen Überlebenskampfes<br />
<strong>als</strong> psychedelisches Experiment eines<br />
Hasen. In dem das Jägerseinwollen ein Symptom<br />
der ödipalen Phase ist und Kaffee auf der<br />
Nase Pollution, ein Jäger ein Adliger im deutschen<br />
Vormärz, ein Hase ein Proletarier, ein Brunnen<br />
ein Ort der Schöpfung und das Eintauchen in diesen<br />
eine sexuelle Beziehung. Für uns noch einmal<br />
durchlebt von Praxis Dr. Zander, einem Berliner<br />
Zufallskollektiv, das sich zusammensetzt aus<br />
einer Modedesignerin, einer Performerin, einer<br />
Architektin und einem leibhaftigen Arzt.<br />
20:45 Uhr<br />
Mezzanin Theater & KumEina —<br />
Die Geschichte vom Daumenlutscher<br />
Ein Arztroman für die Bühne, ausgehend von autobiografischen<br />
Erinnerungen an das Daumenlutschen<br />
– an Spass, Häme, Erotik, Ekel, Lust am<br />
Grauen und Angst – zum Beispiel der Angst einzuschlafen<br />
und dabei aus Versehen am Daumen<br />
zu lutschen – weil dann ja der Schneider kommt.<br />
Für uns auf den Punkt gebracht vom Mezzanin<br />
Theater aus Graz, das seit vielen Jahren in unterschiedlichsten<br />
Formationen und Projekten arbeitet,<br />
vom Slapstick über Strassentheater bis zu<br />
literarischen Bearbeitungen für Kinder und Erwachsene.<br />
www.mezzanintheater.at<br />
21:30 Uhr<br />
Monster Truck —<br />
Die Geschichte vom Suppenkaspar<br />
Eine bestechend einfache und fatal folgerichtige<br />
Performance über das Hungern <strong>als</strong> Kunstform<br />
und die Kunst des Sterbens. Für uns durchgeführt<br />
von der Berliner Performancegruppe Monster<br />
Truck, die sich <strong>als</strong> Kollektiv versteht und thematisch<br />
meist um zukünftige, apokalyptische Utopien<br />
kreist, wenn nach dem absoluten Endszenario<br />
die Show weitergehen muss.<br />
Sa 21. Mai / 19 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
Das Prinzip<br />
StruWWelpeter<br />
Dritter Tag<br />
19 Uhr<br />
Professor Helmut Siefert (Vortrag) —<br />
Heinrich Hoffmann <strong>als</strong> Psychiater<br />
Eher zufällig und nebenbei wurde der Arzt Dr.<br />
Heinrich Hoffmann <strong>als</strong> Autor des «Struwwelpeter»<br />
weltberühmt. Sein eigentliches Lebenswerk<br />
aber war die Reform der Frankfurter «Anstalt für<br />
Irre und Epileptische», für deren Insassen er sich<br />
37 Jahre unermüdlich einsetzte. Der Medizinhistoriker<br />
Prof. Dr. med. Helmut Siefert aus Wiesbaden<br />
hat zusammen mit Marion Herzog-Hoinkis<br />
und ihrem Mann G.H. Herzog u.a. das Struwwelpeter-Museum<br />
in Frankfurt am Main gegründet<br />
und gestaltet und zahlreiche Werke von<br />
und über Heinrich Hoffmann herausgegeben.<br />
19:45 Uhr<br />
ratten 07<br />
Die gar traurige Geschichte mit dem<br />
Feuerzeug<br />
Oder: Feuer! Feuer! Feuer! Eine Liebeserklärung<br />
an den Pyromanen in uns, an das Feuer <strong>als</strong><br />
Zeichen von Wohlstand und Vernichtung, und<br />
an die Freiwillige Feuerwehr, die das alles in den<br />
Griff zu bekommen versucht. Für uns angefacht<br />
von den RATTEN 07, gegründet 1993 <strong>als</strong> «erstes<br />
Berliner Obdachlosentheater» im Anschluss<br />
an eine Inszenierung von Jeremy Weller, mehr<br />
<strong>als</strong> zehn Jahre lang Teil der Berliner Volksbühne,<br />
seitdem unabhängig, Kunstpreisträger und schon<br />
immer gern gesehener Gast bei unzähligen Theatern<br />
und Theaterfestiv<strong>als</strong>.<br />
20:30 Uhr<br />
Anne Tismer —<br />
Die Geschichte vom fliegenden Robert<br />
Eine Kunstaktion ausgehend von der berühmten<br />
Abschlusserzählung aus dem «Struwwelpeter»,<br />
in der eine gewisse Roberta Wind und Wetter<br />
nicht scheut und zur Belohnung mit einem Schirm<br />
durch Luft und Wolken getragen wird. Für uns<br />
durchgeführt von Anne Tismer, in Berlin lebende<br />
Mitbegründerin des Kollektivs gutestun, international<br />
tätige und bekannte Performancekünstlerin.<br />
So 22. Mai / 14 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Tarte au Chocolat<br />
Ein Kindersonntag von Mezzanin Theater<br />
& KumEina (Österreich) im Rahmen von<br />
OKKUPATION!<br />
Theater für Menschen ab 5 Jahren, bei dem nach<br />
chaotischer Staubsauger-Rallye und turbulenter<br />
Eierschlacht am Ende der Schokokuchen doch<br />
noch auf den Tisch kommt. Eine Schokotorte<br />
ist rund, schokoladig und gut. Aber was passiert,<br />
wenn bei Meisterkoch Jean-Paul und seinem<br />
Neffen Erwin das Ei nicht so will, wie die Köche<br />
es wollen? Wenn der Teig davon rennt und der<br />
Zucker spinnt? Zwei Köche auf der Suche nach<br />
dem richtigen Rezept backen im Duett und liefern<br />
in dieser preisgekrönten Inszenierung ein<br />
durch und durch komisches Slapstick-Stück.<br />
So 22. Mai / 16 Uhr<br />
// Clubraum<br />
Die sieben Todsünden<br />
«Die Sieben Todsünden» Geiz, Neid, Zorn,<br />
Hochmut, Trägheit, Wollust und Völlerei <strong>als</strong><br />
Episodentheaterprojekt über sehr menschliche<br />
Lüste und Leidenschaften. Mit behinderten und<br />
nicht behinderten Akteuren, entstanden im Rahmen<br />
von «SwissAbility – ein Schweizer Förderprojekt<br />
für aussergewöhnliche Bühnenkunst».<br />
Das mittelalterliche Konzept der Sieben Todsünden<br />
zeichnet nach, wozu Menschen neigen, wenn<br />
sie spontanen Regungen nachgehen und versuchen,<br />
ein schönes Leben zu leben. Siebeneinhalb<br />
Schweizer Tanz-, Theater- und Performancegruppen<br />
mit behinderten und nicht behinderten<br />
Akteuren überprüfen diese Sieben Todsünden<br />
jetzt auf ihre Gegenwartstauglichkeit.<br />
So 22. Mai / 20 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
The Tiger Lillies<br />
(Grossbritannien) - Shockheaded Peter and<br />
other nasty Songs<br />
Zum Abschluss von «Das Prinzip Struwwelpeter»<br />
spielen die Tiger Lillies – nach wie vor das<br />
Schrägste und Schärfste, was die englische Musikszene<br />
zu bieten hat, und auch in der dritten<br />
Ausgabe bei OKKUPATION! wieder mit dabei<br />
– ausnahmsweise alle Songs aus ihrem mit<br />
dem Laurence Olivier Award ausgezeichneten<br />
Theaterwelthit «Shockheaded Peter», von «The<br />
Struwwelpeter Overture» über den Daumenlutscher-Kultsong<br />
«Snip Snap» bis zu «Flying<br />
Robert». Über jahrmarktartige Musik legt sich<br />
unerwartet die F<strong>als</strong>ettstimme von Martyn Jacques,<br />
die die Fantasie der Zuhörer in die Welt<br />
des Vaudeville zaubert, wo der Struwwelpeter<br />
und seine Gefährten zu neuem Leben erwachen.<br />
Di 24. Mai / 19:30 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Kafka am Sprachrand<br />
«Kafka am Sprachrand» ist ein Experiment für<br />
vier überforderte Clowns, ist Bildertheater aus<br />
Worten, unberechenbar, poetisch und herzerfrischend<br />
anarchisch: bekannte und weniger bekannte<br />
Prosaminiaturen und Textfragmente von<br />
Franz Kafka, auf die Bühne gebracht, ins Sichtund<br />
Hörbare übersetzt vom Theater zum Westlichen<br />
Stadthirschen, auf subtil-subversive Weise<br />
kommentiert, auseinander genommen, neu wieder<br />
zusammengesetzt und eben an den Sprachrand<br />
geführt von den Schauspielern des Theaters<br />
Thikwa, deren Behinderung nicht sentimental<br />
thematisiert, sondern <strong>als</strong> Stärke mit ins<br />
Spiel gebracht wird. Ein Experiment im Sprachlabyrinth,<br />
frei von überkandidelten Interpretationszwängen,<br />
auf einer zunehmend von weißen<br />
Mäusen bevölkerten Bühne.<br />
Di 24. Mai / 21 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Kafka Witwen im<br />
Gespräch<br />
Wer bzw. wie war Kafka wirklich? Ein Kamingespräch<br />
der besonderen Art, ohne Kamin und<br />
vor Publikum, mit zwei der grössten Kafka-<br />
Experten aller Zeiten. Mit Stegreifdialogen und<br />
Textbeispielen zu Risiken und Nebenwirkungen<br />
ihrer Kafka-Obsession, über kafkaeske Kafka-<br />
Kongresse, das Gesellschaftsleben Prager Junggesellen<br />
um 1912, Affen in der Akademie, Slapstick<br />
<strong>als</strong> literarisches Verfahren, Besuche beim<br />
Landarzt, in FKK-Camps und Naturheilsanatorien,<br />
die Erotik von Dienstmädchen, die runde<br />
Sicherheitshobelwelle, Nüsse, Fleischberge und<br />
Hungerkünstler. Mit Klaus Wagenbach, meistvorbestrafter<br />
deutscher Verleger, nach eigenem<br />
Bekunden die dienstälteste aller Kafka-Witwen<br />
und mit Büchern wie «Franz Kafka – Eine Biografie<br />
seiner Jugend» und «Franz Kafka – Bilder<br />
aus seinem Leben» längst selber Teil der Kafka-<br />
Legende, und Hans-Gerd Koch, Redaktor der<br />
kritischen Kafka-Ausgabe, Autor von «Kafka in<br />
Berlin» und <strong>als</strong> wohlinformierter Herausgeber<br />
von «Als Kafka mir entgegenkam» fast schon<br />
selber Augenzeuge.<br />
Do 26. Mai / 19:30 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Won Kinny White<br />
Ausstellung, Film und Konzert <strong>als</strong> Theater: Richard<br />
Bawin sieht aus wie Serge Gainsbourg<br />
mit Down-Syndrom und ist in der Bildenden<br />
Kunst ebenso umtriebig wie <strong>als</strong> Trickfilmer und<br />
Singer-Songwriter. In knapp anderthalb Stunden<br />
versuchen wir eine Mini-Retrospektive<br />
dieses Ausnahmekünstlers. Auf der Bühne des<br />
<strong>Fabrik</strong>theaters zeigen wir ihn in seinem Atelier<br />
in den belgischen Ardennen und <strong>als</strong> Schauspieler<br />
in einer filmischen Hommage an den Italo-<br />
Western, zeigen eine Auswahl seiner Bilder<br />
und seinen Trickfilm über die wahre Geschichte<br />
des Riesenaffen King Kong. Im Mittelpunkt<br />
des Abends aber soll sein Musikprojekt «Won<br />
Kinny White» stehen, in dem er mit unnachahmlicher<br />
Ausstrahlung und selbst betitelten<br />
Songs wie «Super Belgium» und «What’s the<br />
Kawa» <strong>als</strong> prophetischer Wiedergänger von<br />
James Brown agiert und auf sehr eigene Weise<br />
Mythen der Populärkultur bearbeitet, die er in<br />
Form von Videokassetten und Vinyl gesammelt<br />
und archiviert hat.<br />
Do 26. Mai / 21 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Woyzickine<br />
«Woyzickine» statt «Woyzeck» – eine angeeignete<br />
Männerfigur dient der Aktionskünstlerin<br />
Anne Tismer <strong>als</strong> Ausgangspunkt für eine Installation<br />
mit Text über Erfahrungen von Liebe.<br />
Mit «Woyzickine» setzt die Aktionskünstlerin<br />
Anne Tismer ihre Serie der angeeigneten Männerfiguren<br />
fort. Nach der Hitlerine und der fliegenden<br />
Roberta ist jetzt die Woyzickine dran.<br />
Auf was für Schweinereien stößt man <strong>als</strong> Woyzickine?<br />
Wovon ist man Teil? Und wie überlebt<br />
man? Eine Installation mit Text <strong>als</strong> Versuch,<br />
über Erfahrungen von Liebe zu sprechen und<br />
wie sie praktiziert wird. Und <strong>als</strong> Versuch, die<br />
Geister zu vertreiben.<br />
Fr 27. Mai / 19:30 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Ibsen, die Sau<br />
Wahnsinn <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />
Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />
«Ibsen, die Sau» ist Herbert Fritschs extatisches<br />
Produkt aus einer Woche Workshop mit ZHdK-Studierenden,<br />
ein bewusst mit der heissen<br />
Nadel gestricktes, grob zusammengetackertes<br />
Medley von Lieblingsszenen aus den Ibsen-<br />
Dramen «Die Frau vom Meer», «Die Wildente»<br />
und «Hedda Gabler». No props war die<br />
Grundverabredung, das kleinste Requisit und<br />
das grösste Möbel mussten von den Spielern<br />
irgendwie selbst dargestellt werden. Und bitte<br />
keine Zwischentöne – die kleinste Seelenregung<br />
einfach sofort nach aussen stülpen, ja<br />
gross machen bis zur Groteske, und dann sehen,<br />
was passiert! Ein radikales, energie- und<br />
risikoreiches Theaterexperiment, das den Meister<br />
des psychologischen Kammerspiels mit sich<br />
selbst konfrontiert – <strong>als</strong> latent exzessverliebten<br />
und sexistischen Zeitgenossen...<br />
Fr 27. Mai / 21 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Sprachlöchersterne<br />
Wahnsinn <strong>als</strong> <strong>Methode</strong><br />
Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />
Aberwitzige, anrührende und zum Schreien komische<br />
Texte, die der Arzt und Kunsthistoriker<br />
Hans Prinzhorn von 1880 bis 1933 in psychiatrischen<br />
Kliniken zusammentrug, fand Herbert<br />
Fritsch viele Jahre später in den Archiven und<br />
liess sie für seine Leseperformance «Sprachlöchersterne»<br />
transkribieren. Doch wenn Fritsch<br />
liest, dann liest er nicht. Wenn Fritsch spielt,<br />
dann spielt er nicht, oder er tut es, aber tut noch<br />
viel mehr oder etwas ganz anderes. Zwei Stapel<br />
Papier liegen auf der Bühne, eine Wasserflasche<br />
steht daneben und ein Glas. Herein kommt<br />
Fritsch im Smoking und in Lackschuhen, oder<br />
in Jeans und Turnschuhen, grinst vermeintlich<br />
verlegen ins Publikum und beginnt ohne Umschweife<br />
die Texte, die da stapelweise auf ihn<br />
warten, einem Transformationsprozess zu unterziehen.<br />
Ein Erlebnis jenseits aller Worte.<br />
Fr 27. Mai / 22 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Nora<br />
oder ein Puppenhaus<br />
Drei Theaterarbeiten von Herbert Fritsch<br />
Die Oberhausener Inszenierung von «Nora oder<br />
Ein Puppenhaus» ist eine der beiden Arbeiten,<br />
mit denen Herbert Fritsch zum diesjährigen<br />
Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Im<br />
wie immer selbst entworfenen Bühnenbild erzählt<br />
Fritsch Henrik Ibsens 1879 uraufgeführtes<br />
Schauspiel <strong>als</strong> groteske Horrorkomödie auf den<br />
Spuren von Alfred Hitchcock und Rainer Werner<br />
Fassbinder. In der eigenwilligen Fernsehfassung<br />
für zdf.kultur/3sat, die im Mai ihre Premiere<br />
haben wird und die wir exklusiv in HD und auf<br />
grosser Leinwand präsentieren dürfen, kommt<br />
der Theaterregisseur Herbert Fritsch mit dem<br />
Experimentalfilmer zusammen.<br />
volles Programm unter:<br />
www.hora-okkupation.ch
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
monatsprogramm<br />
<strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong> Mai 2011<br />
Musikbüro<br />
Konzept<br />
Sa 14. Mai / 21 Uhr<br />
// Clubraum / JackSoul<br />
DA Cruz<br />
Talen DJ Set<br />
www.dacruzmusic.com<br />
Nennen wir es Sub-Urban Brazilian Music, Indie-<br />
Ragga oder Sub-Bass-Afrofunk, was die Berner<br />
Gruppe Da Cruz in die Musikwelt wuchtet. Für<br />
ihr drittes Album hat die Band um die brasilianische<br />
Sängerin Mariana Da Cruz soeben <strong>als</strong><br />
erster Schweizer Act einen Plattenvertrag mit<br />
dem US-Label Six Degrees Records abgeschlossen.<br />
Es wird anfangs Mai 2011 weltweit<br />
erscheinen. Das Label aus San Francisco hat<br />
Künstlerinnen wie Bebel Gilberto oder CéU in<br />
den USA zu Superstars gemacht und ist die USl-<br />
Heimat von Bands wie The Dø, Michael Franti<br />
oder The Orb. Die Musik von Da Cruz kann im<br />
selbstbewussten Umgang mit ihrer kulturellen<br />
Andersartigkeit am ehesten im Dunstkreis von<br />
Acts wie M.I.A. oder Ebony Bones angesiedelt<br />
werden. Und das Interesse an den Bernern ist<br />
gross: Da Cruz spielen mittlerweile in den angesagtesten<br />
Clubs und an Festiv<strong>als</strong> zwischen London<br />
und São Paulo, Paris und Berlin.<br />
Aktuelles Album: «Sistema Subversiva»<br />
Mariana Da Cruz<br />
Do 26. Mai / 20:30 Uhr<br />
// Clubraum / A Thousand Leaves<br />
TORO Y moi<br />
Cloud Nothings<br />
www.myspace.com/toroymoi<br />
Chazwick Bundick tut keiner Fliege was zuleide.<br />
Der junge Musiker und Sänger aus Columbia<br />
in South Carolina hat eine sehr gemässigte, entspannt-melancholische<br />
Seite. Toro Y Moi nennt<br />
er sich, wenn diese Seite mal wieder Überhand<br />
gewinnt und er dafür die Verschmelzung von<br />
Dance und Indie unter dem Pseudonym Les Sins<br />
hintanstellt. Klingen tut das dann, wie wenn<br />
eine Indieband hinter Milchglas musiziert. Träumerisch,<br />
weit, sanft, groovy. Wie ein neuzeitlicher<br />
Hippie schlurft Bundick durch seine Songs<br />
und scheint ganz für sich alleine in die hohen<br />
Regionen der Kopfstimme abzudriften. «Chillwave»<br />
nennt sich das Genre, das er mit seinem<br />
Debütalbum vor zwei Jahren irgendwie mitbegründete.<br />
Auf seinem Ende Februar erschienen<br />
Zweitling «Underneath The Pine» hat er nun<br />
mehr Fahrt aufgenommen – ohne die Verträumtheit<br />
abzulegen.<br />
Aktuelles Album: «Underneath The Pine»<br />
Mi 01. Juni / 20:30 Uhr<br />
// Clubraum / Sugarshit Sharp<br />
The Jon Spencer<br />
Blues Explosion<br />
www.thejonspencerbluesexplosion.com<br />
Wer hinter dem Namen dieser amerikanischen<br />
Band eine Truppe von alternden Bierbaeuchen<br />
vermutet, die sich an den Werken von B.B. King<br />
und seiner heiligen Saitendame Lucille versuchen,<br />
liegt f<strong>als</strong>ch. Um nicht zu sagen, völlig<br />
f<strong>als</strong>ch. Hier rinnt Schweiss aus den Poren, hier<br />
wird dem Blues alles Staubige ausgetrieben,<br />
hier wird gerne mal übersteuert und rückgekoppelt.<br />
Auch das in New York ansässige Trio<br />
selbst beschreibt seine Musik gerne <strong>als</strong> infernale<br />
Vermählung von rebellischem Rock, Punk,<br />
Boogie und feurigem Blues. Ein Sperrfeuer aus<br />
zwei Gitarren und einem mit seinem engagierten<br />
Spiel locker den Bass ersetzenden Schlagzeug.<br />
Und vorne führt Sänger Jon Spencer mit<br />
einer an Elvis zu seinen besten Zeiten erinnernden<br />
Stimme die Band seit bald 18 Jahren<br />
und sieben Alben durch das Feuer und zurück.<br />
That’s Rock ’n Roll!<br />
Vorschau:<br />
Fr 24.06.11 – A Thousand Leaves:<br />
DESTROYER<br />
Do 30.06.11 – Sugarshit Sharp:<br />
BORIS / RUSSIAN CIRCLES<br />
Sa 09.07.11 – Enter The Dancehall:<br />
JOHN HOLT & FRANKIE PAUL<br />
<strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />
Die neue Reihe der roten <strong>Fabrik</strong> für<br />
Lesungen, Poesie, Bühnenvorträge<br />
und Satire.<br />
Nachdem das Literarische, Poetische und Satirische<br />
im vergangenen Jahrzehnt für eine Weile<br />
aus dem Programm der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> verschwunden<br />
war, hat sich das Konzeptbüro seit<br />
mittlerweile fast zwei Jahren wieder verstärkt<br />
um das gedichtete, geschriebene, vorgetragene,<br />
ironische, unterhaltsame und verstörende Wort<br />
bemüht.<br />
In diesem Zeitraum hatten wir grandiose Satiriker<br />
zu Gast wie z.B. die Titanic Ex-Chef-Redakteure<br />
Oliver-Maria Schmitt, Thomas Gsella<br />
oder Martin Sonneborn, sowohl witzige wie auch<br />
spannende Literaten wie Christian Y. Schmidt,<br />
Jürgen Teipel und Jochen Schmidt, Punk-Poeten<br />
wie Jan Off und Frank Apunkt Schneider, begnadete<br />
Vortragskünstler wie Harry Rowohlt,<br />
Fil und Jürgen Kuttner (Kuttner mit einem regel-<br />
mässigen Programm in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong>) und<br />
sogar den doppelten Ingeborg-Bachmann-Preisträger<br />
Peter Wawerzinek. Ausserdem ist mit dem<br />
Dichtungsring während dieser Zeit wieder der<br />
Poetry-Slam lustvoll und erfolgreich in das Kulturzentrum<br />
zurückgekehrt.<br />
Da dies wortlastige Treiben auch in Zukunft munter<br />
weiter gehen soll, haben wir beschlossen, daraus<br />
eine eigene Reihe zu machen und sie mit<br />
dem wunderbaren Titel <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See zu<br />
versehen. Denn ob Poetryslam, ob Lesung, satirischer<br />
Vortrag, geniale Rezitation oder sprachgewaltige<br />
Unterhaltungskunst, das Spiel mit dem<br />
Wort und der lustvolle, zwerchfellreizende und<br />
faszinierende Umgang mit Literatur, Sprache und<br />
Dichtung ist in der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong> wieder zu Hause.<br />
Do 26. Mai / 20:30 Uhr<br />
// Aktionshalle / <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />
Tino Hahnekamp –<br />
So was von da<br />
Der musikalischste und schnellste Bildungsroman<br />
aller Zeiten: Hamburg, St. Pauli, 31.12. Auf dem<br />
Kiez beginnt die irrste Nacht des Jahres. Nur<br />
Oskar Wrobel würde lieber liegen bleiben. Geht<br />
aber nicht. Weil ihm gleich sein Leben um die<br />
Ohren fliegt. Doch es kommt noch schlimmer...<br />
Der Autor hält eine Aktionslesung im Sitzen,<br />
Gehen und Stehen, unter Zuhilfenahme diverser<br />
Hilfsutensilien wie Bilder, Filme, Musik und<br />
Menschen. Die Lesungen werden unterhaltsam<br />
und amüsant bis an die Grenze des Erträglichen,<br />
gleichzeitig aber auch enorm lehrreich sein.<br />
Mi 11. Mai / 20:30 Uhr<br />
// Aktionshalle / <strong>Fabrik</strong> am Wörter-See<br />
Rocko sChamoni<br />
Tag der geschlossenen Tür<br />
Neues vom Fürsten der Sinnlosigkeit: Seit seinen<br />
so originellen wie erfolgreichen «Sternstunden<br />
der Bedeutungslosigkeit» kennen wir<br />
Rocko Schamonis Helden Michael Sonntag.<br />
Nun lässt er ihn noch einmal ins Gruselkabinett<br />
des Lebens treten, in dem er nichts verloren<br />
hat und schon gar nichts zu finden glaubt.<br />
Unbeirrt treibt Michael Sonntag durch seine<br />
Tage, sein Körper zeigt erste Gebrauchsspuren,<br />
und die großen Gedanken machen gewöhnlich<br />
einen Bogen um ihn. Entgegen der Erwartungen,<br />
die seine Umwelt an ihn stellt, verweigert<br />
Sonntag gern jede daseinserhaltende<br />
Tätigkeit. Nur seinem Freund Novak gelingt es<br />
hin und wieder, ihn mit hirnrissigen Geschäftsideen<br />
aus der Reserve zu locken. Und natürlich<br />
Marion Vossreuther, der Servicekraft aus dem<br />
Handy-Laden, die einen ganz eigenen Reiz auf<br />
ihn ausübt.<br />
Rocko Schamoni<br />
Ziischtigmusig Taktlos <strong>Fabrik</strong>jazz<br />
Konzept<br />
Di 10. Mai / 21:30 Uhr<br />
// Ziegel oh Lac<br />
Vessels & Support<br />
www.myspace.com/vesselsband<br />
Intelligenz ist keine notwendige Voraussetzung<br />
für gute Musik. Manchmal hilft sie aber. Zum<br />
Beispiel bei Vessels, einem Quintett aus Leeds.<br />
Ihre Stücke vereinen Intuition und Intellekt,<br />
sind abstrakt und doch eingängig. Und vor allem<br />
sind sie offen nach allen Seiten. Hier pluckern<br />
die Synthies durchs Ambiente, dort post-rocken<br />
die Gitarren, dann federn die Rhythmen leichtfüssig<br />
wie in der Lounge und zwischendurch<br />
gibt’s Exkursionen ins Krautland. Ziemlich eigen,<br />
auch wenn eine vorsichtige Verortung zwischen<br />
Mogwai und Radiohead nicht völlig f<strong>als</strong>ch<br />
wäre. Beim Debüt hätten sie prüfend einen Zeh<br />
ins Wasser gehalten, erklärt die Band, der Nachfolger<br />
«Helioscape» sei nun ein Tauchgang in<br />
die Tiefe. Wir sagen: Willkommen am Zürisee.<br />
Aktuelles Album: «Helioscope»<br />
Di 17. Mai / 21:30 Uhr<br />
// Ziegel oh Lac<br />
Crippled Black<br />
Phoenix<br />
www.crippledblackphoenix.com<br />
Mit Schlagworte und Schubladen kann man<br />
Crippled Black Phoenix ganz schön auf die Palme<br />
treiben. Bristol, Kollektiv, Post-Rock, Mogwaiund<br />
Portishead-Ableger – all das wollen man<br />
weder lesen noch hören, lässt das siebenköpfige<br />
Ensemble wissen. Ein paar andere Referenzen<br />
können wir uns aber doch nicht verklemmen:<br />
Pink Floyd, weil ein Song wie «Burnt Reynolds»<br />
hymnisch gen Space rockt. Silver Mt. Zion, weil<br />
die Lieder gern in orchestralen Arrangements<br />
wuchtig wogen. Kiffersound, weil die Stücke so<br />
lang sind, dass die Zeit nicht nur zum rollen, sondern<br />
auch zum aufrauchen reicht. Eine gewisse<br />
Neigung zu ambitioniertem 70-Rock hilft beim<br />
Zugang, doch wer einmal drin ist, wird von den<br />
epischen Melodiebögen in ein Land über den<br />
Wolken entrückt.<br />
Aktuelles Album: «I, Vigilante»<br />
Taktlos 11<br />
Festival für Grenzüberschreitende Musik - Seit 1984<br />
www.taktlos.com<br />
Fr 27. Mai / 20 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
20 Uhr Jacques Demierre & Urs Leimgruber 6ix:<br />
Jacques Demierre, piano; Urs Leimgruber, soprano-/tenorsax;<br />
Dorothea Schürch, voice/singende<br />
säge; Okkyung Lee; cello; Thomas Lehn, analog<br />
synthesizer; Roger Turner, drums/percussion<br />
CH/KOR/DE/GB<br />
21:30 Uhr Angelika Niescier Sublim III: Angelika<br />
Niescier, alto-/sopranosax; Florian Weber, piano;<br />
Sebastian Räther, bass; Christoph Hillmann,<br />
drums/percussion DE<br />
23 Uhr Hélène Labarrière Quartet: Hélène<br />
Labarrière, bass; François Corneloup, baritonesax;<br />
Hasse Poulsen, guitar; Christophe Marguet,<br />
drums/percussion FR/DK<br />
Sa, 28. Mai / 20 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
21: 30 Uhr Jürg Wickihalder European Quartet,<br />
feat. Irène Schweizer: Jürg Wickihalder, soprano-/altosax;<br />
Irène Schweizer, piano; Fabian<br />
Gisler, bass; Michael Griener, drums CH/DE<br />
23 Uhr Emile Parisien Quartet: Emile Parisien,<br />
sopranosax; Julien Touéry, piano/objects; Ivan<br />
Gélugne, bass; Sylvain Darrifourcq, drums/percussion<br />
FR<br />
So, 29. Mai / 20 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
20 Uhr Benjamin Herman Quartet: Benjamin<br />
Herman, altosax; Anton Goudsmit, guitar;<br />
Ernst Glerum, bass; Joost Patocka, drums /<br />
percussion NL<br />
21:30 Uhr Nik Bärtsch Ronin: Nik Bärtsch,<br />
piano; Sha, altosax/bass-clarinet; Björn Meyer,<br />
bass; Andi Pupato, percussion; Kaspar Rast,<br />
drums CH<br />
Mi 18. Mai / 20:30 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
Comicoperando<br />
The Music of Robert Wyatt<br />
www.strongcomet.com/wyatt<br />
Robert Wyatt, der Mitgründer der legendären<br />
Soft Machine und inzwischen selbst zur Legende<br />
gewordene Komponist und Sänger mit unverwechselbarer<br />
Stimme, hat vor drei Jahren die CD<br />
«Comicopera» veröffentlicht. Die sechs MusikerInnen<br />
von Comicoperando haben sich nun<br />
der Musik von Wyatt angenommen und zollen<br />
ihm ihren Tribut. Comicoperando präsentiert<br />
eine abwechslungsreiche Reise von Independent-Pop<br />
bis Jazz und zurück.<br />
Aktuelles Album: Robert Wyatt: «Comicopera».<br />
Do 5. Mai / 20 Uhr<br />
// Aktionshalle<br />
Offene Leinwand<br />
Die Offene Leinwand hat in den letzten Jahren<br />
einen festen Platz im Programm der <strong>Rote</strong>n <strong>Fabrik</strong><br />
gefunden. Ganz gleich ob Experimentalfilm,<br />
Trickfilm, Splatterfilm oder Homemovie<br />
– im Rahmen der offenen Leinwand können<br />
Produktionen gezeigt werden, die sich durch<br />
die Begeisterung am Filmen, fehlenden Zwang<br />
zum kommerziellen Erfolg und eine Einfachheit<br />
an technischen Mitteln auszeichnen. Der<br />
Grundgedanke der offenen Leinwand ist dabei,<br />
nichtprofessionellen NachwuchsfilmerInnen<br />
ein Forum anzubieten, welches über den<br />
Videoabend im Freundeskreis hinausgeht. Die<br />
Filme können ab 18:00 vorbeigebracht werden,<br />
die FilmemacherInnen müssen bei der Vorführung<br />
anwesend sein. <strong>Fabrik</strong>video spendet einen<br />
Preis für den besten Film (vom Publikum<br />
gewählt). Gezeigt werden können Filme in den<br />
Formaten DVD, Mini DV, VHS, S-VHS, S-8<br />
und 16mm.<br />
Sa 7.Mai / 20:30 Uhr<br />
// <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Dichtungsring<br />
Poetry Slam #13<br />
Nach dem grandiosen und ausverkauften Slam-<br />
Jahresauftakt im März, erwartet uns auch dieses<br />
mal wiederum ein atemberaubendes Line-Up,<br />
mit Gästen aus dem ganzen deutschsprachigen<br />
Raum. Man darf sich freuen auf grossartige Texte,<br />
wundervolle Stimmung, einen Slam Altmeister<br />
<strong>als</strong> Special Guest, einen DJ vor und nach dem<br />
Slam und natürlich eine Flasche Hochprozentiges<br />
für den Gewinner. U.a. mit Harry Kienzler,<br />
Gabriel Vetter und Laurin Buser, moderiert von<br />
Phibi Reichling und Etrit Hasler. Special Guest:<br />
Toby Hoffmann.<br />
Gabriel Vetter<br />
Do 12. Mai / 20:30 Uhr<br />
// Aktionshalle / Zürcher Filmpremiere<br />
«Leben in Seifenblasen»<br />
von Nadine<br />
Lüchinger<br />
Dokumentarfilm, Argentinien/Schweiz<br />
2009, 50 min.<br />
Country Clubs sind geschlossene, private Wohnquartiere<br />
im urbanen Raum Lateinamerikas. Sie<br />
werden rund um die Uhr von Sicherheitspersonal<br />
bewacht und gelten <strong>als</strong> Rückzugsoasen der<br />
vermögenden Schichten. Die Anlagen verfügen<br />
über eine gut ausgebaute Infrastruktur. Dazu<br />
gehören auch Tennis- und Fußballplätze, Golfoder<br />
Polo-Anlagen, Clubhouse mit Restaurant<br />
und Pool, Einkaufsmöglichkeiten und in einigen<br />
Fällen bis hin zu privaten Schulen für die Kinder.<br />
Das Leben in Country Clubs scheint idyllisch und<br />
sicher zu sein - ein Leben wie in einer Seifenblase,<br />
fern der Realität. Dieser Film zeigt das Dilemma<br />
und die innere Zerrissenheit von Menschen,<br />
die privilegiert geboren sind, in einem Staat, der<br />
angesichts der sozialen Sicherheit versagt hat.<br />
Do 19. Mai / 20 Uhr<br />
// Clubraum<br />
Kuttner erklärt<br />
die Welt<br />
Jürgen Kuttner versteht sich <strong>als</strong> Videoschnipsel-<br />
Kabarettist und handelt nach dem Motto: «Heute<br />
mache ich mir mal kein Abendbrot, heute mache<br />
ich mir mal Gedanken». Jürgen Kuttner erklärt<br />
<strong>als</strong>o die Welt. Dazu benutzt er Videoschnipsel<br />
aus der Fernseh-Ära der 70er und 80er Jahre und<br />
erklärt detailreich und umfassend, was man<br />
gleich zu sehen bekommen wird. Das Betrachten<br />
der Ausschnitte wird umso intensiver wahrgenommen,<br />
je eindringlicher Kuttner mimisch,<br />
gestisch und berlinerisch den bevorstehenden<br />
Schnipsel analysiert, tanzt, pantomimisch darstellt<br />
und Bilder im Kopf erzeugt, mit denen man<br />
dem folgenden Videoprojektorenbild fast überlegen<br />
zu sein scheint.<br />
20 Uhr Koboku Senjû: Tetuzi Akiyama, guitar;<br />
Martin Taxt, tuba; Eivind Lønning, trumpet;<br />
Espen Reinertsen, tenorsax/flute; Toshimaru<br />
Nakamura, no-input mixing board JAP/NO<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
Di 10., Do 12., Fr 13., Sa 14., So 15., Mo 16.,<br />
Di 17. Mai<br />
19:30 Uhr // Open Air<br />
Der Sumpf. Europa<br />
Stunde Null<br />
Ein Ausflug mit 400asa Sektion Nord<br />
www.400asa.ch<br />
Der Sumpf. Europa Stunde Null ist ein Projekt<br />
über «The Wall» von Pink Floyd und über die<br />
Ereignisse von 1990 – ein Trip durch Erinnerungen<br />
und Wurmlöcher. Wo standen wir im<br />
Sommer 1990, <strong>als</strong> die Mauer bereits Geschichte<br />
war? Auf einem Brachland ohne Ideologien<br />
und Orientierung? Oder am Beginn einer neuen<br />
Weltordnung mit neuen Feindbildern und<br />
neuen Kriegen? Roger Waters jedenfalls stand<br />
in Berlin auf dem Potsdamer Platz, dort, wo<br />
die «echte Mauer» gestanden hatte, und brachte<br />
eine Styropor-Attrappe zu Fall. Ausgehend von<br />
«The Wall», dem bislang grössten Konzert in<br />
der Geschichte der Rockmusik, begeben wir<br />
uns auf eine psychedelische Busfahrt an unbekannte<br />
Orte, sehen in die Zukunft und erkunden<br />
das feinmaschige Netz aus Erinnern,<br />
Vergessen und Verdrängen.<br />
Do 12., Fr 13., Sa 14., Mo 16. Mai<br />
20 Uhr // <strong>Fabrik</strong>theater<br />
Mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
Ein Sprachkonzert von Laura de Weck<br />
Politik und Kunst ist ein Pärchen, das sich liebt<br />
und hasst. Die Kunst will Ruhe von der Politik,<br />
aber die Politik nicht in Ruhe lassen. Die Politik<br />
gibt Geld und wünscht Anerkennung, aber die<br />
Kunst lässt sich nicht kaufen. Politiker-Reden,<br />
misslungene Künstler-Selbsterklärungen, Begegnungen<br />
auf Vernissagen oder höfliche Danksagungen<br />
sind das Material aus Mit freundlicher<br />
Unterstützung von. Vor dem Hintergrund dieser<br />
ambivalenten Kampfzone schreibt und inszeniert<br />
die junge Zürcher Schauspielerin und<br />
Erfolgsautorin, Laura de Weck, ein Sprachkonzert,<br />
in dem sich ein Musiker und zwei Schauspieler<br />
um Kopf und Kunst reden.<br />
Sa 28. Mai / 19 Uhr<br />
Mo 30., Di 31. Mai / 10 Uhr (Schulvorstellungen)<br />
// Innenhof<br />
Ali - sChlegle<br />
mit Regle<br />
Ein Theaterstück über mehrere Runden<br />
für Jugendliche ab 13 Jahren<br />
„float like a butterfly, sting like a bee“<br />
www.gmbh-produktion.ch<br />
Sonny, Mike und Georg steigen in den Boxring,<br />
um die Geschichte des Jahrhundertboxers Muhammad<br />
Ali zu erzählen. Dabei will jeder der<br />
Grösste sein und die Zuschauer für sich gewinnen.<br />
Wie Ali seine Gegner dam<strong>als</strong> mit Spottgedichten<br />
provozierte, verpassen sich auch Sonny,<br />
Mike und Georg verbale Tiefschläge – bis einer<br />
unvermittelt dreinhaut. Eine Grenze ist überschritten,<br />
der Stolz verletzt, die Regeln gebrochen,<br />
die Situation eskaliert... Mit dieser neusten<br />
Produktion ist GMBH ein musikalisch angeheiztes<br />
Stück über Gewalt und die Faszination<br />
des Boxens gelungen – ein Stück über Ideale,<br />
Respekt und Stolz.<br />
Ausstellung<br />
Mo 23. Mai / 19 Uhr<br />
// Ziegel oh Lac<br />
Stéphanie Cousin,<br />
Foto-Collagen<br />
www.stephaniecousin.com<br />
1969 in Lausanne geboren, absolvierte Stéphanie<br />
Cousin eine Berufslehre <strong>als</strong> Fotografin und lebte<br />
unter anderem in Zürich und Hamburg. Seit<br />
einigen Jahren arbeitet sie <strong>als</strong> Bildredaktorin in<br />
Lausanne und wohnt in Genf. Stéphanie Cousins<br />
Collagen sind neu konstruierte Bilder, die sie aus<br />
eigenem Fotomaterial und gefundenen Bildern<br />
zusammengesetzt und neu bearbeitet hat. Schon<br />
immer stark von Bild-Modifikations-Prozessen<br />
angezogen, begann die Künstlerin 2003 damit,<br />
ihre ersten Collagen zu realisieren. Dadaismus,<br />
speziell die Arbeiten von Hannah Höch und jene<br />
von Max Ernst gehören zu ihren wichtigsten Inspirationsquellen.<br />
Seit anfangs der Neunziger<br />
Jahre hat Stéphanie Cousin diverse Photos publiziert<br />
und gut ein Dutzend Ausstellungen in der<br />
deutschen und der französischen Schweiz realisiert.<br />
Ihre Bilder werden zwischen dem 23. Mai<br />
und dem 3. Juli im Ziegel Oh Lac zu sehen sein.<br />
Dock 18<br />
Disco Impossible<br />
Eine Veranstaltungsserie im Dock18 für fortgeschrittene<br />
Clubbenutzer. Die Frühjahr/Sommer<br />
Kollektion des Dock18 Raum für Medienkulturen<br />
der Welt. Das Dock18 Programm in diesem<br />
Frühjahr/Sommer orientiert sich an den Bedingungen<br />
der unmöglichen Disco natürlich mit<br />
viel Medienkultur.<br />
So 1. Mai<br />
Grafiklabor<br />
Fr 6. Mai<br />
Hörspiel<br />
Hörspielnacht und Erzählungen<br />
Sa/So 7./8. Mai<br />
Das kollaborative Hörspiel<br />
Text & Musik Produktion mit kollaborative<br />
Inseln in 12 Episoden<br />
Fr 13. Mai<br />
18Hoch3<br />
Fotografiepräsentationen<br />
Fr 20. Mai<br />
Serverperformance<br />
Networked Media mit Eva Ursprung live<br />
aus Austria /Australia/Switzerland<br />
Fr 27.Mai<br />
Forum innovativ<br />
eine Vortragsreihe zu später Stunde mit<br />
Bar Beta<br />
Video<br />
- Schnittplätze<br />
- Begleitete videowerkstatt<br />
- Videokurse<br />
- Projektbegleitung<br />
Flashanimation<br />
In diesem Kurs lernst du einige grundlegende<br />
Aspekte des Programms kennen.<br />
1. Einführung in die Grundlagen<br />
2. Zeichnen mit Flash<br />
3. Formtweening, Morphing<br />
4. Animation<br />
5. Exportieren in diversen Formaten<br />
Kurszeit: Samstag, 6x Dienstagabend von<br />
17 - 20 Uhr (7.6 / 14.6 / 21.6 / 28.6 / 5.7 / 12.7)<br />
Kurskosten: Fr. 390.-<br />
Anmeldeschluss: 12. Mai 2011<br />
Einführungskurs ins After Effects<br />
After Effects wird für die professionelle Gestaltung<br />
animierter Grafiken und visueller Effekte<br />
in den Bereichen Film, Video, Multimedia und<br />
Internet eingesetzt. Der Kurs soll die Philosophie<br />
von AfterEffects erläutern. Es kommen folgende<br />
Themen zur Sprache: Adjustment, Layers,<br />
Motion Path, Animating Layers, Plugins, Masking,<br />
Grundlagen der verschiedenen Videocodecs<br />
und settings im Rendermanager.<br />
Kurszeit: Samstag/Sonntag, 9./10. Juli 2011,<br />
10-17 Uhr<br />
Kurskosten: Fr. 270.-<br />
Anmeldeschluss: 10. Juni 2011<br />
Bürozeiten:<br />
Dienstags 10 – 13 Uhr<br />
Donnerstags 17 – 20 Uhr<br />
Telefon: 044 485 58 78<br />
video@rotefabrik.ch<br />
www.fabrikvideo.ch
<strong>Fabrik</strong>zeitung Mai 2011<br />
<strong>Rote</strong> <strong>Fabrik</strong><br />
Mai 2011<br />
1<br />
So<br />
2<br />
Mo<br />
3<br />
Di<br />
4<br />
Mi<br />
5<br />
Do<br />
FilmAktionshalle<br />
20 Uhr<br />
6<br />
Fr<br />
Show<br />
Disco Impossible<br />
Dock 18<br />
20 Uhr<br />
Party<br />
Mind Thing<br />
Clubraum<br />
22 Uhr<br />
7<br />
Sa<br />
Poetry Slam<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
20 Uhr<br />
8<br />
So<br />
9<br />
Mo<br />
10<br />
Di<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
11<br />
Mi<br />
<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />
Rocko Schamoni<br />
Aktionshalle<br />
20:30 Uhr<br />
12<br />
Do<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
Ziischtigmusig<br />
Vessels<br />
Ziegel Oh Lac<br />
21:30 Uhr<br />
Theater<br />
Mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
20 Uhr<br />
Film<br />
Leben in Seifenblasen<br />
Aktionshalle<br />
20:30 Uhr<br />
13<br />
Fr<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
Theater<br />
Mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
20 Uhr<br />
Show<br />
Disco Impossible<br />
Dock 18<br />
20 Uhr<br />
14<br />
Sa<br />
JackSoul<br />
Da Cruz<br />
Clubraum<br />
21 Uhr<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
Theater<br />
Mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
20 Uhr<br />
15<br />
So<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
16<br />
Mo<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
Theater<br />
Mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
20 Uhr<br />
17<br />
Di<br />
Theater<br />
Der Sumpf.<br />
Europa Stunde Null<br />
Open Air<br />
19:30 Uhr<br />
Ziischtigmusig<br />
Crippled Black Phoenix<br />
Ziegel Oh Lac<br />
21:30 Uhr<br />
18<br />
Mi<br />
<strong>Fabrik</strong>jazz<br />
Comicoperando<br />
Aktionshalle<br />
20:30 Uhr<br />
19<br />
Do<br />
Okkupation<br />
Das Prinzip Struwwelpeter<br />
– Erster Tag<br />
Aktionshalle<br />
19 Uhr<br />
<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />
Kuttner erklärt die Welt<br />
Clubraum<br />
20 Uhr<br />
20<br />
Fr<br />
Okkupation<br />
Das Prinzip Struwwelpeter<br />
– Zweiter Tag<br />
Aktionshalle<br />
19 Uhr<br />
Show<br />
Disco Impossible<br />
Dock 18<br />
20 Uhr<br />
21<br />
Sa<br />
Okkupation<br />
Aktionshalle<br />
19 Uhr<br />
22<br />
So<br />
Kindertheater<br />
Tarte au Chocolat<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
14 Uhr<br />
Okkupation<br />
Die sieben Todsünden<br />
Clubraum<br />
16 Uhr<br />
Okkupation<br />
The Tiger Lillies<br />
Aktionshalle<br />
20 Uhr<br />
23<br />
Mo<br />
Okkupation<br />
Kafka am Sprachrand<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
19:30 Uhr<br />
Okkupation<br />
Kafka Witwen im<br />
Gespräch<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
21 Uhr<br />
25<br />
Mi<br />
26<br />
Do<br />
Okkupation<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
19:30 Uhr<br />
Okkupation<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
21 Uhr<br />
<strong>Fabrik</strong> am Wörtersee<br />
Clubraum<br />
20:30 Uhr<br />
A Thousand Leaves<br />
Aktionshalle<br />
20:30 Uhr<br />
27<br />
Fr<br />
Okkupation<br />
Drei Theaterarbeiten<br />
von Herbert Fritsch<br />
<strong>Fabrik</strong>theater<br />
19:30 Uhr<br />
<strong>Fabrik</strong>jazz<br />
Taktlos 11<br />
Aktionshalle<br />
21 Uhr<br />
Show<br />
Disco Impossible<br />
Dock 18<br />
20 Uhr<br />
28<br />
Sa<br />
Kindertheater<br />
im Hof<br />
19 Uhr<br />
<strong>Fabrik</strong>jazz<br />
Aktionshalle<br />
21 Uhr<br />
29<br />
So<br />
<strong>Fabrik</strong>jazz<br />
Taktlos 11<br />
Aktionshalle<br />
21 Uhr<br />
30<br />
Mo<br />
Juni 2011<br />
1<br />
Di<br />
Sugarshit Sharp<br />
The Jon Spencer<br />
Blues Explosion<br />
Clubraum<br />
20:30 Uhr<br />
2<br />
Mi<br />
3<br />
Do<br />
4<br />
Fr<br />
5<br />
Sa<br />
6<br />
So