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Die wunderbare Welt der Farbe …darum lieb ich alles, was so rot ist…

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| Design | Teil 1 | | <strong>Farbe</strong> Rot |<br />

<strong>Die</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong><br />

<strong>…darum</strong> <strong>lieb</strong><br />

<strong>ich</strong> <strong>alles</strong>,<br />

<strong>was</strong> <strong>so</strong> <strong>rot</strong> <strong>ist…</strong><br />

<strong>Farbe</strong>n machen unser Leben<br />

bunt. <strong>Farbe</strong>n beschreiben<br />

Epochen (das „Goldene<br />

Zeitalter“, die „blaue<br />

Periode“), lösen Gefühle<br />

aus, beeinflussen, verdecken<br />

o<strong>der</strong> heben hervor.<br />

Damit sind <strong>Farbe</strong>n ein<br />

w<strong>ich</strong>tiges Mittel <strong>der</strong><br />

außersprachl<strong>ich</strong>en Kommunikation.<br />

Doch <strong>was</strong> ist<br />

überhaupt <strong>Farbe</strong>?<br />

Roter Ferrari: Rot als Synonym für Kraft und Energie.<br />

| 14 | PRINT & PRODUKTION 3/2004 |<br />

Rote Rose: <strong>Farbe</strong> und Blume <strong>der</strong> Gefühle.<br />

plexität <strong>der</strong> spezifischen Eigenschaften<br />

je<strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> mit ihren physikalischen,<br />

psychologischen, heilenden, intuitiven<br />

und spirituellen Elementen. In <strong>der</strong><br />

Psychologie werden seit vielen Jahren<br />

Farbtests zur Einschätzung von Menschen<br />

verwendet, z.B. bei Berufseinstellungen.<br />

Farbpsychologen schließen von<br />

Unser Wort „<strong>Farbe</strong>“ geht auf das althochdeutsche<br />

„farawa“ zurück und meinte ursprüngl<strong>ich</strong><br />

ganz allgemein Eigenschaft<br />

und Aussehen. Heute ist <strong>der</strong> kleinste gemeinsame<br />

Nenner des riesigen Bedeutungsfeldes<br />

„<strong>Farbe</strong>“ die Definition, dass<br />

<strong>Farbe</strong> eine Empfindung ist, die L<strong>ich</strong>tstrahlen<br />

ihrer Wellenlänge entsprechend dem<br />

Auge vermitteln. Von allen menschl<strong>ich</strong>en<br />

Sinnen ist <strong>der</strong> Sehsinn <strong>der</strong> am stärksten<br />

ausgeprägte. Rund 83% <strong>der</strong> vom Gehirn<br />

zu verarbeitenden Sinneseindrücke entfallen<br />

auf ihn. Es ist daher n<strong>ich</strong>t verwun<strong>der</strong>l<strong>ich</strong>,<br />

dass <strong>Farbe</strong>n einen starken Einfluss<br />

auf unsere Stimmungslage und unser<br />

Wohlbefinden ausüben. Für Praktiker<br />

in <strong>der</strong> grafischen Industrie ist es daher<br />

hilfre<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong> über die technischen Fakten<br />

hinaus Gedanken über die Eigenschaften<br />

<strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>n zu machen, um <strong>Farbe</strong>n n<strong>ich</strong>t<br />

nur intuitiv <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n gezielt einzusetzen.<br />

Für die Physiker beruhen <strong>Farbe</strong>n auf verschiedenen<br />

Wellenlängen des gebrochenen<br />

L<strong>ich</strong>ts. Daran denkt jedoch wohl<br />

kaum jemand, <strong>der</strong> z.B. in den Anblick einer<br />

<strong>rot</strong>en Rose versunken ist. Fest steht,<br />

dass uns <strong>Farbe</strong>n durch ihren ästhetischen<br />

Wert und auf einer subtileren Ebene<br />

durch ihre Schwingungen beeinflussen.<br />

<strong>Die</strong> Verschiedenheit <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>n<br />

auf den Menschen rührt aus <strong>der</strong> Kom<strong>der</strong><br />

Ablehnung bzw. Bevorzugung einer<br />

<strong>Farbe</strong> auf die Persönl<strong>ich</strong>keitsstruktur.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Rot<br />

Legt man Kin<strong>der</strong>n verschiedenfarbige<br />

Spielzeuge vor, von denen sie s<strong>ich</strong> eines<br />

aussuchen dürfen, greifen sie meist zum<br />

<strong>rot</strong>en, zum Verlockendsten. In <strong>der</strong> Frühgesch<strong>ich</strong>te<br />

war Rot die bedeutendste <strong>Farbe</strong><br />

<strong>der</strong> Jagdvölker und die erste <strong>Farbe</strong>, mit<br />

<strong>der</strong> Menschen gemalt haben. Unsere Vorfahren<br />

verrieben Ocker-Erde, <strong>rot</strong>e, eisenhaltige<br />

Gesteinsbrocken, zu Pulver und<br />

mischten es mit Wasser an. Damit wollten<br />

die Menschen ihren Waffen Glück bei <strong>der</strong><br />

Jagd verleihen, denn das Rot des Ockers<br />

stand für das Blut ihrer Beutetiere. Man<br />

nimmt an, dass die Jäger <strong>der</strong> Steinzeit und<br />

später auch die germanischen Krieger<br />

ihre Waffen o<strong>der</strong> <strong>so</strong>gar s<strong>ich</strong> selbst im Blut<br />

<strong>der</strong> erlegten Tiere tauchten wie <strong>der</strong> Held<br />

<strong>der</strong> Siegfried-Sage. <strong>Die</strong> Gladiatoren Roms<br />

tranken das Blut ihrer sterbenden Geg-


| Design | Teil 1 | | <strong>Farbe</strong> Rot |<br />

ner, um <strong>der</strong>en Kräfte in s<strong>ich</strong> aufzunehmen.<br />

Der germanische Gewittergott Donar<br />

hatte <strong>rot</strong>e Haare und alle <strong>rot</strong> gefärbten<br />

Tiere wie das Rotkehlchen, <strong>der</strong> Fuchs<br />

o<strong>der</strong> das E<strong>ich</strong>hörnchen galten als dem<br />

Donar heilig. Auch die Augen und <strong>der</strong> Bart<br />

des Jagdgottes Wotan waren feurig <strong>rot</strong>.<br />

Mit <strong>der</strong> Einführung des Christentums wurde<br />

die Bedeutung <strong>der</strong> <strong>rot</strong>en <strong>Farbe</strong> bei den<br />

Germanen uminterpretiert. Nun gab es<br />

die Gestalt des Teufels mit <strong>rot</strong>en Haaren<br />

und <strong>rot</strong>em Bart. Frauen mit <strong>rot</strong>en Haaren<br />

galten als Dirnen o<strong>der</strong> Hexen, und die<br />

Mohnblume wurde zur Teufelsblume.<br />

Bis zur Französischen Revolution bestimmte<br />

in Europa eine Klei<strong>der</strong>ordnung,<br />

wer <strong>was</strong> und welche <strong>Farbe</strong>n tragen durfte.<br />

Reine <strong>Farbe</strong>n waren ausschließl<strong>ich</strong> den<br />

Re<strong>ich</strong>en aus dem Adelsstand vorbehalten.<br />

Bei den Römern war das Tragen von<br />

mit Purpur gefärbten Gewän<strong>der</strong>n nur dem<br />

Kaiser erlaubt. <strong>Die</strong> Senatoren mussten<br />

s<strong>ich</strong> mit einem purpurnen Band an <strong>der</strong><br />

Toga begnügen. Wie bei den römischen<br />

Kaisern war das Tragen von purpur<strong>rot</strong>en<br />

Gewän<strong>der</strong>n auch bei den deutschen Kaisern<br />

und den Kardinälen ein Statussymbol<br />

<strong>der</strong> Macht. <strong>Die</strong> Gewinnung <strong>der</strong> reinen<br />

<strong>Farbe</strong>n aus Naturfarbstoffen war jedoch<br />

außerordentl<strong>ich</strong> schwierig und dementsprechend<br />

teuer. Rot war die teuerste <strong>Farbe</strong>,<br />

weil die Herstellung und die Färberei<br />

sehr aufwändig waren. <strong>Die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te<br />

<strong>der</strong> <strong>rot</strong>en Textilfarben ist daher ein Kapitel<br />

des Luxus. Das edelste Rot ist Purpur<strong>rot</strong>.<br />

Um ein Gramm Purpur zu gewinnen, musste<br />

man ca. 8000 Purpurschnecken töten,<br />

<strong>der</strong>en Drüsensaft den begehrten gelb<strong>rot</strong>en<br />

Farbstoff enthält. Der <strong>rot</strong>e Purpur wurde<br />

allmähl<strong>ich</strong> durch das Scharlach<strong>rot</strong> <strong>der</strong><br />

Kermeslaus verdrängt. <strong>Die</strong>sen Farbstoff<br />

gewann man aus getrockneten weibl<strong>ich</strong>en<br />

Kermesschildläusen, welche als<br />

Saftsauger die Scharlache<strong>ich</strong>en des<br />

Mittelmeergebietes besiedeln. Sie saugen<br />

s<strong>ich</strong> an den Blättern fest und legen<br />

Eier, die mit einem <strong>rot</strong>en Saft gefüllt sind.<br />

Da s<strong>ich</strong> Läuse, wenn sie s<strong>ich</strong> festgesaugt<br />

haben, n<strong>ich</strong>t mehr bewegen und schließl<strong>ich</strong><br />

über den Eiern absterben, hielt man<br />

sie früher für Beeren, die aus den Blättern<br />

wachsen. <strong>Die</strong> Läuse wurden in alten Rezepten<br />

daher auch als „Kermesbeeren“<br />

beze<strong>ich</strong>net. Für ein Kilo Läusefarbe müssen<br />

ungefähr 140 000 Läuse mit einem<br />

Rote Beeren:<br />

Süß und kräftig im<br />

Geschmack.<br />

Roter Hahnenkamm:<br />

Rot steht auch für<br />

Aggressivität und Sexualität.<br />

Rotes Holzhaus:<br />

Auffällige <strong>Farbe</strong> für<br />

schl<strong>ich</strong>te Form.<br />

Rotes SPD-Logo: Seit den<br />

Jakobinern gilt Rot als <strong>Farbe</strong><br />

<strong>der</strong> Revolution.<br />

Holzspachtel von den Blättern gekratzt<br />

werden. Getrocknet werden die Läuse zu<br />

einem <strong>rot</strong>en Pulver zerrieben. Mit einem<br />

Kilo <strong>der</strong> Läusefarbe kann man etwa zehn<br />

Kilo Wolle färben. Mit <strong>der</strong> Zeit fanden s<strong>ich</strong><br />

noch weitere Mögl<strong>ich</strong>keiten, <strong>rot</strong>e <strong>Farbe</strong><br />

herzustellen. Zum Beispiel das Türkisch-<br />

Rot aus <strong>der</strong> Krapp-Pflanze, einer stacheligen<br />

Verwandten des Waldmeisters. Der<br />

Krapp hat in seiner Wurzel einen <strong>rot</strong>en<br />

Farbstoff, mit dem lange Zeit fast alle <strong>rot</strong>en<br />

Klei<strong>der</strong> gefärbt wurden. Nach <strong>der</strong> Eroberung<br />

Mexikos 1532 durch die Spanier<br />

kam ein neuer <strong>rot</strong>er Farbstoff nach Europa,<br />

das Karmin<strong>rot</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Cochenillelaus.<br />

Damit konnte eine noch intensiver<br />

wirkende Färbung von Textilien<br />

erre<strong>ich</strong>t werden, <strong>was</strong> dazu führte, dass<br />

das Kermes<strong>rot</strong> vollständig verdrängt wurde.<br />

Rot, im Mittelalter die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Herrschenden,<br />

bekam mit <strong>der</strong> Französischen<br />

Revolution eine an<strong>der</strong>e Bedeutung. <strong>Die</strong><br />

Jakobiner, die revolutionärste Fraktion<br />

<strong>der</strong> Revolutionäre, erwählte die „<strong>rot</strong>e“<br />

Mütze <strong>der</strong> Galeerensträflinge zum Symbol<br />

<strong>der</strong> Revolution. Nach diesem Vorbild<br />

erstellten revolutionäre Komitees <strong>rot</strong>e<br />

Fahnen und seitdem ist Rot die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong><br />

Revolutionäre und aller Parteien links von<br />

<strong>der</strong> Mitte.<br />

Rot war in kalten Län<strong>der</strong>n wie Russland<br />

seit jeher eine sehr positiv besetzte <strong>Farbe</strong>.<br />

Der „<strong>rot</strong>e Platz“ in Moskau heißt auch<br />

„schöner Platz“, und die „<strong>rot</strong>e Armee“<br />

nannte man auch „herrl<strong>ich</strong>e Armee“. Das<br />

russische Wort „krasnaja“ bedeutet<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig „<strong>rot</strong> und schön“. Das Tragen<br />

<strong>rot</strong>er Bän<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Tücher gehörte bei vielen<br />

Völkern zu den Hochzeitsbräuchen.<br />

Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t heirateten in Nürnberg<br />

die re<strong>ich</strong>en Patrizierinnen in einem <strong>rot</strong>en<br />

Brautkleid. <strong>Die</strong>se Tradition gab es auch<br />

schon in <strong>der</strong> Römerzeit: <strong>Die</strong> römischen<br />

Bräute wurden mit einem feuer<strong>rot</strong>en Tuch<br />

umhüllt, dem Flammeum, welches<br />

Fruchtbarkeit und Liebe garantieren <strong>so</strong>llte.<br />

Heute noch tragen in Europa die neugriechischen,<br />

die albanischen und armenischen<br />

Bräute <strong>rot</strong>e Brautschleier. Rot ist<br />

auch eine herzl<strong>ich</strong>e <strong>Farbe</strong>. Das <strong>rot</strong>e Herz<br />

ist das Ze<strong>ich</strong>en <strong>der</strong> Liebe. Wer <strong>lieb</strong>t, von<br />

dem sagt man, dass er sein Herz verschenkt.<br />

Er verschenkt das, <strong>was</strong> ihn am<br />

Leben erhält. Das helle leuchtende Rot<br />

war bei den Griechen und später auch im<br />

Christentum mit dem männl<strong>ich</strong>en Prinzip<br />

<strong>der</strong> Macht verbunden, in Japan hingegen<br />

wird das Rot noch heute eher dem Weibl<strong>ich</strong>en<br />

zugeordnet.<br />

<strong>Die</strong> ersten Drucker im 15. Jahrhun<strong>der</strong>t fertigten<br />

ihre Druckfarben selbst an, meist<br />

aus Ruß und Öl. <strong>Die</strong> erste <strong>rot</strong>e <strong>Farbe</strong>, die<br />

man zu Druckzwecken verwendete, war<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong> aus Zinnober, das ursprüngl<strong>ich</strong><br />

als Erdfarbe gewonnen wurde.<br />

Bereits unter den ersten Exemplaren <strong>der</strong><br />

Gutenberg-Bibel waren einige, bei denen<br />

<strong>der</strong> Mainzer Meister neben <strong>der</strong> schwarzen<br />

auch <strong>rot</strong>e Druckfarbe verwendet hat. Rot<br />

war al<strong>so</strong> die erste Zusatzfarbe. Der Begriff<br />

Rubrik (von lat. ruber „<strong>rot</strong>”) beze<strong>ich</strong>nete<br />

damals durch <strong>rot</strong>e Schrift hervorgehobene<br />

Überschriften. Erst allmähl<strong>ich</strong>e wandelte<br />

s<strong>ich</strong> die Bedeutung zum heutigen<br />

„unter einer Überschrift stehen<strong>der</strong> Abschnitt,<br />

Abteilung, Spalte“.<br />

Erst das 19. Jahrhun<strong>der</strong>t brachte weit re<strong>ich</strong>ende<br />

Verbesserungen in <strong>der</strong> Farbherstellung.<br />

<strong>Die</strong> entscheidende Grundlage<br />

für die Entwicklung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Farbstoffchemie<br />

bildete die Entdeckung des<br />

Phenols und des Anilins im Steinkohleteer<br />

durch den deutschen Chemiker Fried<strong>lieb</strong><br />

Ferdinand Runge im Jahre 1834.<br />

22 Jahre später, im Jahre 1856, machte <strong>der</strong><br />

18jährige Student William Perkin in London<br />

eine zufällige Entdeckung. Eigentl<strong>ich</strong><br />

wollte er durch die Oxidation von Anilin<br />

Chinin, ein fiebersenkendes Mittel, herstellen.<br />

Doch er erhielt eine schwarzviolette<br />

Masse, aus <strong>der</strong> er durch Extraktion<br />

mit Alkohol einen violetten Farbstoff i<strong>so</strong>lieren<br />

konnte, den er Mauvein nannte.<br />

Perkins Farbstoff war <strong>der</strong> erste künstl<strong>ich</strong><br />

hergestellte Anilinfarbstoff, dem bald viele<br />

weitere folgten, die die natürl<strong>ich</strong>en <strong>Farbe</strong>n<br />

nach und nach ablösten.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Rot<br />

Rot ist eine sehr dynamische <strong>Farbe</strong>. Rot<br />

ist n<strong>ich</strong>t neutral und lässt niemanden<br />

gle<strong>ich</strong>gültig, denn Rot ist eine Reizfarbe.<br />

Man fühlt s<strong>ich</strong> von dieser <strong>Farbe</strong> angezogen<br />

o<strong>der</strong> abgestoßen, wird durch sie im<br />

positiven Sinne angeregt o<strong>der</strong> fühlt s<strong>ich</strong><br />

von ihr in negativer Weise aufgeregt. <strong>Die</strong><br />

bloße Wahrnehmung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Rot er-<br />

Rotes Coca-Cola-Logo:<br />

Mit Rot zur <strong>Welt</strong>marke.<br />

Roter Santa Claus:<br />

Von Coca-Cola erfunden<br />

und Ursprung für viel Rot<br />

in <strong>der</strong> Weihnachtszeit.<br />

| 16 | PRINT & PRODUKTION 3/2004 |


höht den menschl<strong>ich</strong>en Stoffwechsel um<br />

13,4 Prozent. Bestrahlungen mit Rotl<strong>ich</strong>t<br />

bekämpfen Müdigkeit, för<strong>der</strong>n die Blutzirkulation<br />

und wirken anregend auf<br />

Stoffwechsel, Haut und Drüsen. Daher<br />

wird die <strong>Farbe</strong> Rot _ die Heilfarbe mit <strong>der</strong><br />

größten Durchdringungskraft _ bei therapeutischen<br />

Heilbehandlungen vorzugsweise<br />

bei Passivität und Schwächung <strong>so</strong>wie<br />

bei Abnahme <strong>der</strong> Lebenslust- und<br />

-kräfte eingesetzt. Der dänische Arzt Niels<br />

Finsen bestrahlte Patienten mit Masern,<br />

Windpocken und entstellenden Pockennarben<br />

mit <strong>rot</strong>em L<strong>ich</strong>t. Er beobachtete,<br />

dass die feuchten Bläschen schneller austrockneten<br />

und die behandelte Haut oftmals<br />

wie<strong>der</strong> we<strong>ich</strong> und glatt wurde.<br />

<strong>Die</strong> Psychotherapie macht s<strong>ich</strong> die <strong>Farbe</strong><br />

Rot zunutze, um blockierte Fähigkeiten<br />

zur konstruktiven Aggression und zum<br />

Ausleben von Sexualität zu lösen. Rot ist<br />

die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Gefühlsausbrüche. Wenn<br />

man s<strong>ich</strong> schämt o<strong>der</strong> wenn man wütend<br />

wird, errötet man, wer die Kontrolle über<br />

s<strong>ich</strong> selbst verliert, „sieht <strong>rot</strong>“. Rot stärkt<br />

die Vitalität, den Willen und die Liebeskraft.<br />

N<strong>ich</strong>t um<strong>so</strong>nst nennen wir das verruchte<br />

Viertel einer Stadt den „Rotl<strong>ich</strong>tbezirk“.<br />

Auch im Tierre<strong>ich</strong> kommt die Signalfarbe<br />

im Liebeswerben zum Einsatz. Dem<br />

Hahn schwillt <strong>der</strong> Kamm, wenn er in Stimmung<br />

ist. Männl<strong>ich</strong>e Fregattvögel blähen<br />

ihren <strong>rot</strong>en Kehlsack zu einem <strong>so</strong>lchen<br />

Umfang auf, dass es den Anschein erweckt,<br />

als müsse er jeden Moment zerplatzen.<br />

Und das Gesäß <strong>der</strong> Pavianweibchen<br />

schwillt in <strong>der</strong> Paarungszeit an und<br />

lockt die Männchen mit einer tiefen Rotfärbung.<br />

N<strong>ich</strong>tsdestoweniger können nur<br />

wenige Tiere überhaupt Rot wahrnehmen.<br />

Viele Vögel besitzen diese Fähigkeit.<br />

Sie erkennen das saftige Rot und<br />

können deswegen reife Früchte von unreifen<br />

unterscheiden. Auch die Augen einiger<br />

Primaten besitzen Rot-Rezeptoren<br />

und bieten <strong>so</strong> einen Vorteil gegenüber<br />

farbenblinden Konkurrenten. Sie ernähren<br />

s<strong>ich</strong> oft auch von Blättern, um ihren Eiweißbedarf<br />

zu decken. Dabei sind die zarten,<br />

jungen Blätter be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s nährstoffre<strong>ich</strong><br />

und le<strong>ich</strong>t verdaul<strong>ich</strong> – und im tropischen<br />

Regenwald weisen gerade diese<br />

Blätter einen le<strong>ich</strong>t rötl<strong>ich</strong>en Farbton auf.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Rot in <strong>der</strong> Praxis<br />

Wer Publikationen gestaltet, setzt <strong>Farbe</strong><br />

als Informationsträger ein. Ist die Farbgestaltung<br />

gut gelungen, dann wird die Information<br />

vom Empfänger le<strong>ich</strong>t und bereitwillig<br />

aufgenommen. Allerdings können<br />

<strong>Farbe</strong>n auch das Gegenteil bewirken<br />

und Ablehnung und Vorbehalte beim<br />

Gegenüber hervorrufen. Daher gilt es bei<br />

<strong>der</strong> Farbwahl zu klären, welche Aussage<br />

man treffen und welchen Eindruck man<br />

vermitteln möchte. Eine weitere Frage ist,<br />

welche Zielgruppe angesprochen und<br />

<strong>was</strong> bei ihr erre<strong>ich</strong>t werden <strong>so</strong>ll. Es ist<br />

w<strong>ich</strong>tig, dass die gewählten <strong>Farbe</strong>n mit<br />

<strong>der</strong> zu übermittelnden Botschaft übereinstimmen.<br />

Falsch eingesetzte <strong>Farbe</strong>n wirken<br />

auf den Betrachter unglaubwürdig<br />

und können Misstrauen hervorrufen. In<br />

<strong>der</strong> Praxis haben s<strong>ich</strong> für die Farbgestaltung<br />

von Publikationen Erfahrungswerte<br />

herauskristallisiert. So <strong>so</strong>llte die Farbgestaltung<br />

innerhalb einer Publikation einheitl<strong>ich</strong><br />

sein. Wenige, aufeinan<strong>der</strong> abgestimmte<br />

<strong>Farbe</strong>n sind günstiger als viele<br />

verschiedene <strong>Farbe</strong>n. Um dem Betrachter<br />

die Orientierung zu erle<strong>ich</strong>tern, <strong>so</strong>llten<br />

gle<strong>ich</strong>e Sachverhalte durchgehend in <strong>der</strong><br />

gle<strong>ich</strong>en <strong>Farbe</strong> dargestellt werden. Innerhalb<br />

eines Sachverhalts kann mit Abstufungen<br />

einer <strong>Farbe</strong> gearbeitet werden.<br />

Kleinere Flächen <strong>so</strong>llte man in reinen, gesättigten<br />

<strong>Farbe</strong>n anlegen, während es bei<br />

größeren Flächen ratsam ist, die <strong>Farbe</strong>n<br />

mit Weiß aufzuhellen bzw. mit Grau zu<br />

entsättigen. Je größer die Fläche ist, desto<br />

heller bzw. entsättigter <strong>so</strong>llte die <strong>Farbe</strong><br />

werden. <strong>Die</strong> Werbung arbeitet fast immer<br />

mit Farbkombinationen, da s<strong>ich</strong> die <strong>Farbe</strong>n<br />

untereinan<strong>der</strong> unterstützen und verstärken.<br />

Rot und Gelb sind die <strong>Farbe</strong>n mit<br />

<strong>der</strong> größten Signalwirkung, Blau und Rot<br />

die mit Abstand be<strong>lieb</strong>testen <strong>Farbe</strong>n. Einzelne<br />

<strong>Farbe</strong>n dominieren das Design, und<br />

bestimmen die Hauptbotschaft, die dazu<br />

kombinierten <strong>Farbe</strong>n verstärken, ergänzen<br />

und unterstre<strong>ich</strong>en die Werbebotschaft.<br />

Um unseren <strong>rot</strong>en Faden wie<strong>der</strong><br />

aufzunehmen _ eine <strong>Farbe</strong> wie Rot, die<br />

<strong>der</strong>artig auffällt und zugle<strong>ich</strong> <strong>so</strong> viele Bedeutungen<br />

transportiert, eignet s<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong><br />

be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s zur Vermarktung. Das<br />

legendärste Beispiel des Einsatzes <strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong> Rot im Werbefeldzug ist das Markendesign<br />

von Coca-Cola, das es geschafft<br />

hat, zuerst dem Weihnachtsmann<br />

und dann <strong>der</strong> kompletten Farbsymbolik<br />

<strong>der</strong> Weihnachtszeit in <strong>der</strong> westl<strong>ich</strong>en Hemisphäre<br />

die Coca-Cola-Hausfarbe Rot zu<br />

verpassen. N<strong>ich</strong>t weniger erfolgre<strong>ich</strong> mit<br />

seiner PR-Strategie war <strong>der</strong> Zigarettenkonzern<br />

Philip Morris, dem es durch jahrzehntelange<br />

massive Werbeberieselung<br />

für die Zigarettenmarke Marlboro gelungen<br />

ist, die Hausfarbe Marlboro-Rot (HKS<br />

13) als eine feste Marke im kollektiven Bewusstsein<br />

zu etablieren. Der italienische<br />

Sportwagenhersteller Ferrari fährt eine<br />

ähnl<strong>ich</strong> konsequente Kommunikationsstrategie<br />

bei <strong>der</strong> Vermarktung seiner <strong>rot</strong>en<br />

Flitzer.<br />

Hier die As<strong>so</strong>ziationen zu Rot, die s<strong>ich</strong> mit<br />

den Eigenschaften eines beworbenen<br />

Produktes decken <strong>so</strong>llten: Energie, Kraft,<br />

Liebe, Leidenschaft, Lust, E<strong>rot</strong>ik, Feuer,<br />

Glut, Willenskraft, Mut, Gefahr, Macht,<br />

Herrschaft, aktiv, heiß, schwer, stark,<br />

wirksam, temperamentvoll, auffällig,<br />

strahlend. Geschmacksas<strong>so</strong>ziation: süß,<br />

kräftig, scharf und würzig.<br />

Warum s<strong>ich</strong> manche Menschen n<strong>ich</strong>t<br />

grün sind und warum die <strong>Farbe</strong> des<br />

Propheten Grün ist, erfahren Sie in <strong>der</strong><br />

nächsten Folge.<br />

y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

| PRINT & PRODUKTION 3/2004 | 17 |


| Design | Teil 2 | | <strong>Farbe</strong> Grün |<br />

Das hat je<strong>der</strong> schon einmal erlebt, dass man jemandem partout<br />

n<strong>ich</strong>t grün ist, bei einem Problem auf keinen grünen Zweig<br />

kommt o<strong>der</strong> <strong>so</strong>gar grün vor Neid wird. T<strong>rot</strong>zdem geben Sie immer<br />

wie<strong>der</strong> mal grünes L<strong>ich</strong>t, fahren am Sonntag ins Grüne und<br />

beschließen w<strong>ich</strong>tige Dinge am grünen Tisch. Was ist eigentl<strong>ich</strong><br />

Grün? <strong>Die</strong> Physiker machen es s<strong>ich</strong> am einfachsten. Sie sagen<br />

grün ist da, wo alle elektromagnetischen Wellenlängen bis auf<br />

die von 520 bis 565 Nanometer Länge ab<strong>so</strong>rbiert werden. Sie<br />

sagen, Grün ist eine <strong>der</strong> Grundfarben <strong>der</strong> additiven Farbmischung,<br />

und in <strong>der</strong> subtraktiven Farbmischung ist Grün die<br />

Komplementärfarbe zu Magenta, gemischt aus Cyan und Yellow.<br />

<strong>Die</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong><br />

Denn es<br />

grünt<br />

<strong>so</strong> grün…<br />

Damit ist auch schon Schluss mit einfach,<br />

denn Grün ist in punkto Wirkung<br />

und Bedeutung die facettenre<strong>ich</strong>ste<br />

<strong>Farbe</strong> und die drittbe<strong>lieb</strong>teste <strong>der</strong><br />

Deutschen (nach Rot und Blau). Sie<br />

steht für Großzügigkeit, S<strong>ich</strong>erheit,<br />

Harmonie, Hoffnung und Erneuerung<br />

des Lebens, kann aber auch Gefühle<br />

wie Neid, Stagnation und Müdigkeit<br />

vermitteln. Grün steht aber auch für<br />

Unerfahrenheit (grün hinter den Ohren)<br />

und symbolisiert das Saure und das<br />

Bittere.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Grün<br />

Das Phänomen des Lebens auf diesem<br />

Planeten beruht auf <strong>der</strong> Existenz des grünen<br />

Farbstoffs Chlorophyll (Blattgrün),<br />

<strong>der</strong> die Fähigkeit besitzt, durch Fotosynthese<br />

anorganische Stoffe in organische<br />

umzuwandeln. Pflanzen produzieren <strong>so</strong><br />

Stärke und den lebensnotwendigen Sauerstoff.<br />

<strong>Die</strong> Wurzel des Wortes „grün“ liegen<br />

denn auch n<strong>ich</strong>t <strong>so</strong> weit davon entfernt,<br />

denn das althochdeutsche Verb<br />

„groa“ bedeutete <strong>so</strong>viel wie „wachsen“<br />

und „gedeihen“. Bei den Jägern und<br />

Sammlern <strong>der</strong> Steinzeit spielte die <strong>Farbe</strong><br />

Grün kaum eine Rolle und es existieren<br />

praktisch keine Höhlenmalereien mit Darstellungen<br />

von Pflanzen. Dennoch haben<br />

uns unsere Vorfahren einen Sehsinn vererbt,<br />

<strong>der</strong> für Grün be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s empfängl<strong>ich</strong><br />

ist. Von dieser <strong>Farbe</strong> unterscheidet das<br />

menschl<strong>ich</strong>e Auge die feinsten Nuancen,<br />

Nachwirkungen einer Zeit, in <strong>der</strong> das Erkennen<br />

grüner Pflanzen zur Nahrungsfindung<br />

überlebensw<strong>ich</strong>tig war. Im alten<br />

Ägypten war Grün die heilige <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong><br />

Hoffnung auf den Frühling. In <strong>der</strong> Antike<br />

galt Grün als die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Fruchtbarkeitsund<br />

Liebesgöttin und des Weingottes Diony<strong>so</strong>s,<br />

den die Römer Bacchus nannten.<br />

Bei den Kelten und Germanen stellte <strong>der</strong><br />

„grüne Mann“ den Gott <strong>der</strong> Fruchtbarkeit<br />

dar, <strong>der</strong> im deutschsprachigen Raum auch<br />

<strong>der</strong> Grüne Georg genannt wurde und<br />

letztendl<strong>ich</strong> zu einem christl<strong>ich</strong>en Heiligen<br />

wurde – dem heiligen Georg. Mit dem<br />

Vordringen des Christentums in Europa<br />

wurde grüne Tracht mit den Hexen und<br />

dem Tod in Verbindung gebracht. Daraus<br />

entwickelte s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Aberglaube, dass die<br />

| 30 | PRINT & PRODUKTION 4/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Grün | | Teil 2 | Design |<br />

<strong>Farbe</strong> Grün Unglück bedeute. Christl<strong>ich</strong>e<br />

Dämonen waren drachenähnl<strong>ich</strong> und besaßen<br />

eine grüne Hautfarbe und grüne<br />

Augen und von ihnen ging tödl<strong>ich</strong>es Gift<br />

und „Höllengestank“ aus. Bis heute existiert<br />

die Vorstellung, dass Grün zusammen<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Gelb mit dem Begriff<br />

„Gift“ verbunden ist („giftgrün“). An<strong>der</strong>erseits<br />

ist Grün als Symbol <strong>der</strong> Erneuerung<br />

bis heute im Christentum erhalten<br />

geb<strong>lieb</strong>en. <strong>Die</strong> Karwoche beginnt mit dem<br />

Grün<strong>so</strong>nntag (Palm<strong>so</strong>nntag), die Fastenzeit<br />

endet mit dem Gründonnerstag.<br />

Islam und Arabische <strong>Welt</strong><br />

<strong>Die</strong> Symbolik <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Grün hatte in <strong>der</strong><br />

arabischen <strong>Welt</strong> bereits eine lange Vorgesch<strong>ich</strong>te,<br />

als <strong>der</strong> Prophet Mohammed (ge-<br />

Wan<strong>der</strong>er auf ihrem Weg begleitet. Das<br />

heilige Banner – als kostbarste Reliquie<br />

des Islams – ist grün und mit Gold bestickt.<br />

Mohammed <strong>so</strong>ll mit dieser Fahne<br />

in den Krieg gezogen sein und mit ihr<br />

Mekka erobert haben. Er selbst trug einen<br />

grünen Mantel und einen grünen Turban.<br />

Bis heute ist es nur seinen Nachfolgern,<br />

den Kalifen gestattet, einen grünen Turban<br />

zu tragen. In <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Muslime<br />

überwiegt im Paradies die <strong>Farbe</strong> Grün als<br />

Sinnbild für blühende Landschaften und<br />

ewigen Oasen. Deshalb ist Grün die <strong>Farbe</strong><br />

<strong>der</strong> arabischen Liga und die vorherrschende<br />

<strong>Farbe</strong> in <strong>der</strong> heraldischen Symbolik und<br />

in <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> Nationalflaggen –<br />

etwa die des Königre<strong>ich</strong>s Saudi-Arabien,<br />

Pakistans, des Archipels <strong>der</strong> Komoren,<br />

<strong>Die</strong> grüne Macht von <strong>der</strong> Weser: Wer<strong>der</strong> Bremen schickt s<strong>ich</strong> an, im Jahr 2004<br />

Deutscher Fußballmeister zu werden.<br />

The Greenback: <strong>Die</strong> be<strong>lieb</strong>teste<br />

grüne Drucksache <strong>der</strong> <strong>Welt</strong>.<br />

Grünes Kultmännchen: <strong>Die</strong> DDR-<br />

Ampelmännchen wurden 1961 von<br />

dem Verkehrs-Psychologen Karl<br />

Peglau entworfen und sind teilweise<br />

auch heute noch in den neuen<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n zu sehen.<br />

boren um 570, gestorben am 8. 6. 632) sie<br />

zu seiner Lieblingsfarbe erklärte. In <strong>der</strong><br />

wüstenartigen Landschaft Arabiens ist<br />

Vegetation selten und kostbar und demzufolge<br />

genoss Grün als <strong>Farbe</strong>, wie bei allen<br />

Wüstenvölkern, seit jeher hohes Ansehen.<br />

<strong>Die</strong> arabische Sprache besitzt ein<br />

sehr breites Spektrum an Wörtern, welche<br />

die Feinheiten <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Grün ausdrücken.<br />

Eine prämohammedanische Sagengestalt<br />

in Arabien ist <strong>der</strong> Heilige „al-Chadir“,<br />

<strong>der</strong> „grüne Mann“, <strong>der</strong> die Nomaden<br />

in <strong>der</strong> Wüste zum Wasser führt und die<br />

Mauretaniens, Algeriens, Kuwaits, Jordaniens,<br />

Palästinas, des Iraks und des Iran.<br />

<strong>Die</strong> seit 1977 gültige National- und Handelsflagge<br />

Libyens besteht <strong>so</strong>gar nur aus<br />

einer <strong>Farbe</strong> – natürl<strong>ich</strong> Grün.<br />

Das politische Grün<br />

In Deutschland wurde die <strong>Farbe</strong> Grün ab<br />

1980 mit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Partei „<strong>Die</strong><br />

Grünen“ zu einer politischen <strong>Farbe</strong>. <strong>Die</strong><br />

<strong>Farbe</strong> <strong>so</strong>llte den Schutz <strong>der</strong> Umwelt als<br />

w<strong>ich</strong>tigste Abs<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Partei symbolisieren.<br />

18 Jahre später war die junge Partei<br />

Seit <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong><br />

„Grünen“ ist Grün in<br />

Deutschland auch eine politische<br />

<strong>Farbe</strong>.<br />

auf den we<strong>ich</strong>en Regierungssesseln angekommen<br />

und weitere sechs Jahre später,<br />

am 22.02.2004, unterze<strong>ich</strong>neten die<br />

Vorsitzenden <strong>der</strong> 32 europäischen grünen<br />

Parteien den Gründungsvertrag <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

Europäischen Grünen Partei.<br />

Damit ist Grün endgültig eine <strong>Farbe</strong> im politischen<br />

Spektrum Europas. Darüber hinaus<br />

besitzt die <strong>Farbe</strong> auch in den einzelnen<br />

Län<strong>der</strong>n politische Bedeutung. In <strong>der</strong><br />

grün-weiß-<strong>rot</strong>en Flagge Italiens stehen<br />

das Weiß und das Rot für die alten <strong>Farbe</strong>n<br />

Italiens, während Grün das Recht des<br />

Menschen auf Freiheit und Gle<strong>ich</strong>heit<br />

symbolisiert. In <strong>der</strong> seit 1848 existierenden<br />

Trikolore <strong>der</strong> grünen Insel Irland steht<br />

Grün für die Katholiken, Orange für die<br />

P<strong>rot</strong>estanten und das weiße Feld in <strong>der</strong><br />

Mitte für den Frieden zwischen den Konfessionen,<br />

<strong>der</strong> bis heute ein Wunschtraum<br />

geb<strong>lieb</strong>en ist. St. Patrick ist <strong>der</strong> irische<br />

Schutzpatron und sein Namenstag,<br />

St.Patricks-Day, wird am 17. März mit<br />

Kleeblattsymbolen und grüner Kleidung<br />

ausgiebig gefeiert – n<strong>ich</strong>t nur in Irland,<br />

<strong>so</strong>n<strong>der</strong>n auch in den USA, wo Millionen<br />

von irischen Vorfahren abstammen.<br />

<strong>Farbe</strong>, Pigmente<br />

Der natürl<strong>ich</strong> vorkommende grüne Halbedelstein<br />

Malachit ist eines <strong>der</strong> ältesten<br />

bekannten Grünpigmente. In <strong>der</strong> Natur<br />

bildet Malachit smaragdgrüne bis<br />

schwarzgrüne, traubenförmige Aggregate<br />

o<strong>der</strong> grüne, erdige Massen. Oft kommt er<br />

| PRINT & PRODUKTION 4/2004 | 31 |


| Design | Teil 2 | | <strong>Farbe</strong> Grün |<br />

Grünes CD: <strong>Die</strong> friesischen Brauer<br />

setzen auf Grün.<br />

Saudi Arabien: <strong>Die</strong> Nationalflagge des<br />

Königre<strong>ich</strong>s zeigt das grüne Banner<br />

des Propheten, das islamische<br />

Glaubensbekenntnis unterstre<strong>ich</strong>t ein<br />

Krummschwert.<br />

Grünes CD: Auch Galeria Kaufhof<br />

„freut“ s<strong>ich</strong> auf Grün.<br />

Grünes CD: <strong>Die</strong> Dresdner Bank weckt<br />

mit Grün die Hoffnung, dass s<strong>ich</strong> das<br />

angelegte Geld mehren möge.<br />

und die Spielfel<strong>der</strong> von Billardtischen<br />

sind grün, da die <strong>Farbe</strong> für die Augen angenehm<br />

wirkt und die Kontrastwirkung<br />

mit an<strong>der</strong>en <strong>Farbe</strong>n hervorhebt. Dadurch<br />

erfolgt eine Konzentration auf das Wesentl<strong>ich</strong>e.<br />

In <strong>der</strong> Werbung wird die <strong>Farbe</strong> Grün mit<br />

ökologischen Produkten in Verbindung<br />

gebracht. Grün und insbe<strong>so</strong>n<strong>der</strong>e das<br />

Umweltsymbol <strong>der</strong> „Grüne Engel“ versprechen<br />

Umweltverträgl<strong>ich</strong>keit und garantieren<br />

ein gutes Gewissen beim Kauf.<br />

Aus ähnl<strong>ich</strong>en, aber eher zweifelhaften<br />

Gründen, sind Giftflaschen mit Insektiziden<br />

oft grün bedruckt, um <strong>so</strong> den Kauf eines<br />

„Naturproduktes“ zu suggerieren.<br />

Grün war früher die be<strong>lieb</strong>teste <strong>Farbe</strong> für<br />

Wohnzimmer und Salons. Der expressionistische<br />

Maler Wassily Kandinsky (1866<br />

bis 1944) mochte die <strong>Farbe</strong> überhaupt<br />

n<strong>ich</strong>t. Sie sei aufgrund ihrer passiven Wirkung<br />

ein „beschränkendes Element“ und<br />

daher die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> „Bourgeoisie“: Das<br />

Grün sei „wie eine dicke, sehr gesunde,<br />

unbewegl<strong>ich</strong> liegende Kuh, die nur zum<br />

Wie<strong>der</strong>käuen fähig mit blöden, stumpfen<br />

Augen die <strong>Welt</strong> betrachtet“, <strong>so</strong> <strong>der</strong> berühmte<br />

Maler im Jahr 1952. Fürwahr, eine<br />

ambivalente <strong>Farbe</strong>.<br />

Warum die <strong>Farbe</strong> Gelb die Lieblingsfarbe<br />

von Vincent van Gogh war und warum Gelb<br />

in Frankre<strong>ich</strong> für Verräter steht und in den<br />

asiatischen Kulturen als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Glückseligkeit,<br />

des Ruhms und <strong>der</strong> Weisheit gilt,<br />

erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten Folge. y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

zusammen mit dem Mineral Azurit vor.<br />

Malachit besitzt die chemische Formel<br />

Cu 2 [(OH) 2 |CO3] und ist ein basisches Kupfercarbonat.<br />

<strong>Die</strong> Kupferatome sind für die<br />

grüne Färbung verantwortl<strong>ich</strong>. Bei einer<br />

Ausgrabung in Beidha in <strong>der</strong> Nähe des Toten<br />

Meeres konnte die frühste Verwendung<br />

von Malachit als grünes Pigment<br />

nachgewiesen werden. In einer 9000 Jahren<br />

alten Siedlung entdeckte man mit Malachit<br />

bemalte Wände und in den Überresten<br />

einer Werkstatt die Rohstoffe Malachit<br />

und Ocker. <strong>Die</strong> Ägypter bauten das<br />

Mineral am Berg Sinai ab und gewannen<br />

daraus Kupfer. Es wurde aber auch gemahlen<br />

und mit Eiweiß, Akazienharz o<strong>der</strong><br />

Feigenmilch verrührt, <strong>so</strong>dass eine smaragdgrüne<br />

Malfarbe und Schminke entstand.<br />

<strong>Die</strong>se wurde von den ägyptischen<br />

Frauen zum Schminken ihrer Augenli<strong>der</strong><br />

verwendet.<br />

Eine weitere Mögl<strong>ich</strong>keit grüne Pigmente<br />

zu gewinnen, war die Verarbeitung von<br />

Grünerde, einem Verwitterungsprodukt<br />

von Silicaten, die Mineralien wie Augit<br />

und Hornblende enthalten. <strong>Die</strong> grüne <strong>Farbe</strong><br />

wird durch zweiwertige Eisensalze verursacht.<br />

Erste Verwendungen von Grünerde<br />

finden s<strong>ich</strong> bei den Wandmalereien<br />

<strong>der</strong> Römer. <strong>Die</strong> berühmte Veroneser grüne<br />

Erde vom Monte Baldo war ein w<strong>ich</strong>tiges<br />

Grünpigment für die Fresko-, Tempera-,<br />

Öl-, und Aquarellmalerei. Grüne Erde<br />

ist ab<strong>so</strong>lut ungiftig und völlig l<strong>ich</strong>techt.<br />

Im Jahre 1800 wurde Grün durch die Herstellung<br />

des „Schweinfurter Grün“ buchstäbl<strong>ich</strong><br />

zum „Giftgrün“. <strong>Die</strong>se Malfarbe<br />

wurde aus Grünspan und Kupferarsenit<br />

gewonnen und war eines <strong>der</strong> giftigsten<br />

Pigmente, die von Malern jemals verwendet<br />

wurden. Nach dem Vermalen <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong><br />

entwickeln s<strong>ich</strong> giftige Arsendämpfe,<br />

die unter an<strong>der</strong>em Napoleon zum Verhängnis<br />

wurden. Denn Grün war Napoleons<br />

Lieblingsfarbe und die Räume seines<br />

Exils in St. Helena waren mit grüner <strong>Farbe</strong><br />

bestr<strong>ich</strong>en. Als französische Chemiker<br />

den Le<strong>ich</strong>nam Napoleons untersuchten,<br />

fanden sie große Mengen Arsen in seinen<br />

Haaren und unter seinen Fingernägeln.<br />

Der französische Eroberer war jedoch<br />

n<strong>ich</strong>t vergiftet worden, wie man ursprüngl<strong>ich</strong><br />

angenommen hatte, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n starb an<br />

einer schle<strong>ich</strong>enden Arsenvergiftung.<br />

In <strong>der</strong> heutigen Zeit sind Chromoxide die<br />

am häufigsten eingesetzten mineralischen<br />

Grünpigmente. Sie eignen s<strong>ich</strong> zum<br />

Druck von Banknoten, zum Anstre<strong>ich</strong>en<br />

von Heizungen, Öfen, Dampfkesseln, als<br />

Porzellan- und Glasfarbe, für Bau- und<br />

Kunststoffe, <strong>so</strong>wie als grüne <strong>Farbe</strong> in <strong>der</strong><br />

Drucktechnik. Chromoxidhydratgrün ist<br />

n<strong>ich</strong>t <strong>so</strong> hitzebeständig wie das <strong>was</strong>serfreie<br />

Chromoxidgrün. Beide dürfen n<strong>ich</strong>t<br />

mit dem giftigen Chromgrün verwechselt<br />

werden.<br />

Wirkung und Anwendung<br />

Aufgrund ihrer Naturnähe wirkt die <strong>Farbe</strong><br />

Grün im Gegensatz zur anregenden Wirkung<br />

<strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Rot beruhigend und harmonisierend.<br />

Farbbestrahlungen mit Grün<br />

beruhigen das gesamte Nervensystem,<br />

wirken gegen Anspannungen, Nervosität,<br />

Schlafstörungen. Grün entspannt die Augen<br />

und den gesamten Körper. Grün ist die<br />

<strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Balance und mit Blau die Grundfarbe<br />

<strong>der</strong> Natur. Menschen, <strong>der</strong>en Lieblingsfarbe<br />

Grün ist, sind oft bescheiden,<br />

ausgegl<strong>ich</strong>en und geduldig.<br />

<strong>Die</strong> positive Heilwirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Grün<br />

für Körper und Seele wurde bereits von<br />

Hildegard von Bingen, einer führenden<br />

Ärztin des Mittelalters, erkannt. Noch<br />

heute gehen viele Menschen im grünen<br />

Wald spazieren, um s<strong>ich</strong> zu entspannen<br />

und zu erholen. <strong>Die</strong> Tafeln in den Schulen<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung <strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong> Grün in<br />

verschiedenen Län<strong>der</strong>n<br />

Österre<strong>ich</strong><br />

Brasilien<br />

Dänemark<br />

Frankre<strong>ich</strong><br />

Italien<br />

Pakistan<br />

Hoffnung<br />

Hoffnung<br />

Freiheit<br />

unreif<br />

Krankheit<br />

Hoffnung<br />

Langeweile<br />

Gesundheit<br />

jugendl<strong>ich</strong><br />

Furcht<br />

Neid<br />

Jugend<br />

Geldknappheit<br />

depressiver Ärger<br />

Glück<br />

Frömmigkeit<br />

ewiges Leben<br />

| 32 | PRINT & PRODUKTION 4/2004 |


| Design | Teil 3 | | <strong>Farbe</strong> Gelb |<br />

<strong>Die</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>n<br />

…eine unmittelbare<br />

Beleuchtet man weißes<br />

Papier mit <strong>rot</strong>em und grünem<br />

L<strong>ich</strong>t, <strong>so</strong> erscheint es Gelb.<br />

Der Grund dafür ist das<br />

Phänomen <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>naddition,<br />

die im Fall Gelb<br />

elektromagnetische Wellen<br />

Wärme<br />

scheint uns<br />

anzuwehen…<br />

im s<strong>ich</strong>tbaren Bere<strong>ich</strong> von 540<br />

bis 600 Nanometer bedeuten.<br />

Darüber lässt s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t streiten,<br />

das ist wissenschaftl<strong>ich</strong><br />

erwiesen, genau wie die<br />

Tatsache, dass Gelb eine <strong>der</strong><br />

drei Grundfarben und die<br />

hellste bunte <strong>Farbe</strong> ist.<br />

Sobald man s<strong>ich</strong> jedoch dem<br />

interpretatorischen Bere<strong>ich</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> zuwendet, öffnet<br />

s<strong>ich</strong> ein weites Feld.<br />

Gelb ist die Symbolfarbe für L<strong>ich</strong>t, Sonne<br />

und Gold, es ist die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Weisheit<br />

und <strong>der</strong> Imagination, <strong>der</strong> Heiterkeit und<br />

Freude, aber auch die Symbolfarbe des<br />

Egoismus und war früher die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong><br />

Geächteten. <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Gelb bewegt s<strong>ich</strong><br />

zwischen zwei Polen: Da ist zum einen<br />

das warme, <strong>so</strong>nnige Gelb, das ins Orange<br />

geht. Es ist die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Lebensfreude<br />

und <strong>der</strong> Wärme, <strong>der</strong> Extrovertiertheit und<br />

des Vergnügens. Es ist das Lebensgelb<br />

und die <strong>Farbe</strong> des Luxus. Das an<strong>der</strong>e, das<br />

negative Gelb ist das verschmutzte, gebrochene,<br />

fahle und grünl<strong>ich</strong>e Gelb. <strong>Die</strong>s<br />

ist ein krankes Gelb, das Todesgelb. <strong>Die</strong>se<br />

Ambivalenz bewirkt, dass nur vier Prozent<br />

aller Frauen und drei Prozent aller Männer<br />

Gelb als ihre Lieblingsfarbe beze<strong>ich</strong>nen.<br />

<strong>Die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Gelb<br />

Ein gelbes Pigment (Goethit und Ton) wurde<br />

bereits bei den Höhlenmalereien von<br />

Lascaux vor 17 000 Jahren verwendet. <strong>Die</strong><br />

alten Ägypter benutzten auf Wandgemälden<br />

gelben Ocker zur Darstellung von<br />

Haut. In den Hieroglyphen – das einzige<br />

Schriftsystem, das bisher die <strong>Farbe</strong> als<br />

Bedeutungsträger einsetzte – wurde das<br />

Wort „Frau“ mit gelber <strong>Farbe</strong> geschrieben.<br />

Außerdem diente <strong>der</strong> gelbe Ocker<br />

zur Ausmalung von Bildhintergründen.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Gelb, das von den Ägyptern<br />

als Pigment verwendet wurde, ließ s<strong>ich</strong><br />

durch Mahlen von Arsensulfid herstellen.<br />

Das giftige Pigment diente im alten Ägypten,<br />

aber auch später in Assyrien o<strong>der</strong> in<br />

China, zum Anstr<strong>ich</strong> von Wänden o<strong>der</strong> als<br />

Malfarbe für Bil<strong>der</strong> und Buchmalereien.<br />

Giftig sind auch viele an<strong>der</strong>e gelbe Pigmente<br />

wie Ble<strong>ich</strong>romat (Chromgelb) o<strong>der</strong><br />

Bleiantimonid (Neapelgelb). Im alten China<br />

und in allen asiatischen Kulturen galt<br />

die <strong>Farbe</strong> Gelb als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Glückseligkeit,<br />

des Ruhmes und <strong>der</strong> Weisheit. Sie<br />

verkörperte ab dem 3. Jahrtausend vor<br />

Christus Macht und Herrschaft. Gelbe Gewän<strong>der</strong><br />

waren dem Volke verboten, nur<br />

<strong>der</strong> Kaiser und buddhistische Mönche<br />

durften sie tragen. Der Ursprung für die<br />

vornehme Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Gelb in<br />

China kann vielle<strong>ich</strong>t im Gelben Fluss (Huang<br />

Ho) gesehen werden, dessen Name<br />

von <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> des Wassers her rührt, das<br />

einen hohen Anteil an gelbem Schlamm<br />

mitführt. Rohstoff für die gelben Gewän<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> chinesischen Kaiser war <strong>der</strong> Safrankrokus,<br />

die berühmteste Pflanze zum<br />

Gelbfärben. Safrangelb ist ein rötl<strong>ich</strong>es<br />

Gelb, es ist l<strong>ich</strong>t- und <strong>was</strong>checht. 8 000<br />

Safrankrokusblüten ergeben 100 g braun<strong>rot</strong>e,<br />

getrocknete Narben, aus denen s<strong>ich</strong><br />

<strong>der</strong> Farbstoff Crocin mit Wasser extrahieren<br />

lässt. Der Krokus des Altertums galt<br />

als König <strong>der</strong> Pflanzen, da <strong>der</strong> gewonnene<br />

Farbstoff eine unglaubl<strong>ich</strong>e Färbekraft besaß.<br />

Noch in einer Verdünnung von 1 zu<br />

200 000 b<strong>lieb</strong> die <strong>Farbe</strong> s<strong>ich</strong>tbar.<br />

Viel billiger als Safran war <strong>der</strong> Blütenstaub<br />

des Saflors, einer Distelart, die seit<br />

dem Mittelalter auch in Europa angebaut<br />

wurde. Saflorgelb war zwar intensiv, aber<br />

n<strong>ich</strong>t l<strong>ich</strong>t- und <strong>was</strong>checht, <strong>so</strong>dass man<br />

keine kostbaren Stoffe mit ihm färbte. Mit<br />

Indigo o<strong>der</strong> Waid überfärbt ergab es einen<br />

schönen Grünton. Außerdem färbte man<br />

mit Wau, auch Reseda o<strong>der</strong> Gilbkraut genannt,<br />

das schon seit <strong>der</strong> Steinzeit eine<br />

bekannte Färberpflanze war und bis ins<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>t in Deutschland angebaut<br />

Politisches Gelb: <strong>Die</strong><br />

FDP setzt auf gelbblau.<br />

Ist Strom gelb?: <strong>Die</strong><br />

RWE-Tochter Yello<br />

Strom versucht mit<br />

Gelb ein uns<strong>ich</strong>tbares<br />

Produkt s<strong>ich</strong>tbar zu<br />

machen<br />

Historisches Gelb: <strong>Die</strong><br />

<strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Götterboten<br />

ist seit <strong>der</strong> Antike<br />

gelb.<br />

| 28 | PRINT & PRODUKTION 5/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Gelb | | Teil 3 | Design |<br />

Warmes Gelb: „Stilleben mit Sonnenblumen“ aus dem Jahr 1888, Vincent van Gogh.<br />

Leuchtendes Gelb: „Caféterasse bei Nacht“,1888, Vincent van Gogh<br />

Warnendes Gelb: Gefahren und Gifte werden bei Mensch und Tier durch Gelb<br />

symbolisiert.<br />

wurde. <strong>Die</strong>se Pflanze ergab ein fahles<br />

Gelb und wurde daher meist auch mit<br />

Blau überfärbt, um grüne Stoffe zu erhalten.<br />

Safrangelb galt als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Liebe –<br />

die römische Liebesgöttin Venus trug ein<br />

gelbes Gewand – aber später auch <strong>der</strong><br />

Wollust. Aus diesem Grunde wurde Gelb<br />

im Mittelalter vom Christentum zur <strong>Farbe</strong><br />

<strong>der</strong> Dirnen erklärt. <strong>Die</strong>se wurden gezwungen,<br />

zur Erkennung ein gelbes Band, einen<br />

gelben Gürtel o<strong>der</strong> einen gelben Umhang<br />

zu tragen. In Indien trugen die Bräute<br />

vor <strong>der</strong> Hochzeit zerrissene, gelbe Klei<strong>der</strong><br />

zur Vertreibung von bösen Geistern. In<br />

<strong>Die</strong> Gelben Seiten sind international ein<br />

Synonym für das Branchenverze<strong>ich</strong>nis.<br />

Von oben nach unten: <strong>Die</strong> deutschen,<br />

norwegischen und italienischen Gelben<br />

Seiten.<br />

Ägypten, in Russland, im Orient und in<br />

manchen Län<strong>der</strong>n des Balkans ist Gelb<br />

die Hochzeitsfarbe. In an<strong>der</strong>en Kreisen<br />

und Kulturen galt die <strong>Farbe</strong> Gelb als Unglücksbringer.<br />

So meiden Schausteller<br />

die <strong>Farbe</strong> und im Theater dürfen Vorhänge<br />

nie gelb sein, da dies Unglück bringen<br />

<strong>so</strong>ll.<br />

Da Gelb sehr le<strong>ich</strong>t durch an<strong>der</strong>e Farbstoffe<br />

„verschmutzt“ wurde, belegte man das<br />

grünl<strong>ich</strong>e Gelb mit Ekel, als <strong>Farbe</strong> des Eiters<br />

und des Aussatzes. Wo eine gelbe<br />

Flagge wehte, wütete die Pest. Nach altem<br />

Glauben sah man die Ursache für jegl<strong>ich</strong>en<br />

Ärger in <strong>der</strong> Galle. Eine Gelbfärbung<br />

<strong>der</strong> Haut symbolisierte Ärger, Neid<br />

(„gelb vor Neid“) Eifersucht und Geiz.<br />

Nach <strong>der</strong> christl<strong>ich</strong>en Vorstellung waren<br />

Neid und Geiz zwei <strong>der</strong> sieben Todsünden,<br />

<strong>was</strong> einen weiteren Grund darstellte,<br />

warum die <strong>Farbe</strong> Gelb diskriminiert wurde.<br />

Einen Höhepunkt erlitt die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong><br />

Geächteten, als die National<strong>so</strong>zialisten<br />

die Juden zwangen, einen gelben Davidsstern<br />

als Erkennungsze<strong>ich</strong>en zu tragen.<br />

<strong>Die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> Judenverfolgungen<br />

durch die Christen ist jedoch wesentl<strong>ich</strong><br />

älter. Bereits im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t mussten<br />

die Juden einen gelben Hut tragen.<br />

Künstler und Gelb<br />

In seiner <strong>Farbe</strong>nlehre schrieb Goethe über<br />

Gelb: „So ist es <strong>der</strong> Erfahrung gemäß,<br />

dass das Gelbe einen durchaus warmen<br />

und behagl<strong>ich</strong>en Eindruck mache. (...)<br />

Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt,<br />

das Gemüt erheitert; eine unmittelbare<br />

Wärme scheint uns anzuwehen.“<br />

Ein ganz an<strong>der</strong>es Gelb hatte Kandinsky im<br />

Sinn, als er 1952 in seinem Buch „Über<br />

das Geistige in <strong>der</strong> Kunst“ schrieb: „An<strong>der</strong>erseits<br />

das Gelb, wenn es direkt betrachtet<br />

wird (...) beunruhigt den Menschen,<br />

st<strong>ich</strong>t, regt ihn auf und zeigt den Charakter<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> ausgedrückten Gewalt,<br />

die schließl<strong>ich</strong> frech und aufdringl<strong>ich</strong><br />

auf das Gemüt wirkt.“<br />

N<strong>ich</strong>t wenige Psychologen sehen denn<br />

auch Gelb als ein Anze<strong>ich</strong>en von psychischen<br />

Störungen an: E. P. Mosse hat es<br />

1997 <strong>so</strong> formuliert: „<strong>Die</strong>ses Gelb ist die<br />

natürl<strong>ich</strong>e und eigentl<strong>ich</strong>e <strong>Farbe</strong> des morbiden<br />

Gemüts. Sobald wir sein zunehmendes<br />

Auftreten bemerken, können wir<br />

s<strong>ich</strong>er sein, dass wir es mit einer psychischen<br />

Störung zu tun haben.“<br />

<strong>Die</strong>se Auffassung unterstützt die Lebensgesch<strong>ich</strong>te<br />

von Vincent van Gogh, in <strong>der</strong><br />

Psychosen und die Vor<strong>lieb</strong>e von Gelb miteinan<strong>der</strong><br />

verschmolzen. Anfangs verwendete<br />

er gelben Ocker, später auch das neu<br />

aufkommende Cadmiumgelb o<strong>der</strong><br />

Chromgelb (z. B. in den berühmten Sonnenblumenbil<strong>der</strong>n).<br />

L<strong>ich</strong>t symbolisierte<br />

für ihn die Sonne des Südens, Heiterkeit,<br />

aber auch Freundschaft und Liebe. Das<br />

Gelb trat bei van Gogh oft in Verbindung<br />

mit seiner Komplementärfarbe Blau auf.<br />

<strong>Die</strong> Farbkombination Gelb-Blau versinnbildl<strong>ich</strong>te<br />

für ihn die Kraft und die Totalität<br />

des Lebens. Das Gelb drückt die Sehnsucht<br />

des Künstlers nach einem heiteren<br />

und unbeschwerten Leben aus, das van<br />

Gogh n<strong>ich</strong>t hatte. Gle<strong>ich</strong>zeitig verkörpert<br />

es die schöpferische Energie, die in diesem<br />

Künstler innewohnte.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Gelb<br />

T<strong>rot</strong>z seiner verschiedenen Bedeutungen<br />

wirkt Gelb in den meisten Fällen anregend,<br />

strahlend, positiv und erhellend.<br />

Leuchtend intensive Gelb-Töne muntern<br />

auf und haben einen positiven Einfluss<br />

auf die Nerven, sie wirken hervorragend<br />

gegen Depressionen und för<strong>der</strong>n Magen,<br />

Darm, Leber, Milz und Blase. Gelb stimuliert<br />

die linke Gehirnhälfte und hilft deshalb<br />

auch beim Studium. Außerdem regt<br />

Gelb den Geist an und för<strong>der</strong>t Gespräche.<br />

Wer gerne Gelb trägt sei auch meist offener<br />

und rede gern, heißt es. Je nach Farbnuance<br />

kann ein knalliges Gelb distanzierend<br />

auf die Umgebung wirken, während<br />

man mit einem blassen Gelb Schüchternheit<br />

und Zurückhaltung verbindet.<br />

Schmutzige Gelbtöne dagegen vermitteln<br />

negative As<strong>so</strong>ziationen wie Täuschung,<br />

Rachsucht, Pessimismus, Egoismus, Geiz<br />

und Neid.<br />

Gelb in <strong>der</strong> Praxis<br />

Dem Götterboten Merkur war in <strong>der</strong> Antike<br />

die <strong>Farbe</strong> Gelb zugeordnet, eine Tradition,<br />

die s<strong>ich</strong> bis zum heutige Postgelb<br />

fortsetzt. Politisch gesehen ist Gelb in<br />

Deutschland und England die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong><br />

Liberalen. In Frankre<strong>ich</strong> hingegen bedeutet<br />

gelb Verrat, seit s<strong>ich</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

<strong>so</strong> genannte „Gelbe Verbände“ in<br />

Konfrontation mit den „<strong>rot</strong>en Gewerkschaften“<br />

als Streikbrecher unbe<strong>lieb</strong>t gemacht<br />

hatten.<br />

Als Symbolfarbe steht Gelb international<br />

für die Branchenverze<strong>ich</strong>nisse (Yellow Pages)<br />

und für die be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s se<strong>ich</strong>te Boulevardpresse,<br />

„Yellow-Press“ genannt. <strong>Die</strong>ser<br />

Begriff stammt aus <strong>der</strong> Zeit, als zum<br />

ersten mal <strong>Farbe</strong> im Zeitungsdruck eingesetzt<br />

werden konnte. Der erste verfügbare<br />

Farbstoff war Gelb, und die ersten, die ihn<br />

einsetzten, waren die Boulevardzeitungen.<br />

Auch <strong>der</strong> erste Comic wurde mit dieser<br />

Zusatzfarbe gedruckt – <strong>der</strong> Name dieses<br />

Klassikers: „The Yellow Kid“. Eine <strong>der</strong><br />

bekanntesten Drucksachen in Gelb ist s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong><br />

die gelbe Karte, mit <strong>der</strong> ein Fußballspieler<br />

nach einem Foul vom Schiedsr<strong>ich</strong>ter<br />

verwarnt wird. Gelb wird aber auch<br />

in an<strong>der</strong>en Bere<strong>ich</strong>en als Warnfarbe für<br />

Gefahrstoffe geführt. So bedeutet das<br />

Signalisieren einer gelben Flagge auf einem<br />

Schiff in Anlehnung an die frühere<br />

Pestflagge den Ausbruch einer Seuche.<br />

Im Tierre<strong>ich</strong> gilt Gelb wie Rot als Warnfarbe<br />

und signalisiert Gift.<br />

Gelb kombinieren<br />

In <strong>der</strong> Werbung werden warme Gelbfarben<br />

eingesetzt, um eine heitere und friedl<strong>ich</strong>e<br />

Stimmung zu suggerieren. Gelb<br />

lässt kleine Räume optisch größer wirken.<br />

Dunklere Gelbtöne vermitteln Wärme und<br />

Geborgenheit. Aber diese <strong>Farbe</strong> ist n<strong>ich</strong>t<br />

le<strong>ich</strong>t mit an<strong>der</strong>en zu kombinieren, denn<br />

sie verträgt Kontrastfarben wie Blau, Violett<br />

o<strong>der</strong> Grün nur in kleinen Mengen,<br />

<strong>so</strong>nst wirkt die Zusammenstellung le<strong>ich</strong>t<br />

bunt und laut. Gelb lässt s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gut mischen,<br />

denn schon ein kleiner Hauch von<br />

Blau macht aus Gelb Grün und durch Beimischung<br />

von Rot wird aus Gelb Orange.<br />

Gibt man Schwarz hinzu, wird es direkt<br />

schmutzig und dumpf. Gelb ist aber auch<br />

abhängig von den kombinierten <strong>Farbe</strong>n.<br />

Neben Weiß scheint Gelb strahlend hell,<br />

neben Schwarz aufdringl<strong>ich</strong> grell.<br />

Warum Faulpelze ihre Abwesenheit am<br />

Arbeitsplatz gern mit „Blau machen“ verniedl<strong>ich</strong>en<br />

und warum die blauen Pferde<br />

von Franz Marc keine Pferde <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n Pigmente<br />

sind, erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten<br />

Folge.<br />

y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

| PRINT & PRODUKTION 5/2004 | 29 |


| Design | Teil 4 | | <strong>Farbe</strong> Blau |<br />

…von Blaublütigen,<br />

„Ich hab den Himmel sehr dunkel<br />

und die Erde blau gesehen, ein intensives<br />

Dunkelblau“, <strong>so</strong> beschrieb<br />

<strong>der</strong> Astronaut Gagarin die Erde, als<br />

er sie im April 1964 aus dem<br />

<strong>Welt</strong>raum betrachtete. Blau ist al<strong>so</strong><br />

die Hausfarbe unseres Planeten.<br />

Da läge n<strong>ich</strong>ts näher, als Ihnen in<br />

dieser Folge das Blaue vom Himmel<br />

zu erzählen. Doch wir verkneifen<br />

uns das und versprechen, dass Sie<br />

n<strong>ich</strong>t nur mit einem blauen Auge<br />

davonkommen, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n <strong>so</strong>gar Ihr<br />

blaues Wun<strong>der</strong> erleben.<br />

Blaumachern<br />

und<br />

blauen<br />

Planeten…<br />

<strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Blau gilt als die <strong>Farbe</strong> des Himmels<br />

und des Wassers. Sie symbolisiert<br />

die Tiefe, das Ferne, das Göttl<strong>ich</strong>e und das<br />

„Geistige“. Blau ist daher traditionell die<br />

<strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> guten Geister und <strong>der</strong> beschützenden<br />

Kräfte. Heute gilt die <strong>Farbe</strong> Blau<br />

als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Treue, symbolisiert durch<br />

die blauen Blumen Vergissmeinn<strong>ich</strong>t,<br />

Veilchen o<strong>der</strong> Männertreu. Blau als Symbol<br />

<strong>der</strong> Treue, wird auch gern von allen um<br />

Seriosität bemühten Branchen wie Banken,<br />

Vers<strong>ich</strong>erungen und Finanzdienstleistern<br />

benutzt. Zudem ist die <strong>Farbe</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

nur die Lieblingsfarbe von rund 40 % <strong>der</strong><br />

Deutschen, sie steht auch mit dem geflügelten<br />

Wort „Blaues Blut“, das seinen Ursprung<br />

in Spanien hat, für eine vornehme<br />

Herkunft. Durch die Abstammung von den<br />

Westgoten und durch Heiratsverbindungen<br />

mit nordeuropäischen Höfen waren<br />

die spanischen Adligen früher n<strong>ich</strong>t nur<br />

viel hellhäutiger als die n<strong>ich</strong>tadligen Spanier,<br />

sie mieden auch die Sonne, um ihre<br />

vornehme Blässe zu erhalten. Bei ihnen<br />

schimmerten daher häufig die blauen<br />

A<strong>der</strong>n durch, <strong>so</strong>dass es den dunkelhäutigen<br />

und <strong>so</strong>nnengebräunten spanischen<br />

Bauern erschien, als ob die A<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Adligen<br />

mit blauem Blut gefüllt seien.<br />

Zwischen <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Blau, dem Glückl<strong>ich</strong>sein<br />

und dem Lukullischen besteht übrigens<br />

auch ein unmittelbarer Zusammenhang.<br />

Hier seien nur Blaubeerkuchen und<br />

Pflaumenkuchen (mit Sahne) erwähnt,<br />

die in <strong>der</strong> ewigen lukullischen Glückl<strong>ich</strong>keitsskala<br />

kaum von den vor<strong>der</strong>en Plätzen<br />

zu verdrängen sind.<br />

<strong>Die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Blau<br />

Zahlre<strong>ich</strong>e Funde belegen, dass bereits<br />

die Ägypter, Kreter, Griechen und Römer<br />

und auch unsere Vorfahren leuchtendes<br />

Blau verwendeten. <strong>Die</strong> alten Ägypter sahen<br />

im tiefen Blau des Wassers das Leben<br />

und im unermessl<strong>ich</strong>en Blau des Himmels<br />

das Göttl<strong>ich</strong>e. Der Gott Chnum, <strong>der</strong> als<br />

„Hüter <strong>der</strong> Quellen des Nil“ über die lebensw<strong>ich</strong>tigen<br />

Wassermassen wachte,<br />

saß auf einem blauen Thron, <strong>der</strong> Mantel<br />

<strong>der</strong> Göttin Isis war ebenfalls blau. Marduk,<br />

<strong>der</strong> „Herr <strong>der</strong> Götter“ des alten Babylon,<br />

trug ein blaues Gewand, übersät mit<br />

silbernen Sternen, eine Symbolik, die s<strong>ich</strong><br />

auch beim Altpersischen Gott Mithras findet.<br />

In Indien werden verschiedene Gottheiten<br />

mit blauem Kopf o<strong>der</strong> blauer Haut<br />

dargestellt, ein in Blau gemalter Elefant<br />

gilt als Symbol <strong>der</strong> Erleuchtung. Der Zustand<br />

<strong>der</strong> Materie am Anfang <strong>der</strong> <strong>Welt</strong><br />

wird im Hinduismus als „blaues L<strong>ich</strong>t“ beschrieben.<br />

Im Buddhismus Tibets ist Blau<br />

das Zentrum und <strong>der</strong> Ausgangspunkt aller<br />

Meditation und aller Symbolik – es br<strong>ich</strong>t<br />

aus dem Herzen des erhabenen Gottes<br />

Vairocana, des „All-Durchstrahlenden“,<br />

hervor.<br />

Im Mittelalter war in Mitteleuropa „Färberwaid“<br />

(Isatis tinctoria) die gebräuchl<strong>ich</strong>ste<br />

Färberpflanze für Blau. <strong>Die</strong> Blaufärberei<br />

erfor<strong>der</strong>te schönes Wetter und<br />

war eine angenehme Tätigkeit. Zum Färben<br />

<strong>der</strong> Stoffe wurden diese meist <strong>so</strong>nntags<br />

für mindestens 12 Stunden in das<br />

Färbebad eingetaucht. An Geräten war<br />

nur ein Bott<strong>ich</strong> nötig, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sonne stehen<br />

musste. Um die Waidblätter zum Gären<br />

zu bringen tranken die Färbergesellen<br />

re<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong> Alkohol und ließen ihren Urin in<br />

die Bott<strong>ich</strong>e laufen. In <strong>der</strong> Sonne begann<br />

die Urin-Waid-Brühe zu gären, dabei entstand<br />

Alkohol, <strong>der</strong> den Farbstoff aus den<br />

Blättern löst. <strong>Die</strong> Färber hatten al<strong>so</strong> n<strong>ich</strong>ts<br />

an<strong>der</strong>es zu tun als die Brühe vors<strong>ich</strong>tig<br />

umzurühren, den von <strong>der</strong> Sonne verdunsteten<br />

Urin aufzufüllen – und vor allem<br />

weiterhin für den Alkoholzusatz zu <strong>so</strong>rgen,<br />

denn je besser die Gärung, desto ergiebiger<br />

<strong>der</strong> Farbstoff und desto intensiver<br />

das Blau. <strong>Die</strong> blaue <strong>Farbe</strong> entstand jedoch<br />

erst, während die Stoffe im Sonnenl<strong>ich</strong>t<br />

trockneten. Immer wenn die Färber<br />

am Montag betrunken in <strong>der</strong> Sonne la-<br />

| 30 | PRINT & PRODUKTION 6/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Blau | | Teil 4 | Design |<br />

worden sind vor allem die blauen Pferde<br />

von Franz Marc. Picas<strong>so</strong> schrieb in einem<br />

seiner Ged<strong>ich</strong>te im Jahr 1930: „Sie ist das<br />

Beste, <strong>was</strong> es in <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> gibt. Sie ist die<br />

<strong>Farbe</strong> aller <strong>Farbe</strong>n... <strong>Die</strong> blaueste von allen<br />

blauen.“ Blau versetzt in einen Zustand<br />

des Träumens, die <strong>Farbe</strong> stimmt<br />

sehnsüchtig und führt zu einer ernsthaften<br />

S<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Dinge nach innen. <strong>Die</strong>se<br />

Funktion erfüllen auch die blaumonochromen<br />

Bil<strong>der</strong> von Yves Klein.<br />

Abgeleitet aus dem angelsächsische Ausdruck<br />

„Blue“ für melancholische Stimmungen<br />

steht Blau in <strong>der</strong> Musik für Traurigkeit<br />

und den Blues, <strong>der</strong> Ende des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts unter den schwarzen Feldarbeitern<br />

auf den Baumwollfel<strong>der</strong>n des USamerikanischen<br />

Südens entstand. <strong>Die</strong><br />

Keimzelle des Blues war das <strong>so</strong> genannte<br />

Mississippi Blues Delta, zwischen Mississippi<br />

River und Yazoo River südl<strong>ich</strong> von<br />

Memphis. Als musikalische Form ist <strong>der</strong><br />

Blues die Wurzel für den Boogie Woogie<br />

und die nach dem II. <strong>Welt</strong>krieg entstandenen<br />

Stilarten Rock’n Roll, Rhythm & Blues<br />

und Rockmusik.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Blau<br />

Blau ist ein freundl<strong>ich</strong>es, ein Hoffnung<br />

bringendes L<strong>ich</strong>t. Blaues L<strong>ich</strong>t hilft bei<br />

Schilddrüsenerkrankungen, Sprachschwierigkeiten,<br />

Schwerhörigkeit, Zahnproblemen,<br />

Halsschmerzen, Nervosität<br />

und Gastritis. <strong>Die</strong>ser Gedanke des Heilens<br />

steckt auch in dem Grimmschen Märchen<br />

„Das blaue L<strong>ich</strong>t“, das dem treuen Soldaten<br />

immer wie<strong>der</strong> das Leben rettet. Aus<br />

diesem Grund fahren heutzutage auch<br />

Rettungswagen, Feuerwehr und Polizei<br />

mit Blaul<strong>ich</strong>t zur Unfallstelle.<br />

gen, um auf das Ergebnis zu warten, wusste<br />

je<strong>der</strong>, dass blau gefärbt wurde – und<br />

die Färber waren „blau“ und machten<br />

„blau“. Auch <strong>der</strong> Begriff „blauer Montag“<br />

findet hier seinen Ursprung.<br />

Nachdem Vasco da Gama 1498 den Seeweg<br />

nach Indien gefunden hatte, kam <strong>der</strong><br />

indische Indigo nach Europa. Zuerst wurde<br />

das Färben mit indischem Indigo zum<br />

Teil unter Androhung <strong>der</strong> Todesstrafe verboten,<br />

da er die Existenz <strong>der</strong> einheimischen<br />

Bauern gefährdete. Im Jahre 1654<br />

erklärte ihn deshalb <strong>der</strong> deutsche Kaiser<br />

<strong>so</strong>gar zur „Teufelsfarbe“. Doch zu spät.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> besseren Färbeeigenschaften<br />

setzte s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> indische Indigo allmähl<strong>ich</strong><br />

durch und wurde 1737 legalisiert. Aus<br />

<strong>der</strong> „Teufelsfarbe“ wurde <strong>der</strong> „König <strong>der</strong><br />

Farbstoffe“. Während im Mittelalter die<br />

<strong>Farbe</strong> Rot die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Adligen war, war<br />

das matte Blau des Färberwaids die <strong>Farbe</strong><br />

<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en Stände. Mit dem Import des<br />

indischen Indigos wurde <strong>der</strong> leuchtend<br />

Frisches Blau: <strong>Die</strong> Lebensmittelindustrie will mit Blau die Frische und Bekömml<strong>ich</strong>keit<br />

ihrer Produkte zum Ausdruck bringen.<br />

blaue Farbstoff auch<br />

zum Blaufärben von<br />

Arbeitskleidung benutzt.<br />

Ab 1897, als<br />

BASF das Patent erwarb,<br />

löste <strong>der</strong> durch Adolf Baeyer<br />

bereits 1878 erfundene<br />

synthetische Indigo den natürl<strong>ich</strong>en<br />

Indigo nach und nach ab.<br />

Durch diese Erfindung erlebten die Indigo-Bauern<br />

in Indien und Java dasselbe<br />

Schicksal wie vorher die Färberwaid-Bauern<br />

in Deutschland.<br />

Ein weiterer, aber sehr teurer Blauton, war<br />

das <strong>so</strong> genannte „Ultramarin“, das aus<br />

dem pulverisierten Halbedelstein Lapislazuli<br />

gewonnen wurde. Den Namen Ultramarin<br />

hatte die Malfarbe damals erhalten,<br />

weil <strong>der</strong> Rohstoff aus Afghanistan,<br />

von „jenseits des Meeres“(ultra mare)<br />

kam. Im Jahre 1830 gelang es drei Chemikern<br />

unabhängig voneinan<strong>der</strong> (Giumet,<br />

Gmelin, Köttig), künstl<strong>ich</strong>es Ultramarinblau<br />

herzustellen. Ein Kilogramm des reinen<br />

Pigments kostet heute stolze 15 000<br />

Euro, ein Kilogramm künstl<strong>ich</strong>es Ultramarinblau<br />

dagegen nur etwa 20 Euro.<br />

Von <strong>der</strong> blauen Blume <strong>der</strong><br />

Romantik zum Blues<br />

In Deutschland sprach man im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

von <strong>der</strong> „blauen Blume <strong>der</strong> Romantik“,<br />

als man s<strong>ich</strong> mit be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s gemütstiefer<br />

D<strong>ich</strong>tung beschäftigte. Novalis<br />

kam n<strong>ich</strong>t umhin, seinen Romanhelden<br />

„Heinr<strong>ich</strong> von Ofterdingen“ mit <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong><br />

Blau zu berauschen und zu beglücken.<br />

<strong>Die</strong>ser Anziehungskraft <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Blau<br />

war auch Goethe verfallen, weshalb er<br />

s<strong>ich</strong> in seiner <strong>Farbe</strong>nlehre schwärmerisch<br />

und in poetischer Manier <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> blau<br />

hingab: „<strong>Die</strong>se <strong>Farbe</strong> macht für das Auge<br />

eine <strong>so</strong>n<strong>der</strong>bare, fast unaussprechl<strong>ich</strong>e<br />

Wirkung. Wie wir einen angenehmen<br />

Gegenstand, <strong>der</strong> vor uns flieht gern verfolgen,<br />

<strong>so</strong> sehen wir das Blau gern an, n<strong>ich</strong>t<br />

weil es auf uns dringt, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n weil es uns<br />

nach s<strong>ich</strong> zieht.“ Der expressionistische<br />

Maler Wassily Kandinsky schrieb 1910 in<br />

seinem berühmten Buch „Über das Geistige<br />

in <strong>der</strong> Kunst“: „<strong>Die</strong> Neigung des<br />

Blaus zur Vertiefung ist <strong>so</strong> groß, dass es<br />

gerade in tieferen Tönen intensiver wird<br />

und charakteristischer innerl<strong>ich</strong> wirkt. Je<br />

tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es<br />

den Menschen in das Unendl<strong>ich</strong>e, weckt<br />

in ihm die Sehnsucht nach Reinem und<br />

schließl<strong>ich</strong> Übersinnl<strong>ich</strong>em“. Im Jahre<br />

1912 gab Kandinsky mit dem Maler Franz<br />

Marc einen Almanach heraus, den sie<br />

„Blauer Reiter“ nannten. Dem Buch gingen<br />

zwei Kunstausstellungen voran, <strong>der</strong><br />

Name beze<strong>ich</strong>nete die berühmte Münchener<br />

Künstlervereinigung. Berühmt ge-<br />

Bochumer Blau: Im Jahre 1924 erfand <strong>der</strong><br />

Chemiker Walter Oswald in Bochum ein<br />

Gemisch aus Benzol und Benzin, das er<br />

Aral nannte, eine Kombination <strong>der</strong> Anfangsbuchstaben<br />

von Aromaten (Benzol)<br />

und Aliphaten (Benzin). Ab 1930 wurde<br />

Aral blau eingefärbt – passend zu den<br />

Bochumer Stadtfarben Blau-Weiß, die<br />

schon 1927 als Hausfarben bestimmt<br />

wurden.<br />

Blau ist die <strong>Farbe</strong> des Innenlebens, daher<br />

wirkt Blau besänftigend auf Per<strong>so</strong>nen, die<br />

zu aggressiv und ungeduldig sind. Blau<br />

hat einen antiseptischen und kühlenden<br />

Effekt. <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> vermin<strong>der</strong>t die Pulsfrequenz<br />

und wirkt schmerzstillend. Ähnl<strong>ich</strong><br />

ergeht es uns, wenn wir über das blaue<br />

Meer schauen, es beruhigt und ent-<br />

| PRINT & PRODUKTION 6/2004 | 31 |


| Design | Teil 4 | | <strong>Farbe</strong> Blau |<br />

Blue man group: Was als eine Gruppe<br />

von drei Freunden begann, ist zu einer<br />

Organisation von 500 Mitarbeitern geworden,<br />

die viel gelobte Theaterproduktionen<br />

und Multi-Media-Performances<br />

präsentiert. In <strong>der</strong> Show spielen die drei<br />

kahlköpfigen „Blue Men“ die Hauptrollen,<br />

die das Publikum auf eine unterhaltsame,<br />

komische, spannende und musikalisch<br />

einmalige Reise mitnehmen. <strong>Die</strong><br />

Blue Man Group spielt seit Anfang Mai<br />

am Theater am Potsdamer Platz in Berlin.<br />

Mo<strong>der</strong>nes Blau: Der Mobilfunkanbieter<br />

O2 visualisiert sein uns<strong>ich</strong>tbares Produkt<br />

durch die Verwendung eines „Wassermotivs“<br />

in seinem Corporate Design<br />

spannt. Blau <strong>so</strong>llte man n<strong>ich</strong>t wählen,<br />

wenn man s<strong>ich</strong> körperl<strong>ich</strong> o<strong>der</strong> geistig erschöpft<br />

fühlt, weil die beruhigende Energie<br />

dieser <strong>Farbe</strong> das Gefühl <strong>der</strong> Kraftlosigkeit<br />

vertiefen kann. Es ist besser in diesen<br />

Fällen die Komplementärfarbe Orange<br />

o<strong>der</strong> auch ein l<strong>ich</strong>tes, strahlendes Gelb zu<br />

bevorzugen. Mittelblau wirkt ebenfalls<br />

sehr beruhigend, wenn es sparsam verwendet<br />

wird. Hellblau dagegen „kühlt“<br />

ein Zimmer und ist ideal für einen Schlafraum.<br />

Für Menschen, die an Bluthochdruck<br />

und „Hitze“ leiden wirkt daher ein<br />

„blaues Zimmer“ sehr angenehm.<br />

| 32 | PRINT & PRODUKTION 6/2004 |<br />

Blau in <strong>der</strong> Praxis<br />

<strong>Die</strong> tiefen Gefühle und Sehnsüchte, die<br />

durch die <strong>Farbe</strong> Blau geweckt werden,<br />

prädestinieren Blau für den universellen<br />

Einsatz in den elektronischen Medien. <strong>Die</strong><br />

Leuchtkraft <strong>der</strong> Elektronik verän<strong>der</strong>t die<br />

<strong>Farbe</strong>n. Grün wird giftig, Rot wird knallig<br />

und Gelb wirkt schell kitschig. Nur Blau<br />

behält auf jedem Bildschirm würdevoll<br />

seine ursprüngl<strong>ich</strong>e Ausstrahlung. <strong>Die</strong><br />

<strong>Farbe</strong> Blau stimmt positiv. Aus diesem<br />

Grunde sind häufig unangenehme Dinge<br />

wie Strafzettel und „blaue Briefe“ blau<br />

gefärbt. Das Blau bewirkt, dass die Botschaften<br />

le<strong>ich</strong>ter angenommen werden.<br />

Viele Unternehmen benutzen die <strong>Farbe</strong> in<br />

ihrem Corporate Design. Waschmittelfirmen<br />

suggerieren mit Blau Sauberkeit und<br />

Frische für weiße Wäsche, Getränkefirmen<br />

setzen die „blaue Wirkung“ ein, um<br />

Kühle und Le<strong>ich</strong>tigkeit zu vermitteln. Im<br />

Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Milchprodukte betonen blaue<br />

Etiketten den Frische-Charakter <strong>der</strong> Produkte.<br />

Bei den Logos von Tiefkühlprodukten<br />

dominiert blau-weiß (kalt, frisch und<br />

rein), oft in <strong>der</strong> Kombination mit grün, um<br />

die natürl<strong>ich</strong>e Frische <strong>der</strong> Produkte zu<br />

unterstre<strong>ich</strong>en. Zuckerverpackungen sind<br />

meist blau bedruckt, weil blau für einen<br />

süßen Geschmack steht.<br />

Der Trend <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Blau für Konsumgüter<br />

ist be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s deutl<strong>ich</strong> an <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Autolackierungen abzulesen. Seit Jahren<br />

ist in Deutschland die Zahl <strong>der</strong> blauen<br />

Autos gestiegen. Be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s be<strong>lieb</strong>t ist<br />

die <strong>Farbe</strong> bei Frauen. Von ihnen wählten<br />

zuletzt 27 % einen Blauton für ihr Auto.<br />

Immer häufiger verwenden auch Industrieunternehmen<br />

aller Art die <strong>Farbe</strong> Blau.<br />

Allen voran die Amerikaner. Der IT-Gigant<br />

IBM, genannt „Big Mother Blue“, setzte<br />

auch auf diese <strong>Farbe</strong> und nannte seinen<br />

Super-Schachcomputer „Deep Blue“ –<br />

<strong>der</strong> russische Großmeister Kasparow verlor<br />

gegen ihn.<br />

Einen be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>en Höhepunkt in <strong>der</strong> Symbolik<br />

erlebte die <strong>Farbe</strong> Blau bei <strong>der</strong> letzten<br />

Fußball-Europameisterschaft. Dort standen<br />

s<strong>ich</strong> im Finale die beiden Mannschaften<br />

gegenüber, die Blau n<strong>ich</strong>t nur auf den<br />

Trikots, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n auch im Namen tragen:<br />

die „Azzuri“ aus Italien und „Les Bleus“<br />

aus Frankre<strong>ich</strong>. Den Sieg trugen schließl<strong>ich</strong><br />

die Franzosen davon, die im traditionellen<br />

blauen Dress antreten durften,<br />

während die Italiener bei ihrer einzigen<br />

Nie<strong>der</strong>lage im Turnier ihre weiße Ersatzkleidung<br />

tragen mussten.<br />

Warum die Hollän<strong>der</strong> Oranje tragen und<br />

Orange die stimulierendste aller <strong>Farbe</strong> ist,<br />

erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten Folge. y<br />

Kerstin und Jörg Allner


| Design | Teil 5 | | <strong>Farbe</strong> Orange |<br />

Jung und saftig<br />

o<strong>der</strong> laut und schrill?<br />

Quizfrage: Was haben die<br />

CDU und das Zweite Deutsche<br />

Fernsehen außer ihrem le<strong>ich</strong>t<br />

ergrauten Stammpublikum<br />

noch gemeinsam? R<strong>ich</strong>tig.<br />

CDU und ZDF setzen beide in<br />

ihrer Corporate Identity auf<br />

die jugendl<strong>ich</strong>e Wirkung <strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong> Orange. Farbpsychologisch<br />

ist dies ein gewagtes<br />

Spiel, denn Orange polarisiert.<br />

Für die einen symbolisiert<br />

Orange Optimismus,<br />

Lebensfreude, Jugendl<strong>ich</strong>keit,<br />

Gesundheit und Selbstvertrauen,<br />

für die an<strong>der</strong>en wirkt<br />

Orange billig, aufdringl<strong>ich</strong><br />

und oberflächl<strong>ich</strong>.<br />

„Jünger“ durch <strong>Farbe</strong>: Der ZDF-Zuschauer ist durchschnittl<strong>ich</strong> 57 Jahre alt,<br />

doch wollen die Mainzer auch Menschen unter 50 zum Einschalten<br />

bewegen. Seit Juni 2001 kennze<strong>ich</strong>net deshalb ein neues Signet, das<br />

„2DF“-Logo in Orange, das Medienunternehmen ZDF.<br />

Orange ist die zweite wahrnehmbare und<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig die wärmste <strong>Farbe</strong> im s<strong>ich</strong>tbaren<br />

Spektrum. Physikalisch betrachtet<br />

handelt es s<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Orange um<br />

L<strong>ich</strong>t zwischen Rot und Gelb in den Wellenlängen<br />

von etwa 585 bis 620 Nanometern.<br />

In <strong>der</strong> Praxis wird Orange oft mit Roto<strong>der</strong><br />

Gelbtönen beschrieben: So werden<br />

meistens we<strong>der</strong> das Kaminfeuer noch das<br />

Abend- o<strong>der</strong> Morgen<strong>rot</strong> als Orange beze<strong>ich</strong>net,<br />

obwohl wir eigentl<strong>ich</strong> diesen<br />

Farbton wahrnehmen. <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Orange<br />

ist in den letzen Jahren kontinuierl<strong>ich</strong> in<br />

<strong>der</strong> Be<strong>lieb</strong>theitsskala gestiegen und war<br />

<strong>so</strong>gar die Trendfarbe des Jahres 2002 – erstaunl<strong>ich</strong>,<br />

zumal Orange noch vor 12 Jahren<br />

das ab<strong>so</strong>lute Schlussl<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Be<strong>lieb</strong>theitsskala<br />

bildete.<br />

Orange als Symbolfarbe für das Billige ist<br />

auf die rasante Entwicklung <strong>der</strong> Erdölchemie<br />

zurückzuführen, denn erst durch die<br />

billigen Kunststoffmaterialien fand die<br />

<strong>Farbe</strong> Orange ihre massenhafte Verbreitung<br />

in den Haushalten.<br />

Der Name <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Orange stammt direkt<br />

von <strong>der</strong> gle<strong>ich</strong>namigen Zitrusfrucht.<br />

<strong>Die</strong> Orange (lat. Citrus sinensis) gehört zu<br />

<strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Rautengewächse und<br />

kommt ursprüngl<strong>ich</strong> aus Indien. Sie kam<br />

über Arabien durch die Kreuzfahrer nach<br />

Europa. Wir kennen sie auch unter dem<br />

Namen „Apfelsine“, d. h. „Apfel aus China“,<br />

und <strong>der</strong> veralteten Beze<strong>ich</strong>nung „Pomeranze“<br />

(von lat. „pomum aurantium“,<br />

„goldener Apfel“).<br />

Im 16.Jahrhun<strong>der</strong>t wurde es in Europa<br />

Mode, Orangenbäume zu züchten, die<br />

dann in <strong>so</strong> genanten „Orangerien“ überwinterten.<br />

Gle<strong>ich</strong>zeitig fand Orange Eingang<br />

in die europäische Farbpalette. Bis<br />

<strong>Die</strong> CDU setzt seit<br />

vergangenem<br />

November auf<br />

Orange (Pantone<br />

144 C) und versucht<br />

s<strong>ich</strong> damit<br />

ein mo<strong>der</strong>nes<br />

Großstadt-Image<br />

zu geben.<br />

Billig. <strong>Die</strong> Discountkette<br />

Plus<br />

setzt auf die<br />

„billige“ Wirkung<br />

von Orange.<br />

dahin war Orange, z. B. in den europäischen<br />

Gemälden des Mittelalters, we<strong>der</strong><br />

als Symbol- noch als Klei<strong>der</strong>farbe vertreten.<br />

An<strong>der</strong>s als Grün und Blau, die als eigenständige<br />

<strong>Farbe</strong>n mit eigener Symbolik<br />

empfunden werden, hat Orange bis vor<br />

kurzem in <strong>der</strong> europäischen Kultur die<br />

untergeordnete Rolle einer Mischfarbe<br />

gespielt. In <strong>der</strong> Heraldik z. B. wird Orange<br />

als Wappenfarbe erst seit <strong>der</strong> Neuzeit unter<br />

<strong>der</strong> Beze<strong>ich</strong>nung Hyazinth, nach dem<br />

bräunl<strong>ich</strong>-orange<strong>rot</strong>en Edelstein, verwendet.<br />

An<strong>der</strong>s in Asien.<br />

Symbolik<br />

Im Buddhismus ist Orange seit jeher die<br />

<strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> höchsten Stufe <strong>der</strong> menschl<strong>ich</strong>en<br />

Erleuchtung. Entsprechend sind<br />

die Gewän<strong>der</strong> <strong>der</strong> buddhistischen Mönche<br />

Orange. Auch in Indien hat die <strong>Farbe</strong><br />

| 22 | PRINT & PRODUKTION 9/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Orange | | Teil 5 | Design |<br />

Orange einen außergewöhnl<strong>ich</strong> hohen<br />

Stellenwert, weil die indischen Menschen<br />

ihre Hautfarbe in Orangetönen idealisieren.<br />

Bei den Römern <strong>der</strong> Antike symbolisierte<br />

Orange den Sonntag, in Irland hat<br />

die <strong>Farbe</strong> eine religiös-politische Bedeutung.<br />

Jedes Jahr am 12. Juli, dem Glorious 12th,<br />

gedenkt die p<strong>rot</strong>estantische Mehrheit<br />

Nordirlands des Sieges ihres Königs William<br />

von Oranien, allgemein <strong>lieb</strong>evoll King<br />

Billie genannt, über den katholischen König<br />

Jakob II. in <strong>der</strong> Schlacht am River Boyne<br />

im Jahre 1690: ein Tag des Triumphes<br />

für die königstreuen P<strong>rot</strong>estanten, ein Tag<br />

<strong>der</strong> Schmach für die irischen Katholiken.<br />

Al<strong>so</strong> will es die Tradition, dass die „Orangemen“<br />

<strong>der</strong> 1795 gegründeten P<strong>rot</strong>estantischen<br />

Gesellschaft in Nordirland am 12.<br />

Juli Freudenfeuer entzünden und mit Vor<strong>lieb</strong>e<br />

durch irisch-katholische Wohnviertel<br />

marschieren, während die pro-irischen<br />

Nationalisten und Republikaner mit ohnmächtiger<br />

Wut zuschauen. Am 12. Juli<br />

1969 kam es zum ersten Gewaltausbruch,<br />

<strong>der</strong> „Battle of Bogside“, nachdem die<br />

Orangemen Pennies über die Stadtmauer<br />

des fast ausschließl<strong>ich</strong> von Katholiken bewohnten<br />

Stadtteils „Bogside“ geworfen<br />

hatten. <strong>Die</strong> Folge waren fünf Tage dauernde<br />

blutige Unruhen, die nun alljährl<strong>ich</strong> unter<br />

orangefarbenen Fahnen ihre unrühml<strong>ich</strong>e<br />

Wie<strong>der</strong>holung finden.<br />

Spiritualität.<br />

In Asien ist<br />

Orange eine<br />

religiöse <strong>Farbe</strong>.<br />

Hier ein buddistischer<br />

Mönch<br />

in Thailand.<br />

No-Orangemen-Plakat in Nordirland.<br />

Auf <strong>der</strong> grünen Insel symbolisiert<br />

Orange den P<strong>rot</strong>estantismus.<br />

Grusel in Orange: Halloween-Kürbisse<br />

werden in den USA wegen <strong>der</strong><br />

legendären Jack-O-Figur auch „Jack<br />

O´Lantern“ genannt.<br />

Orange gehört zu Halloween<br />

Jenseits des Atlantiks, in den USA, ist die<br />

<strong>Farbe</strong> Orange symbolisch ebenfalls im<br />

Brauchtum verortet, allerdings in einem<br />

unpolitischen, wenn auch irischen Zusammenhang.<br />

Der Brauch, zum Halloween-Grusel-Fest<br />

Ende Oktober fiese<br />

Fratzen in (orangefarbene) Kürbisse zu<br />

schnitzen, stammt – eben<strong>so</strong> wie Halloween<br />

selbst – aus Irland. Man erzählt dort<br />

die Gesch<strong>ich</strong>te von Jack O., einem Betrüger<br />

und Trinker, <strong>der</strong> vom Teufel höchstpersönl<strong>ich</strong><br />

ein Stück glühende Kohle in einer<br />

Rübe erhalten hatte, mit <strong>der</strong> er durch die<br />

Finsternis zwischen Himmel und Hölle<br />

wan<strong>der</strong>n konnte. Um die bösen Geister<br />

auch s<strong>ich</strong>er abzuschrecken, wurden von<br />

nun an hässl<strong>ich</strong>e Fratzen zu Halloween in<br />

Kürbisse, die zahlre<strong>ich</strong>er vorhanden waren<br />

als Rüben, geschnitzt und von innen<br />

mit Kerzen beleuchtet.<br />

Aufsteigerfarbe<br />

Hierzulande spielte Orange bis weit ins 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t hinein nur eine Nebenrolle.<br />

Goethe, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> intensiv mit den <strong>Farbe</strong>n<br />

und ihrer psychologischen Wirkung auseinan<strong>der</strong>setzte,<br />

beze<strong>ich</strong>nete das leuchtende<br />

Orange noch als „Hohes Gelb<strong>rot</strong>“<br />

o<strong>der</strong> „Scharlach<strong>rot</strong>“. In seiner <strong>Farbe</strong>nlehre<br />

schrieb er: „<strong>Die</strong> aktive Seite ist hier in ihrer<br />

höchsten Energie, und es ist kein Wun<strong>der</strong>,<br />

dass energische, gesunde, rohe Menschen<br />

s<strong>ich</strong> be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s an dieser <strong>Farbe</strong> erfreuen.<br />

Man hat die Neigung zu <strong>der</strong>selben<br />

bei wilden Völkern durchaus bemerkt.“<br />

Ob <strong>der</strong> Geheimrat bei diesen Worten an<br />

unsere westl<strong>ich</strong>e Nachbarn gedacht hat,<br />

ist n<strong>ich</strong>t überliefert. Tatsache ist jedoch,<br />

dass „Oranje“ in den Nie<strong>der</strong>landen die<br />

<strong>Farbe</strong> des Königshauses und damit Nationalfarbe<br />

ist.<br />

Von Orange zu Oranje<br />

Ursprüngl<strong>ich</strong> stammt <strong>der</strong> Name Oranien<br />

von <strong>der</strong> burgundischen Grafschaft Oranien,<br />

das spätere Fürstentum Orange in<br />

<strong>der</strong> Rhôneebene im heutigen Frankre<strong>ich</strong>.<br />

Der Stammvater <strong>der</strong> Oranier war Johann<br />

Wilhelm Fri<strong>so</strong> von Nassau-<strong>Die</strong>z († 1711),<br />

<strong>der</strong> 1702 u. a. das Fürstentum Oranien erbte.<br />

Sein Sohn Wilhelm IV. († 1751) führte<br />

zuerst den Titel eines Fürsten von Oranien<br />

und Nassau, sein Urenkel wurde 1815 als<br />

Wilhelm I. König <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande. Für uns<br />

Deutsche sind die Hollän<strong>der</strong> mit ihrem<br />

Orange n<strong>ich</strong>t nur die Erfin<strong>der</strong> von motorschwachen<br />

Zugfahrzeugen vor überladenen<br />

Campingwagen, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n vor allem<br />

<strong>lieb</strong>gewonnene Nachbarn, abgesehen<br />

vom Fußball, bei dem die beiden Nationen<br />

eine be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s innige Hass<strong>lieb</strong>e pflegen.<br />

Übrigens, die holländische Kolonialgesch<strong>ich</strong>te<br />

hat dafür ge<strong>so</strong>rgt, dass „Oranje“<br />

in Südafrika ebenfalls eine w<strong>ich</strong>tige Rolle<br />

spielt. „Oranje“ beze<strong>ich</strong>net n<strong>ich</strong>t nur den<br />

mit 1800 km längsten Fluss <strong>der</strong> Republik<br />

Südafrika, auch eine ganze Provinz, <strong>der</strong><br />

Oranje-Freistaat, ist <strong>so</strong> benannt.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Orange<br />

Orange ist die stimulierendste aller <strong>Farbe</strong>n.<br />

Tatsächl<strong>ich</strong> hat Orange zusammen<br />

mit Rot die größte Wellenlänge im Nanometerbere<strong>ich</strong>.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Orange erhöht<br />

n<strong>ich</strong>t nur den Puls, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n man kann da-<br />

| PRINT & PRODUKTION 9/2004 | 23 |


| Design | Teil 5 | | <strong>Farbe</strong> Orange |<br />

Ganz in Orange: <strong>Die</strong> englische Billigfluglinie<br />

Easyjet will den deutschen<br />

Markt mit <strong>der</strong> „Billigfarbe“ erobern.<br />

Orange-Blau: <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Orange wird<br />

oft zusammen mit ihrer Komplementärfarbe<br />

Blau eingesetzt. <strong>Die</strong> Gegensätzl<strong>ich</strong>keiten<br />

dieser Farbkombination<br />

(warm/kalt, hell/dunkel) erzeugen<br />

eine Spannung, die s<strong>ich</strong> viele<br />

Unternehmen zu Nutze machen. Hier<br />

eine Website <strong>der</strong> Scout-24-Gruppe.<br />

Fußballkrieg: <strong>Die</strong> Hass<strong>lieb</strong>e zwischen<br />

den schwarz-<strong>rot</strong>-goldenen „Moffen“<br />

und den orangenfarbigen „Käseköppen“<br />

treibt wilde Blüten. Auf den<br />

Websiten www.schade-deutschland<strong>alles</strong>-ist-vorbei.com<br />

und www.<strong>alles</strong>ist-vorbei.de<br />

präsentierten Hollän<strong>der</strong><br />

zur Fußballeuropameisterschaft in<br />

Portugal Fotogalerien mit weinenden<br />

deutschen Fans und den schlimmsten<br />

Patzern <strong>der</strong> deutschen Elf.<br />

mit jeden Raum um drei bis vier Grad erwärmen<br />

– wenn n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Realität, <strong>so</strong> zumindest<br />

gefühlsmäßig. In <strong>der</strong> Farbtherapie<br />

wird Orange zur Unterstützung von Offenheit,<br />

Liebenswürdigkeit und Wärme<br />

und gegen Depressionen, Prüfungsangst,<br />

Verbitterung, Appetitlosigkeit, unreine<br />

Haut und Nierenerkrankungen eingesetzt.<br />

Im Übermaß kann Orange allerdings auch<br />

zu Unruhe und Aggressivität führen.<br />

Orange in <strong>der</strong> Praxis<br />

Noch vor einigen Jahren galt: Orange ist<br />

keine Geschäftsfarbe. Doch dies hat s<strong>ich</strong><br />

mittlerweile geän<strong>der</strong>t. Inzwischen setzen<br />

quer Beet <strong>so</strong>wohl Unternehmen, die tatsächl<strong>ich</strong><br />

jung sind (Easyjet, Scout 24), als<br />

auch gestandene Unternehmen, die jugendl<strong>ich</strong><br />

o<strong>der</strong> preisaggressiv wirken wollen<br />

(ZDF, Plus), Orange in ihrer Corporate<br />

Identity ein. Daneben gibt es eine Branche,<br />

die aus ganz praktischen Erwägungen<br />

Orange zu ihrer Stammfarbe erhoben<br />

hat. N<strong>ich</strong>t ohne Grund tragen Straßenbauarbeiter,<br />

Straßenkehrer und Müllmänner<br />

orangefarbene Arbeitskleidung – schließl<strong>ich</strong><br />

schützt Orange durch Auffälligkeit.<br />

Womit wir bei <strong>der</strong> Kleidung wären. Reines<br />

Orange wird in <strong>der</strong> Regel nur von buddhistischen<br />

Mönchen getragen. Hingegen<br />

S<strong>ich</strong>eres Orange: Im Straßenbau und<br />

in <strong>der</strong> Straßenreinigung setzt man auf<br />

die Signalwirkung <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Orange.<br />

Hier eine Kehrmaschine von MAN.<br />

Relaunch-Orange: Creme 21 war in<br />

den 70er Jahren ein Trendprodukt.<br />

Nachdem das Pflegeprodukt Mitte <strong>der</strong><br />

80er Jahre aus den deutschen Regalen<br />

verschwand, erwarb knapp 20 Jahre<br />

später die Unternehmerin Antje<br />

Stickle die Marke und brachte sie zurück<br />

in die Geschäfte.<br />

liegt es sehr im Trend, Orange-Töne, hierzu<br />

gehört die große Gruppe <strong>der</strong> Cognac-,<br />

Curry- und Rostgelbtöne, mit an<strong>der</strong>en <strong>Farbe</strong>n<br />

zu kombinieren. Dafür eignet s<strong>ich</strong> ein<br />

warmes Orange besser als ein kaltes. Gut<br />

kombinieren kann man es mit Schwarz<br />

und mit knalligen <strong>Farbe</strong>n wie Gelb, Rot,<br />

Blau o<strong>der</strong> Violett. Tragen Sie Orange,<br />

wenn Sie n<strong>ich</strong>t uns<strong>ich</strong>tbar bleiben wollen<br />

und Kontakt zu an<strong>der</strong>en herstellen wollen.<br />

Kleiner Tipp für die Damen: Orangetöne<br />

verlangen stets ein kräftiges Make-up.<br />

Auch im Kampfsport ist Orange mit einer<br />

Bedeutung belegt. Im Karate z. B. entspr<strong>ich</strong>t<br />

<strong>der</strong> orangene Gürtel, nach weiß<br />

und gelb, dem dritten<br />

Unterstufengrad, dem <strong>so</strong><br />

genannten 7. Kyu (Sh<strong>ich</strong>ikyu).<br />

Noch einige weitere<br />

w<strong>ich</strong>tige As<strong>so</strong>ziationen löst<br />

die <strong>Farbe</strong> Orange in den<br />

Köpfen aus. Das „Orange<br />

Book“ ist ein Dokument<br />

<strong>der</strong> US-Regierung, das Kriterien<br />

für s<strong>ich</strong>ere Computersysteme<br />

definiert. Das<br />

<strong>so</strong> genannte „Trusted Computer<br />

System Evaluation<br />

Criteria“ beschreibt S<strong>ich</strong>erheitsstufen,<br />

die von A<br />

(höchste) bis D (niedrigste) re<strong>ich</strong>en.<br />

„Agent Orange“ ist ein dioxinhaltiges,<br />

hochgiftiges Entlaubungsmittel, das die<br />

Amerikaner im Vietnamkrieg großflächig<br />

eingesetzt haben, um den Vietcong die<br />

Rückzugsräume zu nehmen. Noch heute<br />

sind die Böden in Vietnam mit Dioxin verseucht<br />

und die schädl<strong>ich</strong>en Folgen lassen<br />

s<strong>ich</strong> im Blut von Menschen und Tieren<br />

nachweisen. In <strong>der</strong>selben Brutalitätsliga<br />

spielt <strong>der</strong> Kultfilm „Clockwork Orange“<br />

mit Malcolm McDowell in <strong>der</strong> Hauptrolle<br />

des geistesgestörten Sadisten Alex, einem<br />

zynischen, menschenverachtenden<br />

jungen Mann, <strong>der</strong> außer Verbrechen und<br />

Beethoven keine Interessen hat. Zusammen<br />

mit seiner Bande zieht er plün<strong>der</strong>nd<br />

und mordend durch die Straßen. Doch eines<br />

Tages wird er von <strong>der</strong> Polizei festgenommen<br />

und einem grausamen Re<strong>so</strong>zialisierungsprogramm<br />

unterworfen, das<br />

dazu führt, dass <strong>alles</strong>, <strong>was</strong> ihm früher Vergnügen<br />

bereitete, ihm nun unsägl<strong>ich</strong>e<br />

Schmerzen verursacht. Wem die ganze<br />

orangefarbene Aufregung<br />

zu viel wird und wer deshalb<br />

Hilfe braucht, auch<br />

dem sei et<strong>was</strong> Orangenes<br />

empfohlen: die „Orangen<br />

Adressen“, eine europaweite<br />

Sammlung <strong>der</strong><br />

Selbsthilfevereinigungen<br />

von A wie „Anonyme<br />

Alkoholiker“ bis Z wie<br />

„Zyniker“.<br />

Wie die Frauenbewegung<br />

zur <strong>Farbe</strong> Lila kam und warum<br />

viele Großstadtkin<strong>der</strong><br />

meinen, Kühe seien Lila,<br />

erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten<br />

Folge <strong>der</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong>n<br />

<strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>. y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

Sadistisches Orange:<br />

Filmplakat des Kultfilms<br />

Clockwork Orange aus<br />

dem Jahr 1971, nach dem<br />

gle<strong>ich</strong>namigen Bestseller<br />

von Anthony Burgess.<br />

| 24 | PRINT & PRODUKTION 9/2004 |


| Design | Teil 6 | | <strong>Farbe</strong> Lila |<br />

Magie und<br />

Emanzipation<br />

Vom teuren Purpur über<br />

aristokratisches Mauve bis<br />

zum politischen Lila: Eine<br />

<strong>Farbe</strong> mit vielen Facetten, die<br />

einiges verän<strong>der</strong>t hat. So<br />

revolutionierte sie die<br />

Damenmode und half den<br />

Forschern bei <strong>der</strong> Entdeckung<br />

des TBC-Erregers und <strong>der</strong><br />

Erbsubstanz DNS. Lila ist<br />

außerdem die <strong>Farbe</strong> des<br />

Hinduismus und <strong>der</strong><br />

Frauenbewegung. <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong><br />

wirkt extravagant, feierl<strong>ich</strong>,<br />

sakral, fast ein bisschen<br />

magisch und versprüht noch<br />

dazu das gewisse Et<strong>was</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Lila<br />

Lila ist mit Weiß abgeschwächtes Violett,<br />

das wie<strong>der</strong>um im Idealfall zu gle<strong>ich</strong>en Teilen<br />

aus Rot und Blau besteht. Reines Violett<br />

ist die dunkelste Buntfarbe, und damit<br />

die Komplementärfarbe <strong>der</strong> hellsten<br />

Buntfarbe, dem reinen Gelb. Der Farbbere<strong>ich</strong><br />

<strong>der</strong> Violetttöne re<strong>ich</strong>t vom tiefen<br />

Blauviolett bis zum blassen Lila. <strong>Die</strong> Mystiker<br />

des mittelalterl<strong>ich</strong>en Abendlandes<br />

sahen in <strong>der</strong> Vermischung <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> des<br />

Körpers (<strong>rot</strong>) mit <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> des Geistes und<br />

des Himmels (blau) das Mysterium (violett).<br />

Auf den symbolischen Bil<strong>der</strong>n des<br />

Mittelalters trägt Christus während seiner<br />

Passion ein violettes Kleid, das die Vereinigung<br />

von Mensch und Gott zeigen <strong>so</strong>ll.<br />

<strong>Die</strong> Herstellung des reinen Blauvioletts<br />

war indes bis ins 19. Jahrhun<strong>der</strong>t sehr aufwendig<br />

und teuer, weil <strong>der</strong> Farbstoff aus<br />

Sekreten <strong>der</strong> Purpurschnecke gewonnen<br />

wurde. Reine Purpur-Farbtöne re<strong>ich</strong>en<br />

von violett über violett<strong>rot</strong>, karmesin<strong>rot</strong>,<br />

scharlach<strong>rot</strong>, karmin<strong>rot</strong> bis hin zum fast<br />

schwarzen Violett. Sie b<strong>lieb</strong>en über Jahrtausende<br />

den Re<strong>ich</strong>en und Mächtigen<br />

vorbehalten. So kleidet die katholische<br />

Kirche ihre Bediensteten traditionell gern<br />

in Violetttönen („Bischofslila“). In <strong>der</strong><br />

evangelischen Kirche ist Violett die allgemeine<br />

Kirchenfarbe. Beiden Religionsgemeinschaften<br />

gemeinsam ist Violett als<br />

die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Advents-, Buß- und Fastenzeit.<br />

Einen Quantensprung an Be<strong>lieb</strong>theit erlebte<br />

die <strong>Farbe</strong> ab dem Jahr 1856. Damals<br />

entdeckte <strong>der</strong> erst 18 jährige Schüler <strong>der</strong><br />

City of London School William Perkin bei<br />

dem Versuch künstl<strong>ich</strong>es Chinin gegen<br />

Avantgarde: In <strong>der</strong> Zeit nach <strong>der</strong><br />

Entdeckung des Mauve-Farbstoffs waren<br />

Klei<strong>der</strong> in Violetttönen <strong>der</strong> letzte Schrei.<br />

Hier ein mit original Perkin-Mauvein eingefärbtes<br />

Kleid aus dem Jahr 1862.<br />

Malaria zu entwickeln, dass bei <strong>der</strong> Oxidation<br />

von aus Steinkohleteer gewonnenem<br />

Anilin ein purpurvioletter Farbstoff<br />

entsteht, den er Mauvein, bzw. Anilinpurpur<br />

nannte. <strong>Die</strong> Herstellung in seiner eigenen<br />

Fabrik machte den Chemiker re<strong>ich</strong>.<br />

Mauve war <strong>der</strong> erste industriell hergestellte<br />

Farbstoff, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Modewelt<br />

weltweit Furore machte. N<strong>ich</strong>t allein, dass<br />

s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Farbstoff in be<strong>lieb</strong>igen Mengen<br />

herstellen ließ – er war auch von gle<strong>ich</strong><br />

bleiben<strong>der</strong> Färbekraft und bestechen<strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong>chtheit. Zuvor wurden die Farbmoden<br />

weniger vom Geschmack bestimmt<br />

als von <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Rohstoffe, die den<br />

Färbern zur Herstellung <strong>der</strong> Naturfarben<br />

zur Verfügung standen. Mauve jedoch war<br />

<strong>der</strong> intensivste Farbstoff, den die Färber je<br />

gesehen hatten. Ein Kilo <strong>Farbe</strong> konnte<br />

400 Kilo Baumwolle färben. Als dann<br />

Queen Victoria am 27.10.1889 in Athen<br />

bei <strong>der</strong> Hochzeit ihrer Tochter Sophie mit<br />

Prinz Konstantin von Griechenland, dem<br />

späteren König Konstantin I., Mauve trug<br />

und s<strong>ich</strong> auch die französische Kaiserin<br />

Eugenie in dieser <strong>Farbe</strong> zeigte, gab es<br />

endgültig kein Halten mehr. Ein wahres<br />

Mauve-Fieber brach aus, das auch nach<br />

Deutschland übergriff, hier nannte man<br />

die <strong>Farbe</strong> Anilinviolett. Doch <strong>der</strong> Boom<br />

dauerte nur 10 Jahre und erlebte im Jugendstil<br />

um die Jahrhun<strong>der</strong>twende seine<br />

letzte Blüte. Perkin hatte indes das Ende<br />

des Mauve-Fiebers vorausgeahnt und<br />

rechtzeitig weitere Entwicklungen aus<br />

dem Steinkohleteer forciert. Inzwischen<br />

konnte man auch die Stoffe, die aus dem<br />

Steinkohleteer gewonnen werden, aufbrechen<br />

und z. B. Kumarin, den ersten<br />

künstl<strong>ich</strong>en Duftstoff herstellen, mit dem<br />

man Seifen, Waschmitteln, Lebensmitteln<br />

und Tabak parfümieren kann.<br />

Bereits 1860 wurden erstmals Körperzellen<br />

lila gefärbt, um Gewebeproben unter<br />

dem Mikroskop besser analysieren zu<br />

können. Der Berliner Chemiker Robert<br />

Koch entdeckte <strong>so</strong> den Tuberkulose-Bazillus.<br />

<strong>Die</strong> Forscher fanden weiterhin heraus,<br />

dass die Anilinfarbe Methylenblau s<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t nur zur Diagnose eignet, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n<br />

selbst therapeutische Eigenschaften<br />

| 18 | PRINT & PRODUKTION 11/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Lila | | Teil 6 | Design |<br />

Vater des Violetts: William Henry Perkin<br />

(* 12. 3. 1838 London, † 14. 7. 1907,<br />

Sudbury bei Harrow) entdeckte 1856<br />

das Mauvein und gründete eine<br />

Anilinfarbenfabrik, in <strong>der</strong> auch weitere<br />

Farbstoffe wie z. B. Britannia-Violett<br />

und Perkin-Grün entwickelt wurden.<br />

Im Jahre 1906 erhielt er den Adelstitel<br />

und durfte s<strong>ich</strong> fortan Sir William<br />

Henry Perkin nennen. Das Foto zeigt<br />

Perkin mit 68 Jahren.<br />

besitzt. Sie wirkt keimtötend und ist<br />

daher noch heute als Antiseptikum bei<br />

<strong>der</strong> Wundbehandlung von Bedeutung.<br />

Schnell wurde die Liste <strong>der</strong> Anwendungen<br />

von Anilinfarben lang und länger. Inzwischen<br />

sind sie auch Bestandteil des Farbgels,<br />

mit dem s<strong>ich</strong> P<strong>rot</strong>eine und die Erbsubstanz<br />

DNS markieren lassen.<br />

Im Volksmund hingegen galt Lila über<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te als altjüngferl<strong>ich</strong> – „Der letzte<br />

Versuch“ – und als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> unverheirateten<br />

Frauen, die für Rosa schon zu alt<br />

waren und mit diesem Farbton unbewusst<br />

signalisierten, dass ihr e<strong>rot</strong>isches Interesse<br />

noch n<strong>ich</strong>t erloschen ist. Jüngferl<strong>ich</strong><br />

gelten auch die typisch violetten Düfte Lavendel,<br />

Veilchen und Rosmarin. Lila galt<br />

auch lange als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Täuschung. Sie<br />

stand für Gift und Elend. Für den Maler<br />

Wassily Kandinsky hatte violett „et<strong>was</strong><br />

krankhaftes, erlöschtes, et<strong>was</strong> trauriges<br />

an s<strong>ich</strong>“ und Goethe as<strong>so</strong>ziierte mit ihr<br />

„abgelebtes Alter“.<br />

Im Laufe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts erfuhr Lila<br />

jedoch einen Bedeutungswandel durch<br />

die Adaption <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> durch die Frauenbewegung.<br />

Lila <strong>so</strong>ll in diesem Zusammenhang<br />

den Anspruch <strong>der</strong> Frauen auf die<br />

Gle<strong>ich</strong>heit von Männern und Frauen ausdrücken.<br />

Gut gewählt, denn Lila steht –<br />

tiefenpsychologisch betrachtet – als<br />

Mischfarbe für die Synthese aus aggressivem<br />

männl<strong>ich</strong>em Rot und zurückwe<strong>ich</strong>endem<br />

Blau, für den Archetypus des „Hermaphroditen“,<br />

<strong>der</strong> männl<strong>ich</strong>e und weibl<strong>ich</strong>e<br />

Elemente zu einem <strong>Welt</strong>bild vereint.<br />

We<strong>der</strong> warm noch kalt, we<strong>der</strong> ganz weibl<strong>ich</strong><br />

noch ganz männl<strong>ich</strong>, steht Lila-Violett<br />

| PRINT & PRODUKTION 11/2004 | 19 |


| Design | Teil 6 | | <strong>Farbe</strong> Lila |<br />

für die Sehnsucht nach dem Verborgenen,<br />

Geheimnisvollen, für die Mystik, Magie<br />

und n<strong>ich</strong>t zuletzt auch für die e<strong>rot</strong>ische<br />

Anziehungskraft. Allerdings wurde die<br />

<strong>Farbe</strong> auch dazu missbraucht, um Menschen<br />

damit zu stigmatisieren. Gle<strong>ich</strong>sam<br />

als T<strong>rot</strong>zreaktion nennen s<strong>ich</strong> die Homosexuellen<br />

und Transvestiten in Frankre<strong>ich</strong><br />

„les violets“.<br />

Wirkung und Praxis<br />

Viele Menschen fühlen s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Lila<br />

gegenüber indifferent. Es nimmt daher<br />

n<strong>ich</strong>t Wun<strong>der</strong>, dass nur etwa 1 % <strong>der</strong> Männer<br />

und 5 % <strong>der</strong> Frauen Lila als ihre Lieblingsfarbe<br />

beze<strong>ich</strong>nen. Hingegen beantworteten<br />

12 % <strong>der</strong> Männer und 10 % <strong>der</strong><br />

Frauen die Frage nach <strong>der</strong> am wenigsten<br />

geschätzten <strong>Farbe</strong> mit Lila. Liebhaber dieser<br />

<strong>Farbe</strong> gelten als sensibel und introvertiert.<br />

In <strong>der</strong> Mode ist Lila eine <strong>Farbe</strong>, die,<br />

mit edlen Metallen und viel Schmuck getragen,<br />

immer eine sehr festl<strong>ich</strong>e, vornehme<br />

Note verbreitet. Wer Lila trägt, will auffallen.<br />

T<strong>rot</strong>z ihrer Kühle ist sie eine laute<br />

<strong>Farbe</strong>, durch ihre Seltenheit aufdringl<strong>ich</strong>er<br />

als Rot. In einem Vorzimmer eröffnet<br />

Lila ein feierl<strong>ich</strong>es und würdevolles<br />

Entree, in einem Wohnzimmer verhilft Lila<br />

zu Gelassenheit und S<strong>ich</strong>erheit, im Esszimmer<br />

eingesetzt gilt die <strong>Farbe</strong> als Appetitzügler,<br />

im Arbeitszimmer als Verleitung<br />

zu Passivität und N<strong>ich</strong>tstun – daher ist sie<br />

auch bestens geeignet für die Meditation.<br />

Im Bad bringt Lila feierl<strong>ich</strong>e Eleganz und<br />

sakrale Stimmung, im Schlafzimmer ist<br />

sie gut für schlaflose und unruhige Gemüter,<br />

denn sie beruhigt und schenkt erholsamen<br />

Schlaf, dämpft aber auch die Libido.<br />

Sind Kühe lila?<br />

Zu unserer Entspannung im Verhältnis zu<br />

dieser bedeutungsgeladenen <strong>Farbe</strong> hat<br />

vor allem die „Lila Kuh“ auf <strong>der</strong> Milka<br />

Schokolade beigetragen. Sie ist eine <strong>der</strong><br />

erfolgre<strong>ich</strong>sten Werbefiguren und hat inzwischen<br />

treue Fans auf <strong>der</strong> ganzen <strong>Welt</strong>.<br />

Bereits die erste Verpackung <strong>der</strong> Milka<br />

Schokolade im Jahr 1901 war lila und wurde<br />

von einer damals noch schwarz-weißen<br />

Kuh in den Alpen geziert. Im Jahr 1973<br />

erscheint <strong>der</strong> erste Milka Werbespot mit<br />

<strong>der</strong> Lila Kuh, wofür die Agentur Young &<br />

Rubicam eine Gold- Ausze<strong>ich</strong>nung vom<br />

Art Directors Club erhielt. Für diese Kampagne<br />

wurde als erste Adelheid, ein<br />

mehrfach preisgekröntes Schweizer Rind<br />

<strong>der</strong> Simmenthaler Rasse, vom Fotografen<br />

mit 12 Dosen ungiftiger Theater-Sprühfarbe<br />

umgespritzt. Seither spielte die Milka<br />

Lila Kuh in rund 110 TV-Spots die Hauptrolle<br />

und aus <strong>der</strong> Kuh wurde Ku(h)lt. Heute<br />

stehen die Kuh und Lila als Hausfarbe<br />

für eine Markenidentifikation mit vielen<br />

Milka Produkten. 98 % <strong>der</strong> Europäer <strong>so</strong>llen<br />

die Marke kennen, behauptet <strong>der</strong> Hersteller<br />

Kraft-Jakobs-Suchard, für den die<br />

Milka-Kuh wirbt. Und damit die Milka-Kuh<br />

n<strong>ich</strong>t an Werbewirkung verliert, hat er die<br />

<strong>Farbe</strong> rechtl<strong>ich</strong> schützen lassen, niemand<br />

<strong>so</strong>nst darf mit dem „Kuh-Lila“ werben.<br />

1995 <strong>so</strong>llten in Bayern 40 000 Kin<strong>der</strong> bei<br />

einem Wettbewerb eine Kuh ausmalen,<br />

woraufhin jedes dritte Kind die <strong>Farbe</strong> Lila<br />

auswählte. Allerdings kann man n<strong>ich</strong>t immer<br />

gewinnen, und <strong>so</strong> geriet <strong>der</strong> vom Hersteller<br />

für Ende Juli geplante lila Werbe-<br />

Mega-Event auf Deutschlands höchstem<br />

Gipfel, <strong>der</strong> Zugspitze, zur Ökoprovinzposse<br />

und wurde schließl<strong>ich</strong> abgesagt. Was<br />

war geschehen? Kraft-Jakobs-Suchard<br />

wollte die Zugspitze von 140 Scheinwerfern<br />

zwei Stunden lang lila beleuchten<br />

lassen und dabei einen Reklamespot mit<br />

Werbesaubermann Günter Jauch drehen.<br />

Dabei <strong>so</strong>llte es auch darum gehen, Gel<strong>der</strong><br />

für den Naturschutz zu erwirtschaften.<br />

<strong>Die</strong> Naturschützer sahen in <strong>der</strong> Aktion jedoch<br />

eine „L<strong>ich</strong>tverschmutzung“ und die<br />

Auguren unter ihnen prophezeiten gar<br />

den zigtausendfachen Faltertod. So wurden<br />

die lila Momente <strong>der</strong> Zugspitze abgeblasen,<br />

womit verhin<strong>der</strong>t wurde, dass in<br />

Zukunft gesagt wird, die Zugspitze sei lila.<br />

Warum n<strong>ich</strong>t <strong>alles</strong> Gold ist, <strong>was</strong> glänzt<br />

und warum angebl<strong>ich</strong> ausgerechnet die<br />

Morgenstunde an dem Edelmetall zu kauen<br />

hat, erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten Folge<br />

<strong>der</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong>n <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>. y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

| 20 | PRINT & PRODUKTION 11/2004 |


| Design | Teil 7| | <strong>Farbe</strong> Gold |<br />

Faszination Gold: Jahrtausende lang galt Gold als das edelste aller Metalle, die stabilste aller Währungen.<br />

…edel, warm und wertvoll<br />

Je goldiger, desto wertvoller.<br />

<strong>Die</strong>se Schlussfolgerung ist<br />

das Ergebnis <strong>der</strong><br />

Jahrtausende währenden<br />

Menschheitserfahrung, dass<br />

Gold selten und daher kostbar<br />

ist. Doch niemand weiß<br />

besser als die grafische<br />

Industrie, dass n<strong>ich</strong>t <strong>alles</strong><br />

Gold ist, <strong>was</strong> glänzt.<br />

Weil Wahrhaftigkeit n<strong>ich</strong>t mit Gold aufzuwiegen<br />

ist und wir Ihnen n<strong>ich</strong>t für <strong>alles</strong><br />

Gold in <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> et<strong>was</strong> vorenthalten wollen,<br />

möchten wir darauf hinweisen, dass<br />

Gold we<strong>der</strong> eine natürl<strong>ich</strong>e noch überhaupt<br />

eine <strong>Farbe</strong> ist, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n ein chemisches<br />

Element (Au) und ein Edelmetall.<br />

Gold, lateinisch aurum (Gold) o<strong>der</strong> aurora<br />

(Morgenröte), hat eine Härte von 2,5 bis 3<br />

auf <strong>der</strong> 10 Stufen-Skala zur Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Härte, und eine sattgelbe <strong>Farbe</strong>, die<br />

als „goldgelb“ bekannt ist. In feiner Verteilung<br />

ist es je nach Korngröße gelbl<strong>ich</strong>,<br />

ockerbraun bis purpurviolett und wird<br />

dann als Goldpurpur beze<strong>ich</strong>net. Gold<br />

oxidiert n<strong>ich</strong>t und ist ein we<strong>ich</strong>es und<br />

dehnbares Metall. Ein Gramm Gold lässt<br />

s<strong>ich</strong> auf drei Kilometer Länge ziehen. <strong>Die</strong>se<br />

Qualitäten machen es zu einem idealen<br />

Werkstoff. Da Gold ein relativ träges<br />

Element ist, behält es gewöhnl<strong>ich</strong> seinen<br />

Glanz und <strong>Farbe</strong>, und ist daher in <strong>der</strong> Natur<br />

le<strong>ich</strong>t zu erkennen. Der Bestandteil an<br />

<strong>der</strong> Erdkruste ist mit etwa 0,000001 Prozent<br />

allerdings extrem gering. Bisher wurden<br />

etwa Zweidrittel <strong>der</strong> bekannten Goldvorräte<br />

ausgebeutet. <strong>Welt</strong>weit schätzt<br />

man, dass noch 60 000 Tonnen Gold geför<strong>der</strong>t<br />

werden können.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te: Fluch und Segen<br />

Zu allen Zeiten wurde Gold zur Darstellung<br />

<strong>der</strong> Sonne, des göttl<strong>ich</strong>en L<strong>ich</strong>tes<br />

und <strong>der</strong> Götter selbst verwendet. „Gold ist<br />

die Haut <strong>der</strong> Götter“ hieß es im alten<br />

Ägypten. Viele <strong>der</strong> ursprüngl<strong>ich</strong>en Vorstellungen<br />

von Gold haben s<strong>ich</strong> auch in<br />

unserem Kulturkreis erhalten.<br />

Das Wort Gold stammt vom indogermanischem<br />

„ghel“ für gelb, glänzend. Gold<br />

zählt zu den ersten Metallen, die von<br />

Menschen verarbeitet wurden, weil Gold<br />

n<strong>ich</strong>t erst aus Erzen chemisch i<strong>so</strong>liert werden<br />

muss und s<strong>ich</strong> mechanisch sehr gut<br />

bearbeiten lässt. <strong>Die</strong> Goldgewinnung begann<br />

bereits in <strong>der</strong> Kupferzeit. Aufgrund<br />

seiner Farbigkeit, <strong>der</strong> Beständigkeit des<br />

Glanzes und des auffallend hohen Gew<strong>ich</strong>ts<br />

wurde es in vielen Kulturen für rituelle<br />

Gegenstände verwendet. Im Mittelalter<br />

wandelte s<strong>ich</strong> Gold vom Schmuck<br />

zur Währung, war später <strong>so</strong>gar Zahlungsmittel<br />

für einen globalen Handel und löste<br />

das Silber ab. Den Anfang machten die<br />

beiden italienischen Goldmünzen Genovino<br />

und Fiorino, die ab 1252 in den Umlauf<br />

kamen. Heute werden Goldmünzen vor allem<br />

als <strong>so</strong> genannte Anlagemünzen gehandelt,<br />

die Vermögen vor <strong>der</strong> Papiergeldentwertung<br />

bewahren <strong>so</strong>llen.<br />

<strong>Die</strong> bekanntesten Anlagemünzen sind <strong>der</strong><br />

Krügerrand, <strong>der</strong> seit 1967 geprägt wird<br />

und nach dem Burengeneral und späteren<br />

südafrikanischen Präsidenten Paul<br />

Krüger (Ohm Krüger) benannt ist, und <strong>der</strong><br />

American Eagle (USA), <strong>der</strong> die höchsten<br />

Marktanteile dieser Gattung verbuchen<br />

kann. Allerdings <strong>so</strong>llte man n<strong>ich</strong>t vergessen,<br />

dass Gold seit Aufhebung <strong>der</strong> Kopplung<br />

an den US-Dollar (1971) eine hochspekulative<br />

Anlage ist. Womit wir beim<br />

Thema Re<strong>ich</strong>tum und seiner Kehrseite,<br />

dem Neid und <strong>der</strong> Habgier wären. <strong>Die</strong> Gier<br />

nach Gold war eine <strong>der</strong> stärksten Triebfe<strong>der</strong>n<br />

in <strong>der</strong> Menschheitsgesch<strong>ich</strong>te und<br />

verantwortl<strong>ich</strong> für viele blutige Kriege und<br />

grausame Eroberungszüge. Immer wie<strong>der</strong><br />

lockten Goldfunde große Mengen an<br />

Abenteurern an. <strong>Die</strong> Goldfunde in Mittelund<br />

Südamerika z. B. haben dazu geführt,<br />

dass die indigenen Kulturen des Kontinents<br />

unterworfen und Spanien vorübergehend<br />

zur re<strong>ich</strong>sten Nation Europas wurde.<br />

<strong>Die</strong> Entdeckung des umfangre<strong>ich</strong>en<br />

Goldlagers in <strong>der</strong> brasilianischen Provinz<br />

Minas Gerais löste um 1695 den ersten<br />

Goldrausch in <strong>der</strong> Gesch<strong>ich</strong>te aus. Es folgten<br />

Massenbewegungen nach Kalifornien<br />

(1848), Australien (1851) Südafrika (1867)<br />

und Alaska (1897), die <strong>alles</strong>amt nur den<br />

wenigsten Goldsuchern den Erfolg bescherten<br />

und die alte Weisheit vom Fluch<br />

des Goldes nachhaltig bestätigten.<br />

Eine glückl<strong>ich</strong>ere Verbindung zwischen<br />

Mensch und Edelmetall findet s<strong>ich</strong> in <strong>der</strong><br />

Kunstgesch<strong>ich</strong>te. In allen Kunstgattungen<br />

gle<strong>ich</strong>ermaßen kommt <strong>der</strong> Goldene<br />

Schnitt zur Anwendung. Dabei handelt es<br />

s<strong>ich</strong> mathematisch gesehen zunächst einmal<br />

um ein asymmetrisches Teilungsverhältnis<br />

(1 zu 1,618), in <strong>der</strong> Praxis ist es ein<br />

Gesetz zur harmonischen, proportionalen<br />

Flächen- und Raumaufteilung, das bereits<br />

die alten Griechen kannten und auf die<br />

Proportionen des menschl<strong>ich</strong>en Körpers<br />

anwandten. In <strong>der</strong> Malerei ist Gold seit jeher<br />

ein Hinweis darauf, dass s<strong>ich</strong> die abgebildeten<br />

Szenen n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> physischen,<br />

<strong>so</strong>n<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> geistigen <strong>Welt</strong> abspielen.<br />

In <strong>der</strong> byzantinischen Zeit wurden<br />

Heilige mit einem goldenen Nimbus,<br />

dem L<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Weisheit, dargestellt.<br />

Bis in die Spätgotik hinein wurde das Firmament<br />

auf den Gemälden komplett golden<br />

dargestellt. Erst ab <strong>der</strong> Übergangszeit<br />

zur Renaissance erscheint auf den Bil<strong>der</strong>n<br />

ein blauer Himmel, über den s<strong>ich</strong> ein mit<br />

goldenem L<strong>ich</strong>t erfüllter Raum des geistigen<br />

Firmaments erstreckt, in dem Christus,<br />

die Engel und die Heiligen thronen.<br />

Das goldene Firmament verschwand bis<br />

zum Barock gänzl<strong>ich</strong> aus <strong>der</strong> europäischen<br />

Malerei, bis es auf den Bil<strong>der</strong>n des<br />

| 24 | PRINT & PRODUKTION 12/2004 |


| <strong>Farbe</strong> Gold | | Teil 7| Design |<br />

Nuggets: <strong>Die</strong> meisten Nuggets sind nur<br />

winzig klein und wiegen selten<br />

mehr als ein Gramm. Es wurden<br />

aber auch schon sehr große<br />

Nuggets gefunden, wie <strong>der</strong><br />

„Holtermann Nugget“ mit<br />

214,32 kg, gefunden 1872 in<br />

Australien, und <strong>der</strong> „Wellcome<br />

Strager“ mit 70,92’kg, gefunden<br />

1850.<br />

Reines Gold: Buddhastatuen sind oft aus<br />

Gold gefertigt. Der Grund: Sie <strong>so</strong>llen in<br />

ihrer Perfektion und Schönheit den reinsten<br />

Zustand des Geistes symbolisieren.<br />

Gold geht nur sehr schwer neue chemische<br />

Verbindungen ein und ist in diesem<br />

Sinne ein wirkl<strong>ich</strong> reiner, edler Stoff.<br />

Wiener Malers Gustav Klimt, in dessen<br />

„goldenen Periode“, um 1906, als goldener<br />

Hintergrund wie<strong>der</strong> aufgetaucht.<br />

Klimt hatte s<strong>ich</strong> in Italien von Ikonen inspirieren<br />

lassen. In <strong>der</strong> Tat ist Gold in <strong>der</strong><br />

Ikonenmalerei bis auf den heutigen Tag<br />

die vorherrschende <strong>Farbe</strong>.<br />

Wirkung: Unheil und Heilung<br />

Goldene Farbtöne wirken warm und anregend.<br />

Auf <strong>der</strong> symbolischen Ebene stehen<br />

sie für Kostbarkeit, Heiligkeit, Gerechtigkeit,<br />

Weisheit und Schönheit, aber auch<br />

für Betrug, Täuschung, Dominanz und<br />

Macht. Auf <strong>der</strong> emotionalen Ebene steht<br />

Gold für Güte und Barmherzigkeit, Sehnsucht,<br />

Ekstase, Trost, Frieden, Beständigkeit,<br />

Gier und Verwirrung.<br />

Gold kommt übrigens als Spurenelement<br />

auch im menschl<strong>ich</strong>en Körper vor und<br />

unterstützt die Regulierung <strong>der</strong> Hormonproduktion<br />

<strong>der</strong> Drüsen. In <strong>der</strong> ayurvedischen<br />

Lehre stärkt das Edelmetall das<br />

Herz- und Nervensystem und för<strong>der</strong>t Ausdauer<br />

und Willenskraft. In Cremes wird<br />

Gold als Hautberuhiger eingesetzt. Auch<br />

in <strong>der</strong> Schönheitschirurgie kommt es in<br />

Form von Goldfäden zum Einsatz. Gold in<br />

reiner Form wird näml<strong>ich</strong> vom Körper sehr<br />

gut vertragen, Allergien dagegen sind<br />

sehr selten.<br />

Goldbarren. (Foto: www.goldseiten.de)<br />

Goldene Kamera: Hollywood hat den<br />

Oscar, Deutschland die Goldene Kamera,<br />

<strong>der</strong> Film- und Fernsehpreis <strong>der</strong> „Hörzu“.<br />

<strong>Die</strong> erste Gala fand am 25. Januar 1966<br />

im Hotel „Vier Jahreszeiten“ in Hamburg<br />

statt, mittlerweile wird das<br />

Medienereignis im Schinkel-Bau des<br />

Berliner Konzerthauses am<br />

Gendarmenmarkt ausger<strong>ich</strong>tet.<br />

Gold in <strong>der</strong> Praxis: Luxus-Look<br />

<strong>Die</strong> feinste Methode, um Objekten eine<br />

goldfarbene Oberfläche zu geben, ist das<br />

Vergolden mit Blattgold. Dabei wird das<br />

Edelmetall zu feinen Folien, die nur etwa<br />

0,00014 bis 0,00010 mm dick sind, ausgehämmert,<br />

ausgezogen und dann übertragen.<br />

In <strong>der</strong> grafischen Industrie werden<br />

Goldeffekte mit Vor<strong>lieb</strong>e auf Verpackungen<br />

und Etiketten eingesetzt.<br />

<strong>Die</strong> dabei verwendeten Goldfarben enthalten<br />

Metallpigmente, <strong>der</strong>en „traditionelle“<br />

Entstehung dem Blattgoldschläger-Handwerk<br />

entstammt: Das beim<br />

Blattgoldschlagen anfallende Schnittgut<br />

wurde in Mörsern zerrieben und, mit Bindemittel<br />

angeteigt, als <strong>Farbe</strong> verwendet.<br />

<strong>Die</strong>s erklärt, warum man Metalleffektpigmente<br />

auch als „Silber- und Goldbronzen“<br />

beze<strong>ich</strong>net – obwohl sie metallurgisch<br />

we<strong>der</strong> et<strong>was</strong> mit Gold, Silber noch<br />

Bronze zu tun haben. Es handelt s<strong>ich</strong> vielmehr<br />

um Aluminium-, Kupfer- und Messingpigmente<br />

(Kupfer- Zink-Legierung),<br />

die – vergl<strong>ich</strong>en mit Farbpigmenten – immer<br />

von überproportionaler Größe (zwischen<br />

2 µ und 45 µ) sind. Für den Goldeffekt<br />

ist das Zusammenwirken <strong>der</strong> Einzeleffekte<br />

Brillanz und metallischer Glanz,<br />

die durch die L<strong>ich</strong>treflexion an <strong>der</strong> Oberfläche<br />

<strong>der</strong> Metallpigmente erzeugt werden,<br />

be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s w<strong>ich</strong>tig. Auf Glanz und<br />

Gloria setzt auch die Nouvelle Cuisine. Be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s<br />

„witzige“ Köche und Barmänner<br />

streuen neuerdings Goldfolien-Plättchen<br />

statt Trüffel über das gegrillte Steak o<strong>der</strong><br />

sie mixen feinsten Goldstaub in die<br />

Drinks. Auch recht. In letzter Konsequenz<br />

bedeutet dies näml<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr und<br />

n<strong>ich</strong>t weniger, als das die Morgenmenschen<br />

umdenken müssen, denn nun<br />

bringt die „Abendstund“ das Gold in den<br />

Mund.<br />

Warum man Silber zu Knöpfen verarbeitet<br />

hat, die man jemanden im wahrsten Sinne<br />

des Wortes „abknöpfen“ konnte und warum<br />

Kin<strong>der</strong>, die früher mit dem Silberlöffel<br />

im Munde geboren worden sind, bessere<br />

Chancen gegen Kolibakterien und Salmonellen<br />

hatten, erfahren Sie in <strong>der</strong> nächsten<br />

Folge <strong>der</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong>n <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>.<br />

y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

Goldene Zeiten:<br />

alljährl<strong>ich</strong> zur<br />

Weihnachtszeit<br />

sind Goldverpackungen<br />

<strong>der</strong><br />

Renner.<br />

| PRINT & PRODUKTION 12/2004 | 25 |


| Design | Teil 8 | | <strong>Farbe</strong> Silber |<br />

Silberblick<br />

und kühle Lacke<br />

Obgle<strong>ich</strong> die <strong>Farbe</strong> Silber in keinem Farbsystem und keiner Theorie vorkommt, gehört<br />

die <strong>Farbe</strong> des Mondes zu den erfolgre<strong>ich</strong>sten in <strong>der</strong> Palette mo<strong>der</strong>ner Kommunikation.<br />

Sie steht für kühle Kalkulation, Funktionalität und Geschwindigkeit, mit einem gewissen<br />

Hauch von Un<strong>der</strong>statement. In Silber verpackte Produkte gelten als qualitativ, edel<br />

und kostbar. <strong>Die</strong>s gilt vor allem beim <strong>lieb</strong>sten Kind des Deutschen, dem Auto. Im letzten Jahr<br />

waren in Deutschland 42 % aller Fahrzeuge silberfarben o<strong>der</strong> grau.<br />

Silber ist im eigentl<strong>ich</strong>en Sinne keine <strong>Farbe</strong>,<br />

<strong>so</strong>n<strong>der</strong>n ein glänzendes Edelmetall<br />

und das 47. Element im Periodensystem<br />

<strong>der</strong> Elemente. Das chemische Symbol ist<br />

Ag. Silber wird gediegen in <strong>der</strong> Natur gefunden,<br />

in vielen Län<strong>der</strong>n geför<strong>der</strong>t und<br />

tritt meist in Form von Körnern o<strong>der</strong> als<br />

drahtig verästeltes Geflecht in A<strong>der</strong>n auf.<br />

Nur etwa 25 % des Angebotes wird in reinen<br />

Silberminen, vorwiegend in Mexiko<br />

und Peru, geför<strong>der</strong>t. Beträchtl<strong>ich</strong>e Silbermengen<br />

fallen auch bei <strong>der</strong> Raffination<br />

<strong>der</strong> Massenmetalle Kupfer, Blei und Zink<br />

an, <strong>der</strong>en Gewinnung <strong>so</strong> auch Einfluss auf<br />

das Silberangebot <strong>der</strong> <strong>Welt</strong>märkte hat.<br />

Mit einer Härte von 2,5 bis 3 ist Silber ein<br />

sehr we<strong>ich</strong>es Metall, nur wenig härter als<br />

Feingold und et<strong>was</strong> we<strong>ich</strong>er als Kupfer:<br />

Ein Gramm lässt s<strong>ich</strong> zu einem zwei Kilometer<br />

langen Faden ziehen. Wie auch<br />

beim Gold wird <strong>der</strong> Silberanteil in einer<br />

Legierung in Tausendsteln angegeben:<br />

Feinsilber besteht aus 999,9 Tausendsteln,<br />

Sterling Silber aus 925 Tausendsteln<br />

Silber. <strong>Die</strong> Oberfläche des Silbers ist<br />

meist durch Oxide und Sulfide braun bis<br />

violettschwarz gefärbt, frisch abgeschiedenes<br />

Silber reflektiert jedoch weit über<br />

99,5 % des s<strong>ich</strong>tbaren L<strong>ich</strong>tes und stellt<br />

<strong>so</strong>mit das „weißeste“ aller Gebrauchsmetalle<br />

dar und ist zugle<strong>ich</strong> <strong>der</strong> beste elektrische<br />

und thermische Leiter. Der Schmelzpunkt<br />

von Silber liegt bei 961 Grad Celsius.<br />

Silber ist weniger ein Hortungsmetall,<br />

vielmehr hat es als industrieller Rohstoff<br />

eine weltweit starke Bedeutung. So<br />

wird zur Herstellung von Filmen in <strong>der</strong> Fotoindustrie<br />

<strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong> Produktion<br />

verbraucht.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te<br />

Das deutsche Wort „Silber“ lässt s<strong>ich</strong> bis<br />

auf das Gotische „silubr“ zurückverfolgen.<br />

Im Mittelhochdeutschen, Schwedischen<br />

und Englischen heißt es „silver“.<br />

Das lateinische Wort „argentum“ bedeutete<br />

ursprüngl<strong>ich</strong> weißes (helles, glänzendes)<br />

Metall. Es stand Pate für die Namensfindung<br />

des chemischen Symbols<br />

Ag und <strong>der</strong> südamerikanischen Pamparepublik<br />

Argentinien (Silberland).<br />

<strong>Die</strong> erste Be- und Verarbeitung von Silber<br />

geht auf das sechste vorchristl<strong>ich</strong>e Jahrtausend<br />

zurück. <strong>Die</strong> ältesten datierbaren Funde<br />

in Form von Ringen stammen aus Anatolien.<br />

<strong>Die</strong> Sumerer hatten s<strong>ich</strong> ein großes<br />

Wissen im Umgang mit Silber erarbeitet.<br />

Durch ihre Wan<strong>der</strong>ungen in den Süden verbreiteten<br />

sie es unter an<strong>der</strong>em auch in Me<strong>so</strong>potamien.<br />

In Uruk fand man eine größere<br />

Anzahl von silbernen Gefäßen (2800<br />

v. Chr.). <strong>Die</strong> ersten datierbaren Funde aus<br />

Ägypten stammen aus El Gerzeh (3800<br />

v. Chr.). Zu den größten bislang bekannt gewordenen<br />

Silberarbeiten gehört eine über<br />

ein Meter lange Trompete. Sie stammt aus<br />

dem Grab des Tut-ench-Amun (1352<br />

v. Chr.). Be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>e Bedeutung kam dem<br />

Silber durch die Prägung von Münzen zu,<br />

welche die Griechen seit 600 v.Chr. betrieben.<br />

Damals galt Silber als wertvoller als<br />

Gold. Das meiste Silber stammte aus den<br />

Minen in Lavrion, die etwa 50 Kilometer<br />

südl<strong>ich</strong> von Athen lagen. 331 v.Chr. eroberte<br />

Alexan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Große einen enormen<br />

Staatsschatz, darunter 290000 Talente Silber<br />

in Form von Barren, Gerät und Münzen.<br />

<strong>Die</strong>s waren etwa 7600 Tonnen Silber. 217<br />

v. Chr. ließ <strong>der</strong> römische Konsul Flaminius<br />

den Silberdenar als allgemeine Währungsmünze<br />

einführen.<br />

In alter Zeit haben die Menschen Silber<br />

als Metall voller Wun<strong>der</strong> betrachtet. <strong>Die</strong><br />

Babylonier brachten es in einen geheimnisvollen<br />

Zusammenhang mit dem Mond<br />

und glaubten, dass ihr göttl<strong>ich</strong> verehrtes<br />

Metall durch den Einfluss des Erdtrabanten<br />

ständig neue Nahrung erhalte und dadurch<br />

be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>e Heilkraft hätte. Der<br />

Glaube an die Heilkraft des Silbers ist fast<br />

überall anzutreffen. Der Grieche Herodot<br />

(490 bis 420 v. Chr.) ber<strong>ich</strong>tet, dass Kyros,<br />

<strong>der</strong> Großkönig <strong>der</strong> Perser, nur Wasser benutzte,<br />

das in silbernen Krügen auf all seinen<br />

Wegen mitgeführt wurde. <strong>Die</strong> Soldaten<br />

Alexan<strong>der</strong>s des Grossen deckten ihre<br />

Wunden mit hauchdünnen Silberplättchen<br />

ab, damit „das Fleisch n<strong>ich</strong>t faule“.<br />

Trinkgefässe aus Silber wurden in <strong>der</strong> Antike<br />

wegen ihres krankheitshemmenden<br />

Effekts bevorzugt. Im Mittelalter wurden<br />

Silbererzvorkommen im Harz (Goslar), in<br />

Sachsen (Freiberg und übriges Erzgebirge),<br />

Böhmen (Kutna Hora) und <strong>der</strong> Slowakei<br />

entdeckt.<br />

Wenig später, im Jahr 1545, entdeckten<br />

spanische Eroberer bei Potosí in Bolivien<br />

den Silberberg Cerro Rico, <strong>der</strong> 1987 von<br />

<strong>der</strong> UNESCO zum <strong>Welt</strong>kulturerbe erklärt<br />

wurde. An keinem an<strong>der</strong>en Ort <strong>der</strong> <strong>Welt</strong><br />

kommen das Elend, die Funktionsweise<br />

und die Folgen des Kolonialismus <strong>so</strong><br />

deutl<strong>ich</strong> zum Ausdruck wie in <strong>der</strong> Gesch<strong>ich</strong>te<br />

des auf über 4000 m Höhe in einer<br />

wüstenähnl<strong>ich</strong>en Umgebung gelegenen<br />

Potosí. 60 000 Tonnen Silber wurden<br />

bis heute dort geför<strong>der</strong>t. Am Anfang<br />

konnte man das Silber noch im Tagebau<br />

abbauen und ohne Zwischenschritte<br />

schmelzen. Dank des einst 5 000 m hohen<br />

Cerro Rico, <strong>der</strong> zu einem großen Teil aus<br />

wertvollstem Silbererz bestand, war Poto-<br />

sí im 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t mit rund<br />

200 000 Einwohnern die größte Stadt<br />

Amerikas. Damals wurde <strong>alles</strong> Silber nach<br />

Spanien geliefert. Rund 25 % seiner<br />

Schätze bezog Spanien aus diesem Berg.<br />

„Mit dem Silber, das sie vom Cerro Rico<br />

mitgenommen haben, hätte man eine<br />

Brücke von hier bis nach Spanien bauen<br />

können“, sagen die Bolivianer heute –<br />

n<strong>ich</strong>t mit Groll, aber mit einem Unterton<br />

von Bitterkeit. Denn <strong>der</strong> Silberberg, <strong>der</strong><br />

die Stadt entstehen ließ, bescherte ihr<br />

auch den Untergang. Nachdem <strong>der</strong> Berg<br />

durch und durch umgewühlt und all seiner<br />

Schätze beraubt war, wurde Potosí zu<br />

einer Geisterstadt, die am Ende des 18.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts gerade noch 8000 Einwohner<br />

zählte. Bis heute sind allein 8 Millionen<br />

Minenarbeiter durch Lungenkrankheiten<br />

ums Leben gekommen.<br />

Allerdings sank <strong>der</strong> Wert des Silbers erhebl<strong>ich</strong><br />

durch die große Mengen, welche<br />

die Spanier nach Europa brachten, und<br />

als nach 1870 vorwiegend Gold als Währungsmetall<br />

verwendet wurde, verlor das<br />

Silber weiter an wirtschaftl<strong>ich</strong>er Bedeutung.<br />

Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts erschien<br />

zudem rostfreier Stahl auf dem Markt, <strong>der</strong><br />

aufgrund seiner Gebrauchsfreundl<strong>ich</strong>keit<br />

und attraktiven Preises in die Einsatzbere<strong>ich</strong>e<br />

des Silbers vordrang, man denke<br />

nur an Servierplatten, Bestecke, Leuchter<br />

und Küchengerät. Gegenläufig dazu hat<br />

s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Bere<strong>ich</strong> Fotografie und Fotochemie<br />

unter Verwendung <strong>der</strong> Silbersalze<br />

während des ganzen 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

breit entwickelt und wird nun im Zuge <strong>der</strong><br />

Umstellung auf die digitale Abbildungstechnik<br />

wie<strong>der</strong> an Bedeutung verlieren.<br />

T<strong>rot</strong>z dieser Entwicklungen ist die weltweite<br />

Silbernachfrage steigend – haupt-<br />

| 28 | PRINT & PRODUKTION 1-2/2005 |


| <strong>Farbe</strong> Silber | | Teil 8 | Design |<br />

Kühl und elegant: „Silberpfeile“ von Daimler-Chrysler.<br />

Foto: Werner Achilles GmbH & Co. KG, Celle<br />

sächl<strong>ich</strong> aus <strong>der</strong> Industrie und für die<br />

Schmuckfertigung – und wird aktuell dadurch<br />

gedeckt, dass Staaten wie China<br />

zurzeit ihre Silberreserven veräußern.<br />

Wirkung<br />

Im Feng Shui, <strong>der</strong> alten chinesischen<br />

Kunst und Wissenschaft vom Leben in<br />

Harmonie mit <strong>der</strong> Umgebung, ist Silber<br />

die <strong>Farbe</strong> des s<strong>ich</strong> ständig än<strong>der</strong>nden<br />

Mondes. Sie steht für das weibl<strong>ich</strong>e Prinzip<br />

und die intuitive Seite des Verstandes.<br />

Weil Silber harmonisierend und reinigend<br />

wirkt, wird es schon seit Jahrtausenden in<br />

<strong>der</strong> Medizin eingesetzt. Erst die mo<strong>der</strong>ne<br />

Wissenschaft kann diese Wirkung erklären.<br />

Kolloidales (be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s fein verteiltes)<br />

Silber ist ein natürl<strong>ich</strong>es Antibiotikum.<br />

Ein chemisches Antibiotikum wie<br />

etwa Penicillin eliminiert vielle<strong>ich</strong>t ein<br />

Dutzend verschiedener Krankheitserreger,<br />

kolloidales Silber aber tötet etwa 650<br />

Erreger. Jede Art von Pilz, Virus, Bakterium,<br />

Streptokokken, Staphylokokken<br />

und an<strong>der</strong>e pathogene Organismen werden<br />

in 3 bis 4 Minuten abgetötet. Tatsächl<strong>ich</strong><br />

ist kein Bakterium bekannt, das n<strong>ich</strong>t<br />

durch kolloidales Silber innerhalb von<br />

höchstens 6 Minuten eliminiert wird. Silbergeschirr<br />

und -besteck geben beim Gebrauch<br />

immer et<strong>was</strong> Silber mit an die<br />

Speisen und Getränke ab. Daher waren<br />

silberne o<strong>der</strong> silberbesch<strong>ich</strong>tete Bestecke<br />

und Trinkgefäße früher tatsächl<strong>ich</strong><br />

äußert hilfre<strong>ich</strong>, um Krankheiten vorzubeugen.<br />

Wer mit Re<strong>ich</strong>tum und Glück gesegnet<br />

war, wurde daher „mit einem silbernen<br />

Löffel im Mund geboren“ und hatte<br />

in <strong>der</strong> Tat bessere Überlebenschancen<br />

als ärmere Menschen, die mit Holzlöffeln<br />

aßen. Auch das „Silber <strong>der</strong> Meere“, <strong>der</strong><br />

Hering, macht s<strong>ich</strong> die Wirkung des Silber<br />

zu nutze. Inmitten des Wassers wirkt seine<br />

silbrige Oberfläche als Tarnfarbe, die<br />

ihn für an<strong>der</strong>e Fische fast uns<strong>ich</strong>tbar<br />

macht.<br />

Titansilber ist die führende <strong>Farbe</strong> in allen<br />

großen Automärkten weltweit. Eine <strong>der</strong>artige<br />

Dominanz hatte bis dato noch keine<br />

einzelne <strong>Farbe</strong>. Silber steht für Hightech<br />

und Un<strong>der</strong>statement. Viele Menschen<br />

schätzen das kühle Image <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> –<br />

wertvoll, ohne groß aufzufallen. Auch in<br />

den nächsten Jahren werden die meisten<br />

Pkw in Europa silberfarben sein – allerdings<br />

geht <strong>der</strong> Trend statt von hart und<br />

metallisch-silbern zu Silberweiß-Tönen<br />

und <strong>Farbe</strong>ffekten in Silbertönen.<br />

Praxis<br />

Silber findet nach wie vor Verwendung für<br />

erlesene und wertbeständige Essbestecke,<br />

Tafel- und Kirchengeräte <strong>so</strong>wie für<br />

alle Arten von Schmuck.<br />

Durch die hohe elektrische Leitfähigkeit<br />

und Wärmeleitfähigkeit gepaart mit <strong>der</strong><br />

optischen Reflexionsfähigkeit ist es auch<br />

für Anwendungen in Elektrik, Elektronik<br />

und Optik prädestiniert. Silberlegierungen<br />

(mit Kupfer, Zink, Zinn, Nickel, Indium,<br />

etc.) finden in <strong>der</strong> Technik als Lotlegierungen<br />

(Hartlöten), Kontaktmaterialien<br />

und Leitmaterial in <strong>der</strong> Elektro- und<br />

Wärmetechnik, in <strong>der</strong> Dentaltechnik und<br />

im dekorativen Bere<strong>ich</strong> Verwendung. Als<br />

Lebensmittelfarbstoff E 174 wird Silber<br />

auch im Speisenbere<strong>ich</strong> verwendet.<br />

Am Bildschirm lassen s<strong>ich</strong> metallische<br />

<strong>Farbe</strong>n n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig darstellen. Im Internet<br />

muss Silber daher durch normale <strong>Farbe</strong>n<br />

(RGB) simuliert werden. In <strong>der</strong> Drucktechnik<br />

gehört Silber zu den <strong>Farbe</strong>n, die über<br />

den konventionellen Vierfarbdruck n<strong>ich</strong>t<br />

o<strong>der</strong> nur sehr schlecht dargestellt werden<br />

können. Durch den Einsatz von Metallpigmentfarben<br />

und Son<strong>der</strong>farben, wie z. B.<br />

Pantone 877, o<strong>der</strong> Folien in Silber-Metallic-<strong>Farbe</strong>n<br />

lassen s<strong>ich</strong> jedoch Silbereffekte<br />

hervorragend darstellen – von alu-matt<br />

bis hochglanz-chrom. Im Offset kommt es<br />

beim Verarbeiten von Silberfarben auf<br />

mattgestr<strong>ich</strong>enen Papieren immer wie<strong>der</strong><br />

zu Problemen bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> mangelnden<br />

Wischfestigkeit. Daher ist beim Einsatz<br />

dieser Papiere eine Lackierung unumgängl<strong>ich</strong><br />

und vor einem Auflagendruck<br />

<strong>so</strong>llte eine <strong>so</strong>rgfältige Prüfung erfolgen.<br />

Metallpigmente sind grundsätzl<strong>ich</strong> korrosionsanfällig.<br />

<strong>Die</strong>ser Tatsache muss auch<br />

<strong>der</strong> Drucker Rechnung tragen. Der pH-<br />

Wert des Feuchtmittels <strong>so</strong>llte aus diesem<br />

Grund n<strong>ich</strong>t unter 5,5 liegen, um einen optimalen<br />

Metalleffekt zu erzielen.<br />

Silberblick und Blicksilber<br />

Im Gegensatz zum Schielen, bei dem s<strong>ich</strong><br />

die Ges<strong>ich</strong>tslinien <strong>der</strong> Augen n<strong>ich</strong>t im Fixierpunkt<br />

treffen (Strabismus), handelt es<br />

s<strong>ich</strong> beim <strong>so</strong> genannten Silberblick um<br />

gelegentl<strong>ich</strong>es Abwe<strong>ich</strong>en eines Auges<br />

aus <strong>der</strong> Parallelstellung insbe<strong>so</strong>n<strong>der</strong>e bei<br />

Ermüdung: Der le<strong>ich</strong>t weggleitende Blick<br />

findet entwe<strong>der</strong> <strong>so</strong>fort wie<strong>der</strong> zur Parallelstellung<br />

zurück o<strong>der</strong> verliert s<strong>ich</strong>. Blicksilber<br />

ist eigentl<strong>ich</strong> ein Fachausdruck des<br />

Hüttenwesens. Es beschreibt den Moment,<br />

in welchem das <strong>so</strong>eben noch flüssige<br />

Silber, von fast aller Beimengung von<br />

Blei befreit, erstarrt. Das Blicken, das wie<strong>der</strong><br />

verglimmt und dadurch et<strong>was</strong> zauberhaft<br />

Unwillkürl<strong>ich</strong>es erhält, dürfte sprachl<strong>ich</strong><br />

zur Analogie <strong>der</strong> Eigenschaft des Auges<br />

zu <strong>der</strong> des Metalls geführt haben.<br />

Gle<strong>ich</strong>falls bedeutsam ist die Tatsache,<br />

dass wir, wenn wir et<strong>was</strong> sehr nahe vor<br />

die Augen halten, anfangen zu schielen,<br />

<strong>so</strong>bald wir diesen Gegenstand fokussieren.<br />

Wenn jemand al<strong>so</strong> seinen Blick nur<br />

aufs Geld r<strong>ich</strong>tete, das früher aus Silber<br />

geprägt wurde, hatte er einen Silberblick.<br />

Warum die <strong>Farbe</strong> Braun für die unglückseligste<br />

Zeit deutscher Gesch<strong>ich</strong>te steht, obwohl<br />

sie farbpsychologisch Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t,<br />

Reife, Ruhe, Neuanfang und Geborgenheit<br />

symbolisiert, erfahren Sie in <strong>der</strong><br />

nächsten Folge <strong>der</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong>n <strong>Welt</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong>.<br />

y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

| PRINT & PRODUKTION 1-2/2005 | 29 |


| Design | Teil 9 | | <strong>Farbe</strong> Braun |<br />

Sowohl<br />

als Braun<br />

Be<strong>lieb</strong>t: Eine Umfrage unter den<br />

Deutschen, wie sie s<strong>ich</strong> ihren Traumpartner<br />

vorstellen, ergab, dass s<strong>ich</strong><br />

23 % braune Augen wünschen.<br />

Braun ist bei Frauen und Männern in<br />

Deutschland gle<strong>ich</strong>ermaßen in allen Umfragen<br />

die unbe<strong>lieb</strong>teste <strong>Farbe</strong>. Bei Braun überwiegen<br />

zuerst die negativen As<strong>so</strong>ziationen<br />

Politik, Exkremente und Dreck. N<strong>ich</strong>tsdestoweniger<br />

ist die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Erde als die <strong>Farbe</strong><br />

des Gemütl<strong>ich</strong>en, Warmen und Aromatischen<br />

de facto in <strong>der</strong> Praxis in allen Schattierungen<br />

sehr be<strong>lieb</strong>t.<br />

Was ist Braun?<br />

Braun ist keine selbständige <strong>Farbe</strong>. <strong>Die</strong><br />

<strong>Farbe</strong> Braun beze<strong>ich</strong>net ein stark abgedunkeltes<br />

Orange (Mischung aus Gelb<br />

und Rot) und kann auch Grün- und Rotanteile<br />

enthalten. Braun ist in <strong>der</strong> Farblehre<br />

n<strong>ich</strong>t <strong>so</strong> eindeutig zu definieren wie z. B.<br />

die <strong>Farbe</strong>n Rot, Grün und Blau. Verschiedene<br />

Farbmischungen werden als Braun<br />

beze<strong>ich</strong>net. In <strong>der</strong> Umgangssprache<br />

spr<strong>ich</strong>t man beispielsweise von Hellbraun<br />

o<strong>der</strong> Dunkelbraun. O<strong>der</strong> nutzt an<strong>der</strong>e<br />

Wörter, um den Farbton genauer zu beschreiben:<br />

Erdbraun, Kastanienbraun etc.<br />

Braun kommt n<strong>ich</strong>t im Regenbogen vor,<br />

es gibt kein braunes L<strong>ich</strong>t und auch <strong>der</strong><br />

Himmel, <strong>der</strong> nahezu in allen <strong>Farbe</strong>n getönt<br />

sein kann, kennt diese <strong>Farbe</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

Braun sind <strong>der</strong> Boden und die Erde – das<br />

Feste und S<strong>ich</strong>ere unter unseren Füßen. In<br />

<strong>der</strong> Natur ist Braun die <strong>Farbe</strong> des Herbstes,<br />

des Welkens und auch des Verdorbenen,<br />

Ver<strong>der</strong>bl<strong>ich</strong>en und Verfaulten. Auch<br />

verbl<strong>ich</strong>enes, altes Papier wird braun.<br />

Braun ist deshalb eine „alte <strong>Farbe</strong>“. Braun<br />

kann aber auch eine „aromatische“ <strong>Farbe</strong><br />

sein. Tabak, Kaffee, Tee, Bier, Cola o<strong>der</strong><br />

Kakao sind braun. Honig hat oft eine warme<br />

goldbraune <strong>Farbe</strong>. B<strong>rot</strong>, Gebratenes<br />

und Gebackenes hat eine gut schmeckende<br />

braune, knusprige Kruste.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te<br />

Im alten Ägypten war Braun die <strong>Farbe</strong> des<br />

Bösen. <strong>Die</strong> Symbolfarbe <strong>der</strong> Zorngötter<br />

im tibetischen Buddhismus ist ein Rauchbraun.<br />

Aber auch viele Muttergottheiten<br />

wurden mit <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> Braun verbunden.<br />

Im Alten Rom war Braun die <strong>Farbe</strong> des<br />

Lumpenproletariats, Bettler wurden „Pullati“<br />

(die Braun gekleideten) genannt.<br />

Auch die arme bäuerl<strong>ich</strong>e Bevölkerung,<br />

die s<strong>ich</strong> nur ungeble<strong>ich</strong>te und ungefärbte<br />

Stoffe leisten konnte, trug als Kleidungsfarbe<br />

Braun. Franz von Assisi, zu dessen<br />

Gelübde vorrangig die Armut gehörte,<br />

trug als Ordensgrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Franziskaner<br />

die braune Kutte. Als <strong>Farbe</strong> des Ver<strong>der</strong>bl<strong>ich</strong>en<br />

war Braun zu jener Zeit neben<br />

Schwarz auch die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Trauernden.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> Braun steht bekanntermaßen<br />

symbolisch für die national<strong>so</strong>zialistische<br />

Vergangenheit von 1933 bis 1945 und<br />

noch heute werden Rechtsextreme mit<br />

<strong>der</strong> <strong>Farbe</strong> as<strong>so</strong>ziiert. <strong>Die</strong> Nazis trugen<br />

1921 zum ersten Mal eine braune Uniform,<br />

das <strong>so</strong> genannte Braunhemd, das nach<br />

1926 den offiziellen Rang einer Parteiuniform<br />

erhielt. Braun wurde <strong>so</strong>mit quasi die<br />

Staatsfarbe des Tausendjährigen Re<strong>ich</strong>es.<br />

Der Ursprung <strong>der</strong> braunen Uniform<br />

kommt aus <strong>der</strong> germanischen Mythologie.<br />

<strong>Die</strong> „Braunhemden“ wollten Erinnerungen<br />

an die „Berserker“, die Bärentöter<br />

(einem archaischen, Bärenfell tragenden<br />

Männerbund <strong>der</strong> Wikinger) wecken. <strong>Die</strong><br />

Massen strömten damals zu den „Braunen“,<br />

weil sie s<strong>ich</strong> dort einen festen Halt,<br />

einen <strong>so</strong>liden, stabilisierenden Machtfaktor<br />

versprachen. Doch <strong>der</strong> Kreis, den die<br />

„Braunen“ mit ihrer Erdverbundenheit<br />

(Blut und Boden) begonnen hatten,<br />

schloss s<strong>ich</strong> fatal, als sie die Städte, Menschen<br />

und schließl<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong> selbst wie<strong>der</strong><br />

zurück zum „Braun“ gebracht hatten –<br />

näml<strong>ich</strong> in die Erde. Der große Farbtheoretiker<br />

Kandinsky hatte dies wohl vorausgesehen,<br />

denn sein letztes Bild in<br />

Deutschland, das er vor seiner Immigration<br />

nach Paris im Jahr 1933 schuf, hat den<br />

Titel „Entwicklung in Braun“.<br />

Schön braun<br />

Braun war früher die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> bäuerl<strong>ich</strong>sinnl<strong>ich</strong>-erdverbundenen<br />

Liebe. „Schwarzbraun<br />

ist die Haselnuss ...“ heißt es in einem<br />

alten Volklied. <strong>Die</strong> „schwarzbraunen<br />

Mädchen“ waren die einfachen Mädchen<br />

vom Land. Ihre Haut war von <strong>der</strong> Sonne<br />

gegerbt und das war damals ein Ze<strong>ich</strong>en<br />

des armen, einfachen und arbeitsre<strong>ich</strong>en<br />

Lebens. Im direkten Umkehrschluss galt<br />

weiße Haut bis in die Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

als Statussymbol. <strong>Die</strong> <strong>so</strong> genannte<br />

vornehme Blässe war den Damen<br />

manche Umständl<strong>ich</strong>keiten wert. Sie gingen<br />

n<strong>ich</strong>t ohne Schleier o<strong>der</strong> Sonnenschirm<br />

außer Haus, weil allein schon geringe<br />

Bräune und Sommersprossen als<br />

unfein galten. In <strong>der</strong> Spätromantik tran-<br />

| 20 | PRINT & PRODUKTION 4/2005 |


| <strong>Farbe</strong> Braun | | Teil 9 | Design |<br />

ken Frauen <strong>so</strong>gar Essig o<strong>der</strong> durchwachten<br />

die ganze Nacht, nur um blass und<br />

interessant auszusehen. Von Kaiserin Sissi<br />

ist überliefert, dass sie das Sonnenl<strong>ich</strong>t<br />

fürchtete und stets einen „wun<strong>der</strong>l<strong>ich</strong><br />

blauen Schirm an ihrem Hute zur Abwehr<br />

gegen Sonnenbrand und Sommersprossen“<br />

trug. <strong>Die</strong>sem Vorbild folgend versprachen<br />

zahlre<strong>ich</strong>e Seifen, Cremes, Pu<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> Ble<strong>ich</strong>mittel die Erhaltung o<strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>erlangung einer reinen „weißen,<br />

sammetwe<strong>ich</strong>en“ Haut o<strong>der</strong> des „zarten,<br />

blendend schönen Teints“.<br />

In den vergangenen Jahrzehnten kehrte<br />

s<strong>ich</strong> diese Einstellung um und gebräunte<br />

Haut wurde zum Statussymbol <strong>der</strong> Re<strong>ich</strong>en,<br />

zum Markenze<strong>ich</strong>en <strong>der</strong> Freizeitgesellschaft.<br />

Denn eine braune Haut hatte,<br />

wer s<strong>ich</strong> Ferien, Sport o<strong>der</strong> viel Freizeit<br />

leisten konnte. Braune Hautfarbe stand<br />

für Schönheit, Erfolg und Gesundheit,<br />

künstl<strong>ich</strong>e Höhen<strong>so</strong>nnen hielten Einzug<br />

in die Privathaushalte und Sonnenstudios<br />

Brauner Klassiker: Ein guter Cappucino<br />

besteht zu gle<strong>ich</strong>en Teilen aus Kaffee und<br />

warmer Milch, dann aufgeschäumte<br />

Milch darüber geben, mit Kakaopulver<br />

bestreuen, fertig.<br />

Brauner Genuss mit Folgen: Kaffee ist zur<br />

Zeit <strong>so</strong> billig, wie noch nie. <strong>Die</strong>s bedeutet<br />

für Millionen Kaffeebauern, die weniger<br />

als 2 Prozent einer in Europa getrunkenen<br />

Tasse erhalten, eine Katastrophe.<br />

eröffneten allerorten. Nun beginnt <strong>der</strong><br />

Trend s<strong>ich</strong> erneut zu drehen. Langsam<br />

aber s<strong>ich</strong>er spr<strong>ich</strong>t es s<strong>ich</strong> herum, dass<br />

ausgiebiges Sonnenschmoren mehr<br />

schlecht als recht ist. In Australien und<br />

den USA ist unter dem Einfluss des Ozonlochs<br />

das Umdenken bereits s<strong>ich</strong>tbar.<br />

Dort werben Hersteller von Sonnenmilch<br />

n<strong>ich</strong>t mehr mit extrem tiefbraunen Menschen,<br />

wie noch auf den Werbeplakaten<br />

<strong>der</strong> 70er-Jahre. Stattdessen zieren eher<br />

blasse Models die Anzeigen. Apropos<br />

Australien/USA: Wenn man dort jeman-<br />

Brauner Chic: T<strong>rot</strong>z <strong>der</strong> auf Befragen oft<br />

genannten Aversion gegen Braun sind<br />

Textilien in braunen Farbtönen überaus<br />

be<strong>lieb</strong>t.<br />

Braunbär: Ursus arctos, auch <strong>lieb</strong>evoll<br />

Meister Petz genannt, ist das Wildtier<br />

des Jahres 2005.<br />

den/et<strong>was</strong> satt hat, <strong>so</strong> ist man „browned<br />

off it“.<br />

Braune Töne<br />

Ein sehr altes und sehr bekanntes braunes<br />

Färbemittel ist Sepia, benannt nach<br />

dem braun-schwarzen Sekret, das in einer<br />

Eingeweidedrüse des Tintenfischs (sepia<br />

officinalis) gebildet wird und das <strong>der</strong> Tintenfisch<br />

bei Gefahr ausstößt, um das<br />

Wasser zu verdunkeln und vor dem Feind<br />

zu fliehen. Zur Sepia-Gewinnung werden<br />

die Tintendrüsen aus dem Körper herausgeschnitten,<br />

auf eine Schnur aufgereiht<br />

und in <strong>der</strong> Sonne getrocknet. Früher wurden<br />

die getrockneten Drüsensäcke direkt<br />

zerkleinert und ohne weitere Vorbereitung<br />

in Künstlerfarben als Pigment verarbeitet.<br />

Bessere Produkte erzielt man jedoch,<br />

wenn man das eigentl<strong>ich</strong>e Sepia-<br />

Pigment aus den Drüsen herauslöst und<br />

filtert.<br />

Als braunes Malpigment wurde schon in<br />

<strong>der</strong> Eiszeit Ocker verwendet. Ocker ist ein<br />

Verwitterungsprodukt eisenhaltiger Gesteine<br />

o<strong>der</strong> Minerale, <strong>der</strong>en Farbgebung<br />

von <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> enthaltenen Eisenoxydhydrate<br />

abhängig ist. Ockertöne sind<br />

l<strong>ich</strong>techt, <strong>was</strong>ser- und laugenbeständig,<br />

aber säureempfindl<strong>ich</strong>. Als „Ochra“ und<br />

„Sil“ waren sie schon bei den Griechen<br />

und Römern bekannt. Heute wird Ocker<br />

künstl<strong>ich</strong> hergestellt, weil die natürl<strong>ich</strong>en<br />

Lagerstätten erschöpft sind.<br />

„Terra di Siena“ ist eine Eisenoxid-haltige<br />

Erdfarbe, die ursprüngl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Toskana<br />

gefunden wurde. <strong>Die</strong> berühmten Lager in<br />

Siena sind jedoch ebenfalls erschöpft. Es<br />

finden s<strong>ich</strong> aber noch Vorkommen im<br />

Harz, in Bayern und in Nordamerika.<br />

Seit dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t finden Umbren<br />

in <strong>der</strong> Malerei Verwendung. Sie sind mit<br />

allen Pigmenten verträgl<strong>ich</strong> und in allen<br />

Techniken verarbeitbar und haben eine<br />

hohe L<strong>ich</strong>techtheit. Umbren werden aus<br />

Verwitterungsprodukten manganhaltiger<br />

Eisengesteine gewonnen, geschlämmt<br />

und gemahlen. Ihre Farbtönungen sind<br />

von dem Verhältnis <strong>der</strong> Eisenverbindungen<br />

zu den Manganverbindungen abhängig,<br />

schwanken deshalb zwischen dunklen<br />

Ockertönungen und tiefem Braun. <strong>Die</strong><br />

<strong>so</strong> genannten „echten“ Umbren ze<strong>ich</strong>nen<br />

s<strong>ich</strong> durch einen hohen Mangananteil<br />

und die Anwesenheit feiner Anteile von<br />

Eisensilikat aus. <strong>Die</strong> natürl<strong>ich</strong>en Vorkommen<br />

liegen in Zypern, Italien und teilweise<br />

auch in Deutschland.<br />

Das <strong>so</strong> genannte Vandyckbraun, nach Anthonis<br />

van Dyck, o<strong>der</strong> auch Cassler Braun<br />

genannt, besteht im Wesentl<strong>ich</strong>en aus<br />

fein aufgeschlämmter Braunkohle. <strong>Die</strong>ses<br />

Pigment ist lasierend und nur mäßig<br />

l<strong>ich</strong>techt. Es wird seit dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

in <strong>der</strong> Malerei verwendet.<br />

Künstl<strong>ich</strong> werden die genannten Farbtöne<br />

heute aus synthetischen Eisenoxiden,<br />

Braunstein und Füllstoffen hergestellt.<br />

<strong>Die</strong> Pigmentfabriken verwenden hierfür<br />

Maschinen, mit denen Pigmentmischungen<br />

in <strong>so</strong> genannten „Kollergängen“<br />

(Walzenstühlen) hergestellt werden.<br />

Auch beim vermutl<strong>ich</strong> ersten großen farbigen<br />

Druck, bei dem bunte <strong>Farbe</strong>n verwendet<br />

wurden, dem 1457 von Fust und<br />

Schöffer vollendeten Psalterium, wurde<br />

als „Spotfarbe“ außer Schwarz, Blau und<br />

Rot auch Braun verwendet.<br />

Ungewollt ist hingegen das Auftreten von<br />

Braun im mo<strong>der</strong>nen Druckprozess. Farbtheoretisch<br />

müsste eine Mischung aus<br />

reinen Cyan- (C), Magenta- (M) und Gelb-<br />

Pigmenten (Y) das gesamte L<strong>ich</strong>t ab<strong>so</strong>rbieren<br />

und Schwarz erzeugen. Da aber<br />

keine Druckfarbe vollkommen rein ist, ergeben<br />

diese drei <strong>Farbe</strong>n ein schmutziges<br />

Braun, weshalb die Druckfarbe Schwarz<br />

(K) von Nöten ist.<br />

Braun ist n<strong>ich</strong>t<br />

gle<strong>ich</strong> Braun<br />

Asphaltbraun, Bast, Beige, Bernsteinfarben,<br />

Biberbraun, Brauner Ocker, Braungrau,<br />

Braungrün, Braun<strong>rot</strong>, Bräunl<strong>ich</strong>,<br />

Bronze, Brünett, Cognacfarben, Dunkelblond,<br />

E<strong>ich</strong>braun, Erdfarbig, Goldbraun,<br />

Graubraun, Herbstbraun, Holzfarben, Honigbraun,<br />

Kaffeebraun, Kakaobraun, Karamellbraun,<br />

Kastanienbraun, Khakibraun,<br />

Kokosnussbraun, Korkbraun, Kupfer, Le<strong>der</strong>braun,<br />

Lehmbraun, Mahagonibraun,<br />

Maronenbraun, Mittelbraun, Negerbraun,<br />

Nikotinbraun, Nougatbraun, Nussbraun,<br />

Ockerbraun, Orangebraun, Olivbraun,<br />

Pfefferbraun, Rehbraun, Rostbraun, Rotbraun,<br />

Senfbraun, Sepiabraun, Sonnenbraun,<br />

Tabakbraun, Teakholzbraun, Terracottabraun,<br />

Tiefbraun, Tonbraun, Umbra<br />

gebrannt, Umbrischbraun, Whiskybraun,<br />

Ze<strong>der</strong>nbraun, Ziegel<strong>rot</strong>braun, Zimtfarben,<br />

Zwiebelbraun ...<br />

Google-Hitliste<br />

Nennungen in deutschen Seiten<br />

1. Schwarz 12 600 000<br />

2. Weiß 9 920 000<br />

3. Blau 7 600 000<br />

4. Rot 7 860 000<br />

5. Silber 7 850 000<br />

6. Gold 7 840 000<br />

7. Braun 4 870 000<br />

8. Gelb 3 620 000<br />

9. Orange 4 320 000<br />

10. Grün 3 620 000<br />

11. Grau 3 400 000<br />

12. Pink 2 690 000<br />

13. Lila 907 000<br />

14. Violett 541 000<br />

Wirkung<br />

Braun hat als „warme“ <strong>Farbe</strong> die psychologische<br />

Wirkung, das passive, leibl<strong>ich</strong>sinnl<strong>ich</strong>e<br />

Empfinden des eigenen Körpers<br />

anzusprechen. Im Positiven bedeutet dies<br />

die As<strong>so</strong>ziation <strong>der</strong> Geborgenheit, im Negativen<br />

die <strong>der</strong> Spießigkeit, Mittelmäßigkeit,<br />

Behäbigkeit, Faulheit und des Une<strong>rot</strong>ischen.<br />

Ein starkes Bedürfnis nach Braun<br />

haben Menschen, die ihre Problemspannungen<br />

verdrängen wollen und nach Erholung<br />

suchen. Und tatsächl<strong>ich</strong> eignen<br />

s<strong>ich</strong> braune Textilien dazu, s<strong>ich</strong> nach Phasen<br />

<strong>der</strong> Anspannung und des Stress ruhend<br />

und gemütl<strong>ich</strong> zu fühlen. Auf den<br />

gle<strong>ich</strong>en Effekt zielen Einr<strong>ich</strong>tungsgegenstände<br />

und Wandverkleidungen in braunen<br />

Naturmaterialien wie Holz, Le<strong>der</strong> und<br />

Wolle. Sie strahlen Gemütl<strong>ich</strong>keit und Geborgenheit<br />

aus. Als Wohnraumfarbe in<br />

Kombination mit Gelb-, Orange-, Goldo<strong>der</strong><br />

Ockertönen kann Braun sehr viel zur<br />

Raumatmosphäre beitragen. Warme,<br />

re<strong>ich</strong> strukturierte Brauntöne wirken<br />

freundl<strong>ich</strong> und strahlen Dynamik aus. Dagegen<br />

wirken dunkle, kalte Brauntöne erdrückend<br />

und schwer. Dunkelbraun steht<br />

für elegante Gediegenheit, Robustheit<br />

und Stabilität. Braun suggeriert vollen Geschmack,<br />

kraftvolle Ausgereiftheit, Volumen<br />

und <strong>so</strong>lide Herkunft.<br />

Braun in <strong>der</strong> Werbung<br />

Wenn Menschen unter 30 ihre Zielgruppe<br />

sind, dann können Sie Braun als Gestaltungsmittel<br />

fast vollständig ausklammern,<br />

schließl<strong>ich</strong> haben die jungen, aktiven<br />

Käufersch<strong>ich</strong>ten <strong>alles</strong> Mögl<strong>ich</strong>e im<br />

Sinn, nur keine rustikale Gemütl<strong>ich</strong>keit.<br />

Allerdings ist dunkle Schrift auf hellem<br />

Grund be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>s gut lesbar und deshalb<br />

kann eine Variation des allgegenwärtigen<br />

Schwarz-Weiß-Kontrastes durch eine<br />

Braun-Weiß- o<strong>der</strong> Braun-Gelb-Kombination<br />

ein Corporate Design beleben.<br />

Je älter die Zielgruppe, desto be<strong>lieb</strong>ter ist<br />

die <strong>Farbe</strong> Braun. Wenn Sie al<strong>so</strong> den finanzstarken<br />

Zielgruppen jenseits <strong>der</strong> 50<br />

et<strong>was</strong> verkaufen wollen, dann sind Sie mit<br />

<strong>der</strong> Hausfarbe von „Mutter Erde“ gut beraten.<br />

Solidität, Gutbürgerl<strong>ich</strong>keit und Gemütl<strong>ich</strong>keit<br />

lassen s<strong>ich</strong> bestens mit<br />

Brauntönen ausrücken.<br />

Und <strong>so</strong> geht es weiter<br />

Warum manche Schwarzfahrer s<strong>ich</strong> t<strong>rot</strong>z<br />

Schwarzgeld schwarz ärgern und <strong>was</strong> das<br />

<strong>alles</strong> mit Schwarzmalerei und <strong>der</strong> schwarzen<br />

Kunst zu tun hat, erfahren Sie in <strong>der</strong><br />

nächsten Folge <strong>der</strong> <strong>wun<strong>der</strong>bare</strong>n <strong>Welt</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Farbe</strong>.<br />

y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

| PRINT & PRODUKTION 4/2005 | 21 |


| Design | Teil 10 | | <strong>Farbe</strong> Schwarz |<br />

Alles beginnt und endet in Schwarz, im Anfang in Finsternis und am Ende in<br />

Trauer. Da lohnt es n<strong>ich</strong>t darüber zu streiten, ob die unbunte <strong>Farbe</strong> des <strong>Welt</strong>alls<br />

wirkl<strong>ich</strong> eine <strong>Farbe</strong> ist. Fest steht, dass Schwarz bei <strong>der</strong> Abwesenheit von L<strong>ich</strong>t<br />

jegl<strong>ich</strong>er Wellenlänge entsteht und Reserviertheit und Strenge, aber auch<br />

Feierl<strong>ich</strong>keit und Sinnl<strong>ich</strong>keit verströmt.<br />

Schwarzer Luxus: In <strong>der</strong> <strong>Farbe</strong>nlehre des Automobils bedeutet Schwarz Status.<br />

Grau, Braun und<br />

Anfang und Ende –<br />

Eleganz und Elend<br />

Angenommen, man ginge davon aus,<br />

dass die Kunstszene am besten dafür geeignet<br />

wäre den guten Geschmack zu treffen,<br />

dann wäre die Frage <strong>der</strong> ultimativen<br />

Kleidungsfarbe entschieden. Schließl<strong>ich</strong><br />

bevorzugt die heutige Kunstszene eindeutig<br />

Schwarz für ihre „gnostische<br />

Tracht“. T<strong>rot</strong>z dieser hohen Weihen steht<br />

Schwarz in <strong>der</strong> europäischen Kultur nach<br />

wie vor in erster Linie für die Dunkelheit,<br />

den Tod <strong>so</strong>wie für Trauriges und Böses.<br />

Gesch<strong>ich</strong>te<br />

Schwarz ist die <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> furchtbaren<br />

Erde, <strong>der</strong> Fruchtbarkeits- und Muttergöttinnen<br />

und des Todes. Im alten Ägypten<br />

waren dies vor allem die schwarze Isis<br />

und Anubis, <strong>der</strong> schakalköpfige Wächter<br />

am Tor <strong>der</strong> Gräber. Schwarz waren auch<br />

die griechischen Unterweltgötter wie Charon,<br />

<strong>der</strong> Fährmann in die Unterwelt, und<br />

Hekate, die Greisengöttin. <strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong> verkörpert<br />

auch die Herren des Totenre<strong>ich</strong>es<br />

Hades, Pluto und Cerberus. Das Christentum<br />

kennt „Schwarze Madonnen“, einen<br />

Typus von Marienbil<strong>der</strong>n, die schwarz<br />

sind, <strong>was</strong> auf das hohe Alter des Holzes<br />

und die Verrußung durch das Anzünden<br />

von Kerzen vor dem Andachtsbild zurückzuführen<br />

ist. Schwarzafrikaner wurden<br />

bereits in <strong>der</strong> Antike Neger genannt, nach<br />

dem lateinischen Ausdruck für Schwarz:<br />

niger.<br />

Im Althochdeutschen bedeutete „ swartz“<br />

noch „im Dunklen liegend“, später wandelte<br />

s<strong>ich</strong> die Bedeutung zu „schmutzfarbig“,<br />

schließl<strong>ich</strong> zu schwarz. In <strong>der</strong> Spätantike<br />

waren die Kutten <strong>der</strong> Mönche <strong>der</strong><br />

ersten Orden noch aus ungefärbter Wolle,<br />

al<strong>so</strong> eher grau. Um das Jahr 1000 wurden<br />

dann die Ordensfarben neu festgelegt:<br />

Schwarz. Schwarz färben war teurer als<br />

grau o<strong>der</strong> braun und dennoch o<strong>der</strong> gerade<br />

deswegen wurde Schwarz zur be<strong>lieb</strong>testen<br />

<strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Mönch<strong>so</strong>rden. Damals<br />

gab es Schönfärber und Schwarzfärber.<br />

<strong>Die</strong> Schönfärber färbten die leuchtenden,<br />

teuren <strong>Farbe</strong>n, die nur für teure Stoffe verwendet<br />

wurden – zuweilen wurde aber<br />

auch billige Stoffe durch „ Schönfärberei”<br />

aufgewertet. Seit <strong>der</strong> Entdeckung Amerikas<br />

stand den Schwarzfärbern „Blauholz”<br />

zur Verfügung, ein Färbemittel, das intensive<br />

Schwarztöne lieferte und Schwarz als<br />

Klei<strong>der</strong>farbe immer be<strong>lieb</strong>ter werden ließ.<br />

Zu jener Zeit brach auch die Farbordnung<br />

des Mittelalters zusammen. Zuvor hatte<br />

<strong>der</strong> Adel die leuchtenden <strong>Farbe</strong>n für s<strong>ich</strong><br />

reserviert und die unteren Sch<strong>ich</strong>ten mussten<br />

die dunklen, unreinen <strong>Farbe</strong>n tragen.<br />

Doch <strong>der</strong> Adel wurde ärmer und das Bürgertum<br />

durch Handel re<strong>ich</strong>er. Bald ließ es<br />

s<strong>ich</strong> die <strong>Farbe</strong>n ihrer Kleidung vom Adel<br />

n<strong>ich</strong>t mehr vorschreiben. Parallel dazu<br />

wurden in <strong>der</strong> Malerei die Symbolfarben<br />

durch Realitätsfarben ersetzt. <strong>Die</strong> Realität<br />

sah allerdings düster aus. <strong>Die</strong> Pest, <strong>der</strong><br />

„Schwarze Tod” wurde als Strafger<strong>ich</strong>t<br />

Gottes angesehen. Um die Eitelkeit, die<br />

damals Todsünde bedeutete, zu verbergen,<br />

trug man schwarz. Auch die spanische<br />

Mode des katholischen Ab<strong>so</strong>lutismus<br />

bevorzugte dunkle <strong>Farbe</strong>n, allem<br />

voran Schwarz. <strong>Die</strong> berühmtesten Relikte<br />

dieser Zeit sind die auf schwarzem Hintergrund<br />

gemalten Bil<strong>der</strong> des Katholiken Rubens<br />

und des P<strong>rot</strong>estanten Rembrandt.<br />

Zeitgle<strong>ich</strong> wurde die einheitl<strong>ich</strong> schmucklose<br />

schwarze Kleidung zur Tracht <strong>der</strong> Reformation,<br />

die damit ihre fromme Bescheidenheit<br />

zum Ausdruck bringen wollte.<br />

Der schwarze Talar wurde 1811/1817<br />

durch den preußischen König eingeführt,<br />

weil die Pfarrer und Rabbiner eine „einheitl<strong>ich</strong>e<br />

Uniform“ tragen <strong>so</strong>llten. Bis heute<br />

ist <strong>der</strong> schwarze Talar auch <strong>der</strong> Habit<br />

<strong>der</strong> Ehrenträger <strong>der</strong> Universität und die<br />

festl<strong>ich</strong>e Amtskleidung <strong>der</strong> Bürgermeister.<br />

Im Katholizismus heißt das gle<strong>ich</strong>e<br />

schwarze Kleidungsstück Soutane, in <strong>der</strong><br />

Jurisprudenz Robe. Bis heute ist das Tragen<br />

<strong>der</strong> Robe während mündl<strong>ich</strong>er Ger<strong>ich</strong>tsverhandlungen<br />

für R<strong>ich</strong>ter, Anwälte<br />

und bestimmte Ger<strong>ich</strong>tsbedienstete<br />

zwingend vorgeschrieben. Noch immer<br />

kann ein R<strong>ich</strong>ter einen Anwalt von <strong>der</strong><br />

Verhandlungsteilnahme ausschließen,<br />

wenn dieser ohne Robe erschienen ist.<br />

Schwarz wurde bis um 1900 <strong>so</strong>gar vielfach<br />

bei Hochzeiten getragen, nur <strong>der</strong><br />

Schleier <strong>der</strong> Braut war weiß. Der Grund:<br />

Kaum jemand konnte es s<strong>ich</strong> leisten, ein<br />

Kleid für einen einzigen Tag zu kaufen und<br />

ein schwarzes Kleid konnte man später<br />

ohne Probleme wie<strong>der</strong> anziehen.<br />

In Südwestchina ist <strong>so</strong>gar eine kleine<br />

Volksgruppe ansässig, die s<strong>ich</strong> durch ihre<br />

Vor<strong>lieb</strong>e für schwarze Kleidung ausze<strong>ich</strong>net.<br />

<strong>Die</strong>se rund 50 000 Menschen sind<br />

ein be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>er Zweig <strong>der</strong> bevölkerungsre<strong>ich</strong>sten<br />

nationalen Min<strong>der</strong>heit Zhuang<br />

und heißen im Volksmund Schwarzklei<strong>der</strong>-Zhuang.<br />

Sie gelten als einzigartig,<br />

weil sie ein Eremitendasein fristen und ihr<br />

Leben durch einen festen Sitten- und Verhaltenskodex<br />

in Sachen Ehe, Essen und<br />

Trinken und Kleidung bestimmt wird.<br />

Als <strong>Farbe</strong> einer faschistischen Bewegung<br />

tauchte Schwarz 1919 in Italien auf. Am<br />

23. März 1919 gründeten in Mailand rund<br />

200 radikale Nationalisten und Sozialrevolutionäre<br />

unter <strong>der</strong> Führung von Benito<br />

Mus<strong>so</strong>lini die „fasci Italiani di combattimento“.<br />

Ihr Kennze<strong>ich</strong>en war ein schwarzes<br />

Hemd. <strong>Die</strong> Schutzstaffel (SS), die<br />

1925 zum persönl<strong>ich</strong>en Schutz von Adolf<br />

Hitler gegründet worden war, übernahm<br />

diese Farbgebung von den Italienern. Als<br />

Verkörperung <strong>der</strong> national<strong>so</strong>zialistischen<br />

Herrenmenschenideologie <strong>so</strong>llte <strong>der</strong><br />

„Schwarze Orden“ die Keimzelle einer<br />

nordischen Rassendominanz werden.<br />

Faktisch sind die schwarzen Uniformen<br />

<strong>der</strong> SS allerdings zum internationalen<br />

Symbol für Sadismus und Gewalt geworden.<br />

„Black is Beautiful“ war das Motto <strong>der</strong><br />

Bürgerrechtsbewegung in den USA <strong>der</strong><br />

60er Jahre, <strong>der</strong>en herausragen<strong>der</strong> P<strong>rot</strong>agonist<br />

Martin Luther King war. Auch in<br />

Afrika, dem schwarzen Kontinent, steht<br />

Schwarz für das Volk. Es symbolisiert in<br />

den Flaggen und Wappen das Selbstbewusstsein<br />

<strong>der</strong> unabhängig gewordenen<br />

Staaten. Das Freiheitssymbol <strong>der</strong> Afrikaner<br />

ist ein schwarzer, fünfzackiger Stern.<br />

Symbolik<br />

Schwarz wird gemeinhin mit Schmutz und<br />

Dunkelheit as<strong>so</strong>ziiert, als <strong>Farbe</strong>, die alle<br />

an<strong>der</strong>en <strong>Farbe</strong>n ins Negative kehrt. In <strong>der</strong><br />

christl<strong>ich</strong>en Farbsymbolik bedeutet<br />

Schwarz irdische Trauer, Grau das jüngste<br />

Ger<strong>ich</strong>t und Weiß Auferstehung. Der Tod<br />

wird deshalb vielfach als schwarzer Sensenmann<br />

beschrieben, die menschl<strong>ich</strong>e<br />

Seele als schwarzer Hund. Schwarze Tiere<br />

wie Raben, Krähen, Eulen und schwarze<br />

Katzen galten früher als Unglücksbringer<br />

und Todesboten, das schwarze Schaf<br />

steht noch heute für Außenseitertum.<br />

Pech wurde zum Symbol des Unglücks,<br />

weil es pechrabenschwarz ist. Im Engli-<br />

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| <strong>Farbe</strong> Schwarz | | Teil 10 | Design |<br />

Cooles Schwarz: <strong>Die</strong> Kunst- und Modeszene produziert die farbenfrohen Dinge<br />

des Lebens, trägt selbst jedoch, wie hier <strong>der</strong> Modeschöpfer Giorgio Armani,<br />

mit Vor<strong>lieb</strong>e Schwarz.<br />

Mystisches Schwarz: die be<strong>so</strong>n<strong>der</strong>e Art, L<strong>ich</strong>t und Schatten einzusetzen, machen<br />

die Bil<strong>der</strong> von Rembrandt Harmensz van Rijn (1606-1669) lebendig, hier die „Danae”<br />

aus dem Jahr 1636, heute in <strong>der</strong> Eremitage Sankt Petersburg.<br />

Religiöses Schwarz: Geistl<strong>ich</strong>e vieler<br />

Religionen tragen berufl<strong>ich</strong> Schwarz wie<br />

diese koptischen Priester.<br />

schen wird Glatteis auch „black ice” genannt.<br />

Schwarz ist auch die <strong>Farbe</strong> dunkler Geheimnisse<br />

und <strong>der</strong> Verbote. Ein Schwarzbuch<br />

ist eine Sammlung von Negativbeispielen,<br />

schwarze Listen sind Verze<strong>ich</strong>nisse<br />

unerwünschter Per<strong>so</strong>nen, schwarze<br />

Kassen, Schwarzhandel und Schwarzfahren<br />

sind illegal und schwarze Messen verpönt.<br />

Früher hieß es, dass Melancholiker (von<br />

griech. Melos: schwarz) schwarzes Blut<br />

hätten. Noch heute werden negative Gefühle<br />

mit Schwarz as<strong>so</strong>ziiert. In England<br />

ist ein „black look” ein böser Blick. Wer<br />

lacht, wenn es an<strong>der</strong>en graust, wen Verbrechen,<br />

Krankheit und Tod amüsieren,<br />

<strong>der</strong> hat einen schwarzen Humor. Im Deutschen<br />

ärgert man s<strong>ich</strong> schwarz, und wenn<br />

einem kein gutes Ende schwant, dann<br />

sieht man schwarz. An einem schwarzen<br />

Tag geschieht selbst redend auch das Unheil.<br />

An den Börsen sind die schwarzen<br />

Tage hauptsächl<strong>ich</strong> an einem Freitag. So<br />

brach am 24. September 1869, einem<br />

„Schwarzen Freitag“, <strong>der</strong> amerikanische<br />

Black is beautiful: Ende <strong>der</strong> 60er Jahre<br />

<strong>so</strong>rgten die Black Panther, eine Art Möchtegern-Befreiungsarmee<br />

in den USA für<br />

Aufmerksamkeit, hier Kathleen Cleaver,<br />

die höchstrangigste und prominenteste<br />

Frau in <strong>der</strong> Black-Panther-Organisation.<br />

Ihr Afro-Look wurde weltberühmt und<br />

machte sie zu einer Ikone <strong>der</strong> 60er Jahre.<br />

Goldmarkt nach Manipulationen von Spekulanten<br />

zusammen, am 25. Oktober<br />

1929, einem weiteren „Schwarzen Freitag“<br />

begann die große Depression <strong>der</strong><br />

E<strong>so</strong>terisches Schwarz: <strong>Die</strong> Hauptvertreter<br />

des französischen Existenzialismus Simone<br />

de Beauvoir (1908 -1986) und Jean-<br />

Paul Sartre (1905-1980) machten die<br />

„gnostische Tracht” populär.<br />

1930er Jahre. In <strong>der</strong> politischen <strong>Farbe</strong>nlehre<br />

symbolisiert Schwarz den Konservatismus<br />

und den Katholizismus, aber auch<br />

den Anarchismus, prominent vertreten<br />

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| Design | Teil 10 | | <strong>Farbe</strong> Schwarz |<br />

Hilfre<strong>ich</strong>es Schwarz: Keine an<strong>der</strong>e <strong>Farbe</strong> bringt Schmuck und Edelsteine <strong>so</strong> gut<br />

zur Geltung wie Schwarz, hier Stücke aus dem Kronschatz von Bali.<br />

Schräges Schwarz: Der US-amerikanische<br />

Schock-Rocker Marylin Man<strong>so</strong>n ist<br />

für seine morbiden Verkleidungen bekannt.<br />

Neben Eminem gilt Man<strong>so</strong>n in<br />

Amerika als „moralischer Staatsfeind<br />

Nummer Eins“. Im Kampf um Aufmerksamkeit<br />

hat er es s<strong>ich</strong> zum Ziel gesetzt,<br />

die Grenzen <strong>der</strong> Zensur auszutesten.<br />

Schwarzer Panther: Das<br />

Wort „Panther“ aus dem<br />

lateinischen übersetzt, bedeutet<br />

schl<strong>ich</strong>t und einfach<br />

„Leopard“, d. h. <strong>der</strong> schwarze<br />

Panther ist keine eigene Art,<br />

<strong>so</strong>n<strong>der</strong>n ein schwarzer Leopard.<br />

Glückl<strong>ich</strong>es Schwarz: Schornsteinfeger<br />

gelten als Glücksbringer, hier die Iffezheimer<br />

Innung.<br />

Hartes Schwarz: Metal-Musiker mögen<br />

es dunkel, wie hier <strong>der</strong> Sänger <strong>der</strong> Band<br />

Black Label Society, Zakk Wylde, beim<br />

Rock am Ring.<br />

durch die „schwarzen Blöcke“ auf Demonstrationen.<br />

Beim <strong>lieb</strong>sten Kind des<br />

Deutschen, dem Auto, steht Schwarz hingegen<br />

für Status. Deshalb werden zunehmend<br />

auch Kleinwagen in Schwarz bestellt,<br />

um sie durch die dunkle <strong>Farbe</strong> aufzuwerten.<br />

Wirkung<br />

<strong>Die</strong> Tiefenpsychologie hat das Verdrängte<br />

als Bestandteil <strong>der</strong> Psyche entdeckt. In<br />

Träumen erscheint es häufig in Gestalt<br />

schwarzer Wesen o<strong>der</strong> Gegenständen.<br />

<strong>Die</strong> starke Wirkung von Schwarz beruht<br />

psychologisch auf dem Erlebnis des Dunkelwerdens,<br />

<strong>der</strong> Nacht und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

starken Einschränkung <strong>der</strong><br />

menschl<strong>ich</strong>en Sehfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft.<br />

Auch die Urerfahrung<br />

mit dem Verbrennungsvorgang, <strong>der</strong> verkohlt<br />

und zerstört, hat uns geprägt.<br />

Bereits in <strong>der</strong> antiken Temperamentenlehre<br />

wurde Schwarz mit passiven Einstellungen<br />

wie Hemmungen und Blockierungen<br />

verbunden. Im Farbtest des Gurus <strong>der</strong><br />

Farbpsychologie Max Lüscher bedeutet<br />

Schwarz Verz<strong>ich</strong>t und die W<strong>ich</strong>tigkeit<br />

hängt von <strong>der</strong> Bewertung des Einzelnen<br />

ab. Wer in diesem Test Schwarz an erster<br />

Stelle wählt, will aus t<strong>rot</strong>zigem P<strong>rot</strong>est<br />

verz<strong>ich</strong>ten, wer hingegen Schwarz an achter<br />

Stelle wählt, <strong>was</strong> statistisch gesehen<br />

am häufigsten vorkommt, will n<strong>ich</strong>t verz<strong>ich</strong>ten.<br />

<strong>Die</strong> tiefenpsychologische Autosuggestion<br />

durch <strong>Farbe</strong>n geht <strong>so</strong>gar <strong>so</strong><br />

weit, dass man gelbe Kisten für le<strong>ich</strong>ter<br />

hält als schwarze und schwarz gestr<strong>ich</strong>ene<br />

Räume für kleiner als weiß gestr<strong>ich</strong>ene.<br />

Praxis<br />

<strong>Die</strong> <strong>Farbe</strong>n Schwarz und Weiß sind das<br />

stärkste Ausdrucksmittel für Hell und<br />

Dunkel, al<strong>so</strong> <strong>der</strong> stärkste Kontrast. Der<br />

Ausdruck „Schwarz-Weiß-Malerei“ steht<br />

deshalb für extrem unterschiedl<strong>ich</strong>e Positionen.<br />

In <strong>der</strong> Druckereitechnik entsteht<br />

Schwarz (theoretisch) durch die Mischung<br />

<strong>der</strong> Druckfarben Cyan, Magenta<br />

und Gelb. Weil diese <strong>Farbe</strong>n jedoch in <strong>der</strong><br />

Praxis n<strong>ich</strong>t ab<strong>so</strong>lut rein sind, entsteht<br />

durch die Mischung ein schmutziges<br />

Braun, das die Druckfarbe Schwarz notwendig<br />

macht. Im RGB-Farbraum hat<br />

Schwarz den Wert 0, 0, 0 dezimal bzw.<br />

000000 hexadezimal, im RAL-Farbsystem<br />

trägt Schwarz die Beze<strong>ich</strong>nungen RAL<br />

9005.<br />

<strong>Die</strong> Herstellung schwarzer Pigmente ist<br />

seit <strong>der</strong> Jungsteinzeit nachgewiesen. Dabei<br />

wurden Ruß und pflanzl<strong>ich</strong>e Stoffe<br />

verwendet. Um 1450, nachdem Johannes<br />

Gutenberg den Buchdruck mit bewegl<strong>ich</strong>en<br />

Lettern erfunden hatte, wurden viskose<br />

Druckfarben entwickelt, welche die<br />

bislang benutzten Schreibtinten ersetzten.<br />

Bis in die Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

stellten die Drucker ihre <strong>Farbe</strong>n selbst her.<br />

Als Bindemittel für die schwarzen Rußpigmente<br />

diente Leinöl.<br />

In <strong>der</strong> Mode ist Schwarz als <strong>Farbe</strong> <strong>der</strong> Abgrenzung<br />

bei allen Gruppen populär, die<br />

s<strong>ich</strong> jenseits <strong>der</strong> Massen positionieren<br />

wollen. Ging es Luther zu seiner Zeit neben<br />

<strong>der</strong> Bescheidenheit auch um die individuelle<br />

Verantwortung, betont Schwarz<br />

heute vor allem die Individualität <strong>der</strong> Existenzialisten.<br />

Doch n<strong>ich</strong>t diese verhalfen<br />

<strong>der</strong> unbunten <strong>Farbe</strong> zum Durchbruch in<br />

<strong>der</strong> Modewelt des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, <strong>so</strong>n<strong>der</strong>n<br />

Coco Chanel. Sie führte erfolgre<strong>ich</strong><br />

„das kleine Schwarze“ ein, das zu je<strong>der</strong><br />

Gelegenheit getragen werden kann und<br />

immer gut angezogen wirkt. Schwarze<br />

Kleidung konzentriert die Wirkung eines<br />

Menschen auf sein Ges<strong>ich</strong>t, es macht<br />

schlank, lässt aber auch ble<strong>ich</strong> aussehen,<br />

es sei denn, man ist von Natur aus ein<br />

dunkler Typ mit kräftigem Teint und dunklen<br />

Augen. Schwarz hält an<strong>der</strong>e auf Distanz<br />

– auf Menschen, die schwarz tragen,<br />

geht man weniger bereitwillig zu. Im Alter<br />

betont Schwarz allerdings auch die Falten,<br />

da es kein L<strong>ich</strong>t reflektiert.<br />

Schwarz wird eingesetzt, um Energien anzuziehen<br />

und zu ab<strong>so</strong>rbieren, ohne selbst<br />

Energien abzugeben. In Form von Dunkelheit<br />

hilft Schwarz auch, s<strong>ich</strong> von allen Einflüssen<br />

– fremden, äußeren, eigenen, inneren<br />

– vorübergehend völlig abzuschirmen,<br />

um abzuschalten, z. B. wenn man<br />

unter extremen Erschöpfungszuständen<br />

und psycho<strong>so</strong>matischer Überreizung leidet.<br />

Zuviel Schwarz bzw. zuviel Dunkelheit<br />

zieht jedoch negative Schwingungen<br />

und Einflüsse an und führt zur Lebensverneinung.<br />

Schwarz kann dann schwermütig<br />

machen und einengen. In <strong>der</strong> Raumgestaltung<br />

ist Schwarz nur geeignet, um Akzente<br />

zu setzen. In Verbindung mit Metall<br />

o<strong>der</strong> Chrom wird z. B. eine distanziert unpersönl<strong>ich</strong>e<br />

Atmosphäre geschaffen.<br />

<strong>Die</strong> Jünger <strong>der</strong> schwarzen Kunst, <strong>der</strong><br />

Kunst des Druckens, <strong>so</strong>llten bedenken,<br />

dass es bei <strong>der</strong> Ausgabe von schwarzen<br />

Vollflächen auf Digitaldruckmaschinen zu<br />

unbefriedigenden Ergebnissen (Streifen,<br />

Wolken) kommen kann. Deshalb <strong>so</strong>llte<br />

man <strong>so</strong>lche Flächen grundsätzl<strong>ich</strong> als<br />

„Tiefschwarz“ anlegen (70 % Cyan, 70 %<br />

Magenta, 70 % Yellow, 100 % Schwarz).<br />

Auch im Offsetdruck erre<strong>ich</strong>t man keine<br />

völlige Schwärzung wie etwa beim Siebdruck.<br />

Gute Ergebnisse lassen s<strong>ich</strong> jedoch<br />

erzielen, wenn schwarze Vollflächen beim<br />

Offsetdruck mit mindestens 40 bis 60 %<br />

Cyan unterlegt werden. Wem das gelungen<br />

ist, <strong>der</strong> <strong>so</strong>llte es mit Goethe halten,<br />

<strong>der</strong> schon vor 200 Jahre gewusst hat, dass<br />

das, <strong>was</strong> man schwarz auf weiß besitzt,<br />

man getrost nach Hause tragen kann. y<br />

Kerstin und Jörg Allner<br />

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