Volltext - Institut für Slawistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Lebensformgruppen (Alter, Beruf, Geschlecht,<br />
wirtschaftliche Situation, Wohnbedingungen) und <strong>der</strong> Interessens- und<br />
Statusgruppen. Die vom Forscher eingeschätzte Repräsentativität <strong>der</strong><br />
Gesprächspartner hat jedoch Priorität gegenüber einem ausgewogenen<br />
Verhältnis. Es erscheint ohnehin utopisch, ein wirklich ausgewogenes<br />
Verhältnis möglichst vieler denkbarer Gruppen zu erlangen, zumal hierbei<br />
mit Problemen zu rechnen zu sein wird, wenn z.B. in muslimischen<br />
Gruppen auf ein ausgewogenes Verhältnis <strong>der</strong> beiden Geschlechter<br />
geachtet werden soll, sich aber überwiegend männliche Probanden für die<br />
Forschung zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt daher sollte eine<br />
Forschungsgruppe aus weiblichen und männlichen Mitarbeitern bestehen.<br />
Außerdem muss man beachten, dass nicht immer diejenigen Personen, die<br />
sich einem bei <strong>der</strong> Kontaktauffiahme anbieten, auch ideale Informanten<br />
sind, da sie oft von <strong>der</strong> Gruppe weniger akzeptierte Mitglie<strong>der</strong> darstellen<br />
und den Forscher zu beeinflussen vermögen (s. auch Girtler 2001, 89 und<br />
111). In solchen Fällen gilt es, bestimmt und diplomatisch darauf zu<br />
beharren, an<strong>der</strong>e Informationspartner vorzuziehen. Es sollten bewusst<br />
nicht überwiegend einige kenntnisreiche Traditionsträger <strong>der</strong> schwindenden<br />
Generation befragt werden und aus <strong>der</strong>en Aussagen soll eben nicht<br />
versucht werden, „eine“ traditionelle Kultur einer Gruppe zu rekonstru<br />
ieren, wenn die Forschungen auf die beobachtete Zeit und Lebensweise<br />
und nicht auf frühere Lebensweisen konzentriert sind. Auch gilt es, <strong>der</strong><br />
Bevöllcemng das Ziel zu erklären. Insbeson<strong>der</strong>e die jüngere Bevöllcerung<br />
wird sich erfahrungsgemäß immer wie<strong>der</strong> Inkompetenz zuschreiben und<br />
stets auf die „mehr wissenden Alten“ verweisen. Wenn die Anliegen klar<br />
gemacht werden, hat man es auch leichter, bei <strong>der</strong> Suche nach Probanden<br />
Hilfe zu erhalten.<br />
1<br />
Teilnahme am kulturellen und religiösen Leben<br />
Um in die untersuchte Gemeinschaft besser vorzudringen und sie<br />
gründlicher zu verstehen, sollte sich die Teilnahme am Leben <strong>der</strong><br />
Gemeinde auf alle Arten lokaler Veranstaltungen ausdehnen. Der Besuch<br />
von kulturellen Ereignissen (zB. beson<strong>der</strong>s Feste und Tanzaufführungen)<br />
ist genauso empfehlenswert wie die Beobachtung politischer Aktivitäten<br />
(Wahltag, Demonstrationen) und die Teilnahme am sozialen Gemeindeleben<br />
(Taufen, Beerdigungen, Beschneidungen etc.). Hierzu können<br />
Kirchen, Moscheen, Friedhöfe, Schulen, Bibliotheken, Gemeindezentren,<br />
Redaktionen, Frauengruppen, Kin<strong>der</strong>gärten und lokale Vereine und<br />
Parteien aufgesucht werden. Nur so können Vertreter von allen vorstell<br />
baren Bevölkerungsgruppen kennen gelernt werden. Ein Schwerpunkt<br />
kann dabei auf <strong>der</strong> Beobachtung religiöser <strong>Institut</strong>ionen liegen, weil dort<br />
die Symbole mit beson<strong>der</strong>er ethnischer und religiöser Bedeutung<br />
(MoscheenlKirchen, Friedhöfe, Denkmäler, Symbolgehalt <strong>der</strong> dörflichen<br />
Landschaft) und <strong>der</strong> symbolische Ausdruck sowie die <strong>Institut</strong>ionalisierung<br />
<strong>der</strong> religiösen und ethnischen Identität untersucht werden können (z.B.<br />
Fallrekonstruktionen nach Flick 2000; analytische Untersuchung eines<br />
Wallfahrtsortes, Inventarisierung <strong>der</strong> dortigen Bil<strong>der</strong> und Symbole). Die<br />
festgestellten religiösen Unterschiede können darauf hin geprüft werden,<br />
ob sie ein „Marker“ sein können, an dem sich Konflikte festmachen und<br />
durch die Segregation des „religös Fremden“ ein konstitutives Moment<br />
von Gesellschaften hinsichtlich <strong>der</strong> Fremdexklusion bilden.<br />
Da in <strong>der</strong> Regel während eines Feldaufenthaltes nur ein Bruchteil des<br />
Jahreszyldus untersucht werden kann und die Aufenthalte zu unter<br />
schiedlichen Jahreszeiten stattfinden, wird es übertrieben sein, eine sys<br />
tematische teilnehmende Beobachtung o<strong>der</strong> eine ausführliche<br />
Bestandsaufhahme kultureller Gegebenheiten anzustreben. Von aktiver<br />
Teilnahme am kulturellen Leben einer untersuchten Religionsgemein<br />
schaft bzw. Ethnie kann nur in den wenigsten Fällen die Rede sein, die<br />
Beobachtung <strong>der</strong> interethnischen Beziehungen bleibt daher überwiegend<br />
nichtteilnehmend-strukturierend (Girtler 2001, 62). Für den Bereich <strong>der</strong><br />
Kategorisierungen lassen sich verschiedene Methoden <strong>der</strong> kognitiven<br />
Domänenanalyse miteinan<strong>der</strong> kombinieren. Im Bereich des Wirtschaftens<br />
und <strong>der</strong> Freizeit helfen detaillierte Zeitbudgetstudien (s. Bernard 1994)<br />
weiter.<br />
Beobachtungen zur musikalischen Identität<br />
Durch die Thematisierung musikalischer Präferenzen können<br />
Einsichten in In- und Exklusionsmechanismen vertieft werden, da die<br />
Identifikation mit <strong>der</strong> eigenen Musik und die Reaktionen auf fremde<br />
Musik (Ablehnung, Begeisterung, Gleichgültigkeit) sehr aussagekräftig