Ausgabe Oktober 2010 - Extrablatt
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War die Einheit zu teuer?<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
vor einigen Tagen wurde im<br />
ganzen Land der 20. Jahrestag der<br />
deutschen Einheit gefeiert. In allen<br />
Festreden wurde dabei in erster<br />
Linie das Positive der Wiedervereinigung<br />
von Ost und West herausgestellt.<br />
Das ist an einem solchen Tag<br />
auch durchaus sinnvoll. Bei aller<br />
Freude sollte man jedoch nicht vergessen,<br />
dass nach der Wende von<br />
Seiten der Politik fundamentale<br />
Fehler gemacht wurden, für die wir<br />
alle noch viele Jahre teuer bezahlen<br />
müssen.<br />
Ist es sinnvoll, nach so langer<br />
Zeit in alten Wunden herumzustochern?<br />
Die wenigsten - am<br />
wenigsten die Verantwortlichen<br />
- wollen heute noch an ihre damaligen<br />
Fehlentscheidungen erinnert<br />
werden.<br />
Einer der gravierendsten Fehler<br />
war sicher der Umtausch der Ostmark<br />
in D-Mark (DM) im Verhältnis<br />
1:1 (bzw. 1:2). Dadurch kam<br />
es zu einem ganz entscheidenden<br />
Einschnitt für die DDR-Betriebe.<br />
Man muss sich vorstellen, dass<br />
durch die Wechselkurse, die es davor<br />
gegeben hat (immer 1:4), die<br />
DDR-Betriebe einen Kostenvorteil<br />
hatten und ihre Produkte immer<br />
noch sehr kostengünstig im Westen<br />
verkaufen konnten. Mit der<br />
DM-Einführung war dieser Vorteil<br />
der DDR-Betriebe über Nacht weg,<br />
ohne dass sie natürlich die Produktivität<br />
der Westbetriebe schon hatten.<br />
Das heißt, die Produkte verteuerten<br />
sich um das Vierfache oder<br />
das Fünffache und waren damit<br />
einfach nicht mehr zu verkaufen.<br />
Tausende DDR-Betriebe, die bei<br />
einem vernünftigen Wechselkurs<br />
von 1:4 noch eine reelle Überlebenschance<br />
gehabt hätten, wurden<br />
so in die Insolvenz getrieben und<br />
anschließend von der Treuhand<br />
teilweise an westliche Investoren<br />
verscherbelt.<br />
Durchgesetzt hat den 1:1-Umtausch<br />
der damalige Bundeskanzler<br />
Helmut Kohl, übrigens gegen<br />
den ausdrücklichen Rat vieler Finanzexperten.<br />
Unter anderem vom<br />
damaligen Bundesbankpräsident<br />
Pöhl, der nach Kohls Entscheidung<br />
von seinem Amt zurücktrat.<br />
Die gnadenlose Abwicklungspolitik<br />
der Treuhand und die viel zu<br />
schnelle Angleichung von Sozialleistungen<br />
Ost und West taten ihr Übriges,<br />
um aus dem weltgeschichtlichen<br />
Glücksfall ein finanzielles<br />
Fiasko zu machen.<br />
Die Fehlpolitik der Einheit wird<br />
am Ende mindestens zweitausend<br />
Milliarden Euro verschlungen<br />
haben - mehr als die derzeitige<br />
Staatsverschuldung. Dabei hätte<br />
es andere Wege zur deutschen<br />
Einheit gegeben, die allenfalls die<br />
Hälfte gekostet hätten. Sie hier aufzuführen,<br />
würde aber den Rahmen<br />
sprengen.<br />
Der Staat hätte also mindestens<br />
tausend Milliarden Euro sparen<br />
können. Für jeden Deutschen wären<br />
dies etwa 13.000 Euro oder für<br />
jeden Ostdeutschen 70.000 Euro<br />
gewesen, wohlgemerkt pro Kopf<br />
gerechnet, nicht etwa pro Haushalt<br />
oder pro Familie. So viel hätte jeder<br />
Einzelne zusätzlich zur Verfügung<br />
haben können, wenn die gröbsten<br />
politischen Fehler der Einheit vermieden<br />
worden wären.<br />
Oder so viel hätte ein weniger<br />
geschwächter deutscher Staat<br />
zusätzlich investieren oder umverteilen<br />
können. Er hätte hunderte<br />
Milliarden Euro zusätzlich für den<br />
Klimaschutz verwenden können,<br />
und er hätte hunderte Milliarden<br />
ausgeben können, um beispielsweise<br />
weltweit zu einer besseren<br />
Friedenspolitik beizutragen.<br />
Aber damals wie heute geht es<br />
der Politik in erster Linie um eigene<br />
Machtinteressen oder die Durchsetzung<br />
der Interessen mächtiger<br />
Wirtschaftslobbyisten.<br />
Ihr<br />
Uwe Strachau<br />
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