Wie datiert man ein Evangelium
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Vortragsreihe Die Entstehung der Evangelien<br />
I. Vortrag, Do., 14. September 20:15-21:00 Uhr<br />
<strong>Wie</strong> <strong>datiert</strong> <strong>man</strong> <strong>ein</strong> <strong>Evangelium</strong>?<br />
Allgem<strong>ein</strong>e Einführung in die Möglichkeiten und Grenzen der Datierung.<br />
von Thomas Völker, Berlin<br />
A) Das Fehlen <strong>ein</strong>es Entstehungsdatums in den Evangelien<br />
„Dieses <strong>Evangelium</strong> habe ich, Johannes, Sohn des Zebedäus aus Bethsaida in Galiläa,<br />
geschrieben und es am Ostertag des Jahres 20 nach der Kreuzigung unseres Herrn vollendet.“<br />
Dies ist natürlich nur <strong>ein</strong> von mir erfundener Text. Bekanntlich überliefert uns k<strong>ein</strong> <strong>Evangelium</strong> <strong>ein</strong><br />
solches Datum. In k<strong>ein</strong>em Text des Neuen Testaments (NT) wird das Entstehungs- oder<br />
Herausgabedatum so ausdrücklich vermerkt. Noch nicht <strong>ein</strong>mal die Paulus-Briefe sind <strong>datiert</strong><br />
überliefert, obwohl die Originale möglicherweise <strong>ein</strong>en entsprechenden Vermerk trugen.<br />
Das liegt vor allem daran, dass diese Schriften ursprünglich nicht als offizielle Geschichtsschreibung<br />
konzipert wurden, sondern für den internen Gem<strong>ein</strong>degebrauch, als Erinnerungsstütze, für Predigt,<br />
Gottesdienst und Mission. Das Fehlen der Daten hat zudem vermutlich theologische Gründe:<br />
a) Weltliche Autoritäten (Kaiser, Konsuln), die sonst zur Datierung Verwendung fanden, wurden von<br />
den Christen nicht als maßgebliche Autorität anerkannt.<br />
b) Das Entstehungsdatum der Schrift war irrelevant für die darin enthaltene zeitlose Botschaft.<br />
c) Man glaubte sich in der Endzeit der Geschichte (Eschatologie). Die Überlieferung von<br />
geschichtlichen Daten an Spätere war sinnlos, weil <strong>man</strong> überzeugt war, dass es k<strong>ein</strong>e Späteren<br />
mehr geben würde.<br />
d) Ein Datum war unwichtig, weil es durch Augenzeugen oder deren Hörer bezeugt werden konnte.<br />
„Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und dies geschrieben hat, und wir wissen,<br />
dass s<strong>ein</strong> Zeugnis wahrhaftig ist“ (Joh 21.24).<br />
Uns heutigen kann <strong>ein</strong>e solche Bürgschaft nicht mehr genügen. Man hat daher in den letzten 200<br />
Jahren viel Scharfsinn aufgewendet, um dennoch tragfähige Aussagen hinsichtlich der Datierung<br />
machen zu können.
B) Lukas als Geschichtsschreiber 1<br />
Eine Ausnahme hinsichtlich der Datierungen macht nur Lukas, der sich immer wieder auch als<br />
Geschichtsschreiber versteht:<br />
●<br />
„1.5 Es war in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa [37-4 v. Chr.], <strong>ein</strong> Priester mit<br />
Namen Zacharias...“<br />
Weltbekannt ist der Beginn der Weihnachtsgeschichte im 2. Kapitel:<br />
● „2.1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass <strong>ein</strong>e Verordnung vom Kaiser Augustus [31 v. Chr. - 14<br />
n. Chr.] ausging, den ganzen Erdkreis <strong>ein</strong>zuschreiben. 2.2 Diese Einschreibung geschah als erste,<br />
als Cyrenius Statthalter von Syrien war [ca. 6 n. Chr.].“<br />
●<br />
„3.1 Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius [ca. 29 n. Chr.], als Pontius<br />
Pilatus Statthalter von Judäa war [ca. 26-36 n. Chr.] und Herodes Vierfürst von Galiläa [6-37<br />
n. Chr.] und s<strong>ein</strong> Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis [6-31 n.<br />
Chr.], und Lysanias Vierfürst von Abilene, 3.2 unter dem Hohenpriestertum von Hannas und<br />
Kaiphas, geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.<br />
1<br />
sh. z.B. MARTIN HENGEL: Zur urchristlichen Geschichtsschreibung. Stuttgart 2 1984.
C) Einleitungswissenschaft 2<br />
Die Datierung ist Teil der sogen. biblischen „Einleitungswissenschaft“.<br />
„In der Einleitungswissenschaft werden die biblischen Bücher betreffs ihrer Struktur,<br />
ihrem literarischem Aufbau und den in ihnen enthaltenen literarischen Gattungen<br />
analysiert, sowie auf mögliche Verfasserschaft, eventuell erkennbare Adressaten und<br />
Entstehungsort und -zeit hin befragt.“ 3<br />
D) Absolute und relative Datierung<br />
Abb. 1:<br />
Relative und Absolute Datierung (Schema):<br />
Dokument A<br />
relative Datierung Dokument B 50 n. Chr.<br />
(nach A, vor C)<br />
Dokument C<br />
absolute Datierung<br />
(1951 Jahre alt)<br />
2006 n. Chr. (Heute)<br />
Zur absoluten Datierung dienen <strong>ein</strong>e Anzahl von naturwissenschaftlichen Methoden. Abgesehen von<br />
der umstrittenen Kalibrierung verbietet die Zerstörung von originalem Material den Einsatz der C 14 -<br />
Methode in der Papyrologie.<br />
2<br />
3<br />
sh. z.B. ALFRED WIKENHAUSER: Einleitung in das Neue Testament. Freiburg, Basel, <strong>Wie</strong>n 5 1963, WILLY<br />
MARXSEN: Einleitung in das Neue Testament. Gütersloh 1 1963, WERNER GEORG KÜMMEL: Einleitung in<br />
das Neue Testament, Heidelberg 21 1983, UDO SCHNELLE: Einleitung in das Neue Testament. Göttingen<br />
4 2002.<br />
Quelle: Wikipedia, Lemma „Biblische Einleitungswissenschaft, Stand 14.9.06, 19:00 Uhr.
E) Die Eingrenzung der relativen Datierung<br />
Die zeitliche Abfolge bei Niederschrift und Verbreitung <strong>ein</strong>es beliebigen Dokuments folgt<br />
<strong>ein</strong>em gesetzmäßigen Ablauf.<br />
1. In der Regel verwendet jeder Autor <strong>ein</strong>e Anzahl (schriftlicher aber auch mündlicher)<br />
Quellen.<br />
2. Diese Quellen werden gesichtet, sortiert und verarbeitet.<br />
3. Die Niederschrift selbst nimmt auch <strong>ein</strong>en gewissen Zeitraum in Anspruch<br />
4. Möglicherweise erfolgt danach noch <strong>ein</strong>e Überarbeitung des Ur<strong>man</strong>uskripts durch den<br />
Autor oder durch Redaktoren.<br />
5. Erst nach der Herausgabe kommt es zur Verbreitung der Schrift und zur<br />
Weiterverarbeitung durch andere Schriftsteller.<br />
6. Die Erhaltung der Originalschriften und der sie benutzenden Werke ist neben der<br />
Auflagenhöhe, der Wertschätzung etc. immer auch vom Zufall abhängig.<br />
Abb. 2:<br />
Früheste und spätestmögliche Datierung (Schema):<br />
1. Quellen Quelle A<br />
Quelle B<br />
2. Sammlung und Auswahl der Quellen<br />
3. Niederschrift des Dokuments Dok. 1<br />
Quelle C<br />
terminus post quem<br />
….<br />
Z<br />
E<br />
I<br />
T<br />
4. Überarbeitung und Endredaktion Red.<br />
5. Herausgabe und Weiterverbreitung Ed.<br />
Zufall<br />
6.a (datierbarer) Archäologischer Fund Fund<br />
6.b Verwertung als Quelle durch Spätere terminus ante quem Dok 2<br />
terminus ante quem<br />
Auf diese Weise lässt sich <strong>man</strong>chmal <strong>ein</strong> Stammbaum („Stemma“) herstellen, der aufzeigt, welche<br />
Schriften von<strong>ein</strong>ander abhängig sind.<br />
Die genaue Datierung <strong>ein</strong>er Schrift lässt sich hieraus folgend auf zwei Wegen <strong>ein</strong>grenzen.
a) Die innere Datierung<br />
Die innere Datierung beruht auf den inneren Argumenten <strong>ein</strong>es Textes.<br />
a) Erwähnung historischer oder zeitgenössischer Personen oder Ereignisse im Text,<br />
b) Zitierung anderer datierbarer Schriften,<br />
c) Zeitgebundener Stil,<br />
d) Das Fehlen wichtiger Ereignisse oder Personen (argumentum ex nihilo oder ex silentio)<br />
Die innere Datierung kann meist nur den frühestmöglichen Zeitpunkt der Entstehung (terminus post<br />
quem) festlegen.<br />
Beispiele<br />
So sollen die Evangelien angeblich indirekt die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. erwähnen.<br />
Wenn das stimmt, können sie erst danach entstanden s<strong>ein</strong>.<br />
1 Da es nun schon viele unternommen haben, <strong>ein</strong>en Bericht von den Ereignissen zu verfassen, die sich<br />
unter uns zugetragen haben,<br />
2 wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen<br />
sind,<br />
3 hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, vortrefflichster<br />
Theophilus, der Reihe nach zu schreiben,<br />
4 damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist. (Lukas 1.1-4)<br />
Darüberhinaus müssen für die Interpretation die Eigenart <strong>ein</strong>es Textes und die Fähigkeiten und<br />
Intentionen des Autors berücksichtigt werden.<br />
- Um was für <strong>ein</strong>e Art von Text handelt es sich? (Geschichtsschreibung? Privatbrief? Legende?<br />
Apologie?)<br />
- Ist der Autor in s<strong>ein</strong>en Angaben gewissenhaft und glaubwürdig? <strong>Wie</strong> gut beherrscht er Sprache und<br />
Thema? Was ist s<strong>ein</strong> eigentliches Anliegen?
) Die äußere Datierung<br />
Die äußere Datierung erfolgt im besten Fall durch <strong>ein</strong>en datierbaren archäologischen Fund oder durch<br />
die nachweisbare Erwähnung in <strong>ein</strong>em anderen, sicher datierbaren Text.<br />
a) Archäologische Schichtlage<br />
Problem: Die Zuweisung der Funde zu konkreten Daten erfolgt über geschriebene Geschichte<br />
b) Paläographische Einordnung<br />
Problem: Zumeist kann nur <strong>ein</strong> größerer Zeitraum von mindestens 50 J. angegeben werden.<br />
c) Zitierung in <strong>ein</strong>em späteren Text.<br />
Problem: Sofern das Werk oder Autor nicht ausdrücklich als Quelle genannt sind, lässt sich meist nur<br />
schwer entscheiden, wer bei wem abgeschrieben hat.<br />
Die äußere Datierung gibt den spätestmöglichen Zeitpunkt (terminus ante quem).<br />
Beispiele<br />
- Während z.B. CLEMENS VON ROM (Ende des 1. Jhs. i ) Paulusbriefe kennt und benutzt, findet sich bei<br />
ihm k<strong>ein</strong>e Spur des Johannesevangeliums. Erst verhältnismäßig spät (nämlich bei IRENÄUS um 180 n.<br />
Chr.) wird Johannes ausdrücklich und nachweisbar zitiert. Damit ist aber lediglich <strong>ein</strong>e Obergrenze<br />
markiert.<br />
- Der spätestens um 125 geschriebene Papyrus p53 beweist, dass das Johannesevangelium vor dieser<br />
Zeit entstanden s<strong>ein</strong> muss.
Papyrus p52 (THIEDE 4 1994, 33)<br />
5 MB<br />
Der Text des p52 gem THIEDE 4 1994, 20:<br />
„... 31 Da sprach Pilatus zu ihnen: Nehmt ihr ihn und richtet<br />
ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Es ist uns<br />
nicht erlaubt, je<strong>man</strong>den zu töten; 32 damit das Wort Jesu<br />
erfüllt würde, das er sprach, um anzudeuten, welches Todes er<br />
sterben sollte. 33 Pilatus ging nun wieder hin<strong>ein</strong> in das Praetorium und rief<br />
Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Koenig der Juden?...“ (Joh 18.31ff)<br />
„... 37 Da sprach Pilatus zu ihm: Also, du bist <strong>ein</strong> König? Jesus<br />
antwortete: Du sagst es, dass ich <strong>ein</strong> König bin. Ich bin dazu<br />
geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit<br />
Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört m<strong>ein</strong>e<br />
Stimme. 38 Pilatus spricht zu ihm: Was ist Wahrheit? Und<br />
als er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und<br />
spricht zu ihnen: Ich finde k<strong>ein</strong>erlei Schuld an ihm...“ (Joh 18.37f)
F) Die Altkirchliche Überlieferung. Das Zeugnis des Papias (um 130?)<br />
„ 1 [...] die Zuhörer des Petrus [...] wollten sich nicht damit begnügen, ihn <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>ziges Mal nur gehört<br />
zu haben. Sie wollten von der Lehre s<strong>ein</strong>er göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher<br />
wandten sie sich inständig mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des <strong>Evangelium</strong>s, den<br />
Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre<br />
hinterlassen. Und sie standen nicht eher von ihren Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So<br />
wurden sie die Veranlassung zum sogenannten Markusevangelium. 2 Nachdem Petrus durch <strong>ein</strong>e<br />
Offenbarung des Geistes von dem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute<br />
gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im<br />
sechsten Buch s<strong>ein</strong>er Hypotyposen berichtet, und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis<br />
über<strong>ein</strong>.“ (EUSEBIUS (4. Jh.) Kirchengeschichte II.15.1f.)<br />
14 Noch andere Erzählungen des zuvor erwähnten Aristion über Herrrenworte und Überlieferungen des<br />
Presbyters Johannes überliefert er in derselben Schrift. Nachdem wir die wißbegierigen Leser darauf<br />
hingewiesen haben, müssen wir jetzt s<strong>ein</strong>en zuvor zitierten Äußerungen die Überlieferung hinzufügen,<br />
die er über Markus, der das <strong>Evangelium</strong> geschrieben hat, folgendermaßen aufgezeichnet hat:<br />
15 ,Auch dies sagte der Presbyter:<br />
Markus, der Dolmetscher des Petrus, hat alles, dessen er sich erinnerte, genau aufgeschrieben,<br />
freilich nicht der (richtigen) Reihe nach - das, was vom Herrn sei es gesagt, sei es getan worden<br />
war; er hatte nämlich weder den Herrn gehört noch war er ihm nachgefolgt. Später aber, wie<br />
gesagt, (folgte er) dem Petrus, der s<strong>ein</strong>e Lehrvorträge den Bedürfnissen entsprechend gestaltete,<br />
jedoch nicht, um <strong>ein</strong>e zusammenhängende Darstellung der Herrnworte zu geben, so daß Markus<br />
nicht falsch handelte, als er <strong>ein</strong>iges so aufschrieb, wie er sich erinnerte. Denn für <strong>ein</strong>es trug er<br />
Sorge, nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder darunter etwas Unwahres zu<br />
berichten."<br />
Dies also wird von Papias über Markus berichtet.<br />
16 Über Matthäus aber hat er folgendes gesagt:<br />
"Matthäus hat die Logien also in hebräischer Sprache zusammengestellt; es übersetzte sie <strong>ein</strong> jeder<br />
aber, so gut er es vermochte." (EUSEBIUS (4. Jh.) Kirchengeschichte III 39.14-16)<br />
„Es beginnt die Darstellung gemäß Johannes. Das <strong>Evangelium</strong> des Johannes ist offenbart und gegeben<br />
worden den Kirchen von Johannes, als dieser noch am Leben war, wie Papias, genannt Hierapolitaner,<br />
<strong>ein</strong> lieber Schüler des Johannes, in den exoterischen, das heißt in den äußersten fünf Büchern,<br />
berichtet hat. [...] Er (Papias) hat sogar das <strong>Evangelium</strong> nach dem Diktat des Johannes korrekt<br />
aufgeschrieben. Aber der Ketzer Marcion [ca. 85-160, , Gründung der eigenen Kirche 144 n. Chr.!], da<br />
er von ihm verworfen worden war, weil er Gegensätzliches dachte, ist durch Johannes<br />
zunichtegemacht worden. Er hat nämlich Schriften oder Briefe zu ihm überbracht von Brüdern, die in<br />
Pontus lebten.“ (Alter (antimarcionitischer) Johannes-Prolog (9.Jh.) 4<br />
4 Cod. Vatic. Alex. (reg. lat.) 14 s. IX ed. J. M. TOMASIUS Card. Opp. I, 344, Romae 1747; PITRA, Analecta sacra II, 160.]
G) Die Synoptischen Evangelien<br />
a) Die Zweiquellentheorie<br />
Abb. 3:<br />
Zweiquellentheorie (Stemma):<br />
Leben Jesu (bis um 30/33)<br />
ca. 40 Jahre schriftlose (mündliche) Tradition<br />
Markus (um 68?) Spruchsammlung „Q“ (um 60/65?)<br />
Sondergut Mt<br />
Sondergut Lk<br />
Matthäus (um 80?)<br />
? Lukas (um 85?)<br />
Johannes (um 95?)<br />
?
Abb. 4: Wissenschaftliche Datierung der Evangelien (Auswahl) 5<br />
HARNACK CLEMEN KÜMMEL ZIEGLER MACK ROBINSON<br />
1897 1919<br />
2 1975 1993 2000 1976<br />
a b c d e f<br />
Markus 65-70 67/68 ~ 70 ~ 70 ~ 80 45-60<br />
Matthäus 70-75 72 80-100 ~ 80 ~ 90 40-60+<br />
Lukas 79-93 94/95 70-90 ~ 80-90 ~ 115 -57-60+<br />
Johannes 80-110 100-110 90-100 v.100 ~ 95 -40-65+<br />
H) <strong>Wie</strong> stringent ist die Beweisführung?<br />
5 HARNACK gem. ROBINSON 15, CLEMEN 4, KÜMMEL gem. ROBINSON 17. (Der „kl<strong>ein</strong>e Pauly“ folgt bei Mk und Mt KÜMMEL (Kl.P. III 1014<br />
u. 1085); zu Lukas und Johannes k<strong>ein</strong>e Angaben); ZIEGLER 40-43. Er beruft sich auf BOVON (1989), CONZELMANN ( 9 1988), GNILKA (1988),<br />
PESCH (1984) und E. SCHWEIZER (1982) (ZIEGLER 233 u. 234 Anm. 23); MACK 2000, 419.
Abb. 5:<br />
Wissenschaftliche Datierung des Johannesevangeliums (Auszug)<br />
F. C. BAUR um 1850 um 160/170<br />
P.W. SCHMIEDEL 1908 132-140<br />
R. BULTMANN 1971 nicht nach 120<br />
H. LATIMER JACKSON 1918 ca. 100[90?]-125<br />
CLEMEN 1919 100-110<br />
R.E. BROWN 1966-70<br />
40-60 Sammlung<br />
ca 50-75 Entfaltung<br />
75-85 1. Ausgabe<br />
späte 80er/frühe 90er Revision<br />
ca. 100 Endredaktion<br />
H. VON SODEN 1899-1903, ZIEGLER 1993 vor 100<br />
B.F. WESTCOTT 1883<br />
Ende 90er<br />
EDWARD J. TINSLEY 95<br />
BURTON L. MACK 2000 ca. 95<br />
CRAIG S. KEENER<br />
Mitte 90er<br />
F.J.A. HORT, J.B. LIGHTFOOT,<br />
ALFRED WIKENHAUSER 5 1963 90er Jahre<br />
WERNER GEORG KÜMMEL 2 1975<br />
90-100, vor 80-90 möglich<br />
C.H.DODD 1963, T. W. MANSON (um 1950-60) 90-100<br />
JAMES M. EFIRD, JOSEPH B. TYSON 90-95<br />
G. A. WELLS nach 90<br />
FRANKLIN W. YOUNG, DAVID A. FIENSY,<br />
JOSEPH A. FITZMYER, HOWARD<br />
CLARK KEE, BRUCE METZGER 90<br />
BEAUFORD H. BRYANT, MARK S. KRAUSE 85-95<br />
STEPHEN S. SMALLEY 85<br />
ADOLF V. HARNACK 1897 80-110<br />
C.K. BARETT ca. 90 (nicht vor 80)<br />
NORMAN PERRIN 1974 80-100<br />
WILLIAM HENDRIKSEN 80-98<br />
Believer's Study Bible, 80-95<br />
GEORGE R. BEASLEY-MURRAY 80<br />
THEODOR ZAHN wahrsch 80-90, frühestens 75<br />
RICHARD C.H. LENSKI zw. 75 u. 100, wahrsch. 80 od. 85<br />
W.F. ALBRIGHT späte 70er oder frühe 80er Jahre, nicht n. 90<br />
RAYMOND BROWN 75-85, in d. 2. Aufl. 85-95<br />
LEON MORRIS<br />
vor den 70ern<br />
CARSTEN PETER THIEDE 1996 früher als 70<br />
B.P.W. STATHER HUNT vor 70<br />
KLAUS BERGER 1994, 1997, 1999 <strong>ein</strong>e Zeit vor 70/ 67-70 / 68-69<br />
J.A.T. ROBINSON 1975 65<br />
RUDOLF MÖCKEL 1999 62<br />
Die wie <strong>ein</strong>e feststehende Wahrheit vorgetragenen wissenschaftlichen Datierungen weisen <strong>ein</strong>e<br />
erhebliche Schwankungsbreite auf (sh. Abb. 5, exemplarisch am Johannesevangelium dargestellt).<br />
Dies all<strong>ein</strong> schon sollte zur Zurückhaltung mahnen.
Weiterführende Literatur:<br />
KLAUS BERGER (Übers. u. Hg.): Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Frankfurt<br />
a.M./Leipzig, 1 1999/2005<br />
BURTON L. MACK: Wer schrieb das Neue Testament? Die Erfindung des christlichen Mythos.<br />
München 2000.<br />
JOHN. A. T. ROBINSON: Wann entstand das Neue Testament? Paderborn/Wuppertal 1986.<br />
JOHN. A. T. ROBINSON: Das <strong>Evangelium</strong> der Ursprünge Paderborn/Wuppertal 1999.<br />
CARSTEN PETER THIEDE: Die älteste Evangelien-Handschrift? Ein Qumran-Fragment wird<br />
entschlüsselt. OA 1986. Wuppertal 4 1994<br />
CARSTEN PETER THIEDE / MATTHEW D’ANCONA: Der Jesus-Papyrus. Die Entdeckung <strong>ein</strong>er<br />
Evangelien-Handschrift aus der Zeit der Augenzeugen. München 1 1996.<br />
Nächste Termine:<br />
(jeweils 2. Donnerstag im Monat, 20:15-21:00 Uhr)<br />
Do., 12. Oktober<br />
Do., 9. November<br />
Do., 14. Dezember<br />
Do., 11. Januar<br />
II. Die Brisanz der Datierung<br />
Der Kampf der Weltanschauungen im Streit um die Datierung<br />
III. Vom Nutzen und Nachteil der Spätdatierung.<br />
Warum die Theologie k<strong>ein</strong>e Augenzeugen gebrauchen kann.<br />
IV. Ist <strong>ein</strong>e Frühdatierung möglich?<br />
Die gewagten Thesen des J.A.T. Robinson.<br />
V. Eine Evangelienparodie aus dem Jahre 62 n. Chr.<br />
Eine grundlegende Einführung in das Werk des Petronius.<br />
© copyright 2006 by Thomas Völker, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Jegliche (auch auszugsweise) Verwendung oder Verwertung der<br />
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Datenbanken jeder Art.<br />
i<br />
ROBINSON (1986) 364 <strong>datiert</strong> 1Clem bereits auf „Anfang 70“.