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Allgemeine Grundlagen zu den Versuchen Molrefraktion ...

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TU Clausthal Stand: 04.04.2005<br />

Institut für Physikalische Chemie<br />

Fortgeschrittenen-Praktikum 9. & 10. Dipolmoment & <strong>Molrefraktion</strong> Seite 1/15<br />

<strong>Molrefraktion</strong>, Dipolmoment<br />

<strong>Allgemeine</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Versuchen</strong><br />

In <strong>den</strong> nachfolgen<strong>den</strong> <strong>Versuchen</strong> geht es um die Wechselwirkung elektrischer Felder mit so<br />

genannten Dielektrika oder Isolatorstoffen.<br />

Wird ein dielektrisches Material in ein statisches elektrisches Feld gebracht, so durchziehen<br />

Feldlinien das Material, während ein elektrischer Leiter im Inneren feldfrei bleibt. Auf <strong>den</strong><br />

Oberflächen des Leiters sammeln sich aufgrund der freien Beweglichkeit von Elektronen so<br />

viele Ladungen an, dass sie in seinem Inneren ein Gegenfeld erzeugen, welches das äußere<br />

Feld kompensiert. In dielektrischen Stoffen dagegen sind positive und negative Ladungen<br />

elastisch verbun<strong>den</strong>. Sie wer<strong>den</strong> im allgemeinen proportional der Feldstärke gegeneinander<br />

verschoben, was <strong>zu</strong> einer Schwächung des Feldes im Dielektrikum führt.<br />

Wer<strong>den</strong> zwei große, entgegengesetzte Ladungen vom Betrag q um r gegeneinander<br />

r r<br />

verschoben, so entsteht ein Dipolmoment m= q⋅<br />

. Die vektorielle Summe aller Dipolmomente<br />

pro Volumeneinheit ist die so genannte Polarisation p =Σm / V.<br />

r r<br />

V<br />

i<br />

i<br />

Die makroskopische Beschreibung des Verhaltens eines Dielektrikums im elektrischen Feld<br />

erfolgt durch das Verhältnis der Feldstärke E r<br />

in (V/cm) im Dielektrikum <strong>zu</strong>m Verschiebungsfeld<br />

D r in (C/cm -2 ). Es gilt bei der Verwendung des SI-Einheiten-Systems:<br />

r r<br />

D= εε ⋅E<br />

o<br />

(1)<br />

Hierin ist ε o die Dielektrizitätskonstante im Vakuum mit ε o = 8,854 10 -14 C⋅V -1 ⋅cm 1 und ε die<br />

dimensionslose Dielektrizitätskonstante des Dielektrikums. Im Vakuum ist ε = 1. Die<br />

Richtung des Vektors D r ist i<strong>den</strong>tisch mit der von E r . Sein Betrag ist gleich der Flächenladungsdichte<br />

q/O, die auf <strong>den</strong> <strong>zu</strong>m Feld senkrechten Oberflächen eines ins Dielektrikum<br />

gebrachten Leiters influenziert würde, d.h. es ist auch die Flächenladungsdichte auf <strong>den</strong><br />

Kon<strong>den</strong>satorplatten. Der Zusammenhang zwischen D r und E r ist auch wie folgt gegeben:


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r r r<br />

D= ε E+<br />

P<br />

o<br />

v<br />

(2)<br />

Aus (1) und (2) folgt:<br />

r r r r<br />

P = ε − ε E P = α E α = ε − ε<br />

( 1) bzw. mit ( 1)<br />

V o v v v o<br />

(3)<br />

Der Proportionalitätsfaktor zwischen P r v<br />

und E r ist die makroskopische Polarisierbarkeit a v<br />

.<br />

Der Index v weist darauf hin, dass hier P r v<br />

eine auf die Volumeneinheit bezogene Größe ist.<br />

Es soll nun der Zusammenhang zwischen <strong>den</strong> makroskopischen Größen und der<br />

mikroskopischen Polarisierbarkeit α von Molekülen betrachtet wer<strong>den</strong>. Hier<strong>zu</strong> muss die Zahl<br />

N der Teilchen pro Volumeneinheit bekannt sein. Außerdem muss man das auf das einzelne<br />

Teilchen bzw. Ladungspaar wirkende Feld E r w<br />

kennen. Diese wirksame Feldstärke E r<br />

w<br />

kann<br />

gegenüber der makroskopischen, mittleren Feldstärke E r verändert sein, da in kon<strong>den</strong>sierten<br />

Phasen die einzelnen Teilchen von ebenfalls polarisierten anderen Teilchen umgeben sind.<br />

Die Abweichung wird durch ein <strong>zu</strong>sätzliches inneres Feld<br />

Polarisation selbst herrührt und dieser proportional gesetzt wer<strong>den</strong> kann:<br />

E r i<br />

beschrieben, das von der<br />

r r r r r<br />

E = E+ E = E+γ<br />

P<br />

w<br />

i<br />

In Gasen ist<br />

r r<br />

E = E .<br />

w<br />

Es folgt für die Polarisation in der molekularen Beschreibung:<br />

r N<br />

r r r r r N α r<br />

P= Σ mi<br />

= Nα Ew= Nα( E+ γ P)<br />

bzw P= E<br />

1 − N αγ<br />

i=<br />

1<br />

Hierin ist α der aus allen vorliegen<strong>den</strong> Orientierungen der Moleküle resultierende Mittelwert<br />

der Polarisierbarkeit. Ein Vergleich mit der makroskopischen Beschreibungsweise (3) zeigt,<br />

dass gilt:


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α<br />

V<br />

ε<br />

N α<br />

=<br />

1 − N αγ<br />

= 1+<br />

N α<br />

( 1−<br />

N αγ) ε 0<br />

(4)<br />

und<br />

N αγ = 1−<br />

N α<br />

( ε −1) ε 0<br />

(5)<br />

Die Teilchenzahl N lässt sich durch molare Größen ausdrücken:<br />

N<br />

N L<br />

⋅ ρ<br />

= (6)<br />

M<br />

Hierin ist N L die Loschmidt’sche Zahl, M die Molmasse und ρ die Dichte.<br />

Die Bestimmung des Faktors γ, der das lokal wirksame Feld beschreibt, bereitet einige<br />

Schwierigkeiten. Für Festkörper mit gewissen Symmetrien (einfach kubische Gitter) sowie<br />

für einfache Flüssigkeiten (kugelförmige, dipolfreie Moleküle) lässt sich ein Wert von<br />

γ<br />

= 1<br />

3ε<br />

(7)<br />

0<br />

berechnen. Setzt man (6) und (7) in (5) ein, so erhält man die Clausius-Mosotti-Gleichung<br />

ε −1<br />

M N ⋅α<br />

⋅ = L<br />

ε + 2 ρ 3ε<br />

0<br />

(8)<br />

deren Gültigkeit durch die genannten Bedingungen begrenzt ist.


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Für Gase ist γ gleich Null und es folgt mit (4)<br />

ε −1<br />

M N L<br />

α<br />

= (9)<br />

3 ρ 3ε<br />

0<br />

Der Ausdruck (8) bzw. (9) wird Molpolarisation P genannt. Es soll nun die Polarisierbarkeit<br />

näher betrachtet wer<strong>den</strong> hinsichtlich ihrer Ursachen. Man unterscheidet drei Arten der<br />

Polarisierbarkeit: Elektronen-, Atom- und Orientierungspolarisierbarkeit. Die<br />

Elektronenpolarisierbarkeit kommt dadurch <strong>zu</strong>stande, dass im elektrischen Feld die<br />

Elektronenhülle eines je<strong>den</strong> Atoms gegen <strong>den</strong> Kern verschoben wird. Atompolarisierbarkeit<br />

liegt dann vor, wenn in Molekülen Atome unterschiedliche Ladungen tragen, wodurch die<br />

Atome als ganze gegeneinander verschoben wer<strong>den</strong>. Am ausgeprägtesten ist dieser Effekt bei<br />

Ionenkristallen. Elektronen- und Atompolarisierbarkeit wer<strong>den</strong> <strong>zu</strong>sammen als<br />

Verschiebungspolarisierbarkeit bezeichnet. Orientierungspolarisierbarkeit liegt vor, wenn<br />

Moleküle als ganzes permanente Dipole darstellen, die durch das elektrische Feld ausgerichtet<br />

wer<strong>den</strong>. Die Polarisierbarkeit α in Gl. (8) kann also aufgespalten wer<strong>den</strong>:<br />

α = αel + αat + αor<br />

(10)<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong>r Verschiebungspolarisierbarkeit ist die Orientierungspolarisierbarkeit<br />

temperaturabhängig, da die Wärmebewegung der Ausrichtung der Dipole im Feld entgegenwirkt.<br />

Die Achse des permanten Dipols µ r bilde mit dem wirken<strong>den</strong> Feld<br />

Dann hat der Dipol die potentielle Energie<br />

E r w<br />

<strong>den</strong> Winkel β.<br />

E<br />

pot<br />

r<br />

=−µ<br />

⋅<br />

r<br />

E<br />

w<br />

cos β ,<br />

wenn man <strong>den</strong> Nullpunkt der potentiellen Energie beim Winkel β = 90° festsetzt. Nach<br />

Boltzmann ist nun die Wahrscheinlichkeit W, dass im thermischen Gleichgewicht ein Dipol<br />

<strong>den</strong> Winkel β <strong>zu</strong>r Feldrichtung einnimmt, gegeben durch


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⎛ E<br />

pot ⎞ ⎛ µ⋅Ew<br />

cosβ ⎞<br />

W∞exp⎜− = exp⎜ ⎟<br />

kT<br />

⎟<br />

⎝ ⎠ ⎝ kT ⎠<br />

Im zeitlichen bzw. räumlichen Mittel resultiert ein in der Feldrichtung liegendes Moment µ r ,<br />

für das die weitere Rechnung näherungsweise<br />

2<br />

r µ<br />

r r<br />

µ= ⋅<br />

3 kT<br />

E w<br />

ergibt. Da die Polarisierbarkeit der Proportionalitätsfaktor zwischen Dipolmoment und<br />

wirksamer Feldstärke ist, folgt<br />

r 2<br />

µ<br />

α<br />

or<br />

=<br />

3 kT<br />

.<br />

Für Gl. (8) ergibt sich also in ausführlicher Schreibweise<br />

2<br />

ε 1 M N ⎛<br />

r<br />

−<br />

µ ⎞<br />

L<br />

P = ⋅ = αel<br />

+ αat<br />

+ ε + 2 ρ 3ε<br />

⎜<br />

o<br />

3 kT⎟<br />

⎝<br />

⎠<br />

(11)<br />

Aus Gl. (11) folgt, dass die Dimension der Molpolarisation [p] Volumen ⋅ Mol -1 und die des<br />

Dipols [µ] Ladung ⋅ Länge ist.<br />

Für Gase ergibt sich entsprechend Gl. (9) ein analoger Ausdruck.<br />

Durch Messung der Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation P und geeignete Auftragung<br />

und Extrapolation lässt sich der Orientierungsanteil der Polarisierbarkeit und die Größe des<br />

permanenten Dipols µ r bestimmen.<br />

Ein gewisser Fehler ergibt sich dadurch, dass bedingt durch die Ausrichtung der Dipole im<br />

Feld auch die Verschiebungspolarisation schwach anisotrop wird, d. h. gewöhnlich in


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Feldrichtung etwas größer ist als senkrecht da<strong>zu</strong> (Kerr-Effekt). Dieser kleine Fehler kann<br />

gewöhnlich, d.h. bei relativ kleinen Feldstärken, vernachlässigt wer<strong>den</strong>.<br />

Für Substanzen mit permanenten Dipolen im kon<strong>den</strong>sierten Zustand lässt sich Gl. (8) bzw.<br />

(11) nicht ohne weiteres anwen<strong>den</strong>. Die Auswertung mit Hilfe der Clausius-Mosotti-<br />

Gleichung ist aber möglich, wenn man eine Mischungsreihe der Dipolsubstanz mit einem<br />

unpolaren Lösungsmittel, für das diese Gleichung gilt, untersucht. Man erhält die ungestörte<br />

Molpolarisation der Dipolsubstanz durch Extrapolation der Werte nach unendlicher<br />

Verdünnung, wobei sich die Gesamtpolarisation additiv aus <strong>den</strong> Molpolarisationen der<br />

einzelnen Substanzen <strong>zu</strong>sammensetzt.<br />

Nachdem bisher nur der Fall des statischen elektrischen Feldes betrachtet wurde, soll nun der<br />

Einfluss von elektrischen Wechselfeldern behandelt wer<strong>den</strong>, der auch bei <strong>den</strong> meisten der<br />

üblichen Messverfahren untersucht wird. Wenn sich ein elektrisches Feld zeitlich genügend<br />

schnell ändert, so folgt die Polarisation wegen einer gewissen Trägheit nicht unmittelbar nach,<br />

sondern verzögert. Man kann wiederum mit der elektrischen Feldstärke E r<br />

und der<br />

dielektrischen Verschiebung D r die Verhältnisse im Inneren des Dielektrikums beschreiben.<br />

Die Definition von D r<br />

ist sinngemäß die gleiche wie im Fall des statischen Feldes, die<br />

Beziehung (2) gilt nach wie vor. Die Gl. (1) ist allerdings nicht mehr gültig und muss durch<br />

eine allgemeinere Beziehung ersetzt wer<strong>den</strong>.<br />

Die periodischen Felder, die angewendet wer<strong>den</strong>, sind gewöhnlich von der Form<br />

E = E cos ω t<br />

(12)<br />

0<br />

wobei E o zeitunabhängig ist und ω / 2π die Frequenz in Perio<strong>den</strong> pro Sekunde ist. t ist die<br />

Zeit in Sekun<strong>den</strong>. Wenn ein solches Feld genügend lange besteht, so muss auch D periodisch<br />

mit der Zeit sein, allerdings im allgemeinen nicht notwendig in Phase mit E, sondern um δ<br />

phasenverschoben:<br />

0<br />

( )<br />

D = D cos ωt− δ = D ' cos ωt+ D ''sin ωt<br />

(13)


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mit<br />

D' = D cos δ; D'' = D sin δ<br />

0 0<br />

Das Verhältnis D 0 / E 0 hängt im allgemeinen Fall von der Frequenz ab. Deshalb können zwei<br />

verschie<strong>den</strong>e Dielektrizitätskonstanten ε' und ε'', die beide frequenzabhängig sind, eingeführt<br />

wer<strong>den</strong> durch<br />

D' = εε ' ; D'' = ε'' εE<br />

.<br />

(14)<br />

0<br />

o<br />

o<br />

ε ''<br />

Daraus folgt tan δ = . Es kann gezeigt wer<strong>den</strong>, dass ε'' proportional dem Energieverlust,<br />

ε '<br />

d. h. der im Dielektrikum dissipierten Arbeit ist. Oft wird auch tan δ (Verlustwinkel δ) als<br />

Maß für diesen Verlust angegeben.<br />

Die obigen Gleichungen können durch die Einführung einer komplexen Dielektrizitätskonstanten<br />

x<br />

ε = ε ' + i ⋅ ε ''<br />

(15)<br />

und <strong>den</strong> Ersatz der Gl. (12) durch<br />

E<br />

i t<br />

= E0<br />

e − ω<br />

(16)<br />

geschrieben wer<strong>den</strong>, wobei nur der reelle Teil der Gl. (16) betrachtet wird, der mit Gl. (12)<br />

x<br />

i<strong>den</strong>tisch ist. Dann ist der reelle Teil der Gleichung D = ε ⋅ ε0E<br />

i<strong>den</strong>tisch mit <strong>den</strong> Gln. (13)<br />

und (14). Für Dielektrika gelten im Grenzall ω→0 (statistisches Feld) die Relationen ε'→ε<br />

und ε''→0. In weiten Frequenzgebieten ist ε' nahe<strong>zu</strong> konstant und ε'' = 0. Dazwischen liegen<br />

die so genannten Dispersionsgebiete, in <strong>den</strong>en ε' mit steigender Frequenz insgesamt abfällt,<br />

und ε'' ein Maximum durchläuft. Die Dispersionsgebiete liegen in <strong>den</strong> Frequenzbereichen, in<br />

<strong>den</strong>en gewisse charakteristische Frequenzen des betrachteten Systems selbst liegen. Bei


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Frequenzen des äußeren Feldes genügend unterhalb der charakteristischen Frequenz des<br />

Systems erfolgt Polarisation wie im statischen Feld bezüglich des jeweiligen Mechanismus<br />

(Elektronen-, Atom- bzw. Dipolpolarisation), die elektrische Verschiebung ist in Phase mit<br />

der Feldstärke. Bei Frequenzen des äußeren Feldes oberhalb der charakteristischen Frequenz<br />

erfolgt keine Anregung des betreffen<strong>den</strong> Mechanismus mehr. So fallen mit steigender<br />

Frequenz nacheinander die Dipolorientierung, die Atom- und die Elektronenpolarisation aus<br />

(Abb. 1).<br />

ε'<br />

α or<br />

α at<br />

ε''<br />

α el<br />

MW IR SL UV log ω<br />

Abb. 1: Die Abhängigkeit der Polarisierbarkeit und der Dielektrizitätskonstanten von der Frequenz in<br />

schematischer Darstellung.<br />

MW = Mikrowellen ω ≈ 10 11 sec -1<br />

IR = Infrarot ω ≈ 10 14 sec -1<br />

Vis = Sichtbares Licht ω ≈ 10 15 sec -1<br />

UV = Ultraviolett ω ≈ 10 16 sec -1<br />

Bei der Dispersion unterscheidet man zwei Fälle. Beim so genannten Debye-Fall, der die<br />

Dipolorientierung betrifft, wird die Bewegung der Dipole modellmäßig entweder als<br />

Drehbewegung in einem viskosen Medium oder aber als das Hin- und Herspringen der Dipole<br />

zwischen verschie<strong>den</strong>en Orientierungen betrachtet. Die charakteristische Frequenz ist<br />

umgekehrt proportional der so genannten Relaxationszeit τ. Dies ist die Zeit, nach der nach<br />

einem plötzlichen Abschalten eines statischen Feldes die mittlere Dipolorientierung auf <strong>den</strong> e-<br />

tenTeil des Ausgangswertes abgesunken ist. Beim so genannten Resonanzfall, der die Atomund<br />

Elektronenpolarisation beschreibt, ist die charakteristische Frequenz die Frequenz der<br />

Schwingung der Atome im Molekül oder Ionengitter gegeneinander bzw. die Frequenz der<br />

Bewegung der Elektronen um <strong>den</strong> Kern. Beim Resonanzfall treten die typischen positiven


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und negativen Resonanzspitzen auf (Abb. 1). Man kann also durch die Messungen von ε' bei<br />

verschie<strong>den</strong>en Frequenzen außerhalb der Dispersionsgebiete die Anteile der<br />

Gesamtpolarisierbarkeit, die von <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Mechanismen herrühren, erhalten,<br />

(Abb.1).<br />

Nur die Elektronenpolarisation wird im elektrischen Feld des sichtbaren Lichtes angeregt.<br />

Nach der Maxwell’schen Beziehung für Isolatorstoffe gilt<br />

n = ε ⋅ µ<br />

wobei n der Brechungsindex des Lichtes des betreffen<strong>den</strong> Stoffes und µ seine magnetische<br />

Permeabilität ist. Da für die meisten dielektrischen Stoffe µ≈ 1 ist, gilt in guter Näherung<br />

ε= n 2 ,<br />

(17)<br />

wobei n und ε bei der gleichen Frequenz gemessen wer<strong>den</strong> müssen. Setzt man die Beziehung<br />

(17) in Gl. (11) ein, so erhält man die Lorenz-Lorentz-Gleichung<br />

2<br />

n −1<br />

M NL⋅αel<br />

2 ⋅ = =<br />

n + 2 ρ 3⋅ε<br />

o<br />

R<br />

M<br />

(18)<br />

R M wird <strong>Molrefraktion</strong> genannt. Da die Polarisierbarkeit einzelner Atome, wenn sie in<br />

gleichen Bindungsverhältnissen vorliegen, auch in verschie<strong>den</strong>artigen Molekülen etwa gleich<br />

ist, kann man aus <strong>den</strong> so genannten Atomrefraktionen, soweit sie bekannt sind, und der<br />

<strong>Molrefraktion</strong> auf die chemische Struktur einer Verbindung schließen (s. Tab. 1).<br />

Durch die Messung der Temperatur- oder Frequenzabhängigkeit von ε', z. B. an Hochpolymeren<br />

(Kunststoffen) oder Flüssigkristallen, kann man Aufschluss erhalten über die<br />

lokale Beweglichkeit einzelner Atomgruppen des Polymeren bzw. über individuelle und


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kollektive Bewegungsmöglichkeiten von Molekülen, soweit diese ein permanentes Dipolmoment<br />

haben. Wenn diese Atomgruppen jeweils die gleiche Umgebung haben, wie es in<br />

kristallinem Material der Fall ist, so wer<strong>den</strong> sie alle bei einer bestimmten Temperatur<br />

beweglich. Man erhält dann einen stufenförmigen Anstieg von ε' mit steigender Temperatur.<br />

Wenn die Umgebung der einzelnen Atomgruppen verschie<strong>den</strong> ist, wie es bei glasigen<br />

Polymeren der Fall ist, so erhält man statt des stufenförmigen einen mehr kontinuierlichen<br />

Anstieg von ε ’ in dem betreffen<strong>den</strong> Temperaturgebiet. Andererseits erhält man bei einer<br />

geeignet gewählten konstanten Temperatur bei Erhöhung der Frequenz im Mikrowellenbereich<br />

einen Abfall von ε', der ebenfalls mehr oder weniger stufenförmig erfolgt. Die<br />

Frequenz bei einer solchen Stufe entspricht dann der Relaxationszeit der Bewegung der<br />

entsprechen<strong>den</strong> Atomgruppe in der vorliegen<strong>den</strong> Umgebung.<br />

Die Messmetho<strong>den</strong> für die Dielektrizitätskonstante im Mikrowellenbereich beruhen darauf,<br />

dass die Leerkapazität eines Kon<strong>den</strong>sators beim Einbringen eines Dielektrikums um das<br />

ε-fache (bzw. das ε'-fache) vergrößert wird. Man benötigt daher einen Messkon<strong>den</strong>sator<br />

geeigneter Konstruktion <strong>zu</strong>r Aufnahme des Dielektrikums. Dieser Kon<strong>den</strong>sator wird als<br />

Glied in einer Messbrücke oder einen Schwingkreis geschaltet. Die einfachste Schwingkreisschaltung<br />

ist die Resonanzschaltung. Sie beruht darauf, dass die Resonanzfrequenz ν eines<br />

aus einer Spule von der Induktivität L und der Kapazität C gebildeten Schwingkreises nach<br />

der Thomsonschen Schwingungsformel durch<br />

1<br />

v = (19)<br />

2π<br />

LC<br />

gegeben ist. Die Frequenz ν wird durch Variation von C einer festen Be<strong>zu</strong>gsfrequenz<br />

angeglichen, wobei sich C <strong>zu</strong>sammensetzt aus einem variablen Drehkon<strong>den</strong>sator und der<br />

leeren bzw. gefüllten Messzelle in Parallelschaltung.


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Literatur:<br />

Lehrbücher der Physikalischen Chemie<br />

Theorie:<br />

H. Fröhlich: “Theory of Dielectrics”, Oxford, 1949<br />

Messtechnik:<br />

W. Foerst (Herausgeber): „Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie“, 3. Auflage, Bd.<br />

2/1, S. 455-494


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Aufgaben:<br />

(A) <strong>Molrefraktion</strong><br />

1. Man bestimme die <strong>Molrefraktion</strong> von 2-Propanol bei zwei verschie<strong>den</strong>en Temperaturen<br />

(20 °C und 35 °C)<br />

2. Man bestimme die <strong>Molrefraktion</strong> einer binären Mischungsreihe von 1-Propanol und<br />

1,3-Dibrompropan durch Messung an <strong>den</strong> reinen Komponenten und an drei Mischungen<br />

(graphische Darstellung) bei 20 °C.<br />

3. Man bestimme mit Hilfe der <strong>Molrefraktion</strong> und der gegebenen Atomrefraktionen<br />

(Tabelle) die Konstitution einiger Flüssigkeiten, deren Bruttoformel bekannt ist.<br />

Ausführung:<br />

Der Brechungsindex wird mit dem temperierbaren Refraktometer bestimmt. Die Dichten<br />

wer<strong>den</strong> mit dem Pyknometer bestimmt. Zur Volumenbestimmung wird das mit Wasser<br />

gefüllte Pyknometer gewogen, <strong>zu</strong>r Massenbestimmung das mit der Substanz bzw. Mischung<br />

gefüllte. Ferner muss natürlich das leere Pyknometer gewogen wer<strong>den</strong>. Es sind sehr genaue<br />

Wägungen erforderlich.<br />

Die thermische Ausdehnung des Pyknometers soll vernachlässigt wer<strong>den</strong>. Daher ist <strong>zu</strong>r<br />

Volumenbestimmung nur eine Wägung mit Wasser erforderlich. Die Dichte ρ von Wasser<br />

wird im Temperaturbereich von 0 °C bis 100 °C recht genau beschrieben durch folgende<br />

Gleichung:<br />

2 3<br />

( ) = + + +<br />

ρH2Oϑ a0 a1ϑ a2ϑ a3ϑ<br />

mit


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a 0 = 1,0006 g / cm 3<br />

a 1 = 1,38460 ⋅10 5 g / cm 3 ⋅ °C -1<br />

a 2 = -5,82236 ⋅10 -6 g / cm 3 ⋅°C -2<br />

a 3 = 1,52755 ⋅10 -8 g / cm 3 ⋅ °C -3<br />

und ϑ: Temperatur in °C.<br />

Für die Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Dichte der Substanzen bzw.<br />

Mischungen genügen Messungen bei zwei verschie<strong>den</strong>en Temperaturen. Die daraus <strong>zu</strong><br />

bestimmende thermische Ausdehnung kann in dem für <strong>den</strong> Versuch relevanten<br />

Temperaturbereich als konstant angenommen wer<strong>den</strong>.<br />

(B) Dipolmoment<br />

Es soll das Dipolmoment einer in einem unpolaren Lösungsmittel gelösten Substanz aus der<br />

Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation bestimmt wer<strong>den</strong>.<br />

Die da<strong>zu</strong> nötige(n) Gleichung(en) sind ab<strong>zu</strong>leiten.<br />

Ausführung:<br />

Es wer<strong>den</strong> ca. 70 mL einer Mischung der Dipolsubstanz in n-Decan mit einem Molenbruch<br />

der polaren Substanz von ca. x 2 = 0,1 eingesetzt. Für die Auswertung ist die Kenntnis des<br />

genauen Stoffmengenverhältnisses nötig, daher müssen die Substanzen möglichst genau<br />

eingewogen wer<strong>den</strong>.<br />

Mit ca. 50 mL der Mischung wird die Messzelle des Dekameters befüllt. Die quasistatische<br />

(bei 1,8 MHz) Dielektrizitätskonstante ε der Mischung ist im Temperaturbereich von 20 °C<br />

bis 70 °C in Schritten von 10 °C mit Hilfe folgender Kalibrierfunktion <strong>zu</strong> bestimmen:<br />

ε = 1,294 ⋅ 10 -3 Skt -1 ⋅ s + 1,397<br />

im Resonanzfall<br />

mit s: Ablesewert am Dekameter in Skalenteilen (Skt)<br />

Nach jedem Verstellen der Temperatur ist mindestens 20 Minuten bis <strong>zu</strong>r Einstellung


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einer konstanten Temperatur der Messzelle ab<strong>zu</strong>warten.<br />

Der Rest der Mischung wird <strong>zu</strong>r Bestimmung der Dichte und ihrer Temperaturabhängigkeit<br />

benötigt. Da<strong>zu</strong> wird wie im Versuchsteil „<strong>Molrefraktion</strong>“ verfahren.<br />

Aus <strong>den</strong> Werten der Dielektrizitätskonstanten und <strong>den</strong> gemessenen bzw. berechneten Dichten<br />

ist für jede Messtemperatur die Molpolarisation <strong>zu</strong> bestimmen und gegen die reziproke<br />

Temperatur auf<strong>zu</strong>tragen.


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Institut für Physikalische Chemie<br />

Fortgeschrittenen-Praktikum 9. & 10. Dipolmoment & <strong>Molrefraktion</strong> Seite 15/15<br />

Tabelle 1:<br />

Atomrefraktionen (Inkremente) in organischen Verbindungen in cm 3 /mol bei λ = 589nm<br />

>C< 2,418<br />

(C) – H 1,100<br />

(C) = O 2,211<br />

(C) – O – (C) 1,643<br />

(C) –O – (H) 1,525<br />

(C) – Cl 5,957<br />

(C) – Br 8,865<br />

(C) – J 13,900<br />

>C=(=C

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