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BILD am SONNTAG,<br />
26. Oktober 2014 05<br />
(Lidl, Kaufland) ein. Diese Konzentration<br />
ist problematisch. Bei<br />
Fusionen müssen wir daher aufpassen,<br />
dass die Verbraucher<br />
nicht am Ende höhere Preisen bezahlen<br />
müssen und die Produkthersteller<br />
Was ist das<br />
Bundeskartellamt?<br />
Das Bundeskartellamt<br />
ist eine Behörde<br />
zum Schutz des<br />
Wettbewerbs in<br />
Deutschland. Sie ist<br />
dem Bundeswirtschaftsministerium<br />
unterstellt, aber<br />
praktisch unabhängig:<br />
Das Ministerium<br />
hat von seinem Weisungsrecht<br />
allerdings<br />
vor 30 Jahren zum<br />
letzten Mal Gebrauch<br />
gemacht.<br />
Aufgabe des Kartellamtes<br />
ist es zu verhindern,<br />
dass Unternehmen<br />
marktbeherrschende<br />
Stellungen<br />
einnehmen und<br />
so den Wettbewerb<br />
stören. Um dies<br />
durchzusetzen hat<br />
das Bundeskartellamt<br />
die Möglichkeit,<br />
unerlaubte Preisabsprachen<br />
von Unternehmen<br />
mit Geldstrafen<br />
zu belegen.<br />
Außerdem kann es<br />
Zusammenschlüsse<br />
von Unternehmen<br />
unangemessen unter Druck gesetzt<br />
werden.<br />
Lebensmittel sind in Deutschland<br />
ziemlich billig. Wo ist das<br />
Problem?<br />
Wenn ich mir<br />
die Zahlen<br />
verbieten, die durch<br />
eine Fusion den<br />
Markt dominieren<br />
würden.<br />
Das Bundeskartellamt<br />
zog 1999 im Zuge<br />
des Bonn-Berlin-<br />
Gesetzes als eine der<br />
wenigen Behörden<br />
von der Spree an den<br />
Rhein. Damit sollte<br />
Bonn für den Verlust<br />
des Hauptstadt-Status<br />
entschädigt werden.<br />
Für das Amt<br />
arbeiten derzeit rund<br />
330 Mitarbeiter. Es<br />
verfügt über einen<br />
Haushalt in Höhe<br />
von etwa 21 Millionen<br />
Euro. Die von<br />
ihm verhängten<br />
Strafgelder<br />
sind allerdings<br />
um ein Vielfaches<br />
höher. In diesem<br />
Jahr hat die<br />
Behörde Bußgelder<br />
von über einer Milliarde<br />
Euro verhängt –<br />
so viel wie nie zuvor.<br />
Das Geld fließt in den<br />
Bundeshaushalt.<br />
des Europäischen Statistikamtes<br />
anschaue, kaufen wir in Deutschland<br />
nicht besonders billig ein.<br />
Wir liegen da nach einigen<br />
Preiserhöhungen in den vergangenen<br />
Jahren deutlich über<br />
dem EU-Durchschnitt.<br />
Einige Produkte im<br />
Regal sind preiswert, andere<br />
nicht.<br />
Was sagen Sie den Mitarbeitern,<br />
deren Arbeitsplätze an<br />
einer Genehmigung<br />
der Übernahme<br />
hängen?<br />
Wir müssen den<br />
Wettbewerb sichern.<br />
Und ein funktionierender<br />
Wettbewerb<br />
sichert in der Regel<br />
Beschäftigung.<br />
Gegen die Mineralölkonzerne<br />
ermitteln Sie ja regelmäßig,<br />
passiert ist aber nichts. Schützt<br />
das Kartellamt hier am Ende<br />
die Multis?<br />
Wir haben keinen einzigen Beweis<br />
gefunden, dass es hier ein<br />
Kartell gibt. Wir haben umfangreich<br />
untersucht und wissen jetzt<br />
genau, wie die Benzinpreise gesetzt<br />
werden. Die Tankstellen<br />
handeln nach dem Motto „Abgucken<br />
und Nachmachen“. Das<br />
Ganze innerhalb von wenigen<br />
Stunden. Die Unternehmen brauchen<br />
also gar keine Absprachen,<br />
sie verstehen sich blind. Dass das<br />
funktioniert, zeigt, dass der Wettbewerb<br />
an der Tankstelle nicht<br />
rundläuft – es ist deshalb aber<br />
kein verbotenes Kartell.<br />
Und so steigen die Spritpreise<br />
pünktlich zum Ferienstart und<br />
an den Feiertagen. Sie haben also<br />
nichts gegen diese gemeinschaftliche<br />
Abzocke der Autofahrer<br />
erreicht.<br />
Doch. Ein erster<br />
Schritt ist getan.<br />
Heute gibt es die<br />
Markttransparenzstelle.<br />
So weiß jeder<br />
Verbraucher,<br />
wie hoch die Preise<br />
an den Tankstellen in seiner Umgebung<br />
sind und kann ganz gezielt<br />
die jeweils günstigste Tankstelle<br />
in seiner Umgebung ansteuern.<br />
Ich kann Ihnen sagen, es<br />
lohnt sich, dieses Instrument zu<br />
benutzen. Damit kann man eine<br />
Menge Geld sparen.<br />
Während Sie jedes Jahr mehr<br />
als 1100 Fusionen genehmigen<br />
oder verbieten, übernehmen<br />
einige wenige US-Internetkonzerne<br />
die deutsche Wirtschaft.<br />
Sind Google, Facebook, Apple<br />
und Amazon eine Bedrohung<br />
für den Wettbewerb?<br />
Die digitale Wirtschaft verändert<br />
Geschäftsmodelle. Das sehen Sie<br />
besonders stark bei den Medien<br />
und im Einzelhandel. Radio und<br />
Fernsehen verwachsen mit dem<br />
Internet. Im Internet kann ich<br />
„Wir liegen bei<br />
Lebensmittelpreisen<br />
deutlich<br />
über dem<br />
EU-Schnitt“<br />
„Wir wissen<br />
genau, wie die<br />
Benzinpreise<br />
gesetzt werden“<br />
heute jedes Produkt bestellen.<br />
Das ist eine echte Revolution, die<br />
viele Unternehmen vor große<br />
Herausforderungen stellt. Aber<br />
ich mache das nicht an einzelnen<br />
großen Internetunternehmen<br />
fest.<br />
Das Kartellamt ist<br />
eine Idee aus den<br />
50er-Jahren. Sind<br />
Sie für den Kampf<br />
gegen diese Multi-<br />
Milliarden-Konzerne gut genug<br />
aufgestellt?<br />
Das Kartellamt stammt zwar aus<br />
den 50er-Jahren, ist dort aber<br />
nicht stehen geblieben. Wir haben<br />
uns so mit den Märkten fortentwickelt,<br />
dass wir in der Lage<br />
sind, auch die Vorgänge im Internet<br />
richtig zu erfassen. Wir haben<br />
ja auch erfolgreich Verfahren<br />
gegen große Internetfirmen geführt.<br />
Denken Sie nur an die Best-<br />
Price-Klausel von Amazon.<br />
Dem weltgrößten Onlinehändler<br />
Amazon haben Sie<br />
verboten, Händlern, die dessen<br />
Plattform nutzen, die Preise zu<br />
diktieren. Trotzdem verdrängt<br />
Amazon das Buchgeschäft<br />
und kleinere Onlinehändler in<br />
Deutschland. Was können Sie<br />
da noch tun?<br />
Amazon beschränkt nicht nur<br />
Wettbewerb, sondern macht ihn<br />
manchmal auch erst möglich.<br />
Wir haben zum Beispiel Verfahren<br />
gegen Asics und Adidas geführt,<br />
die ihren Händlern verbieten<br />
wollten, ihre Ware online bei<br />
Plattformen wie<br />
Amazon und Ebay<br />
zu verkaufen. Wir<br />
haben mit unserem<br />
Einschreiten nicht<br />
etwa Amazon oder<br />
Ebay stärken wollen,<br />
sondern den Einzelhändler,<br />
dessen Geschäft in der Fußgängerzone<br />
vielleicht nicht so gut<br />
läuft. Wenn er als zweites Standbein<br />
online handeln will, muss er<br />
dort auch von den Verbrauchern<br />
gefunden werden. Da helfen ihm<br />
dann die großen Plattformen und<br />
Preissuchmaschinen. Sonst gäbe<br />
es die Gefahr, dass im Internet<br />
nur die ganz großen Händler und<br />
die Hersteller mit ihren Shops<br />
präsent sind.<br />
Google hat bei Suchmaschinen<br />
einen Marktanteil von 90<br />
Prozent und missbraucht diese<br />
Stellung auch, indem es eigene<br />
Shops besser anzeigt. Ist<br />
das nicht ein klarer Fall fürs<br />
Kartellamt?<br />
Die Platzierungen der Googleeigenen<br />
Dienste untersucht die<br />
BITTE BLÄTTERN<br />
SIE UM<br />
KARIKATUR VON KLAUS STUTTMANN/LAIF