36 Was uns bewegt bioskop 4/2007
Die verborgene Hälfte der Pflanzen Pflanzen sind uns in ihrer vielgestaltigen Form allgemein bekannt. Wir sehen aber immer nur einen Teil der Pflanzen – das Wurzelsystem, das sich unter der Erdoberfläche ausbreitet, ist für uns unsichtbar. Dabei spielen die Wurzeln eine außerordentlich wichtige Rolle für die Pflanzen: sie versorgen Stamm und Blätter mit Wasser und Nährstoffen, verankern die Pflanze im Boden und können sogar ein Speicherorgan sein (bekanntestes Beispiel: Wurzelgemüse: z.B. Karotten). Die Wichtigkeit des Wurzelsystems drückt sich auch darin aus, daß der Anteil an Wurzelbiomasse mehr als die Hälfte des gesamten Pflanzengewichtes ausmachen kann. MARKUS PUSCHENREITER JAKOB SANTNER WALTER W. WENZEL Wie schon erwähnt, ist die Aufnahme von Nährstoffen eine der wesentlichsten Aufgaben der Wurzeln. Allerdings sind mit diesem Prozess oft erhebliche Schwierigkeiten verbunden. Das Hauptproblem ist, dass die Nährstoffe nicht immer ohne weiteres einfach aufgenommen werden können. Zum Verständnis dieses Problems ist es zunächst wichtig, dass man sich vor Augen hält, dass der Boden, in dem die Wurzeln wachsen, aus verschiedenen Teilen besteht: aus festen Stoffen wie Tonmineralien und Humusbestandteilen, aus einem flüssigen Anteil – dem Boden<strong>was</strong>ser, und aus Bodenluft. Die Wurzel kann nur aufnehmen, <strong>was</strong> sich im Boden<strong>was</strong>ser in gelöster Form befindet. Der Großteil der Nährstoffe ist jedoch oft sehr fest an die festen Bestandteile gebunden und daher nicht für die Pflanzen verfügbar. Es gibt jedoch ein paar Tricks, wie die Wurzeln diese fest gebundenen Nährstoffe doch von den Tonmineralien und Humusbestandteilen herunterlösen können. Der Boden ist durch verschiedene Eigenschaften charakterisiert: physikalische Eigenschaften (z.B. Größe der Bodenpartikel, Durchlässigkeit für Wasser und Luft), chemische Eigenschaften (z.B. pH- Wert) und biologische Eigenschaften (Vielfältigkeit und Aktivität des Bodenlebens). Diese Eigenschaften bestimmen, in welchem Ausmaß die Nährstoffe für die Aufnahme zur Verfügung stehen. Die Pflanze ist diesen Eigenschaften jedoch nicht ganz ausgeliefert: sie kann diese gezielt verändern. Das ist dadurch möglich, dass die Wurzeln Substanzen in den Boden abgeben. Der Teil des Bodens, der durch diese Wurzelaktivität verändert <strong>wir</strong>d, <strong>wir</strong>d Rhizosphäre genannt. Es sind oft nur ein paar Millimeter Boden rund um die Wurzeln. Die Veränderungen sind aber so effektiv, dass diese geringe räumliche Ausdehnung ausreicht, um eine verbesserte Versorgung mit Nährstoffen zu erreichen. Darüberhinaus gibt es noch einen Trick, wie der von den Wurzeln beeinflußte Bereich noch weiter ausgedehnt werden kann, dazu später mehr. Eine wichtige Substanz ist die Zitronensäure. Sie be<strong>wir</strong>kt gleich mehrere Dinge: 1. Es kommt zu einer Verringerung des pH-Wertes. Viele Nährstoffe gelangen leichter in die Bodenlösung, wenn der pH-Wert niedriger ist. 2. Kann die Zitronensäure die gebundenen Nährstoffe direkt an sich binden und so von der Festsubstanz herunterlösen. 3. Kann die Zitronensäure von den im Boden lebenden Bakterien abgebaut werden, dadurch <strong>wir</strong>d das Bodenleben gefördert. Neben den chemischen und physikalischen Eigenschaften des Bodens ist die Vielfalt und Aktivität des Bodenlebens ein außerordentlich wichtiger Didaktik Faktor für Bodenfruchtbarkeit. Ebenso wie Pflanzenwurzeln können viele Bodenlebewesen u.a. Bakterien und Pilze) die Verfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen. Pflanzen fördern also das Bodenleben, indem sie Substanzen abgeben, die von Bakterien und Pilzen verarbeitet werden. Der Boden rund um die Wurzeln, die Rhizosphäre, ist damit von einem wesentlich höherer Aktivität des Bodenlebens gekennzeichnet. Viele Pflanzen, darunter alle Bäume, gehen mit bestimmten Bodenpilzen eine besondere Gemeinschaft ein: die sogenannte Mykorrhiza-Symbiose. Wie alle Symbiosen ist auch diese von einem beiderseitigen Nutzen gekennzeichnet. Die Pilzfäden wachsen dabei in die Wurzeln der Pflanzen ein, je nach Pflanze und Pilz wachsen die Fäden dabei entweder zwischen den Pflanzenzellen oder dringen sogar in sie ein. Die Pilze sind in der Lage, einige Nährstoffe (z.B. Phosphor) effizienter zu mobilisieren als die Wirtspflanze. Darüberhinaus <strong>wir</strong>d vom Pilz ein größeres Bodenvolumen erreicht, da die Pilzfäden dünner sind als Pflanzenwurzeln und in kleinere Poren eindringen können. Der Pilz erhält als Gegenleistung von der Wirtspflanze Zucker und andere Photosyntheseprodukte, die der Pilz selber nicht herstellen kann. Schon in den ältesten Fossilien von vollständiger Abbildung 1: Pilzfäden einer Ektomykorrhiza: Die weißen Pilzfäden (Hyphen) heben sich deutlich von den dunklen Pflanzenwurzeln ab. bioskop 4/2007 37