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Hotel Santo: Service- Management 'anders' - TomBlog

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Aus der Praxis<br />

<strong>Hotel</strong> <strong>Santo</strong>: <strong>Service</strong>-<br />

<strong>Management</strong> <strong>'anders'</strong><br />

11.10.2004 - Mittwoch, eigentlich kein guter Abend für <strong>Hotel</strong>bars.<br />

Es ist gemütlich warm und die Lounge-Musik aus dem PC schafft<br />

die richtige Kulisse für das lebhafte Gemurmel in der Bar - die fast<br />

platzt. "Gebt Vollgas!", feuert Barchef Mike seine Kellner an;<br />

neben ihm achtet auf die <strong>Service</strong>-Qualität - der 23-jährige<br />

<strong>Hotel</strong>direktor.<br />

Hundert Massivholzstühle, Velurpolster, runde Tischchen, lederne<br />

Barhocker, ein paar Marmorsäulen - nichts beeindruckendes für die<br />

Cocktailbar eines Vier Sterne <strong>Hotel</strong>s. Doch diesen Abend hat allein eine<br />

Gruppe von 35 Jugendlichen zur Happy-Hour-Zeit reserviert und macht<br />

den <strong>Service</strong>kräften Feuer unter dem Hintern:<br />

"Die Gäste kommen hauptsächlich von draußen rein, die Bar<br />

läuft wieder", sagt der <strong>Hotel</strong>direktor und Manager Patrick E.<br />

Seiffert.<br />

Das Sport- und Kongresshotel <strong>Santo</strong> läuft<br />

finanziell vielerorts besser, seit der 23-jährige<br />

Manager am 1. Mai 2004 das Ruder übernommen<br />

hat. Wegen seines Alters wird er von anderen<br />

<strong>Hotel</strong>direktoren "schon mal schief angekuckt"; weil<br />

er die Dinge <strong>'anders'</strong> macht als branchenüblich; und<br />

weil er mit anpackt. Er hat vor ein paar Jahren selbst<br />

mit hinter Mikes Theke gestanden, war dann Food and Beverage (F&B)<br />

Manager und nimmt noch heute persönlich den Telefonhörer an der<br />

Rezeption ab.<br />

Wenn Manager Seiffert heute mit ansieht, wie Barchef Mike und seine<br />

Mitarbeiter, wegen 35 nach Cocktails dürstenden Jugendlichen ins<br />

Schwitzen kommen, kann er es sich nicht verkneifen, selbst mit<br />

anzupacken. Hier mit ein paar Früchten den Cocktail dekoriert, dort ein<br />

paar Schalen Chips gefüllt, aber so, dass er nicht im Weg steht. Klar<br />

kommt er dabei nicht mehr so ins Schwitzen wie früher, aber er<br />

vermittelt damit eine 'andere' Arbeitsatmosphäre und Respekt vor der<br />

Leistung seiner Mitarbeiter. Flache Hierarchie heißt das Stichwort.<br />

"Noch vor kurzem hat er einen ganzen Nachmittag lang den<br />

Barchef vertreten", sagt ein Mitarbeiter.


Manager Seiffert: "Ich trage auch die<br />

Koffer"<br />

An diesem Mittwoch Abend war Seiffert im "Casual-Friday-Look"<br />

kaum als Manager zu erkennen. In einem späteren Gespräch mit<br />

business-wissen erläuterte er, was sich seit seinem Amtsantritt<br />

verändert hat und was das <strong>Hotel</strong> <strong>Santo</strong> von anderen Vier Sterne<br />

Häusern abhebt, insbesondere den <strong>Hotel</strong>ketten, wie Dorint,<br />

Renaissance, Queens etc.<br />

Würde man Seifferts Worte hören, ohne ihn vorher mit eigenen Augen<br />

arbeiten gesehen zu haben, könnte man denken, es handelte sich um die<br />

übliche PR-Masche. Diesen Verdacht, versucht er mit entwaffnender<br />

Ehrlichkeit und Ironie von Beginn an entgegenzutreten:<br />

"Ich erzähle Ihnen erstmal, was ich sonst auch den Vertretern<br />

erzählen würde." [grinst]<br />

Darum nimmt man ihm auch seine Fassung der<br />

Unternehmensphilosophie ab:<br />

"Früher war die Unternehmenspolitik ganz <strong>'anders'</strong>. Heute<br />

wollen wir keine falschen Eitelkeiten mehr. [...] Ich trage den<br />

Gästen auch die Koffer aufs Zimmer, ich weiß wie das ist. Ich<br />

will nicht, dass mich jemand hier wegen meiner Position<br />

respektiert oder nicht respektiert. Wenn jemand mich nicht<br />

respektiert, dann wegen meiner Leistung. Ich habe auch<br />

Respekt vor der Arbeit des Housekeepings [der Putzfrauen].<br />

Das Personal trägt zwar weniger Verantwortung, aber es hat<br />

einen härteren Job. [...] Unser Job ist es nicht, dem Gast ein<br />

schönes Zimmer anzubieten oder ihm ein Frühstück<br />

hinzustellen. Unser Job ist es, dem Gast 24 Stunden lang eine<br />

schönere Zeit zu bereiten. Er soll sich wohler fühlen als zu<br />

Hause und sich am Ende seines Aufenthalts erholt haben. Dann<br />

kommt er auch gerne wieder", schwärmt Manager Seiffert.<br />

Personal mit "Dienstleistungs-Gen" statt<br />

ausgebildeter <strong>Hotel</strong>fachkräfte<br />

Die 'andere' <strong>Service</strong>kultur fußt auf der 'anderen' Personalpolitik.<br />

Ausgebildetes <strong>Hotel</strong>fachpersonal ist nach Ansicht Seifferts nicht<br />

notwendig. Seine etwa zwanzig Mitarbeiter hat er nach eigenen<br />

Kriterien ausgesucht:<br />

"Ich spreche da immer vom 'Dienstleistungs-Gen'. Entweder<br />

man hat es oder man hat es nicht. Mit einer mehrjährigen<br />

Ausbildung in einer großen <strong>Hotel</strong>kette bekomme ich das nicht.<br />

[...] Ich habe mir die Kurse selber angeschaut. Was in den


Prüfungen gefragt wird, ist überzogen und was man an<br />

Brauchbarem lernt, kann sich ein Mensch mit Verstand in sechs<br />

Monaten in der Praxis anarbeiten. [...] Ich will, dass mein<br />

Personal selbstständig handelt, nachdenkt, und wenn fast alle<br />

Betten in der Stadt belegt sind, ein Zimmer auch mal teurer<br />

verkauft."<br />

Von der früheren Belegschaft haben nur wenige diese Kriterien erfüllt.<br />

Der stellvertretende <strong>Hotel</strong>direktor ist einer: Victor Petri ist seit sechs<br />

Jahren dabei und Seifferts bester Freund. Seriösität, Diskretion und<br />

korrektes Auftreten sind Eigenschaften, die man ihm ansehen kann. Mit<br />

der alten Unternehmensführung war er selten einverstanden und hatte<br />

Probleme mit dieser, weil er seine Überzeugungen vertrat.<br />

Barchef Mike ist ein zweites Beispiel für jemanden, der die Kriterien<br />

erfüllt. Er ist dabei, seit das <strong>Hotel</strong> im Oktober 1997 erbaut wurde. 13<br />

Jahre Berufserfahrung und immer noch Spaß am Cocktailmixen<br />

prädestinieren ihn für den Job. Durch sein bestimmtes, aber<br />

freundliches Auftreten wird er auch mit schwierigen Gästen fertig. Er<br />

verblüfft die Gäste mit Zauber- und Kartentricks sowie unterhaltsamen<br />

Geschichten. Bei den sich daraus entwickelnden Gesprächen geben die<br />

Kunden Feedback und erzählen von sich. Vorlieben, Geburtsdaten und<br />

was der Gast sonst noch von sich erzählt, wird mit neuester<br />

<strong>Hotel</strong>management-Software festgehalten und genutzt:<br />

"Wenn Herr [Mustermann] an seinem Hochzeitstag eincheckt<br />

und man ihm eine Flasche Schampus auf's Zimmer gestellt hat,<br />

vergisst der dich nie wieder", ist Seiffert überzeugt.<br />

Gewöhnliche Ausstattung, ungewöhnlicher<br />

<strong>Service</strong><br />

Dafür sind die Grundpreise der Zimmer niedriger als<br />

in den meisten Vier Sterne <strong>Hotel</strong>s der Stadt. Dadurch<br />

konnten laut Seiffert viele Kunden zurückgeholt<br />

werden, die in der Vergangenheit dem <strong>Santo</strong> den<br />

Rücken gekehrt haben. In den 52 Zimmern<br />

nächtigen zu 95 Prozent Geschäftskunden großer<br />

Firmen. Die Ausstattung der sich gleichenden<br />

Zimmer entspricht gehobenen Standards der <strong>Hotel</strong>-Klasse:<br />

• Marmorbad, Kirschholzmöbel<br />

• Vollklimatisierung<br />

• Fernseher (Astra und Eutelsat),<br />

• Internet-Anbindung über Wireless LAN (kabellos mit 1,5<br />

Mbit/s; alternativ ISDN oder Analogmodem),<br />

• sprachgesteuerte Telefone, Anrufbeantworter,<br />

• 24 Stunden Room-<strong>Service</strong> mit warmen Speisen und nicht<br />

zuletzt die Minibar.


Einen besonderen <strong>Service</strong> bietet das <strong>Hotel</strong>-Personal<br />

in Bezug auf den kabellosen Internetzugang,<br />

Wireless-LAN, den sie nach eigenen Angaben als<br />

erste der <strong>Hotel</strong>s in Karlsruhe einführten. Die W-<br />

LAN-Antenne für Notebooks kann seit dem Start am<br />

1. Juni 2004 kostenlos ausgeliehen werden. Bei<br />

Problemen steht eine <strong>Service</strong>kraft bei der Installation<br />

und Einwahl zur Seite. Die Einwahl in das Internet ist im gesamten<br />

<strong>Hotel</strong> möglich und <strong>'anders'</strong> als bei mancher Konkurrenz vollständig<br />

kostenlos. Woanders zahlt man schon mal Gebühren pro Einwahl,<br />

durch die den <strong>Hotel</strong>s eigentlich keine Kosten entstehen.<br />

Mit Überzeugungen und Prinzipien 'gegen'<br />

den Penny-Markt<br />

Auch die Preise des Room-<strong>Service</strong>, des Restaurant oder der Minibar<br />

müssen immer so gestaltet sein, dass der Gast nicht das Gefühl hat, er<br />

könnte es ohne Mühen günstiger bekommen:<br />

"Wenn man das Wasser in der Minibar zu fünf Euro verkaufen<br />

will - in Vier-Sterne-<strong>Hotel</strong>s kann man das machen - dann geht<br />

der Gast zum Penny-Markt um die Ecke, holt sich zwei Liter<br />

und bleibt die ganze Zeit auf dem Zimmer", erläutert Manager<br />

Seiffert.<br />

Aufgrund der niedrigen Preise ist die Marge gering, aber die Umsätze<br />

steigen und damit auf lange Sicht auch die Gewinne. Seiffert weiter:<br />

"Der Gast befindet sich im <strong>Hotel</strong> in einer<br />

Abhängigkeitssituation und die nutzen wir aus Prinzip nicht<br />

aus. Der Gast darf zu keinem Zeitpunkt das Gefühl haben, dass<br />

er übers Ohr gehauen wird, sondern er muss das Gefühl haben<br />

ein gutes Geschäft gemacht zu haben."<br />

Nicht aus den roten Zahlen heraus kommen<br />

wollen<br />

Die Gewinnsituation im Haus ist laut Seiffert gut fünf Monate nach<br />

dem Neuanfang noch verbesserungswürdig:<br />

"Wir [die Unternehmensleitung] und unsere Mitarbeiter<br />

verdienen noch unterdurchschnittlich. [...] Für das Gesamtjahr<br />

werden wir es nicht schaffen, aus den roten Zahlen<br />

herauszukommen, aber das war auch nicht unser Ziel für dieses<br />

Jahr. Unser Ziel war es, zuerst gesunde Strukturen zu schaffen,<br />

die ineinander greifen."<br />

Patrick Seiffert erläutert das so, dass dort Stellen gekürzt wurden, wo<br />

sie überflüssig waren oder dass ein fehleranfälliges Kartensystem<br />

abgeschafft wurde, weil der Gast zu Hause auch einen normalen<br />

Schlüssel für die Tür hat. Auch der Einkauf exotischer Spirituosen,<br />

wurde mit Seifferts pragmatischer Herangehensweise optimiert:<br />

"Wenn eine Flasche ein Jahr rumsteht, macht sie keinen Umsatz.<br />

Das ist totes Kapital. Wenn sie nur einen Tag steht, schreiben


wir Gewinne. Das sind alles ganz logische Sachen. Dafür<br />

braucht man nicht studiert zu haben."<br />

Trotzdem stehen in den Regalen der Cocktailbar<br />

noch über 40 verschiedene Whiskeys. Die Bar öffnet<br />

täglich am Abend, die Happy-Hour und die<br />

verlängerten Wochenend-Öffnungszeiten sind<br />

Magneten für ein buntes Publikum. Dass die Bar<br />

wieder läuft, bedurfte vieler kleiner Detail-<br />

Änderungen und -Investitionen. Für Kellner und<br />

Barkeeper wurde beispielsweise einheitliche Arbeitskleidung<br />

angeschafft, die das Markenzeichen "<strong>Santo</strong>" auf Hemdkragen und<br />

Schürzen trägt sowie die Farbgebung mit den Krawatten wieder<br />

auffängt.<br />

"Was in eine Abteilung investiert wird, muss diese auch<br />

erarbeiten. Das ist eine ganz einfache Kosten-Leistungs-<br />

Rechnung. Das machen wir auf einem Blatt Papier."<br />

Die neue Cocktailkarte beispielsweise kostete 2.000 Euro. Durch das<br />

platzieren von Markennamen, auch in der weiteren Barausstattung,<br />

spielt sie aber in drei Jahren 18.000 Euro wieder ein. Viele <strong>Service</strong>-<br />

Leistungen können bei In-House Partnern unter dem selben Dach<br />

genutzt werden. Dazu gehört das outgesourcte beziehungsweise<br />

verpachtete italienische Restaurant, das Kosmetik- und Sonnenstudio.<br />

Gute Aussichten und viel Ausbaupotenzial<br />

Es gibt noch einige Baustellen im Unternehmen.<br />

Renoviert werden noch das große Fitnesscenter mit<br />

Sauna und Dampfbad und die Internetseite, die Ende<br />

des Jahres ein neues Gesicht erhalten soll. Auch die<br />

zwei Tagungsräume werden neu gestaltet, in denen<br />

sonst Präsentationen stattfinden. Ein<br />

kostenpflichtiger <strong>Service</strong> für das Einscannen und<br />

Ausdrucken von Präsentationsmaterial unterstützt die Referenten dabei.<br />

Türsteuerung an der Rezeption und Videoüberwachung bieten einen<br />

zusätzlichen Sicherheits-<strong>Service</strong> im kostenpflichtigen Parkhaus.<br />

Sollte es weiter so gut laufen, wären laut Manager Seiffert ein Ausbau<br />

des <strong>Hotel</strong>s oder ganz neue Häuser mit den selben <strong>Service</strong>-Prinzipien<br />

denkbar. Doch gibt er zu bedenken, dass entsprechend gutes Personal<br />

schwer zu finden ist - und da ist noch ein Haken - Seiffert sagt:<br />

"Ich wollte nicht für ein Kettenhotel arbeiten, die sind zu<br />

unpersönlich."<br />

Link<br />

http://www.hotel-santo.de


[TL | Bilder: <strong>Hotel</strong> <strong>Santo</strong>]

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